Qualitätsstandards der Fallanalyse für die Polizeien des Bundes und der Länder



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Transkript:

Qualitätsstandards der Fallanalyse für die Polizeien des Bundes und der Länder

2

Harald Dern Heinz Erpenbach Roland Frönd Olaf Hieber Alexander Horn Elke Liesener Christiane Schaser Andreas Tröster Jens Vullgraf (OFA BKA) (OFA LKA Nordrhein-Westfalen) (OFA BKA) (OFA LKA Niedersachsen) (OFA Bayern, PP München) (OFA LKA Hamburg) (OFA LKA Thüringen) (OFA LKA Baden-Württemberg) (OFA LKA Schleswig-Holstein) Qualitätsstandards der Fallanalyse für die Polizeien des Bundes und der Länder 3

BUNDESKRIMINALAMT Kriminalistisches Institut, KI 13 Operative Fallanalyse (OFA) Bundeskriminalamt Wiesbaden 2010 Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Quellenangabe und mit Genehmigung des Bundeskriminalamtes 4

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 7 2 Qualitätsstandards Anwendung Fallanalytischer Verfahren... 14 2.1 Vorbemerkung... 14 2.2 Begriffsbestimmung Fallanalyse... 14 2.3 Zielsetzung... 15 2.4 Methodik der Fallanalyse... 15 2.4.1 Grundprinzipien der Fallanalyse... 15 2.4.1.1 Objektivität... 15 2.4.1.2 Teamansatz... 16 2.4.1.3 Schriftform... 16 2.4.2 Vorgehensweise bei der Fallanalyse... 17 2.4.2.1 Erhebung der Falldaten... 17 2.4.2.2 Bestandsaufnahme... 18 2.4.2.3 Bewertung und Interpretation der Falldaten... 18 2.4.2.4 Darstellung der Analyseergebnisse... 19 2.4.2.5 Evaluation von Fallanalyse-Ergebnissen nach Ermittlung des Täters... 19 2.5 Weitere fallanalytische Unterstützungsleistungen... 19 2.5.1 Vergleichende Fallanalysen... 19 2.5.1.1 Vergleichende Fallanalyse zur Prüfung des Serienzusammenhangs... 20 2.5.1.2 Vergleichende Fallanalyse bei bereits bestehendem Serienzusammenhang... 21 2.5.2 Geografische Fallanalysen... 22 5

3 Qualitätsstandards Anforderungsprofil für polizeiliche Fallanalytiker... 24 4 Qualitätsstandards Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker... 27 Anlagen Anlage 1... 29 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Basismodul ViCLAS Anlage 2... 31 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Aufbaumodul ViCLAS Anlage 3... 33 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Basismodul Fallanalyse Anlage 4... 35 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Aufbaumodul Fallanalyse Anlage 5... 37 Standards der schriftlichen Darstellung der Ergebnisse der Fallanalyse Anlage 6... 38 Standardisierte Vorbemerkungen zur Methodik der Fallanalyse Anlage 7... 39 Liste der deutschsprachigen Literatur zum Thema Operative Fallanalyse (OFA) 6

1 Einleitung Historie Die Qualitätsstandards der Fallanalyse wurden im Jahr 2003 entwickelt und festgeschrieben, um die hohe Qualität im Bereich der Anwendung fallanalytischer Verfahren zu sichern und zu verbessern. Weiterhin sollte eine Abgrenzung gegenüber methodisch abweichenden Ansätzen sowie eine Vergleichbarkeit der fallanalytischen Leistungen, die durch OFA-Dienststellen der Polizei erbracht werden, ermöglicht werden. 1 Die Fallanalyse bewertet abgesetzt von den Ermittlungen im Falle von bestimmten Kapitaldelikten im Rahmen einer methodisch strengen Analyse das vorliegende Datenmaterial (z.b. Tatortbefund- und Obduktionsbericht) im Hinblick auf Tathergang, fallspezifische Parameter und das Täterprofil. Die so erzielten Ergebnisse dienen der Unterstützung der Ermittlungen der anfragenden Dienststelle. Neben der Fallanalyse wurden als weitere Unterstützungsleistungen der OFA-Dienststellen die vergleichende und die geografische Fallanalyse eingehend beschrieben sowie Qualitätsstandards definiert. Die Qualitätsstandards der Fallanalyse haben sich in der Folgezeit außerordentlich bewährt und sind als Ausdruck des Bestrebens der deutschen Polizei im Hinblick auf die Erstellung hochwertiger Fallanalysen weithin anerkannt worden. Entsprechende Aussagen sind auch von juristischer und wissenschaftlicher Seite erfolgt (so z. B. im Rahmen des 2006 abgehaltenen BKA- Kolloquiums Die Operative Fallanalyse in der Hauptverhandlung ). 1 Die Abkürzung OFA steht für den Terminus Operative Fallanalyse. Die entsprechenden Spezialdienststellen der deutschen Polizei führen ihre Auswertungen nicht im Sinne eines strategischen Ansatzes durch, sondern stellen ihre Analyse-Tools in den Dienst der Arbeit an konkreten Ermittlungsfällen. Insofern ist der Charakter dieser Dienststellen grundsätzlich operativ. 7

Gleichwohl wurde die Notwendigkeit gesehen, diese zu modifizieren, da die ursprünglichen Qualitätsstandards der Fallanalyse zwar einen wichtigen Meilenstein darstellten, diese jedoch fortzuschreiben und weiterzuentwickeln sind. Die Kommission Kriminalitätsbekämpfung (KKB) der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminalamt (AG Kripo) setzte im Rahmen ihrer 19. Tagung am 11./12.03.2008 in Stromberg (TOP 14.1) aufgrund des Berichts des BKA zum Vorhaben der OFA-Dienststellen des Bundes und der Länder zur erforderlichen Überarbeitung und Aktualisierung der Qualitätsstandards der Fallanalyse die Bund-Länder- Projektgruppe (BLPG) Qualitätsstandards der Fallanalyse ein. Sie erhielt den Auftrag, redaktionelle Anpassungen in den Qualitätsstandards der Fallanalyse 2 vorzunehmen und dabei insbesondere die Themenfelder vergleichende und geografische Fallanalyse zu präzisieren, den neu strukturierten Fallanalyseprozess zu integrieren sowie die Vereinheitlichung des Fallanalyse- Ergebnisberichtes zu prüfen. In der Projektgruppe waren die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Thüringen und das Bundeskriminalamt (Federführung) vertreten. Da in der bisherigen Gremienbefassung die vier Bereiche der Qualitätsstandards die Anwendung fallanalytischer Verfahren das Anforderungsprofil für polizeiliche Fallanalytiker 3 das Auswahlverfahren für polizeiliche Fallanalytiker und 2 An der Erarbeitung der Qualitätsstandards 2003 waren Harald Dern und Michael Schu (beide OFA BKA), Heinz Erpenbach (OFA LKA Nordrhein-Westfalen), Gerd Hasse (OFA LKA Berlin), Alexander Horn (OFA Bayern, PP München), Jürgen Kroll (OFA LKA Schleswig-Holstein) und Andreas Tröster (OFA LKA Baden-Württemberg) beteiligt. Das Anforderungsprofil und die Ausbildung für polizeiliche Fallanalytiker (s. Begriffserklärung auf S. 8) wurden maßgeblich durch Michael C. Baurmann und Jens Vick (beide OFA BKA) erarbeitet. 3 Im Sinne einer besseren Lesbarkeit wurde auf eine Nennung weiblicher und männlicher Formen verzichtet. Alle Ausführungen beziehen sich jedoch sowohl auf weibliche wie auch auf männliche Personen. 8

der Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker als gesonderte Berichte behandelt wurden, erachtete die Projektgruppe es für sinnvoll, aufgrund der thematischen Zusammengehörigkeit und zur Gewährleistung einer besseren Übersichtlichkeit diese vier Bereiche in einem Bericht zusammenzuführen. Dieser Bericht ist die Grundlage dieser Veröffentlichung der Qualitätsstandards der Fallanalyse. Lediglich das Auswahlverfahren für polizeiliche Fallanalytiker wird hier ausgespart. Inhalt der Qualitätsstandards und aktuelle Modifikationen 1. Anwendung fallanalytischer Verfahren Die Qualitätsstandards für die Anwendung fallanalytischer Verfahren enthalten die Definition der Fallanalyse, die Beschreibung ihrer Zielsetzungen, methodische Elemente, Aspekte der Gestaltung der Fallanalyse-Teams, Ausführungsbestimmungen zur Umsetzung der Fallanalyse-Ergebnisse (darunter auch Standards für die schriftliche Darstellung) sowie gesonderte Bestimmungen zur Durchführung vergleichender und geografischer Fallanalysen. Die durch die BLPG nunmehr vorgenommenen Modifikationen betreffen vor allem folgende Bereiche und Modifikationen: Fallanalyse-Methodik: - Anpassung der Aussagen zur Fallanalyse-Methodik an den mittlerweile neu strukturierten Fallanalyse-Prozess. - Stärkere Betonung der Möglichkeit zur Bildung interdisziplinärer Teams. - Anpassung der Standards der schriftlichen Darstellung der Ergebnisse der Fallanalyse an den neustrukturierten Fallanalyse-Prozess. - Entsprechende Anpassung der Standardisierten Vorbemerkungen zur Methodik der Fallanalyse. 9

Vergleichende Fallanalyse: - Deutlichere Akzentuierung im Hinblick auf die beiden Fallgruppen dieser Methode. - Betonung der Rolle des verantwortlichen Fallanalytikers hinsichtlich der Einhaltung methodischer Desiderate. - Dezidierte Benennung einer Muss-Bestimmung zur Durchführung fallanalytischer Einzelfallbetrachtungen als methodische Vorstufe des Fallvergleichs. Geografische Fallanalyse: - Deutliche Straffung. - Streichung von Passagen, die scheinbar die Notwendigkeit der Anwendung von entsprechenden Software-Tools implizieren. - Anpassung der Definition der Ankerpunkte eines Täters an den aktuellen methodischen Stand. Allgemeines: - Straffung und Begriffspräzisierung d. h. insbesondere Wegfall von Passagen, die vor dem Hintergrund des mittlerweile eingetretenen Status Quo einen eher redundanten Charakter haben. Hinsichtlich des Prüfauftrags der KKB zu einer möglichen Vereinheitlichung des Fallanalyse-Ergebnisberichts gelangte die BLPG übereinstimmend zu der Auffassung, dass vor dem Hintergrund des Beratungscharakters der Fallanalyse und einer sich in jedem Einzelfall unterschiedlich gestaltenden Beratungslage eine minutiöse Festlegung der Schriftstandards nicht angezeigt ist. Die bereits bestehenden Standards der schriftlichen Darstellung wurden an aktuelle Entwicklungen angepasst und die standardisierte Vorbemerkung zur Methode der Fallanalyse ergänzt. Damit besteht nach Auffassung der BLPG ein Gerüst, dessen Einhaltung die Vergleichbarkeit der Ergebnisberichte von Fallanalysen ermöglicht. 10

2. Anforderungsprofil für polizeiliche Fallanalytiker Innerhalb der OFA-Dienststellen der deutschen Polizei werden einerseits regelmäßig Kriminalfälle bearbeitet, die mit einer intensiven Viktimisierung der Opfer einhergehen und die deshalb zwingend einen sensiblen Umgang mit dieser schwierigen Materie erfordern. Andererseits kommt hierbei eine breite Palette unterschiedlicher fallanalytischer Methoden zum Einsatz, was neben der Bereitschaft und Fähigkeit zum Erlernen komplexer Verfahren mit dem Erfordernis methodischer und kognitiver Flexibilität einhergeht. Aus diesem Grund ist bereits in 2003 ein Anforderungsprofil für polizeiliche Fallanalytiker des gehobenen Dienstes als ein weiterer Qualitätsstandard mit 22 Merkmalen beschrieben worden, das diesen Anforderungen Rechnung trägt, wobei die Merkmale vier Kriterien zuzuordnen sind: A B C D Formale Kriterien Fertigkeiten Inhaltliche Kriterien/Persönlichkeitsmerkmale Grundsätzliches Auswahlkriterium Das Anforderungsprofil setzt konsequent die Anforderungen um, die sich explizit und implizit aus den Qualitätsstandards zur Anwendung fallanalytischer Verfahren ergeben. Die BLPG hat dieses Anforderungsprofil weitgehend unverändert gelassen, jedoch dessen Ausschließlichkeitscharakter abgemildert, um in Auswahlverfahren flexibler reagieren zu können. Um die Erfüllung des Anforderungsprofils jedoch nicht beliebig werden zu lassen, hat die BLPG das Grundsätzliche Auswahlkriterium als KO-Kriterium beibehalten, wonach zum einen eine Eindeutigkeit der Bewertung des Bewerbers durch die Auswahlkommission und zum anderen eine Eindeutigkeit der Eignung des Bewerbers vorliegen muss. 11

3. Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Alle Mitarbeiter von OFA-Dienststellen der deutschen Polizei, die mit fallanalytischen Fragestellungen betraut sind, nehmen an der Ausbildung für polizeiliche Fallanalytiker, die vier Lehrgänge (Module) umfasst, teil. Diejenigen Mitarbeiter, die alle Lehrgänge der Ausbildung für polizeiliche Fallanalytiker erfolgreich absolviert haben, werden mit dem erfolgreichen Bestehen des Aufbaulehrgangs Fallanalyse zum Polizeilichen Fallanalytiker zertifiziert (d.h. regelmäßig Mitarbeiter mit besonders hoher Methodenkompetenz und der Fähigkeit, Fallanalysen verantwortlich zu leiten und deren Ergebnisse zu vertreten). Der im ursprünglichen Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker enthaltene Baustein Weiterbildung Fallanalyse (zwischen Grund- und Aufbaulehrgang Fallanalyse) ist durch die BLPG Neuausrichtung der kriminalpolizeilichen Spezialfortbildung nicht mehr als formelle Ausbildungseinheit beschrieben worden. Bei diesem Baustein handelt es sich um eine Aufforderung an die in Ausbildung befindlichen OFA-Mitarbeiter, eigenverantwortlich bzw. im Rahmen der Verantwortung der jeweiligen Dienststelle die eigene Kompetenz weiterzuentwickeln. Hierzu gehören sowohl persönliche Qualifikationen wie z. B. rhetorische Fähigkeiten, wie auch spezielle fachliche Inhalte wie z. B. Hospitationen innerhalb der Rechtsmedizin oder der forensischen Psychiatrie. Einen formalisierten Ausbildungsinhalt stellt dieser Weiterbildungsappell jedoch nicht dar. Fazit Mit den nunmehr vorgelegten Qualitätsstandards der Fallanalyse sind wichtige Hintergrundbedingungen des fallanalytischen Handelns bei der deutschen Polizei beschrieben worden. Sie sollen nicht und können auch nicht ein Kompendium über die Methodik der Fallanalyse darstellen. Hierzu wird auf die im Anhang aufgelistete deutschsprachige Literatur zum Thema Operative Fallanalyse verwiesen. Die Qualitätsstandards sind erfreulicher Ausdruck der zwischen den OFA-Dienststellen der Länder und des Bundes bestehenden 12

kooperativen Arbeitsstrukturen. Diese Kooperation hat auch manchen kritischen Dialog umfasst, im Ergebnis aber nie das Ganze aus den Augen verloren. Individuelle Erfahrungen konnten so in die Gemeinschaft eingebracht, dort geprüft und etabliert werden. Dieser Mechanismus, der als der sog. Team-Ansatz ein so überaus wichtiges Qualitätskriterium der Fallanalyse an sich darstellt, hat über die vergangenen Jahre hinweg auch die Operative Fallanalyse bei der deutschen Polizei in grundsätzlicher Hinsicht qualitativ geprägt und gewinnt auch zunehmend internationale Anerkennung. Diese von der Kommission Kriminalitätsbekämpfung der AG Kripo am 10.03.2009 genehmigten Qualitätsstandards entfalten eine bindende Wirkung und sind Ausdruck des innerhalb der deutschen Polizei bestehenden Konsenses, fallanalytische Unterstützungsleistungen durch geeignete, entsprechend ausgebildete und methodisch versierte Mitarbeiter mit Hilfe einer festgeschriebenen Methodik verantwortungsvoll zu gestalten. Valerie Profes Leiterin der OFA-Einheit im Bundeskriminalamt 13

2 Qualitätsstandards Anwendung fallanalytischer Verfahren 2.1 Vorbemerkung Die hier beschriebenen Standards sichern Qualität und Seriosität von Fallanalysen, stellen insofern den entsprechenden Handlungsrahmen für die OFA-Dienststellen des Bundes und der Länder dar und führen zu einer Abgrenzung gegenüber methodisch abweichenden Ansätzen. 4 Gemeinsam mit dem Ausbildungsgang für polizeiliche Fallanalytiker sind sie unverzichtbare Elemente der Qualitätssicherung und der professionellen fallanalytischen Bearbeitung von Kapitaldelikten. Eingehende Kenntnisse polizeilicher Organisation und der gesamten Ermittlungstätigkeit sind wichtige Voraussetzungen, damit die Fallanalytiker ihre Ergebnisse im Wege einer Beratung in die polizeiliche Praxis transportieren können. Die Fallanalyse bewertet abgesetzt von den Ermittlungen im Falle von bestimmten Kapitaldelikten im Rahmen einer methodisch strengen Analyse das vorliegende Datenmaterial (z. B. Tatortbefund- und Obduktionsbericht) im Hinblick auf Tathergang, fallspezifische Parameter und das Täterprofil. Die so erzielten Ergebnisse dienen der Unterstützung der Ermittlungen der anfragenden Dienststelle. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen auf der Basis des zum Zeitpunkt der Analyse vorliegenden fallanalytisch relevanten Datenmaterials. 2.2 Begriffsbestimmung Fallanalyse Bei der Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuel- 4 Eine detaillierte Darstellung der Durchführung einer Fallanalyse erfolgt an dieser Stelle nicht. Der Fallanalyse-Prozess ist zwischenzeitlich neu strukturiert worden. Die Ergebnisse dieser Neu-Strukturierung sind im Rahmen der Ausbildung vermittelt und zwischenzeitlich auch publiziert worden (siehe hierzu die Liste deutschsprachiger Literatur zum Thema Operative Fallanalyse ). 14

len Gewaltdelikten sowie anderen geeigneten Fällen von besonderer Bedeutung auf der Grundlage objektiver Daten und möglichst umfassender Informationen zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten. Das Werkzeug Fallanalyse ist ausschließlich im Sinne dieser Definition anzuwenden und hat sich an den nachfolgend beschriebenen fallanalytischen Grundsätzen und Qualitätsmerkmalen zu orientieren. 2.3 Zielsetzung Im Rahmen der Durchführung einer Fallanalyse können aufbauend auf der Tathergangsanalyse fallspezifische Aussagen getroffen, die Motive bewertet und ggf. Aussagen zum Täter abgeleitet werden. Die Fallanalyse dient der Ermittlungsunterstützung. Die Ergebnisse der Fallanalyse sind dazu bestimmt, Ermittlungsrichtungen sowie ggf. Verdächtige zu priorisieren. 2.4 Methodik der Fallanalyse Methodik in diesem Sinne umfasst die Einhaltung der Grundprinzipien der Fallanalyse und der fallanalytisch strukturierten Vorgehensweise. 2.4.1 Grundprinzipien der Fallanalyse 2.4.1.1 Objektivität Objektivität ist bezogen auf die Datenbasis und die Erhebung der Daten zu wahren. Die Fallanalyse erfolgt abgesetzt von der Ermittlungstätigkeit. 15

2.4.1.2 Teamansatz Die Fallanalyse findet aus folgenden methodischen Gründen im Team statt: Funktion der Gruppe als Korrektiv Bündelung von Wissen Vielfalt der Hypothesenbildung Objektivierung der Hypothesenprüfung Das Analyseteam besteht aus mindestens drei fallanalytisch ausgebildeten Mitarbeitern, von denen einer die Funktion des Verantwortlichen Fallanalytikers wahrnimmt. Ggf. können weitere Experten in das Analyseteam integriert werden. Die Aufgaben des Verantwortlichen Fallanalytikers umfassen neben der Einhaltung der vorliegenden Qualitätsstandards folgende Bereiche: Prüfung der inhaltlichen Geeignetheit des jeweiligen Falles Gewährleistung einer objektiven Informationsgrundlage Zusammenstellen des Analyseteams Lenken und Leiten des Analyseprozesses Zusammenfassung/Dokumentation der Analyseergebnisse Präsentation der Analyseergebnisse 2.4.1.3 Schriftform Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Transparenz sowie zur Dokumentation erfolgt die Darstellung der Analyseergebnisse unabhängig von einer mündlichen Präsentation in schriftlicher Form (s. Anlage 5). 16

2.4.2 Vorgehensweise bei der Fallanalyse 2.4.2.1 Erhebung der Falldaten Hierzu wird in der Regel auf folgende Informationsquellen zurückgegriffen: Erstberichte zur Auffindesituation Tatortbefund (Berichte und Fotos, ggf. Videos) Obduktionsbefund (Berichte, Fotos und ggf. Videos) Kartenmaterial Angaben zum Opfer ggf. Opfervernehmungen Untersuchungsbefunde sozio-demografische Daten Umgebungsvariablen ggf. weitere Informationen Sobald die Fallinformationen dies zulassen, ist eine Machbarkeitsprüfung in Bezug auf den fallanalytischen Auftrag durchzuführen. Bei der Informationserhebung ist darüber hinaus Folgendes anzustreben: Persönliche Inaugenscheinnahme des Tatorts durch alle Mitglieder des Fallanalyse-Teams Kontaktaufnahme mit den zuständigen Rechtsmedizinern und ggf. sonstigen Gutachtern Die gesamte Informationserhebung sollte unter methodischen Gesichtspunkten fall- und lageangemessen erfolgen. Angelieferte, nachgeforderte sowie persönlich erhobene Informationen sind zu dokumentieren. 17

Zur Vertiefung des fallspezifischen Hintergrundwissens können weitere Experten einbezogen werden. 2.4.2.2 Bestandsaufnahme Nach der Machbarkeitsprüfung erfolgt eine Bestandsaufnahme der relevanten Daten. Hierunter fallen folgende Arbeitsschritte: Sichtung der für die Fallanalyse relevanten Daten auf Vollständigkeit und Qualität ggf. Nacherhebung von Daten Zusammenfassung der wichtigsten Fallinformationen (strukturierte Aufbereitung und Darstellung der relevanten Falldaten) 2.4.2.3 Bewertung und Interpretation der Falldaten Tathergangsanalyse (Rekonstruktion der Tat und Bewertung der Tatsituation) Verhaltensbewertung (Darstellung der Verhaltensmerkmale, Darstellung delikts-untypischen Verhaltens, Charakterisierung des Täterhandelns) Motivbewertung Fallcharakteristik Täterprofil Ermittlungshinweise Der Verlauf des Analyseprozesses ist zu dokumentieren. 18

2.4.2.4 Darstellung der Analyseergebnisse Die Ergebnisse der Fallanalyse werden dem Auftraggeber zeitnah mündlich und schriftlich dargestellt. 5 Die schriftliche Darstellung umfasst einen administrativen und ergebnisdarstellenden Teil. Im Rahmen der mündlichen Präsentation der Fallanalyseergebnisse soll die Methodik der angewandten Analyseschritte angemessen dargelegt werden, um für die Vertreter der zu beratenden Ermittlungsdienststelle die Nachvollziehbarkeit der fallanalytisch hergeleiteten Ergebnisse zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit der Präsentation der Ergebnisse ist die Einbindung von Entscheidungsträgern anzustreben. 2.4.2.5 Evaluation von Fallanalyse-Ergebnissen nach Ermittlung des Täters Kommt es in einem Ermittlungsverfahren, in dem eine Fallanalyse erfolgt ist, zur Ermittlung des Täters, ist nach einer angemessenen Frist eine Evaluation der Ergebnisse der Fallanalyse durchzuführen. Die Evaluation der Fallanalyseergebnisse sollte sich insbesondere auf die Bereiche der Tathergangsanalyse und des Täterprofils beziehen. Neben der Treffergenauigkeit ist hierbei auch der kriminalistische Nutzen der einzelnen Einschätzungen zu gewichten. Hierzu sind aussagekräftige Unterlagen auszuwerten und Gespräche mit den kriminalpolizeilichen Sachbearbeitern zu führen. 2.5 Weitere fallanalytische Unterstützungsleistungen 2.5.1 Vergleichende Fallanalysen Die Vergleichende Fallanalyse kann grundsätzlich zwei Zielrichtungen haben: 5 Auf die in der Anlage befindlichen Standards der schriftlichen Darstellung der Ergebnisse der Fallanalyse (Anlage 5) sowie eine standardisierte Vorbemerkung zur Methode (Anlage 6) wird hingewiesen. 19

In Fällen, in denen eine Fallzusammenführung durch Sachbeweise nicht möglich ist, wird zunächst der fragliche Fallzusammenhang unter fallanalytischen Gesichtspunkten geprüft. In Fällen eines etablierten Fallzusammenhangs wird der Fallvergleich im Hinblick auf eine Präzisierung des Täterprofils und Gewinnung weiterer ermittlungsrelevanter Empfehlungen genutzt. Die Vergleichende Fallanalyse führt im Anschluss an Einzelfallanalysen/-betrachtungen 6 deren Ergebnisse zu einer Gesamtschau zusammen. Dabei erfolgt nach Identifizierung der deliktstypischen Verhaltensweisen eine Prüfung sämtlicher Täterhandlungen und Tatkomponenten mit dem Ziel, die für den/die Täter individuellen Verhaltenskombinationen herauszuarbeiten, zu vergleichen und zu bewerten. Bezüglich der schriftlichen Darstellung der Ergebnisse, Präsentation vor der sachbearbeitenden Dienststelle und Evaluation gelten die hier formulierten Qualitätsstandards. 2.5.1.1 Vergleichende Fallanalyse zur Prüfung des Serienzusammenhangs Bei der fallanalytischen Prüfung des fraglichen Serienzusammenhangs 7 werden Übereinstimmungen zwischen mehreren Fällen geprüft, Abweichungen bewertet und eine Aussage darüber getroffen, ob die entsprechenden Taten aus fallanalytischer Sicht einer Person oder Personengruppe zugeordnet werden können. 6 Einzelfallbetrachtungen: Entsprechen Quantität und Qualität der objektiven Daten nicht den Anforderungen einer Einzelfallanalyse im Sinne dieser Qualitätsstandards oder lassen Art und Umfang der zu bewertenden Fälle die Durchführung getrennter Einzelfallanalysen als nicht geboten erscheinen, so kann im Rahmen der Durchführung einer vergleichenden Fallanalyse eine fallanalytische Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden, deren Vorgehen sich ebenfalls an den Qualitätsstandards der Fallanalyse orientiert. 7 Eine Serie im Sinne dieser Qualitätsstandards umfasst mindestens zwei Fälle. 20

Zur Wahrung der Objektivität ist es im Zusammenhang mit der Prüfung eines fraglichen Serienzusammenhangs vor allem bei Tötungsdelikten aus methodischen Gründen geboten, zunächst unabhängige Fallanalysen der einzelnen Delikte zu erstellen. Hierzu werden in der Regel unterschiedliche Analyseteams eingesetzt, um die inhaltliche Unabhängigkeit der Einzelanalysen zu gewährleisten. Bei der Prüfung eines fraglichen Serienzusammenhangs in anderen Deliktsfeldern kann sich die Methode der Einzelfallanalyse auf eine fallanalytische Betrachtung relevanter Parameter wie beispielsweise Entstehung und Charakter der Tatsituation, Orts- und Zeitvariablen, Geografische Aspekte, Kontrollverhalten des Täters, Täter-Opfer-Interaktion, Art, Ausmaß und Intensität der Gewaltanwendung, Art, Ausmaß und Intensität sowie Platzierung der Täterhandlungen, Strukturiertheit der Tat, erkennbare Fähigkeiten sowie Begrenzungen des Täters und Motive des Täters bzw. Täterziele reduzieren. Die weitere Vorgehensweise erfolgt auch in diesen Fällen grundsätzlich unter Berücksichtigung der unter 5.1.2 genannten Eckpunkte. 2.5.1.2 Vergleichende Fallanalyse bei bereits bestehendem Serienzusammenhang Auch in Fällen eines bereits bestehenden Serienzusammenhangs müssen die Einzeltaten fallanalytisch erschlossen werden. Hierzu 21

sind, orientiert an den in Punkt 5.1.1 genannten Parametern, Einzelfallanalysen bzw. fallanalytische Einzelbetrachtungen durchzuführen. Anschließend werden unter anderem die Chronologie, eine mögliche Progression und geografische Bezüge 8 dargestellt und bewertet sowie das Täterprofil präzisiert. Das entsprechende Vorgehen, insbesondere die Teamzusammenstellung, obliegt dem Verantwortlichen Fallanalytiker. Er gewährleistet, dass die Einzelfallanalysen bzw. fallanalytischen Einzelbetrachtungen unabhängige Blicke auf den jeweiligen Fall ermöglichen und Überstrahlungseffekte, die aus der Kenntnis der vorangegangenen Fälle resultieren, möglichst weitgehend ausgeschlossen sind. 2.5.2 Geografische Fallanalysen Die Bewertung geografischer Aspekte ist grundsätzlich Bestandteil von Fallanalysen. Sofern die Informationslage dies zulässt und die Aufgabenstellung (Auftrag) dies fordert, kann der Schwerpunkt auf die fallanalytische Bewertung des räumlichen Verhaltens des Täters gelegt werden. In diesen Fällen werden die Ergebnisse der Einzelfallanalyse bzw. der Vergleichenden Fallanalyse einer gesonderten geografisch-fallanalytischen Bewertung unterzogen (Geografische Fallanalyse). Geografische Fallanalysen können bei Tatserien oder schwerwiegenden Einzeldelikten mit mehreren Handlungsorten durchgeführt werden. 9 8 Nähere Ausführungen zu geografischen Bewertungen bei Tatserien siehe Punkt 5.2 (Geografische Fallanalysen). 9 Hierunter fallen beispielsweise der Entführungsort, der Ort der Vergewaltigung, der Tötung, der Leichenablage, Orte, an denen Spuren beseitigt/entsorgt wurden; Brandorte; Orte, an denen der Täter Erpresserbotschaften platziert hat; Orte, an denen der Täter die Scheckkarte des Opfers eingesetzt hat. 22

Geografische Fallanalysen dienen dazu, Aussagen zu möglichen örtlichen Bezügen des Täters (Ankerpunkte) abzuleiten, um die Ermittlungen auf die so priorisierten Örtlichkeiten zu fokussieren. Ankerpunkte des Täters bezeichnen Örtlichkeiten, die für den Täter insbesondere im Rahmen seiner aktuellen oder ehemaligen Routineaktivitäten eine bestimmte Bedeutung haben. Hierunter fallen z. B. aktuelle oder vormalige Wohnorte des Täters oder seiner Familie, Örtlichkeiten, die im Zusammenhang mit der aktuellen oder früheren beruflichen Tätigkeit des Täters stehen Örtlichkeiten, die im Zusammenhang mit den aktuellen oder früheren Freizeitaktivitäten des Täters stehen u. ä. Vorgehensweise Unverzichtbarer Bestandteil von Geografischen Fallanalysen ist die fallanalytische Bewertung der Einzelereignisse sowie im Falle des Vorliegens einer Serie die Durchführung einer Vergleichenden Fallanalyse. Aus diesen Erkenntnissen sind solche Ereignisse zu extrahieren und zu bewerten, die Rückschlüsse auf das räumliche Verhalten des Täters zulassen. Hierzu müssen im Hinblick auf die fallanalytisch-geografische Bewertung der Entstehung der Tatsituation und der Tatortauswahl alle handlungsrelevanten Örtlichkeiten sowie deren Umgebung in Augenschein genommen werden. Lassen sich Täter regional so eingrenzen, dass überschaubare Fahndungs- und Ermittlungsräume entstehen, kann dies die Grundlage für eine Vielzahl geeigneter Ermittlungshandlungen bilden. Bezüglich der schriftlichen Darstellung der Ergebnisse, Präsentation vor der sachbearbeitenden Dienststelle und Evaluation gelten die hier formulierten Qualitätsstandards. 23

3 Qualitätsstandards Anforderungsprofil für polizeiliche Fallanalytiker Das Aufgabengebiet der OFA-Dienststellen umfasst: die Erstellung ermittlungsunterstützender Fallanalysen bei Tötungsdelikten und bei Straftaten, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung verstoßen sowie bei sonstigen Fällen von herausragender Bedeutung, den Betrieb der ViCLAS-Datenbank als Zentralstelle zur analytischen Recherche nach Tatzusammenhängen in diesen Deliktsbereichen, die Beratung der sachbearbeitenden Dienststellen auf der Basis kriminalistisch-kriminologischer Erkenntnisse und die konzeptionelle Weiterentwicklung bestehender und die Erarbeitung neuer Analysemethoden sowie deren Vermittlung in die kriminalistische Praxis. Innerhalb dieser Tätigkeiten kommt dem Teamansatz eine herausragende Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang sind möglichst weit gefächertes Wissen des Einzelnen und sich im Team ergänzendes Expertenwissen erforderlich. Es ist sinnvoll, dass künftige OFA-Mitarbeiter über Vorerfahrungen in der Bearbeitung der relevanten Delikte verfügen. Das Fehlen von Spezialwissen in diesen Bereichen kann jedoch im Rahmen des Ausbildungsgangs zum Polizeilichen Fallanalytiker in Form gezielter Fortbildung (z. B. Hospitationen) ausgeglichen werden. Fallanalytiker, die alle Lehrgänge des Ausbildungsgangs zum Polizeilichen Fallanalytiker erfolgreich durchlaufen haben (vgl. Teil IV der vorliegenden Qualitätsstandards), werden mit Bestehen des diese Spezialausbildung abschließenden Aufbaulehrgangs Fallanalyse zum Polizeilichen Fallanalytiker zertifiziert. 10 10 Diese Zertifizierung erfolgt im Namen des Lehrteams, das aus erfahrenen Fallanalytikern aus Bund und Ländern besteht. Auf einem Beiblatt der entspre- 24

Die bestehende Konzeption zur Ausbildung polizeilicher Fallanalytiker sieht eine Ausbildungsdauer von ca. zweieinhalb Jahren vor. Zur Erhaltung von Methoden- und Erfahrungswissen im OFA- Team sowie aufgrund der zeit- und kostenintensiven Spezialausbildung zum Polizeilichen Fallanalytiker wird eine Mindestverweildauer von fünf Jahren in der jeweiligen OFA-Dienststelle angestrebt. Die Anforderungsmerkmale für polizeiliche Fallanalytiker im gehobenen kriminalpolizeilichen Vollzugsdienst A Formale Kriterien 1. Mindestens dreijährige Erfahrung in der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung vorzugsweise in den Deliktsfeldern Tötungs- und Sexualdelikte sowie sonstige, geeignete Deliktsbereiche oder im Bereich des Erkennungsdienstes, der Kriminaltechnik oder der Auswertung in den o. a. Deliktsbereichen 2. Gehobener kriminalpolizeilicher Vollzugsdienst 3. Erfolgreicher Hochschulabschluss (Diplom- Verwaltungswirt, Diplom-Kriminalist oder analog) B Fertigkeiten 4. Guter mündlicher Ausdruck/professionelle Rhetorik/gute Präsentationsfähigkeiten 5. Guter schriftlicher Ausdruck C Inhaltliche Kriterien/Persönlichkeitsmerkmale 6. Lernbereitschaft 7. Objektivität 8. Genauigkeit/Gründlichkeit chenden Zertifizierungsurkunde werden die im Rahmen der Ausbildung erbrachten Leistungen des Prüflings und die nunmehr erworbenen Befähigungen aufgeführt. 25

9. Ausdauer 10. Eigeninitiative 11. Frustrationstoleranz 12. Stressresistenz 13. Gute Leistungen in drei Dimensionen intellektueller Fähigkeiten (logisches Denken, analytisches Denken, ganzheitliche Wahrnehmung) 14. Hohe Kreativität / Flexibilität im Denken 15. Fähigkeit, fremde Lebensweisen und Milieus wertfrei zu erfassen 16. Vorurteilslose Einstellungen zu tätigkeitsrelevanten Themen (z. B. Sexualität, Gewalt, Tötung und Tod, Geschlechterverhältnis, Opferrolle, soziale Normen, Kindheit) 17. Hohe soziale Kompetenz (inkl. soziale Wahrnehmung) 18. Beratungskompetenz und Verhandlungsgeschick 19. Realistisches Aufgabenverständnis 20. Serviceorientiertes Aufgabenverständnis 21. Teamfähigkeit und Kooperationsvermögen D Grundsätzliches Auswahlkriterium 22. Eindeutigkeit der Bewertung des Bewerbers/der Bewerberin durch die Auswahlkommission; nur eindeutig geeignete Bewerber/-innen bestehen das Auswahlverfahren. 26

4 Qualitätsstandards Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Bereits die durch die AG Kripo mit Beschlussfassung vom 22.01.1999 genehmigte Konzeption zur Einführung fallanalytischer Verfahren und des ViCLAS Datenbanksystems enthielt den Entwurf eines Rahmenkonzepts Integrierte Aus- und Fortbildung für die Operative Fallanalyse (OFA). Dieses Rahmenkonzept enthielt u. a eine mehrstufige Qualifizierung der OFA- Mitarbeiter. Im Zuge einer Aktualisierung wurde diese angepasst und stellt sich wie folgt dar: Baustein Inhalt 1 Grundlehrgang ViCLAS (1 Woche) 2 Aufbaulehrgang ViCLAS (1 Woche) 3 Grundlehrgang Fallanalyse (1 Woche) 4 Aufbaulehrgang Fallanalyse (2 Wochen) - mit Abschlussqualifizierung Polizeilicher Fallanalytiker - Inzwischen finden drei der vier OFA-Lehrgänge (Grundlehrgang ViCLAS, Aufbaulehrgang ViCLAS, Aufbaulehrgang Fallanalyse) unter Beteiligung von Referenten der OFA-Dienststellen der Länder statt. Der die Spezialfortbildung abschließende Aufbaulehrgang wird durch ein Lehrteam aus erfahrenen Polizeilichen Fallanalytikern des Bundes und der Länder vorbereitet, durchgeführt und evaluiert. Im Zuge der Aktivitäten der durch die KKB in 2007 eingesetzten BLPG Neuausrichtung der kriminalpolizeilichen Spezialfortbil- 27

dung ist auch eine Bestandsaufnahme der OFA-Ausbildung durchgeführt worden. Anlässlich dieser BLPG waren vier Kalenderblätter zu den genannten vier Lehrgängen erstellt worden, die den aktualisierten Stand der Lehrgangsinhalte der OFA- Spezialfortbildung der deutschen Polizei abbilden (s. Anlagen 1 bis 4). Da die Spezialfortbildung für polizeiliche Fallanalytiker der OFA- Dienststellen permanent evaluiert und neuen Entwicklungen, Erkenntnissen und Erfahrungen angepasst wird, ist mit weiteren Aktualisierungen zu rechnen. 28

Anlage 1 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Basismodul ViCLAS Bezeichnung der Bildungsmaßnahme Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Bezeichnung des Moduls ViCLAS-Grundlehrgang Ziele - Sicheres Beherrschen der Dateneingabe in die ViCLAS- Datenbank - Fähigkeit, einfache Recherchen im Datenbestand durchzuführen - Sensibler Umgang mit Fragen der Datenqualität Zielgruppe Mitarbeiter der OFA-Dienststellen des Bundes und der Länder Anzahl Teilnehmer/Maßnahme Maximal 12 Persönliche Voraussetzungen - Mitarbeiter einer OFA-Dienststelle - PC-Kenntnisse (MS-Office, WORD) - Kenntnisse der englischen Sprache - Fundierte Kenntnisse über die Inhalte der Bund-Länder- Konzeption sowie der Geschichte von ViCLAS und die Inhalte des Erhebungsbogens - Nachweis der Beschäftigung mit der OFA-Thematik durch Ausarbeitung eines zehnminütigen Vortrags (auch schriftlich) über ein selbst bestimmbares Thema aus den Bereichen ViCLAS, Fallanalyse, Kriminalpolizeilicher Meldedienst, Tötungs- und Sexualdelikte sowie Ausfüllen von 29

drei ViCLAS-Erhebungsbögen zu einem Sexual- und Tötungsdelikt sowie zu einem Fall des verdächtigen Ansprechens von Kindern oder einem Vermisstenfall Inhalt Allgemeine Systeminformationen (Datenbankgrundwissen, Systemsicherheit) Einführung in die Dateneingabe Deliktsbereiche in ViCLAS und ViCLAS-Relevanz Codierungsübungen Qualitätskontrolle am Beispiel der von den Teilnehmern eingereichten Erhebungsbögen Grundlagen der ViCLAS-Recherche Darstellung weiterer Systemfunktionen IT-Fehlermanagement Polizeiliche Vorerkenntnisse über Vergewaltiger und geografisches Täterverhalten fremder Täter bei sexuellen Gewaltdelikten Rechercheübungen an einem Fallbeispiel Abschlusstest Einzelgespräche, Feedbackrunde Methode Kontinuierlicher Wechsel von theoretischem Vortrag und anschließender Anwendung des Gehörten in praktischer Einzel- und Gruppenarbeit. Abschluss (z. B. Zertifikat o. ä.) Teilnahmebescheinigung - bestanden: erfolgreich" teilgenommen - nicht bestanden: teilgenommen Dauer Eine Woche 30

Anlage 2 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Aufbaumodul ViCLAS Bezeichnung der Bildungsmaßnahme Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Bezeichnung des Moduls ViCLAS-Aufbaulehrgang Ziel - Selbstständige Kontrolle der Datenqualität - Durchführung von ViCLAS-Analysen und Recherchen mit Unterstützung durch einen bereits ausgebildeten ViCLAS- Analytiker Zielgruppe Mitarbeiter der OFA-Dienststellen des Bundes und der Länder Anzahl Teilnehmer/Maßnahme Maximal 12 Persönliche Voraussetzungen - Mitarbeiter einer OFA-Dienststelle - Erfolgreiche Teilnahme am ViCLAS-Grundlehrgang - 3 Monate Praxis im Umgang mit der ViCLAS-Datenbank Inhalt Logik des kriminalistischen Denkens und Schließens Erkennen und Bewerten von verbalem, physischem und sexuellem Täterverhalten Opfer-Täter-Interaktion 31

Tatzusammenhang und ViCLAS-Analysebericht Kurze Wiederholung der Recherchewerkzeuge Serienerstellung und -pflege Praktische Fallbearbeitung Recherchestrategien Recherchetipps Gruppenarbeit: ViCLAS-Recherche, Anfertigen eines Analyseberichts und mündliche Ergebnispräsentation Abschlusstest Einzelgespräche Testfallauflösung, Feedbackrunde Methode Kontinuierlicher Wechsel von theoretischem Vortrag und anschließender Anwendung des Gehörten in praktischer Einzel- und Gruppenarbeit sowie mündliche Präsentation der Ergebnisse der Gruppenarbeit vor den Lehrgangsteilnehmern Abschluss (z. B. Zertifikat o. ä.) Teilnahmebescheinigung - bestanden: erfolgreich" teilgenommen - nicht bestanden: teilgenommen Dauer Eine Woche 32

Anlage 3 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Basismodul Fallanalyse Bezeichnung der Bildungsmaßnahme Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Bezeichnung des Moduls "Grundlehrgang Fallanalyse" Ziel Erwerb von fallanalytischem Grundlagenwissen und Erlernen grundlegender fallanalytischer Methoden Zielgruppe Mitarbeiter der OFA-Dienststellen des Bundes und der Länder Anzahl Teilnehmer/Maßnahme 16 Persönliche Voraussetzungen - Mitarbeiter einer OFA-Dienststelle - Erfolgreiches Bestehen des Grund- und Aufbaulehrgangs ViCLAS - Durcharbeiten der vorab zugesandten fallanalytischen Literatursammlung und Bestehen des zugehörigen Multiple-Choice-Tests zu Beginn des Lehrgangs. Inhalt Informationserhebung bei der Fallanalyse Teamarbeit und Moderation Techniken der Rekonstruktion Erstellen von Täterprofil und Ermittlungshinweisen 33

Präsentation von Fallanalyseergebnissen Laterales Denken für Fallanalytiker Evaluation der Fallanalyseergebnisse Methode Kontinuierlicher Wechsel von theoretischem Vortrag und anschließender Anwendung des Gehörten in praktischer Gruppenarbeit sowie mündliche Präsentation der Ergebnisse der Gruppenarbeit vor dem Lehrgang. Abschluss (z. B. Zertifikat o. ä.) Teilnahmebescheinigung Dauer Eine Woche 34

Anlage 4 Kalenderblatt: Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Aufbaumodul Fallanalyse Bezeichnung der Bildungsmaßnahme Ausbildungsgang zum Polizeilichen Fallanalytiker Bezeichnung des Moduls Aufbaulehrgang Fallanalyse Ziel - Erwerb von Kompetenzen in den Bereichen Moderation von Fallanalysen und deren Koordination - Erlernen fallanalytischer Spezialanwendungen - Selbstständiges und sicheres Anwenden der erlernten fallanalytischen Methoden Zielgruppe Mitarbeiter der OFA-Dienststellen des Bundes und der Länder Anzahl Teilnehmer/Maßnahme 16 Persönliche Voraussetzungen - Mitarbeiter einer OFA-Dienststelle - Erfolgreiches Bestehen des Grund- und Aufbaulehrgangs ViCLAS und des Grundlehrgangs Fallanalyse - Teilnahme an mindestens sechs Fallanalysen - Fertigung einer Hausarbeit zu einem fallanalytisch relevanten Thema und Präsentation der Arbeit im Lehrgang 35

Inhalt Gestaltung des fallanalytischen Umfeldes Management einer Fallanalyse Aushandeln der Bedingungen einer Fallanalyse Ergebnisse der Fallanalyse im Strafverfahren Fallanalytische Beratung Vergleichende Fallanalyse Geografische Analyse Transfer der Fallanalyse-Methodik Rasterung mit Fallanalyseergebnissen Methode Kontinuierlicher Wechsel von theoretischem Vortrag und anschließender Anwendung des Gehörten in praktischer Gruppenarbeit. Präsentation der Ergebnisse der Gruppenarbeit vor dem Lehrgang. Lehrgespräche und fachliche Diskussionen. Abschluss (z. B. Zertifikat o. ä.) Zertifizierung zum Polizeilichen Fallanalytiker (Abschlusslehrgang) Dauer Zwei Wochen 36

Anlage 5 Standards der schriftlichen Darstellung der Ergebnisse der Fallanalyse Administrativer Teil Auftraggeber und Auftrag ggf. Präzisierung des Auftrags Vorbemerkung zur Methode Teilnehmer der Fallanalyse Benennung des Materials Dauer und Ort der Fallanalyse Benennung des verantwortlichen Fallanalytikers Besonderheiten Ergebnisdarstellung Bewertung des Materials Opferinformationen Verletzungen Tatort Tathergangsanalyse (Rekonstruktion und Bewertung der Tatsituation) Verhaltensbewertung Motivbewertung Fallcharakteristik Täterprofil Ermittlungshinweise 37

Anlage 6 Standardisierte Vorbemerkungen zur Methodik der Fallanalyse Der vorliegende Bericht stellt die Ergebnisse der Fallanalyse im Mordfall XY dar. Bei der Fallanalyse handelt es sich um ein kriminalistisches Werkzeug, welches das Fallverständnis bei Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten sowie anderen geeigneten Fällen von besonderer Bedeutung auf der Grundlage objektiver Daten und möglichst umfassender Informationen zum Opfer mit dem Ziel vertieft, ermittlungsunterstützende Hinweise zu erarbeiten. Die Durchführung einer Fallanalyse erfolgt nach eingehender Prüfung der bestehenden Informationslage. Im Zentrum der Fallanalyse stehen die Rekonstruktion des Tathergangs, die sich an der objektiven Spurenlage orientiert, und die Bewertung der Tatsituation. Darauf aufbauend werden Verhalten und Motive bewertet, Aussagen zum Täter abgeleitet sowie Ermittlungshinweise erarbeitet. Ergänzende kriminologische Erkenntnisse, die insbesondere in die Erstellung des Täterprofils einfließen, sind als solche benannt und werden von Ergebnissen unterschieden, die aus der einzelfallanalytischen Betrachtung heraus generiert werden. Die im Rahmen der Fallanalyse abgeleiteten Hypothesen sind Wahrscheinlichkeitsaussagen auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Fallanalyse bestehenden Datenbasis. 38

Anlage 7 Liste deutschsprachiger Literatur zum Thema Operative Fallanalyse (OFA) Baurmann, Michael C. (2002): Fallanalyse, Operative Fallanalyse (OFA). In: Bange, D. und W. Körner (Hg.): Handwörterbuch Sexueller Missbrauch. Göttingen (Horgrefe): 78 90. Baurmann, Michael C. (2003): Die Operative Fallanalyse des Bundeskriminalamtes. In: Clemens Lorei (Hg.): Polizei & Psychologie. Kongressband der Tagung Polizei & Psychologie am 18. und 19. März 2003 in Frankfurt am Main. (Schriftenreihe Polizei & Wissenschaft) Frankfurt/M.: Verlag für Polizeiwissenschaft: 7 53. Baurmann, Michael C. (2004): Monster und Supermänner? Mythen und Realitäten über Tatverdächtige, Straftäter und polizeiliche Ermittlungsarbeit. In: Walter, Michael, Hans- Jörg Albrecht und Harald Kania (Hg.) (Mai 2004): Alltagsvorstellungen von Kriminalität. Individuelle und gesellschaftliche Bedeutung für die Lebensgestaltung. Ein interdisziplinäres Symposion. Freiburg i. Br.: Max- Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. (s. auch: www.iuscrim.mpg.de/info/aktuell), Münster, Lit Verlag: 435 455. Baurmann, Michael C. (2008): Operative Fallanalyse. In: R. Volbert und M. Steller (Hg.): Handbuch der Psychologie, Bd. 9, Handbuch der Rechtspsychologie. Göttingen u. a.: Hogrefe: 275 286. Baurmann, Michael C. & Jens Vick (2006): 40 Polizeiliche Fallanalytiker in Deutschland ausgebildet eine professionelle Methodik zur Täterermittlung. der kriminalist, 38 (11): 465 469. 39

Baurmann, Michael, Harald Dern & Ursula Straub (2009): Eine neue Fragestellung: Welche Rolle spielt die Fallanalyse in der Hauptverhandlung? In: Bundeskriminalamt (Hg.): Die Operative Fallanalyse in der Hauptverhandlung Ergebnisse eines BKA-Kolloquiums. Köln, Wolters Kluwer (Luchterhand Bd. 38 Reihe Polizei + Forschung): 1 17. Bundeskriminalamt (Hg.) (2009): Die Operative Fallanalyse in der Hauptverhandlung. Ergebnisse eines BKA- Kolloquiums. Köln, Wolters Kluwer (Luchterhand Bd. 38 Reihe Polizei + Forschung). Bruns, Michael (2006): Die Bedeutung der Operativen Fallanalyse im Strafverfahren. In: C. Musolff und J. Hoffmann (Hg.): Täterprofile bei Gewaltverbrechen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Medizin Verlag, Heidelberg: 257 272. Dern, Harald (1994): Perseveranzhypothese und kriminalistisches Handlungsfeld. Zur Diskussion kriminalistischer Schlußprozesse in der Perspektive der objektiven Hermeneutik Eine Einführung. In: Oevermann u. a.: Kriminalistische Datenerschließung (Sonderband der BKA- Forschungsreihe). Wiesbaden: 9 119. Dern, Harald (2000): Operative Fallanalyse bei Tötungsdelikten. Kriminalistik 08/00: 533 541. Dern, Harald (2003): Qualitätsstandards der Fallanalyse bei der deutschen Polizei. In: Lorei, C. (Hg.): Polizei & Psychologie. Kongressband der Tagung Polizei & Psychologie, am 18. und 19. März 2003 in Frankfurt am Main. (Schriftenreihe Polizei & Wissenschaft) Frankfurt/M.: Verlag für Polizeiwissenschaft: 55 75. 40

Dern, Harald (2004): Serienmord und Polizeiarbeit. In: F. J. Robbertz und A. Thomas (Hg.): Serienmord. Kriminologische und kulturwissenschaftliche Skizzierung eines ungeheuerlichen Phänomens. München (Belleville Verlag): 214 229. Dern, Harald (2009a): Die Operative Fallanalyse und ihre Methodik. In: Bundeskriminalamt (Hg.): Die Operative Fallanalyse in der Hauptverhandlung Ergebnisse eines BKA- Kolloquiums. Köln, Wolters Kluwer (Luchterhand Bd. 38 Reihe Polizei + Forschung): 18 30. Dern, Harald (2009b): Sexuell assoziierte Tötungsdelikte an Kindern. Kriminalistik 11/09 und 12/09: 603 611 und 675 679. Dern, Harald (2010): Heuristische Grundprinzipien der Fallanalyse. Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie, 02/2010 (im Druck). Dern, Harald, Roland Frönd, Ursula Straub, Jens Vick und Rainer Witt (2004): Geografisches Verhalten fremder Täter bei sexuellen Gewalttaten. Bundeskriminalamt Wiesbaden. Dern, Harald und Michael C. Baurmann (2006): 84 Operative Fallanalyse. In: Münchener Anwaltshandbuch für Strafverteidiger. München, Verlag C. H. Beck: 2617 2654. Dern, Harald und Alexander Horn (2008): Operative Fallanalyse bei Tötungsdelikten. Eine kriminologische und methodische Bestandsaufnahme im Jahr 2008. Kriminalistik 10/2008: 543 549. Dewald, Michael (2002): Die Datenbank ViCLAS. Kriminalistik 04/02: 248 255. 41

Erpenbach, Heinz (2010): Operative Fallanalyse - ein kriminalistisches Werkzeug zur Ermittlungsunterstützung im interdisziplinären Netzwerk. Darstellung der Methodik der Operativen Fallanalyse anhand eines Beispiels. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 02/2010 (im Druck). Friedrich, Peter (2005): Täterprofile. In: Bojack, B. & H. Akli (Hg.): Die Tötung eines Menschen Perspektiven, Erkenntnisse, Hintergründe. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt/M.: 155 174. Hänel, Inga and Kerstin Werder-Mörschel (2000): Subjektive Theorien von Kriminalbeamten über die Methode der Fallanalyse, deren Ergebnisse und das Erstellen von Täterprofilen. Unveröffentlichte Diplom-Arbeit der FU Berlin. Hoffmann, Jens und Cornelia Musolff (2000): Fallanalyse und Täterprofil. Band 52 der BKA-Forschungsreihe. Wiesbaden. Horn, Alexander (2005): Einsatzmöglichkeiten der Operativen Fallanalyse. In: Litzke, S. M. & S. Schwan (Hg.): Nachrichtendienstpsychologie 3. Schriftenreihe des Fachbereichs Öffentliche Sicherheit der FH Bund. Brühl/Rheinland: 135 146. Mokros, Andreas (2006): Facetten des Verbrechens. Entwicklungen in der akademischen Täterprofilerstellung. In: C. Musolff und J. Hoffmann (Hg.): Täterprofile bei Gewaltverbrechen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Medizin Verlag Heidelberg: 129 148. Musolff, Cornelia & Jens Hoffmann (2002): Täterprofile bei Gewaltverbrechen. Mythos, Theorie und Praxis des Profilings. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Medizin Verlag Heidelberg. 42

Müllers, Peter, Sven Max Litzke & Alexander Horn (2006): Psychologische Begriffe in der Operativen Fallanalyse Ergebnisse einer Aktenanalyse. Kriminalistik, 2/06: 92 97. Projektgruppe des Bundes und der Länder (2003): Fallanalyse bei der deutschen Polizei. Die Qualitätsstandards der Fallanalyse, das Anforderungsprofil und der Ausbildungsgang für Polizeiliche Fallanalytiker (Teil 1 auch auf www.bka.de). Reichertz, Jo (2006): Meine Mutter war eine Holmes. Über Mythenbildung und die tägliche Arbeit der Crime-Profiler. In: C. Musolff und J. Hoffmann (Hg.): Täterprofile bei Gewaltverbrechen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Medizin Verlag Heidelberg: 27 50. Schaser, Christiane (2006): Motiverforschung. Kriminalistik 2/2006: 98 103. Straub, Ursula und Rainer Witt (2002): Polizeiliche Vorerkenntnisse von Vergewaltigern. Ein Projekt zur Optimierung der Einschätzung von polizeilichen Vorerkenntnissen im Rahmen der Erstellung eines Täterprofils bei operativen Fallanalysen. Bundeskriminalamt Wiesbaden. Straub, Ursula und Rainer Witt (2003): Polizeiliche Vorerkenntnisse von Vergewaltigern. Kriminalistik 01/03: 19 30. Vick, Jens (1996): Kriminalistisch-kriminologische Fallanalyse. In: Reichertz, J. & N. Schröer (Hg.): Qualitäten polizeilichen Handelns. Opladen: 325 338. Wieczorek, Arnold (2006): Lassen sich Operative Fallanalysen durch psychologische Verhaltensanalysen optimieren? Kriminalistik 2/06: 86 91. Wippler, Alice (2008): Die Operative Fallanalyse als Beweismittel im Strafprozess. Kriminalwissenschaftliche Schriften, Bd. 22, Münster: Lit Verlag. 43

Witt, Rainer und Harald Dern (2002): Operative Fallanalyse bei Tötungsdelikten. In: R. Egg (Hg.): Tötungsdelikte mediale Wahrnehmung, kriminologische Erkenntnisse, juristische Aufarbeitung. Schriftenreihe der Kriminologischen Zentralstelle e. V. Kriminologie und Praxis, Bd. 36, Wiesbaden: 109 128. Stand: März 2010 44