Prof. Dr. jur. Brunhilde Steckler FH Bielefeld Fachbereich Wirtschaft Rechtliche Planungs- und Gestaltungstechniken (SS 2001) Teil 1: Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsgestaltung Abb. 1: Übersicht über das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwendungsbereich des AGBG Begriffsdefinition AGB Einbeziehung der AGB in den Vertrag Allgemeine Regelungen Generalklausel Inhaltskontrolle Aktivlegitimation 23 ff AGBG 1 AGBG 2 AGBG, 145 ff BGB Überraschungsklausel, 3 AGBG Vorrang der Individualabrede, 4 AGBG Unklarheitenregel, 5 AGBG Rechtsfolgen, 6 AGBG, 134 ff BGB Umgehungsverbot, 7 AGBG 9 AGBG 10, 11 AGBG 13 AGBG Prüfungsfolge: 1. Ausgangsfrage 2. Anspruchsgrundlage 3. Anspruchsvoraussetzungen (evtl.: Zwischenergebnis feststellen) 4. Gegenrechte (Ausschlußtatbestände für den geprüften Anspruch, Leistungsverweigerungsrechte) 5. Ergebnis (Antwort auf die Ausgangsfrage oder Feststellung zu Nr. 2 treffen und die nächste Anspruchsgrundlage prüfen) An welcher Stelle wird die Wirksamkeit einer Formularbedingung untersucht?
2 Steckler, AGB und Vertragsgestaltung (SS 2001) Beispiel 1 (Garantiebedingungen im Versandhandel) 1 Ein Versandhaus verwendet Garantieurkunden, auf deren Vorderseite neben der Bezeichnung des Artikels die Dauer der jeweils eingeräumten Garantiezeit eingetragen wird und deren Rückseite auszugsweise folgende vorgedruckte Garantiebedingungen enthält: Die Garantie beginnt mit dem Tag der Warenlieferung... Eine Garantieleistung verlängert die Garantiezeit nicht... In der Garantiezeit beseitigen wir jeden Produktionsfehler am Gerät, der nachweisbar auf Material- oder Herstellungsfehlern beruht, oder liefern einen Ersatzartikel. Die erforderlichen Ersatzteile und die anfallende Arbeitszeit werden nicht berechnet... Bei Garantiezeiten, die über 6 Monate hinausgehen, berechnen wir im Garantiefall ab dem 7. Monat eine anteilige Fahrkostenpauschale von 9,50 DM oder die anfallenden Portokosten... Nach Auffassung eines Verbraucherschutzvereins verstoßen diese Garantiebedingungen gegen 11 Nr. 10 b, c, f AGB-Gesetz. Kann der Verbraucherschutzverein von dem Versandunternehmen die Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln in ihren Garantiebedingungen verlangen? Beispiel 2 (Verkaufs- und Lieferbedingungen) 2 Die G-GmbH stellt Leichtmetallfenster her, die sie vertreibt und montiert. Den Verträgen mit ihren Kunden legt sie Verkaufs- und Lieferungsbedingungen zugrunde, die u.a. folgendes bestimmen: 1. Die Preise sind freibleibend. Bei einer Steigerung von Material- und Rohstoffpreisen, Löhnen und Gehältern, Herstellungs- und Transportkosten ist der Lieferer berechtigt, die vom Tage der Lieferung gültigen Preise zu berechnen. 2. Ist eine bestimmte Lieferzeit vereinbart, beginnt diese erst nach Eingang der vom Auftraggeber beizubringenden Unterlagen und nach Vorliegen der verbindlichen Maße im Lieferwerk sowie deren schriftliche Bestätigung durch den Hersteller. 3. Verzögert sich die Lieferzeit aus einem vom Hersteller zu vertretenden Umstand, so kann der Auftraggeber (= Besteller) nur dann vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn er dem Hersteller zuvor unter Ablehnungsandrohung erfolglos eine Nachfrist von mindestens 6 Wochen gesetzt hat und diese Frist fruchtlos abgelaufen ist. 4.... nicht zu vertreten hat der Hersteller insbesondere Streik, Aussperrung, nicht rechtzeitige Belieferung durch Zulieferer... 5.... Ist die Montage im Vertrag eingeschlossen, so sind bei Anlieferung 90 % der Rechnungssumme fällig. Der Restbetrag ist bei Bauabnahme fällig mit 3 % Skonto auf die Gesamtsumme... 6.... Versteckte Mängel der gelieferten Ware sind vom Auftraggeber unverzüglich nach Sichtbarwerden schriftlich zu rügen... Die Verbraucherzentrale verlangt von der G-GmbH, diese Klauseln im Rechtsverkehr gegenüber Nichtkaufleuten nicht mehr zu verwenden.
Steckler, AGB und Vertragsgestaltung (SS 2001) 3 Beispiel 3 (AGB für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk) 3... Offensichtliche Mängel müssen unverzüglich nach Lieferung der Ware oder bei Abnahme der Leistung gerügt werden... Beispiel 4 (AGB für das Mechanikerhandwerk) 4... Beanstandungen des Bestellers können nur innerhalb von vierzehn Tagen nach Absendung der Rechnung an den Besteller, beziehungsweise nach Eingang der Ware beim Besteller, berücksichtigt werden. Lieferungen, welche an Dritte erfolgen, sind vor der Weitersendung zu prüfen. Für Schäden in Folge natürlicher Abnutzung wird keine Haftung übernommen. Der Lieferer ist zur Beseitigung von Mängeln nicht verpflichtet, solange der Besteller seine Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt. Der Lieferer haftet ferner nicht, wenn die Ausbesserung der Ersatzleistung durch eigenmächtige Nachbesserungsarbeiten des Bestellers erschwert wird.... Beispiel 5 (AGB für das Elektroinstallateurhandwerk) 5... 5. Gewährleistung und Haftung 5.1. Die Gewährleistung und Haftung bei Reparaturen an Gegenständen 5.1.1 Die Gewährleistung beträgt für alle Arbeitsleistungen sowie für eingebautes Material sechs Monate ab dem Zeitpunkt: eine Woche nach genanntem Abholtermin. 5.1.2 Zur Mängelbeseitigung hat der Kunde dem Werkunternehmer die nach billigem Ermessen erforderliche Zeit und Gelegenheit zu gewähren. Der Kunde hat insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß der beanstandete Gegenstand zur Untersuchung und Durchführung der Nachbesserung dem Werkunternehmer oder dessen Beauftragten zur Verfügung steht. Ersetzte Teile gehen in das Eigentum des Werkunternehmers über. 5.1.3 Stellt sich im Rahmen eines Gewährleistungsverlangens des Kunden heraus, daß der beanstandete Fehler auf eine andere technische Ursache zurückzuführen ist, als die bei der ursprünglichen Reparatur vorlag, so handelt es sich um keinen Fall von Gewährleistung. Der entstandene und zu belegende Aufwand wird daher dem Kunden in Rechnung gestellt. 5.1.4 Von jeglicher Gewährleistung ausgeschlossen sind: Fehler, die durch Beschädigung, falschen Anschluß oder falsche Bedienung durch den Kunden verursacht werden, Schäden durch höhere Gewalt, z. B. Blitzschlag, Mängel durch Verschleiß bei Überbeanspruchung mechanischer oder elektromechanischer Teile durch nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch oder Mängel durch Verschmutzung, Schäden durch außergewöhnliche mechanische, chemische oder atmosphärische Einflüsse. 5.1.5 Der Gewährleistungsanspruch erlischt, wenn ohne das Einverständnis des Werkunternehmers Änderungen an den Leistungen vorgenommen werden. 5.1.6 Offensichtliche Mängel der Leistungen des Werkunternehmer muß der Kunde unverzüglich, spätestens 10 Werktage nach Eintritt der Erkennbarkeit bei Abnahme oder Inbetriebnahme dem Werkunternehmer schriftlich anzeigen, ansonsten ist dieser von der Mängelhaftung befreit....
4 Steckler, AGB und Vertragsgestaltung (SS 2001) 5.1.7 Der Werkunternehmer haftet für Schäden und Verluste an dem Gegenstand, soweit ihn oder seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden trifft. Im Falle der Beschädigung ist er zur lastenfreien Instandsetzung verpflichtet. Ist dieses unmöglich oder mit unverhältnismäßig hohem Kostenaufwand verbunden, ist der Wiederbeschaffungswert am Tag der Beschädigung zu ersetzen. Dasselbe gilt bei Verlust; Ziffer I, 6.2 dieser Bedingungen bleibt unberührt. Darüber hinausgehende Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche des Kunden, sind ausgeschlossen, sofern nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Werkunternehmers oder seiner Erfüllungsgehilfen vorliegt. Die Gewährleistungspflichten gelten auch für evtl. Ansprüche des Kunden aus Verschulden bei Vertragsabschluß, positiver Vertragsverletzung und unerlaubten Handlungen. Soweit sich hieraus eine Beschränkung der Haftung für leichte Fahrlässigkeit bei Verschulden bei Vertragsabschluß, positiver Vertragsverletzung oder unerlaubten Handlungen zugunsten des Werkunternehmers ergibt, gilt diese Beschränkung für den Kunden entsprechend. Beispiel 6 (Leasing-Bedingungen für Gewährleistung) IX. Gewährleistung 6 1. Es gelten die Gewährleistungsbedingungen des Verkäufers des Leasing-Fahrzeuges, die dem Leasing-Nehmer mit Bestätigung des Leasing-Vertrages ausgehändigt werden. Der Leasing- Nehmer ist berechtigt und zunächst verpflichtet, Nachbeserungsansprüche bei den vom Hersteller anerkannten Reparaturbetrieben geltend zu machen. 2. Kann ein Gewährleistungsfehler, der die Tauglichkeit des Leasing-Fahrzeuges zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert, nicht beseitigt werden oder sind für den Leasing- Nehmer weitere Nachbesserungsversuche unzumutbar, ist der Leasing-Nehmer bei entsprechendem Nachweis berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leasing-Geber entweder den Leasing-Vertrag zu beenden oder eine Minderung der Leasing-Raten zu verlangen. 3. Verlangt der Leasing-Nehmer die Beendigung des Vertrages, sind die bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Leasing-Raten vom Leasing-Nehmer zu zahlen. Im übrigen gilt XII. 4. Verlangt der Leasing-Nehmer Minderung der Leasing-Raten, werden die Anschaffungskosten des Leasing-Fahrzeuges um die Höhe des Anspruchs des Leasing-Gebers gegen den Verkäufer auf Minderung des Kaufpreises gesenkt und die Leasing-Raten auf dieser Basis unter Beibehaltung aller übrigen Faktoren neu berechnet.
Steckler, AGB und Vertragsgestaltung (SS 2001) 5 7. Beispiele unzulässiger Klauseln a) Für alle Teile, die nicht aus unserer Fabrikation stammen, übernehmen wir keine Gewähr. 7 b) Wenn der Fehler nicht beseitigt werden kann oder für den Käufer weitere Nachbesserungsversuche unzumutbar sind, kann der Käufer anstelle der Nachbesserung Wandlung oder Minderung verlangen. 8 c) Ist die Ware infolge von Material- oder Verarbeitungsfehlern mangelhaft oder fehlen ihr zugesicherte Eigenschaften, so ist der Lieferer verpflichtet, sie nach seiner Wahl entweder nachzubessern oder kostenlos Ersatz zu liefern. Weitere Gewährleistungsansprüche des Bestellers, insbesondere auf Ersatz von Auswechselungskosten, entgangenem Gewinn usw., sind ausgeschlossen. 9 d) Für Mängel, zu denen auch das Fehlen zugesicherter Eigenschaften gehört, haftet der Lieferer unter Ausschluß weiterer Ansprüche gegen ihn... 1. Alle diejenigen Teile sind nach Wahl des Lieferers unentgeltlich auszubessern oder neu zu liefern, die innerhalb von 12 Monaten ohne Rücksicht auf Betriebsdauer vom Tage des Gefahrübergangs gerechnet, nachweisbar infolge eines vor dem Gefahrübergang liegenden Umstandes... unbrauchbar werden oder deren Brauchbarkeit erheblich beeinträchtigt wurde... 5. Wenn der Lieferer eine ihm gestellte angemessene Nachfrist verstreichen läßt, ohne den Mangel zu beheben, so kann der Besteller das Recht der Minderung geltend machen. Kommt zwischen Besteller und Lieferer eine Einigung über das Ausmaß der Minderung nicht zustande, so kann der Besteller auch Wandelung verlangen. Die Wandelung kann vom Besteller nur erklärt werden, wenn sein Interesse an der Lieferung durch den Mangel wesentlich beeinträchtigt oder vernichtet wird. 10 e) Für die gekaufte Ware leistet der Verkäufer die handelsübliche Garantie in der Weise, daß er unter Ausschluß des Anspruches auf Wandelung, Minderung und Schadensersatz während der gesetzlich vorgeschriebenen Frist alle Fehler und Schäden durch Nachbesserung beseitigt, die nachweislich auf Arbeits- oder Materialmängel zurückzuführen sind. 11 f) Die von der Firma... gewährte Garantie umfaßt den Anspruch auf Nachbesserung. Die Firma... ist berechtigt, stattdessen Ersatz zu liefern. Alle anderen Gewährleistungsansprüche sind ausgeschlossen. Sie leben jedoch für den Fall wieder auf, daß Nachbesserung oder Ersatzlieferung fehlschlägt. 12 g) Wenn der Fehler nicht beseitigt werden kann oder für den Käufer weitere Nachbesserungsversuche unzumutbar sind, kann der Käufer anstelle der Nachbesserung Wandelung oder Minderung verlangen. 13 h) Ein Anspruch auf Wandelung, Minderung oder aus 480 BGB besteht nicht, es sei denn, daß der Verkäufer nicht in der Lage ist, den Mangel zu beheben. 14 i) Ein Garantieanspruch kann nur nach Vorlage dieser ordnungsgemäß ausgestellten Garantiekarte anerkannt werden. Die Garantiezusage erstreckt sich auf Wiederherstellung des Betriebszustandes, nicht aber auf Wandelung, Minderung oder Ersatzlieferung. 15
6 Steckler, AGB und Vertragsgestaltung (SS 2001) j) Die Garantie erstreckt sich nicht auf Schäden..., für die handelsüblich keine Garantie gewährt wird, wie Textilien, Spiegel, Gläser, Maser-Wurzel und bunte Furniere, auf Farbe und Lack bei gemalten, lackierten oder gespritzten Möbeln, sowie für alle Schäden, die mit der Montage von Regalen, Hängeschränken oder ähnlich angebrachten Gegenständen im Zusammenhang stehen. 16 k) Für den Fall von Sonderangeboten und Selbstabholmöbeln gibt es keine Garantieverpflichtung des Verkäufers. Der Kauf erfolgt wie gesehen. Diese Verkäufer erfolgen unter Ausschluß jeder Gewährleistung. Ansprüche auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz sind für diese Verkäufe, soweit es gesetzlich zulässig ist, ausgeschlossen. 17 l) Festgestellte Mängel sind innerhalb einer Frist von 8 Tagen zu beseitigen. Bei Nichtbefolgung wird eine Beseitigung von dritter Seite vorgenommen und dem Auftragnehmer in Rechnung gestellt bzw. von dessen Rechnung abgezogen. 18 m) Der Leasing-Geber tritt seine gegenwärtigen bzw. zukünftigen Rechte und Forderungen gegen Lieferanten... hinsichtlich des Leasing-Objektes insbesondere aus Serviceleistungen, Sach- und Rechtsmängeln, Garantiehaftung und positiver Vertragsverletzung mit Abschluß des Leasing- Vertrages an den Leasing-Nehmer ab... Gewährleistungs-, Garantie- und Service-Ansprüche sowie etwaige Ansprüche aus Verzug, positiver Vertragsverletzung oder unerlaubter Handlung gegen den Lieferanten entbinden den Leasing-Nehmer nicht von der Verpflichtung, die vereinbarten Leasing-Raten an den Leasing-Geber zu zahlen und den Leasing-Vertrag voll zu erfüllen. 19 n) Reklamationen können nur innerhalb von 8 Tagen nach Lieferung berücksichtigt werden und müssen schriftlich per Einschreiben erfolgen. Garantieansprüche können nur berücksichtigt werden, wenn sie schriftlich per Einschreiben erfolgen. 20 o) Der Garantieanspruch erlischt, wenn am Gerät Reparaturen oder Eingriffe vom Käufer oder unbefugten Dritten vorgenommen werden bzw. wenn die Garantieurkunde eigenmächtig geändert wird. 21 Fußnoten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Steckler, Wirtschaftsrecht, 5. Auflage Ludwigshafen/Rhein 2000, S. 453 ff. BGH NJW 1985, 855; vgl. Steckler, a.a.o., S. 444 ff. Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, München 1982, S. 272. Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, München 1982, S. 276. Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, München 1982, S. 280. Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, München 1982, S. 380 Bunte, Handbuch der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, München 1982, S. 114 WM 1982, 9. BGH NJW 1981m 1510 BGH, AGBE II 9 Nr. 46 NJW 1981, 1501 AGBE I 11 Nr. 94 AGBE I 11 Nr. 93 = WRP 1980, 444 AGBE II 11 Nr. 102 = NJW 1982, 331 AGBE II 11 Nr. 107 = NJW 1982, 187 AGBE II 11 Nr. 97, 11 Nr. 105 AGBE I 11 Nr. 83 AGBE I 11 Nr. 87 AGBE I 9 Nr. 160 AGBE I 11 Nr. 82 AGBE I 11 Nr. 111 AGBE II 11 Nr. 97