Gravitative Massenbewegungen und Risiko



Ähnliche Dokumente
Media Teil III. Begriffe, Definitionen, Übungen

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Leo Baumfeld. Risikoanalyse. Begleiter: ÖAR-Regionalberatung GmbH. Fichtegasse 2 A-1010 Wien. Tel. 01/ , Fax DW 10 Mobil: 0664/

Die Bedeutung von Breitband als Standortfaktor für Unternehmen

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Betriebliche Gestaltungsfelder

4. Versicherungsangebot

SONNE ICH PASSE AUF! Informationsmaterial Sonnenschutz für Kindergartenkinder

Weiterbildungen 2014/15

Aspekte zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit von. Sportboothäfen im Zeichen des demografischen Wandels

Erfolg beginnt im Kopf

EEG. Messung der elektrischen Aktivität der Nervenzellen im Gehirn

Grundbegriffe der Informatik

SPI-Seminar : Interview mit einem Softwaremanager

ACDSee 10. ACDSee 10: Fotos gruppieren und schneller durchsuchen. Was ist Gruppieren? Fotos gruppieren. Das Inhaltsverzeichnis zum Gruppieren nutzen

Fotogalerie mit PWGallery in Joomla (3.4.0) erstellen

Lehrer: Einschreibemethoden

Resilienzförderung ein neuer Ansatz für die Prävention? Hiltraut Paridon

Informationsabend zum Thema Fachleistungsdifferenzierung und Ersteinstufung. IGS Integrierte Gesamtschule Oppenheim 1

Bernadette Büsgen HR-Consulting

Bericht vom Fach-Tag: Schluss mit Sonderwelten

RMeasy das SAP IS U Add On für Versorgungsunternehmen. Optimieren Sie Ihre Prozesse in Kundengewinnung und Kundenbindung.

Die Post hat eine Umfrage gemacht

D a s P r i n z i p V o r s p r u n g. Anleitung. - & SMS-Versand mit SSL (ab CHARLY 8.11 Windows)

Die SPD und die Grünen machen im Niedersächsischen Landtag. Alle Menschen sollen in der Politik mitmachen können.

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

Das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung stellt sich vor

So funktioniert das online-bestellsystem GIMA-direkt

Sehr geehrter Herr Pfarrer, sehr geehrte pastorale Mitarbeiterin, sehr geehrter pastoraler Mitarbeiter!

Dokumentenverwaltung im Internet

27001 im Kundendialog. ISO Wertschätzungsmanagement. Wie Wertschätzung profitabel macht und den Kunden glücklich

F-E-P : Fragebogen zur Einschätzung der Psychologie. Selbstbild

No risk, no fun? Wie Risikomanagement im Projekt teuren Überraschungen vorbeugt

Namibiakids e.v./ Schule, Rehoboth, Namibia

Ergebnisbericht Die Akzeptanz der elektronischen Gesundheitskarte

Die Zentralheizung der Stadt Wer heizt wie?

AutoCAD Dienstprogramm zur Lizenzübertragung

Komplexe Netzwerke Robustheit

Einführungskurs MOODLE Themen:

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Sonniges Sûd-Grundstûck!

Vorratsgesellschaften Der schnelle Weg zum eigenen Unternehmen interna

15 Social-Media-Richtlinien für Unternehmen!

Pflegespiegel Auszug

Bürgerhilfe Florstadt

Coach me if you can! Iris Brockob & Frank Hoffmann Partnerschaft für Beratung, Training & Gestaltung

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Simulation LIF5000. Abbildung 1

Agieren statt Reagieren. Risikomanagement das Werkzeug der Zukunft

Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky

Der Schüler¹ besucht eine Grundschule, eine Gesamtschule oder ein Gymnasium in der Region Bonn.

QTrade GmbH Landshuter Allee München Seite 1

KÖRPERWELTEN im Spiegel der Besucher

Hauptprüfung Abiturprüfung 2015 (ohne CAS) Baden-Württemberg

Management Summary. Was macht Führung zukunftsfähig? Stuttgart, den 21. April 2016

Der Jazz Veranstaltungskalender für Deutschland, Österreich und die Schweiz

Berechnung der Erhöhung der Durchschnittsprämien

Wien = Menschlich. freigeist.photography

Zeitmanagement. Wie Sie Ihre Zeit erfolgreich nutzen. Borse Training & Coaching Wilhelmstr Wiesbaden

Workshop: Wie ich mein Handikap verbessere erfolgreich Leben mit Multiple Sklerose!

1. Einführung. 2. Alternativen zu eigenen Auswertungen. 3. Erstellen eigener Tabellen-Auswertungen

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Inhouse-Schulung For tbildung.mal-alt-werden.de

Unfallkasse Nord Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Körperschaft des öffentlichen Rechts

Gesamtabschluss. wirklich selbst schaffen. kostenloses 2- Tages- Seminar! GESAMT- ABSCHLUSS

dem Vater der Mutter des betreuten Kindes/der betreuten Kinder. Mein Kind/ Meine Kinder wird/werden in der Woche durchschnittlich Stunden betreut.

Unternehmensengagement: Corporate Citizenship und Corporate Volunteering

Crowdfunding Umfrage Bekanntheit & Beteiligung

Psychologie im Arbeitsschutz

Jeder ist ein Teil vom Ganzen Inklusion ändert den Blick

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Bedienungsanleitung GYMplus

Teamentwicklung. Psychologische Unternehmensberatung Volker Rudat

Auswertung des Jahresabschlusses Bilanzanalyse 2

Fotoprotokoll / Zusammenfassung. des Seminars Methodik der Gesprächsführung und Coaching. Vertriebs- & Management - Training

Das Werk einschließlich aller seiner Texte ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts

EnEV und Ausnahmetatbestände für Denkmale

Ergebnisse einer Umfrage zur aktuellen

Neomentum Coaching. Informationsbroschüre für Studienteilnehmer

Avenue Oldtimer Liebhaber- und Sammlerfahrzeuge. Ihre Leidenschaft, gut versichert

Wirtschaft und Wissenschaft im Dialog. Der Generationenwechsel im KMU eine grosse Herausforderung

EINE UNI FÜR ALLE. Universität Luzern, Montag, 5. Mai Uhr

STUDIENALLTAG GEHÖRLOSER STUDIERENDER

Bürger legen Wert auf selbstbestimmtes Leben

Einrichtung einer eduroam Verbindung unter dem Betriebssystem Android

Folie 1: Fehlerbaumanalyse (FTA) Kurzbeschreibung und Ziel Die Fehlerbaumanalyse im Englischen als Fault Tree Analysis bezeichnet und mit FTA

IHK-Forum Berufsbildung

Schutz vor Insolvenzanfechtung

Länger gesund und selbstständig im Alter aber wie?

von: Oktay Arslan Kathrin Steiner Tamara Hänggi Marco Schweizer GIB-Liestal Mühlemattstrasse Liestal ATG

Untätigkeit der Bürger

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

... zu wissen. bestens betreut. zu sein. VORSORGE & VERSICHERUNG I.P. VORSORGE UND VERSICHERUNG bei Unfall, Krankheit und Verdienstausfall

Bruchrechnung Wir teilen gerecht auf

Workshop-Unterlagen Leitbildentwicklung

Entwicklung und Stärkung der persönlichen Kompetenzen!

Anreizstrukturen und Fehlanreize im Rahmen der qualitätsorientierten Vergütung PD Dr. M. Lüngen

Anmerkungen zum Chinesischen Kalender Andreas Walter Schöning (Dasha)

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

Was bedeutet LRS. Wie kann Schule helfen?

Transkript:

rainer.bell@univie.ac.at Gravitative Massenbewegungen und Risiko Rainer Bell DAL-Jahrestagung, Wien 1.-3.11.2007

Einführung InterRISK = Integrative Risikoanalyse und bewertung rezenter Hangrutschungsgebiete der Schwäbischen Alb 4 Teilprojekte InterRISK Analysis, Prof Dr. T. Glade InterRISK Perception, Prof. Dr. J. Pohl InterRISK Assess, Prof. Dr. B. Braun InterRISK History, Prof. Dr. A. Dix

Einführung Struktur 1. Einleitung 2. Risk Governance 3. Untersuchungsgebiet Schwäbische Alb 4. Quantifizierbarkeit von Risiken 5. Quantifizierbarkeit von Risikoakzeptanz 6. Nutzen der Produkte aus der Risikoanalyse 7. Zusammenfassung/Perspektive

Risk Governance basierend auf Kienholz 1993, Hollenstein 1997, AGS 2000, Renn 2005, Amman 2006 und Renn et al. 2006

Untersuchungsgebiet

Gravitative Massenbewegungen an der Schwäbischen Alb

Untersuchungsgebiet Mössinger Bergrutsch, 12.04.1983 6 Mio. m³ Foto: A. Dieter Datum Ort Fläche (km²) Volumen (Mio. m³) Mai 1787 Ortenberg (Ratshausen) 0,6? Februar 1789 Ortenberg (Ratshausen) 0,5? Oktober 1851 Plettenberg (Ratshausen) 1,1? April 1983 Mössingen 0,5 6 Kallinich 1999

Untersuchungsgebiet

Quantifizierbarkeit von Risiken Nur quantitative Risikoanalysen versetzen Akteure und Entscheidungsträger in die Lage, adäquate Lösungen zu finden! (z.b. Ammann 2006, Chung 2006)

Quantifizierbarkeit von Risiken Erstellen von Ereignisinventaren Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risiken Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risiken Wiederkehrsintervalle für gravitative Massenbewegungen Auf Basis von historischen Daten und Frequenz-Magnitude-Analysen Ereignisse > 6 Mio.m³: 55 139 Jahre

Quantifizierbarkeit von Risiken 1) Zuweisung der Wiederkehrwahrscheinlichkeit an jeden Einzelhang H WC,A = G A x W A x S V mit H WC,A = Gefahr bzw. Eintrittswahrscheinlichkeit einer gravitativen Massenbewegung mit einer Fläche größer oder gleich A im Worst-Case-Szenario G A = durchschnittliche Gefährdung einer gravitativen Massenbewegung mit einer Fläche größer oder gleich A W A = Wiederkehrwahrscheinlichkeit einer gravitativen Massenbewegung mit einer Fläche größer oder gleich A = Skalierungsfaktor für das Volumen einer gravitativen Massenbewegung S V 2) Wie 1), jedoch dividiert durch die Gesamtanzahl der Hänge H = G A A x W N mit H A = Gefahr bzw. Eintrittswahrscheinlichkeit einer gravitativen Massenbewegung mit einer Fläche größer oder gleich A N H,A = Anzahl der gravitativen Massenbewegungseinheiten mit einer Fläche größer oder gleich A A H,A x S V Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risiken Qualitative Risikoanalyse Kombination von qualitativen Gefahren- und Schadenspotenzialkarte, unter Annahme Vulnerabilität = 1 (d.h. vollständige Zerstörung, wenn das Risikoelement getroffen wird) Schadenpotenzial sehr gering gering mittel hoch sehr hoch sehr gering sehr gering sehr gering gering gering gering G e f a h r gering mittel hoch sehr hoch sehr gering gering gering gering gering mittel mittel mittel mittel mittel hoch hoch mittel hoch hoch sehr hoch mittel hoch sehr hoch sehr hoch Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risiken Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risiken Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risiken Bell (2007)

Quantifizierbarkeit von Risikoakzeptanz Forderung nach uniform safety level accepted by the public (z.b. Ammann 2006) ABER: Individuelle Akzeptanz Die Akzeptanz einer bestimmten Person, untersucht mittels quantitativer und qualitativer Methoden Aggregierte individuelle Akzeptanz Der Durchschnittswert von multiplen individuellen Akzeptanzen System-interne Akzeptanz Die kommunizierte Akzeptanz eines bestimmten sozialen Systems (z.b. Wissenschaft, Politik, Interessensverbände) Gesellschaftliche Akzeptanz Die Akzeptanz einer Gesellschaft im Gesamten Experten-Akzeptanz Experten definieren was ein Individuum oder die Gesellschaft bereit ist zu akzeptieren Bell, R., Glade, T. & Danscheid, M. (2006)

Quantifizierbarkeit von Risikoakzeptanz Island Akzeptable Risikolevel für Schneelawinen und gravitative Massenbewegungen Definiert von Experten und im nationalen Gesetz implementiert Risikolevel für individuelles Todesfallrisiko: + Hohes Risiko (C): >=3 x 10-4 / Jahr + Mittleres Risiko (B): 1 <3 x 10-4 / Jahr + Geringes Risiko (A): 0,3 <1 x 10-4 / Jahr Weitere Beispiele: Hong Kong: vorläufige akzeptable Risikolevel definiert Schweiz: akzeptable Risikolevel von PLANAT vorgeschlagen

Nutzen der Produkte aus der Risikoanalyse Inventarkarten durchaus hilfreich im Einzelfall interessant Ingenieurgeologen Bell (2007)

Nutzen der Produkte aus der Risikoanalyse Ingenieurgeologen Schummerungsdarstellungen des hochaufgelösten DGM Erstaunen und Begeisterung Besserer und schnellerer Überblick über die Gravitativen Massenbewegungen Wertvolle Grundlage zur besseren Beurteilung der Gefahrensituation und zur besseren Abschätzung der zu treffenden Gegenmaßnahmen

Nutzen der Produkte aus der Risikoanalyse Ingenieurgeologen Qualitative Gefahrenkarten Zusätzliche Information, die zur Verbesserung der Voruntersuchungen beitragen kann wichtiges Kommunikationsmittel, um ingenieurgeologischen Laien die Gefahr anschaulich zu vermitteln

Zusammenfassung/Perspektiven Wir sind noch weit davon entfernt Gefahren- und Risikokarten SO genau zu berechnen! Und für eine SO angepasste Risikoakzeptanz zu sorgen! PLANAT Reihe 1/2007

Zusammenfassung/Perspektiven Gefahren- und Risikokarten müssen nutzerorientiert und verständlich sein! PLANAT Reihe 1/2007

Zusammenfassung/Perspektiven Allerdings: Die Erstellung solcher optimierten Gefahren- und Risikokarten reicht allein nicht aus! Es sollten weitere Handlungen folgen! PLANAT Reihe 1/2007

Jede Erkenntnis weckt ja stets neue Fragen, und jede Untersuchung ist unvollständig und begrenzt, die Wahrheit ist aber unendlich, weil Alles in Zusammenhang steht. (Heim, A. 1883, zitiert in von Poschinger 1997, S. 45)

Danksagung InterRISK-Team (Thomas Glade, Jürgen Pohl, Andreas Dix, Boris Braun, Marco Danscheid, Matthias Röhrs, Alexander Blöchl) Birgit Terhorst, Uni Wien Erhard Bibus, Roger Kreja, Uni Tübingen Landesanstalt für Umwelt, Messungen & Naturschutz Baden-Württemberg Umweltministerium Baden-Württemberg Deutsche Forschungsgemeinschaft

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! rainer.bell@univie.ac.at Bell (2007): Lokale und regionale Gefahren- und Risikoanalyse gravitativer Massenbewegungen an der Schwäbischen Alb, Dissertation, Math.-Nat. Fakultät, Universität Bonn. (verfügbar unter: http://hss.ulb.uni-bonn.de/diss_online/math_nat_fak/2007/bell_rainer/ )