Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen Frank Häßler Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität Rostock DGPPN - Kongress 2010, Lehrerveranstaltung, 25.11.
Epidemiologie Insbesondere externalisierende i Probleme (dissoziales und deviantes Verhalten) wurden im Kinder- und Jugendsurvey (KiGGS) bei 7102 Mädchen und 7376 Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren erfasst. Symptome für Verhaltensauffälligkeiten wurden im Elternurteil mit 14,8% auffälligen und 16,0% als grenzwertig eingeschätzten Kindern und Jugendlichen berichtet. Jungen überwiegen deutlich (Hölling et al. 2007, Verhaltensauffälligkeiten it bei Kindern und Jugendlichen. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung- Gesundheitsschutz 50:784-793). 793).
Prävalenz psychischer Auffälligkeiten generell Untersuchung Stichprobengröße Prävalenz Hölling et al. 2007 KIGGS n=14478 14.7% (w:11.5%, m: 17.8%) 8.1% mit hohem, 13.4%mit mittlerem und 23.2%mit 2%mit niedrigem Sozialstatus
Täter Kinder < 14 J. 14-18 J. 18-21 J. > 21 Jahre Körperverletzung mit Todesfolge Gefährliche und schwere Körperverletzung Vorsätzliche leichte Körperverletzung 0,0% 5,6% 12,0% 82,4% 5,7% 20,7%! 17,6% 56,0% 3,5% 11,8% 11,2% 73,5% Opfer Körperverletzung 6,4% 5,5% 7,3% 80,8% mit Todesfolge Gefährliche und schwere Körperverletzung Vorsätzliche leichte Körperverletzung 5,9% 15,4% 17,4% 61,4% 6,8% 12,7% 13,5% 67,0% PKS 2008
DELINQUENZ Zurückweisung durch peer Group Streben nach Anerkennung, Bindung an deviante Gruppen bzw. Gleichaltrige oppositionell aggressives Verhalten inkonsistente Erziehung schulische Mißerfolge mangelnde Kontrolle + erfahrene Gewalt genetische und organische Faktoren HKS, LRS, niedrige Intelligenz Modell nach Patterson et al.1989
HKS/ADHS Diagnose nach ICD-10 / DSM-IV Symptome (alle situationsübergreifend) ICD-10 DSM-IV F 90.0 Einfache Aufmerksamkeits- und Hyperaktivi- tätsstörung Aufmerksamkeitsstörung + + Impulsivität + Störung des Sozialverhaltens Hyper- aktivität Aufmerksamkeitsstörung Aufmerksamkeitsstörung Hyperaktivität/ Impulsivität mit ohne ohne Hyperaktivität/ Impulsivität Hyperaktivität/ Impulsivität Aufmerksamkeitsstörung Diagnosen F 90.1 Hyperkinetische et e Störung des Sozialverhaltens ADHS: Mischtyp ADHS: Vorwiegend unaufmerksamer Typ ADHS: Vorwiegend hyperaktivimpulsiver Typ
Epidemiologie Schlack et al. BGB, 2007
ADHD Prävalenz in Täterpopulationen Author N Country Results Hollander and Turner 1985 185 USA 19% developmental abnormalities with and without ADHD Milin et al. 1991 111 CAN 19% ADD (23% A, 24% H, 33% I) Haapasalo and Hamalainen 1996 89 FIN 50% ADHD Richards 1996 100 AUS 4% ADHD Timmons-Mitchell et al. 1997 50 USA 72% ADHD, male: 76%, female 68% Ulzen and Hamilton 1998 98 CAN 27% (controls 2%, male 29%, female 18%) Doreleijers et al. 2000 108 NETH 14% ADHD Plizka et al. 2000 50 USA 18% ADHD Vermeiren et al. 2000 72 BEL 19% ADHD Ruchkin et al. 2003 358 RUS 18% lifetime, 3% cross-section Young et al. 2010 54 UK 43% 14-year-old antisocials Rösler et al. 2004 129 GER 45% ADHD (males only) Young et al. 2009 189 UK 24% childhood ADHD Einarsson et al. 2009 90 ICEL 50% childhood ADHD Rösler et al. 2009 110 GER 10% ADHD (females only) Edvinsson et al. 2010 50 S 50% ADHD (females only)
Childhood psychiatric disorders and young adult crime (Copeland et al. 2007, Am J Psychiatry 164:1668 (Copeland et al. 2007, Am J Psychiatry 164:1668-75, n=1420, follow up study, 9-16/21 years)
A 30-Year Prospective Follow-up Study of Hyperactive Boys With Conduct Problems: Adult Criminality (Satterfield et al. 2007, J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 46:601-10) 10)
SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe (KICK vom 27.12.2004) 27 Hilfe zur Erziehung (Erziehungsberatung, Soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer, Sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehung in einer Tagesgruppe, Vollzeitpflege, Heimerziehung) 35a Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
35 a Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (nach KICK) 35 a Eingliederungshilfe g für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und 2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. 27 Abs.4 gilt entsprechend.
Prävalenz psychischer Auffälligkeiten generell und bei Heimkindern (Epidemiologie ) Untersuchung Stichprobengröße Prävalenz Pätow 2008 n=44 w:59.1%, m:55.0% McCann et. al. 1996 n=103 96% (Heimkinder n=38) Hukkanen et. al. 1999 n=91 59% Meltzer et al. 2003 n=1039 (Heimkinder n=168) 68% Burns et. al 2004 n=3803 88,6% (n=49 Heimkinder) Franz 2004 n=263 30% Blower et al. 2004 n=50 44% Schmid 2007 n=689 59,9%
ULMER HEIMKINDERSTUDIE Gesamtstichprobe N = 689 Ohne Einverständnis Anonymes Fremdurteil n = 123 9 CBCL Unauswertbar Screening mit CBCL/YSR n = 557 β-fehler! Auffällig T-Wert > 59 n = 452 Drop Out n = 93 (21 %) Unauffällig T-Wert < 60 n = 105 Diagnostisches Interview DISYPS-KJ n = 359 Untersuchung beendet Rückmeldung der Ergebnisse ICD- 10 Diagnose n = 265 + 6 Geistig Behinderte Keine Diagnose n = 88 Punktprävalenz: 59,9 % ohne F 70 und 61,3 % mit F 70
Verhaltensauffälligkeiten bei Heimkindern Diagnose Prävalenz Heim SSV (F 91, F 92) 26 % HKS (F 90.0 + F 90.1) Depression (+ 22 % F 90.1) 24 % Prävalenz Bevölkerung 6 % 3-6 % 10,4 % 1-5 % (F 32, F 34) Angst 4 % 1,8 5,3 % Enuresis 6 % (14 Jahre) Substanzmissbrauch 8,8 % (14 Jahre) 2 % 4 % (Alkohol) ab 16 LJ 1 % Cannabis ab 14LJ
Indexmerkmale zur Vorhersage einer Fremdplatzierung 2 Jahresanalyse aller stationär behandelten Patienten der KJPP Rostock Signifikanz (Chi- Quadrat nach Pearson) Gruppe 1 (nichtfremdplatzierte Patienten) 220 Gruppe 2 (vorgeschlagen fremdplatzierte Patienten 52 Gruppe 3 (fremdplatzierte Patienten) 69 Alkoholabusus 34.4% 42.0% 71.4% 0.000 der Eltern Niedriges soziales Milieu häufige Behandlungszahl ausgeprägtere Aufnahme- symptomatik Substanzmissbrauch des Patienten t 46.8% 55.8% 81.2% 0.000 12.7% 25.0% 43.5% 0.000 12.3% 23.1% 43.5% 0.000 5.5% 15.4% 33.3% 0.000 Verlust (Tod) 53.6% 65.4% 91.3% 0.000 Scheidung 45.8% 58.0% 81.0% 0.000 Psychische Erkrankungen in der Familie 26.7% 41.9% 53.8% 0.001
Stichprobenziehung Heimkinderuntersuchung acht Wohngruppen von vier Trägern der stationären Jugendhilfe des Landkreises Bad Doberan: Jugend- und Sozialwerk (JSW) Region Rostock ggmbh Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Mecklenburg Vorpommern Gesellschaft für Kinder- und Jugendhilfe des ASB mbh Kinder und Jugendhilfeverbund Landkreis Bad Doberan Arbeiterwohlfahrt (AWO) Kreisverband Bad Doberan e.v. Kinder- und dj Jugendhaus Becker 44 Jugendliche im Alter von 13-20 Jahren (MW=15,5, SD=1,7) Ablauf der Untersuchung Aufteilung in Prä- und dp Postbefragung: Messung 1 April 2006 Messung 2 Dezember 2006
Ergebnisse Betrachtung der psychischen Auffälligkeit Prä/Post 70 Psychische Auffälligkeit Prä/Post (YSR) (N=23) 60 Mädchen (N=13) Jungen (N=10) 50 Prozent 40 30 20 10 0 Prä Post Prä Post Prä Post Prä Post Prä Post Prä Post Grenzbereich klinisch auffällig Grenzbereich klinisch auffällig Grenzbereich klinisch auffällig Internal External Gesamt
Unterbringung 1. Zivilrechtliche Unterbringung - 70 FGG: 1631b BGB, 1906 Abs.1-3 3BGB - 42.3 SGB VIII (KJHG) 2. Öffentlich - rechtliche Unterbringung - PsychKG 3. Strafrechtliche Unterbringung - 63, 64 StGB, 81, 126a StPO, 16 JGG
1631 b BGB Eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung it t i h verbunden ist, ist nur mit Genehmigung des Familiengerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Das Gericht hat die Genehmigung zurückzunehmen, wenn das Kindeswohl des Kindes die Unterbringung nicht mehr erfordert. Neue Fassung vom 04.07.2008 BGBl. I S. 1188: Eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, bedarf der Genehmigung des Familiengerichts. i Die Unterbringung ist zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Das Gericht hat die Genehmigung zurückzunehmen, wenn das Wohl des Kindes die Unterbringung nicht mehr erfordert.
Epidemiologie Die Anzahl der jährlich zu 1631b BGB bundesweit getroffenen Entscheidungen stieg dramatisch von 6016 Fällen 2006 auf 8240 Fälle 2007 an (Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 2.2). Jeder dritte Fall wird in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen, mit steigender Tendenz der absoluten Zahlen. Ca. 8-9% aller vollstationären Patienten der KJPP erfahren Zwangsmaßnahmen. So waren in der KJPP Ulm 2001 9 Kinder und Jugendliche geschlossen untergebracht, hingegen 2007 schon 19.
FM/GU Verfahren GU/JH 185 Pl. 2004; 279 Pl. 2007 in 7 Bundesländern, d ca. 2500 GU/KJPP 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 8240 6662 6999 7383 6458 6016 2002 2003 2004 2005 2006 2007 53% mit ADHD (F 90.1) in Gutachten zu 1631b (Hopps&Permien 2006, DJI Projektbericht)
Unterbringung 1. Zivilrechtliche Unterbringung - 70 FGG: 1631b BGB, 1906 Abs.1-3 3BGB - 42.3 SGB VIII (KJHG) 2. Öffentlich - rechtliche Unterbringung - PsychKG 3. Strafrechtliche Unterbringung - 63, 64 StGB, 81, 126a StPO, 16 JGG
D k fü di Danke für die Aufmerksamkeit!