Bericht 5134/06. Reibschweißverbindungen aus Titanlegierungen artgleich und mit Stahl



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Transkript:

Reibschweißverbindungen aus Titanlegierungen artgleich und mit Stahl Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie - Innovationsberatungsstelle Südbayern Zuwendungsbescheid Nr. 07 03/686 60/720/03/2793/04/2794/05 Zuwendungsbescheid Nr. 07 03/893 60/721/03 (Schlussbericht) Der Bericht darf nur ungekürzt und unter Nennung der Urheberschaft der SLV München, NL der GSI mbh, veröffentlicht werden. Die gekürzte oder auszugsweise Veröffentlichung bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt SLV München. Der Bericht enthält 123 Seiten. Juni 2006

Reibschweißverbindungen aus Titanlegierungen artgleich und mit Stahl Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 4 2 Stand der Technik / Theorie... 5 3 Zielstellung und Vorgehensweise... 6 4 Experimentelle Randbedingungen... 7 4.1 Reibschweißmaschinen... 7 4.2 Messtechnik... 8 4.3 Spanntechnik... 9 4.4 Schutzgasvorrichtung... 10 4.5 Versuchswerkstoffe und Probenvorbereitung... 11 4.6 Zuordnung von Versuchsnummern, Werkstoffkombinationen und Geometrien 12 5 Reibschweißen von Titan artgleich... 13 5.1 Titan artgleich - Vollquerschnitte... 13 5.1.1 Schweißprozesses... 13 5.1.2 Verbindungseigenschaften... 15 5.1.3 Einfluss des Gasschutzes... 16 5.2 Titan artgleich - dünnwandige Hohlquerschnitte... 18 5.3 Titan artgleich - dickwandige Hohlquerschnitte... 19 5.3.1 Schweißprozess... 19 5.3.2 Verbindungseigenschaften... 21 5.4 Zusammenfassung Ti/Ti artgleich... 23 6 Reibschweißen von Titan mit Stahl... 25 6.1 Titan/Stahl - Vollquerschnitte 18 mm... 25 6.1.1 Schweißprozess... 26 6.1.2 Verbindungseigenschaften... 27 6.1.3 Schutzgaseinfluss... 28 6.1.4 Zusammenfassung... 29 6.2 Titan/Stahl - Hohlquerschnitte 18 mm... 29 6.2.1 Schweißprozess... 29

6.2.2 Verbindungseigenschaften... 31 6.2.3 Wöhlerlinien zur Schwingfestigkeit unter Zug-Schwell-Beanspruchung. 34 6.2.4 Zusammenfassung... 35 6.3 Titan/Stahl - Hohlquerschnitte bis 50 x 3 mm... 35 6.3.1 Schweißprozess... 36 6.3.2 Verbindungseigenschaften... 37 6.3.3 Zusammenfassung... 39 6.4 TiAl6V4/X6CrNiMoTi17-12-2, Hohlquerschnitte 48x2,5 mm... 40 6.5 Zusammenfassung St/Ti... 40 7 Diskussion... 42 8 Zusammenfassung... 46 9 Schrifttum... 50 10 Anhang... 53 10.1 Tabellen... 53 10.2 Bilder... 63

1 Einleitung Energieeinsparung durch Gewichtsreduzierung ist eines der wichtigsten Ziele weltweiter Aktivitäten in den Bereichen der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt und der Schienenfahrzeuge. Aber auch andere Gebiete wie Maschinenbau und Sportartikelindustrie melden hier dringenden Bedarf an. In diesem Zusammenhang kommt dem Werkstoff Titan /1-4/ mit seinem geringen Eigengewicht eine hohe Bedeutung zu. Weitere herausragende Eigenschaften von Titanlegierungen sind die hohe spezifische Festigkeit und die ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit. Die Titanlegierungen sind zwar fast doppelt so schwer wie Aluminiumlegierungen - aber nur halb so schwer wie Stähle oder Nickelbasis-Superlegierungen, die für vergleichbare Festigkeits- oder Korrosionsanforderungen einzusetzen wären (Werkstoffkennwerte im Vergleich: Tabellen 1-3, Bild 1). Anwendungen finden Titanlegierungen bisher hauptsächlich in der Luft- und Raumfahrt oder in der chemischen Industrie, zunehmend jedoch auch in der Verkehrs- und Medizintechnik, der Bauindustrie sowie im Freizeitbereich. Unter der Voraussetzung geeigneter Fügemöglichkeiten - artgleich, oder in Verbindung mit anderen Werkstoffen - ergeben sich neue Applikationsmöglichkeiten, die qualitativ hochwertig und zugleich wirtschaftlich anwendbar sind. Titanlegierungen werden heute in einer wachsenden Zahl von Anwendungen eingesetzt, obwohl die Herstellungskosten hoch sind /5-12/ (Bilder 2-7), z.b. in Gasturbinen, in hochbelasteten Flugzeugteilen (Schmiedelegierungen Ti6242 und Ti64 für Turbinenläufer im Airbus 310, Ti-10-2-3 im Hauptfahrwerk der Boeing 777) sowie in der chemischen Industrie als Ersatz für rostfreien Stahl. Von verschiedenen Reibschweiß-Lohnbetrieben sind Aufträge aus der Medizintechnik bekannt, z.b. das Reibschweißen von Titanlegierungen artgleich für Hüftgelenkprothesen. Neben Hüftund Kniegelenkprothesen werden eine Reihe weiterer Dauerimplantate (Herzschrittmachergehäuse, Knochenplatten, Knochenschrauben und -nägel, etc.) aus Titanlegierungen hergestellt. Im Kraftfahrzeugbereich (Bild 7) wird der Werkstoff Titan zur Zeit entdeckt. Kein Anwendungsbereich hat so große Steigerungsraten wie der Freizeit- und Sportsektor. Nach Fahrradrahmen aus Titan werden heute z.b. auch Golfschläger aus Titan gefertigt oder hochwertiges Expeditionsgerät wie Tools, Gestänge, etc.. Das Reibschweißen kann wesentlich zur Verbesserung der Konstruktions- und Fertigungsmöglichkeiten von Titanlegierungen mit Stahl beitragen. Mit vereinfachten Halbzeugen lassen sich auch Zerspanungsaufwand, Materialverbrauch und Werkstoffkosten reduzieren. Voraussetzung für einen breiten Einsatz der Titanwerkstoffe sind Kenntnisse zur Schweißeignung und zur Beeinflussung der Werkstoffeigenschaften, zur Prozesssicherheit und zur Wirtschaftlichkeit, mit der sich die Verbindungen herstellen lassen. Der Kenntnisstand hierzu - speziell zum Reibschweißen von Titanlegierungen artgleich und mit Stahl - soll durch diese Forschungsarbeit erweitert werden. 4

8 Zusammenfassung Im Rahmen des Projektes "Reibschweißverbindungen von Titanlegierungen artgleich und mit Stahl" wurden von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt SLV München prozesstechnische und werkstoffkundliche Untersuchungen zur Herstellung hochfester Titanverbindungen durchgeführt, um neue Anwendungsgebiete für innovative Leichtbauprodukte zu erschließen. Die Reibschweißversuche mit Voll- und Hohlquerschnitten von 16 bis 50 mm wurden auf zwei Reibschweißmaschinen mit kombiniertem Antrieb durchgeführt, einer 4-t- und einer 15-t-Reibschweißmaschine. Im Gegensatz zum Schwungradreibschweißen, das traditionell für Titan-Reibschweißanwendungen in der Luft- und Raumfahrt zur Anwendung kommt, sind Reibschweißmaschinen mit kombinierten Antrieb europaweit verbreitet und für die allgemeine Fertigung, z.b. in Lohnbetrieben oder in der Automobilindustrie, verfügbar. Darüber hinaus bietet das "Kombinierte Reibschweißen" einen maschinengeregelten Prozessablauf. Für artgleiche Reibschweißverbindungen TiAl6Sn2Zr2Mo2Cr2 (Ti6-2-2-2-2) wurden optimierte Verbindungen mit einer Drehzahl von 3.500 1/min, einem Reib-/Stauchdruck von 60/120 N/mm² und einer Reibzeit von 1,4 s erzielt. Die Gesamtverkürzung beträgt dabei 3,5 mm - anteilig 50%/50% aufgeteilt auf beide Reibpartner. Verglichen mit Stahlwerkstoffen (Vollquerschnitte) liegt das Drehzahlniveau höher, das Druckniveau ist vergleichbar oder etwas abgesenkt und die Reibzeit ist kürzer. Mit zusätzlicher Schutzgasabdeckung (Argon, 15 l/min) werden nur äußere Bereiche der Verbindung geschützt, die im Rahmen einer Nachbearbeitung mit dem Wulst ohnehin entfernt werden. Die Werkstoffbeeinflussung erreicht ohne Schutzgas weniger als 0,1 mm Tiefe von der Oberfläche und kann deshalb mit normalen Bearbeitungsaufmaßen entfernt werden. Das Reibschweißen, das ohne Schutzgasabdeckung möglich ist, stellt eine wesentliche prozesstechnische Vereinfachung gegenüber Schmelzschweißverfahren dar und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung potenzieller Fehlerquellen bezüglich der Verbindungsqualität. Das im Grundwerkstoff vorliegende Duplexgefüge der Titanlegierung mit nadeligen (α +β)- Gefügebereichen und globularen α-körnern verändert sich im Bereich der Fügezone. Mit Annäherung zur Schweißnaht werden die globularen α-körner in der Wärmeeinflusszone immer mehr aufgelöst und der Anteil an α -Nadeln nimmt zu. Durch die Wärme setzt zudem Kornwachstum ein. Das Gefüge ist dadurch in der Wärmeeinflusszone etwas gröber als im Grundwerkstoff - im Vergleich aber wesentlich feinkörniger als das grobkörnige Gussgefüge einer Schmelzschweißverbindung. Im schmalen Bereich der Wärmeeinflusszone ±1,5 mm an der Fügezone steigt die Härte gegenüber dem Grundwerkstoff 360 HV1 auf 440-450 HV1 an. Dieser Härteanstieg kann auf Verfestigungseffekte durch den Stauchvorgang - vergleichbar dem Schmieden - zurückgeführt werden. Die Festigkeit des Titan wird durch das Reibschweißen an der Fügestelle nicht beeinträchtigt. Die gemessenen Werte der Zugfestigkeit R m 46

liegen mit 1125 bzw. 1148 N/mm² sogar über den Werten, die vom Werkstoffhersteller für den Grundwerkstoff genannt werden (1026-1114 N/mm²). Beim Reibschweißen von Hohlquerschnitten aus Titan artgleich kommt es aufgrund der intensiven Reibung bei Wanddicken unter 3 mm zu extrem schneller Verkürzung. Verkürzungshemmende Gleiteffekte werden bei Hohlquerschnitten TiAl6V4, 18 x 3 mm, erst unter erhöhter Drehzahl 5.500 1/min, niedrigem Reibdruck 20 N/mm² und ausreichendem Verformungswiderstand (Wanddicke mindestens 3 mm) erkennbar. Dennoch waren damit aufgrund der schnellen Verkürzung keine stabilen Prozessbedingungen einstellbar. Noch empfindlicher reagiert Rein-Titan Ti99,9, das bei vergleichbarer Rohrwanddicke noch weniger Verformungswiederstand zeigt. Die gute Schweißbarkeit von Hohlquerschnitten mit 10 mm Wanddicke lässt daher den Schluss zu, dass zum Reibschweißen artgleicher Titanverbindungen an Hohlquerschnitten eine Mindestwanddicke von 3-5 mm erforderlich ist - abhängig von der Titanlegierung und der möglichen Umfangsgeschwindigkeit (Drehzahl, Durchmesser). Für Hohlquerschnitte 50 x 10 mm lässt sich unter hoher Drehzahl 2.500 U/min (6,5 m/s) und vergleichsweise geringem Reibdruck 40-50 N/mm² ein stabiler Kurzzeitprozess einstellen (Reibzeit 1,3 s, Verkürzung 3,4 mm). Auch diese Verbindungen erreichen die Festigkeit des Grundwerkstoffes (Bruchlage Grundwerkstoff, R m = 1020 N/mm²). Die Bruchdehnung beträgt 11-14%. Durch das Fügen unterhalb der Schmelztemperatur wird ein gleichmäßiger, homogener und feinkörniger Gefügezustand eingestellt. Dabei bietet das Reibschweißen mit kombiniertem Antrieb die Möglichkeit, die Wärmeeinbringung und die Breite der Schweißnaht und ihren Gefügezustand noch weiter zu optimieren, z.b. durch Variation der Reibzeit und des Stauchvorganges. Die Versuchsergebnisse zeigen deshalb auch, dass die traditionelle Bevorzugung des Schwungradreibschweißens für artgleiche Titanverbindungen mit dem vorwiegenden Einsatz für den Flugtriebwerksbau heute für universelle Anwendungen nicht mehr zu begründen ist. Die Herstellung hochfester Titan/Stahl-Reibschweißverbindungen wurde an Vollquerschnitten 18 mm und Hohlquerschnitten 18x3 mm mit TiAl6V4 und verschiedenen Stahlwerkstoffen untersucht. Die Schweißparameter-Arbeitsbereiche unterscheiden sich wesentlich von artgleichen Titanlegierungen. Im Vergleich dazu wird mit sehr niedriger Drehzahl ca. 1.000 1/min und hohen Anpressdrücken reibgeschweißt: 280-300 N/mm² Reibdruck bei Vollquerschnitten und 180-220 N/mm² bei Hohlquerschnitten. Die Reibzeit ist mit 1-2 s vergleichbar kurz. Die Stahllegierung übt einen wesentlichen Einfluss auf die Reibschweißeignung Stahl/Titan aus. Der Schnellarbeitsstahl S 6-5-2 ist mit TiAl6V4 nur mäßig reibschweißgeeignet. Aufgrund des gleitenden Reibverhaltens ist die Wärmeeinbringung und Verbindungsbildung nur unzureichend möglich. Hingegen sind der Vergütungsstahl C10 und der Einsatzstahl 16MnCr5 gut mit TiAl6V4 reibschweißgeeignet. Die Verbindungen erreichen im Zugversuch nahezu die Festigkeit der Stahl-Grundwerkstoffe oder überschreiten diese in einzelnen Fällen bereits. Der Bruch tritt dann neben der Schweißnaht im Stahl-Grundwerkstoff auf. Die nachfolgende Aufstellung vergleicht die bisher erziel- 47

ten Zugfestigkeitswerte für Titan/Stahl-Reibschweißverbindungen bei Voll- und Hohlquerschnitten. Vollquerschnitt 18 mm Zugfestigkeit R m [N/mm²] Hohlquerschnitt 18x3 mm Zugfestigkeit R m [N/mm²] Reibschweißeignung 16MnCr5 /TiAl6V4 520-560 670-720 + C10 / TiAl6V4 500-540 650-670 + S6-5-2 / TiAl6V4 90-170 20-440 - Auch bei größeren Hohlquerschnitten zeigt sich ein ausgeprägter Einfluss der Stahllegierung auf die Verbindungseigenschaften. Der legierte Stahl X6CrNiMoTi17-12-2 ("V4A") konnte als Hohlquerschnitt trotz vielfältiger Anpassung von Schweißparametern und Arbeitsrandbedingungen nicht reibgeschweißt werden. Aufgrund der Eigenspannungen durch die stark unterschiedliche Schrumpfung beider Werkstoffe (18 : 9) kommt es bei der Abkühlung zum Bruch der Verbindung. Bei der Werkstoffkombination C35/TiAl6V4, 49,2x 2,5 mm, trat dieser Effekt auch auf, konnte aber durch eine verlängerte Abkühlzeit (t 8/5 : 6 s 12 s) verhindert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Abkühlung im oberen Temperaturbereich > 800 C weiterhin rasch erfolgt, um diffusionsbedingte Bildung spröder intermetallischer Phasen zu begrenzen. Erst im mittleren und unteren Temperaturbereich <800 C ist die langsamere Abkühlung hilfreich, um Schrumpfeigenspannungen abzubauen und ggf. die stahlseitige Aufhärtung an der Fügezone zu mindern. Die gewählte Vorwärmung des Stahlteils auf 250 ist nur bei massiven Teilen mit Rohransatz anwendbar (Wärmeverlust über Spannwerkzeuge). In der praktischen Anwendung könnte der Abkühlverlauf mittels prozessintegrierter Induktionserwärmung auch bei geringer Wärmekapazität eines Rohres gezielt reguliert werden. Die reibgeschweißten Rohrverbindungen erreichen bisher Zugfestigkeitswerte R m bis 580 N/mm². Die im Rahmen der Untersuchungen erzielten Ergebnisse an artgleichen Titan-Reibschweißverbindungen und Titan/Stahl-Mischverbindungen zeigen bereits deutlich auf, dass das Reibschweißen zur Herstellung hochfester Titan Verbindungen geeignet ist - nicht nur für die Luft- und Raumfahrt, sondern auch auf gebräuchlichen Reibschweißmaschinen mit kombiniertem Antrieb für Anwendungen in der allgemeinen Fertigung, z.b. für den vermehrten Einsatz innovativer Leichtbaukomponenten im Kfz-Bau. Die Forschungsergebnisse können dafür unmittelbar von den mittelständischen Lohn- und Zulieferbetrieben genutzt werden. Durch das Reibschweißen lassen sich insbesondere die hohen Herstellungskosten bei Titanbauteilen senken, z.b. durch Verwendung einfacherer Rohlinge aber auch durch die einfache Prozessführung (Nahtvorbereitung, kein Schutzgas, kein Schweißzusatz). Daneben können Sekundäreffekte effektiv genutzt werden, z.b. durch Teilsubstitution des Werkstoffes bei Mischverbindungen und die gezielte Kombination von Werkstoffeigenschaften (z.b. leichtes Titan mit härtbarem, ver- 48

schleißfestem Stahl). Die Vorteile der Titanwerkstoffe sind durch das Reibschweißen einem breiterem Anwendungsspektrum nutzbar. Die mit Investitionsmitteln bezuschusste 15-t-Reibschweißmaschine (Bild 11, Bild 85) wurde bei Projektbeginn beschafft, für die Untersuchungen mit größeren Querschnitten eingesetzt und leistet über diese Forschungsthematik hinaus vielfache Beiträge zur Anwendungsentwicklung und zum Technologietransfer Reibschweißen am Standort Bayern. Neben den in diesem Projekt erarbeiteten Erkenntnissen verfügt die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt SLV München über ein umfassendes Know-How zu fügetechnischen Prozessen, um damit die Industrie bei der Einführung neuer Werkstoffe und Fertigungsprozesse für innovative Produkte zu unterstützen. Die Untersuchungen wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie - Innovationsberatungsstelle Südbayern - gefördert. Wir bedanken uns für die Förderung dieser Forschungsarbeit. Der Schlussbericht zu dem Projekt ist von der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt SLV München, Niederlassung der GSI mbh zu beziehen. Unser Dank richtet sich auch an folgende Firmen, für die Unterstützung der Forschungsarbeit: KUKA Schweißanlagen GmbH (Augsburg), Deutsche Titan GmbH DTG (Essen). München, den 30.06.2006 49