Entscheidung. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Fünfte Sektion



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Transkript:

Entscheidung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Fünfte Sektion Anonymisierte nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin 18/09/08 ENTSCHEIDUNG über die ZULÄSSIGKEIT der Individualbeschwerden Nrn. 25379/04, 21688/05, 21722/05 und 21770/05 P. GMBH gegen Deutschland ENTSCHEIDUNG ÜBER DIE ZULÄSSIGKEIT der Individualbeschwerden Nrn. 25379/04, 21688/05, 21722/05 und 21770/05 P. GMBH gegen Deutschland Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 18. September 2007 als Kammer mit den Richtern Herrn P. LORENZEN, Präsident, Frau S. BOTOUCHAROVA, Herrn K. JUNGWIERT, Herrn R. MARUSTE, Herrn J. BORREGO BORREGO, Frau R. JAEGER, Herrn M. VILLIGER, und Frau C. WESTERDIEK, Sektionskanzlerin, im Hinblick auf die oben genannten Individualbeschwerden, die am 13. Juli 2004 bzw. 3. Juni 2005 eingereicht wurden, nach Beratung wie folgt entschieden:

2 SACHVERHALT Die Beschwerdeführerin, die P. GmbH, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die nach deutschem Recht über eine Rechtspersönlichkeit verfügt. Vor dem Gerichtshof wurde sie von Herrn B. Hoeller und Kollegen, Rechtsanwälte in Bonn, vertreten. A) Die Umstände des Falls Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen. 1. Hintergrund der Rechtssache Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt Handel mit Baumaterialien und ist daneben auf dem E-Commerce-Sektor tätig. Sie war Inhaberin mehrerer tausend Domainnamen, die bei der zuständigen Registrierungsstelle DENIC e.g. nach Entrichtung der anfallenden Gebühren (zurzeit 58 Euro je Domainregistrierung sowie 58 Euro jährlich für die Domainkonnektivität und -verwaltung durch die DENIC e.g.) registriert worden waren. Insbesondere 1997 und 1998 beantragte die Beschwerdeführerin erfolgreich die Registrierung der Domains freundin-online.de, ad-acta.de, Eltern-online.de und duck.de. Durch die mit der DENIC e.g. geschlossenen Domainverträge wurde der Beschwerdeführerin das ausschließliche Recht eingeräumt, die registrierten Domains zu benutzen oder darüber zu verfügen. Laut Vertragsbestimmungen prüfte die DENIC e.g. nicht, ob durch die Registrierung oder Nutzung der Domain die Rechte Dritter verletzt wurden; dies war von dem Domaininhaber zu überprüfen. Die Verträge waren unbefristet und konnten von dem Domaininhaber fristlos und von der DENIC e.g. bei Vorliegen wichtiger Gründe (wie eine rechtskräftige gerichtliche Feststellung, dass die Registrierung der fraglichen Domain die Rechte Dritter verletzt, oder Nichtzahlung der Domaingebühren seitens des Vertragspartners) gekündigt werden.

3 In der Folge wurden gegen die Beschwerdeführerin von anderen Gesellschaften und Privatpersonen mehrere Verfahren angestrengt; die Kläger machten geltend, dass die Registrierung und Benutzung bestimmter Domains durch die Beschwerdeführerin ihre Markenrechte und / oder ihre Rechte auf eine geschäftliche Bezeichnung bzw. ihre Namensrechte verletze. 2. Das der Individualbeschwerde Nr. 25379/04 zugrunde liegende Verfahren Am 4. Oktober 2002 erhob die F. GmbH, Herausgeberin der Frauenzeitschrift freundin und Lizenzinhaberin der Marke freundin, beim Landgericht München gegen die Beschwerdeführerin Klage, nahm sie in Anspruch, es zu unterlassen, die Internet-Domain- Bezeichnung freundin-online.de zu benutzen oder darüber zu verfügen, und bat das Gericht, ihr aufzugeben, die Löschung dieser Domain bei der Registrierungsstelle zu beantragen. Sie trug vor, dass die Beschwerdeführerin ihr Recht auf eine geschäftliche Bezeichnung und ihre Markenrechte verletze. Durch Beschluss vom 20. Februar 2003 trennte das Landgericht München zwei Widerklagen der Beschwerdeführerin von dem Klagebegehren der Klägerin ab. Es führte aus, dass über die Widerklagen, die erst im Termin am 16. Januar 2003 zugestellt worden seien, im Gegensatz zum eigentlichen Klagebegehren noch nicht entschieden werden könne. Durch Urteil vom selben Tag gab das Landgericht München, gestützt auf 15 Abs. 3 und 4 Markengesetz (siehe Das einschlägige innerstaatliche Recht unten), der Klage der Klägerin statt. Das Landgericht befand, dass es sich bei dem Zeitschriftentitel freundin um eine bekannte geschäftliche Bezeichnung handele, weil die Frauenzeitschrift, die sich mit den von ihr behandelten Themen an die Allgemeinheit wende, seit mindestens dreißig Jahren in allen Zeitschriftenläden verkauft werde. Darüber hinaus veröffentliche die Klägerin auf der Internetseite freundin.de Inhalte aus der Zeitschrift und die von ihr darin angebotenen Dienste. Die Beschwerdeführerin ziehe aus der Unterscheidungskraft der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin ohne rechtfertigenden Grund einen unlauteren Vorteil für ihre

4 Internetplattform. Da die Beschwerdeführerin nicht dargelegt habe, warum sie ihre Domain freundin-online.de - die entsprechende Internetseite erscheine seit Jahren als Baustellenseite - nicht mit Leben erfülle, kam das Gericht zu dem Schluss, dass die GmbH diese Domain lediglich vereinnahmt habe, um sie an die Klägerin zu verkaufen, die sie dann benutzen könne. Da die Beschwerdeführerin auch nicht ausgeführt habe, wie sie die betreffende Internetseite künftig genau nutzen wolle die GmbH habe nur die Einrichtung eines Internetportals angekündigt, in dem alle Personen, die einen Bezug zu dem Domainnamen haben, kostenlos auftreten könnten bestehe die Gefahr, dass sie die Internetseite in vielfältiger Weise benutzen werde, wodurch die Rechte der Klägerin verletzt würden. Damit seien die gegen die Beschwerdeführerin ergangenen Anordnungen in keiner Weise zu weit gefasst. Durch Beschluss vom 16. Oktober 2003 wies das Oberlandesgericht München unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Parteien die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Es befand, dass der Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfe, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung seine Entscheidung nicht erfordere und die Berufung aus den von dem Landgericht angeführten Gründen unbegründet sei. Das Oberlandesgericht führte überdies aus, dass die Abtrennung der beiden Widerklagen der Beschwerdeführerin von dem Klagebegehren der Klägerin den geltenden Rechtsvorschriften entsprochen habe und weder willkürlich gewesen sei noch das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt habe. Die Widerklage gegen die Klägerin und eine Drittwiderklägerin, mit der die Beschwerdeführerin die teilweise Löschung der Wortmarke freundin erwirken wollte, wirke sich auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht aus, weil sich weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht auf den Umfang dieser Wortmarke gestützt hätten, da die Entscheidung auf den Schutz der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin abgestellt habe. Bei der Widerklage der Beschwerdeführerin gegen die Klägerin, die allein auf die Feststellung abstellte, dass die Benutzung der Domain durch die Beschwerdeführerin zum Verkauf von Computerdisketten die Rechte der Klägerin nicht verletze, handele es sich lediglich um eine Negierung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs; insoweit sei sie in dem Urteil des Landgerichts berücksichtigt worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch nicht dargetan, dass sie die streitgegenständliche Domain in einer Weise benutzen könne, die die Rechte der Klägerin nicht verletzen würde.

5 Am 21. November 2003 legte die Beschwerdeführerin beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde ein. Sie trug vor, dass die Entscheidungen der Zivilgerichte durch die Abtrennung ihrer Widerklagen von dem Klagebegehren der Klägerin sowie durch Zurückweisung ihrer Berufung mit Beschluss ihren Anspruch auf rechtliches Gehör sowie ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt hätten. Überdies sei ihr Recht auf Eigentum verletzt worden, weil ihr die Nutzung ihrer Domain freundin-online.de untersagt und ihr aufgegeben worden sei, deren Löschung zu beantragen. Am 12. Januar 2004 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Begründung ab, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zur Entscheidung anzunehmen; es verwies auf die Rechtsvorschriften, die diese Vorgehensweise zulassen (Az.: 1 BvR 2377/03). Die Entscheidung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 14. Januar 2004 zugestellt. 3. Das der Individualbeschwerde Nr. 21688/05 zugrunde liegende Verfahren Im Jahr 2000 nahm die a. GmbH", die sich mit der Akten- und Datenträgervernichtung befasst, die Beschwerdeführerin in Anspruch, es zu unterlassen, "ad-acta.de" als Domainnamen zu benutzen; außerdem bat sie das Gericht, der Beschwerdeführerin aufzugeben, die Löschung dieser Domain bei der Registrierungsstelle zu beantragen. Sie trug vor, dass die Beschwerdeführerin ihr Recht auf eine geschäftliche Bezeichnung und ihr Kennzeichenrecht verletze. Am 8. November 2000 gab das Landgericht Düsseldorf der Klage der Klägerin aufgrund des Rechts auf den Schutz des Namens nach 12 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB, (siehe Das einschlägige innerstaatliche Recht, unten) statt. Am 29. Oktober 2001 wies das Oberlandesgericht Hamm die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Es befand, dass die Klägerin die Beschwerdeführerin nach 15 Abs. 2 und 4 des Markengesetz sowie 12 BGB (siehe Das einschlägige innerstaatliche Recht, unten) in Anspruch nehmen könne, es zu unterlassen, "ad-acta.de" als Domainnamen zu benutzen. Die Bezeichnung ad-acta sei Bestandteil der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin Die Benutzung der Internetadresse ad-acta.de durch die beschwerdeführende Gesellschaft, die beabsichtige, auf ihrer Internetseite einen Begriffsbedeutungs -und Anzeigendienst für den Bereich der Aktenlagerung und Aktenvernichtung zu betreiben, sei

6 geeignet, Verwechslungen in Bezug auf das Unternehmen der Klägerin hervorzurufen, und verletze das Recht der Klägerin zum Gebrauch eines Namens. Um dem Eingriff in ihre Rechte abzuhelfen, könne die Klägerin von der Beschwerdeführerin auch verlangen, in die Löschung ihres Domainnamens bei der Registrierungsstelle einzuwilligen. Am 13.Juni 2002 lehnte der Bundesgerichtshof die Annahme der Revision der Beschwerdeführerin ab, da sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Am 18. Juli 2002 erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Sie rügte insbesondere, dass ihr Recht auf Eigentum verletzt worden sei und die Zivilgerichte ihr Vorbringen zu dieser Rechtsverletzung nicht berücksichtigt hätten. Am 24. November 2004 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ab, die Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR 1306/02) der Beschwerdeführerin zur Entscheidung anzunehmen. Es stellte fest, dass die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe, weil die angegriffenen Entscheidungen die Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt hätten. Aus dem Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle habe sich für die Beschwerdeführerin ein Nutzungsrecht an der fraglichen Domain ergeben, das nach dem Grundgesetz eine eigentumsfähige Position darstelle. Gleichwohl schränke die Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen des Markengesetzes auf die vorliegende Rechtssache die Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin in einer mit dem Grundgesetz vereinbaren Weise ein. Insbesondere seien die Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin durch die Verpflichtung, bei der Registrierungsstelle die Löschung ihrer Domain zu beantragen, nicht unverhältnismäßig beschränkt worden. Weniger einschränkende Maßnahmen zur Beendigung des Eingriffs in die Rechte der GmbH, die deren berechtigtem Interesse als Inhaberin der Kennzeichenrechte vollständig gerecht werden könnten, seien nicht gegeben. Die Verwechslungsgefahr könne zum Beispiel durch Hinweise auf einer von der Beschwerdeführerin unter dem strittigen Domainnamen betriebenen Internetseite nicht in ausreichendem Umfang ausgeräumt werden. Die Entscheidung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 6. Dezember 2004 zugestellt.

7 4. Das der Individualbeschwerde Nr. 21722/05 zugrunde liegende Verfahren Am 8. August 2001 erhob die G. KG, die seit 1966 die Zeitschrift Eltern monatlich herausgibt und seit 1997 die Internetseite Eltern betreibt, gegen die beschwerdeführende Gesellschaft Klage beim Landgericht Hamburg. Sie nahm die Beschwerdeführerin in Anspruch, es zu unterlassen, den Domainnamen eltern-online.de zu benutzen oder dessen Nutzung Dritten zu genehmigen, und bat das Gericht, ihr aufzugeben, bei der Registrierungsstelle die Löschung dieser Domain zu beantragen. Sie trug vor, dass die Beschwerdeführerin ihre Markenrechte verletze. Am 5. August 2002 gab das Landgericht Hamburg, gestützt auf 15 Abs. 2 und 4 Markengesetz, der Klage der Klägerin statt. Am 31. Juli 2003 wies das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Es führte aus, dass die Gefahr einer Verwechslung zwischen dem von der Beschwerdeführerin registrierten Domainnamen eltern-online.de und der geschäftlichen Bezeichnung Eltern der Zeitschrift der Klägerin im Sinne des 15 Abs. 2 und 4 Markengesetz gegeben sei. Um dem Eingriff in ihre Rechte abzuhelfen, könne die Klägerin von der Beschwerdeführerin auch verlangen, in die Löschung ihres Domainnamens bei der Registrierungsstelle einzuwilligen. Am 19. Februar 2004 wies der Bundesgerichtshof die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht zurück. Am 23. März 2004 erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht, mit der sie insbesondere rügte, dass ihre Eigentumsrechte durch die fachgerichtlichen Entscheidungen verletzt worden seien und die Zivilgerichte ihr Vorbringen bezüglich der Verletzung dieser Rechte nicht berücksichtigt hätten. Am 24. November 2004 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Angabe von Gründen ab, die Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR 650/04) der Beschwerdeführerin zur Entscheidung anzunehmen. Die Entscheidung wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 6. Dezember 2004 zugestellt.

8 5. Das der Individualbeschwerde Nr. 21770/05 zugrunde liegende Verfahren Im Jahr 2001 erhob ein Architekt, Herr D., der seit 2000 im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung Architekturbüro D. auftritt, beim Landgericht München gegen die Beschwerdeführerin Klage, nahm sie in Anspruch, es zu unterlassen, den Domainnamen d.de zu benutzen oder darüber zu verfügen, und bat das Gericht ihr aufzugeben, bei der Registrierungsstelle die Löschung dieser Domain zu beantragen. Er trug vor, dass die Beschwerdeführerin sein Recht auf einen Namen und seine Markenrechte verletze. Am 26.April 2001 gab das Landgericht München I der Klage des Klägers statt. Am 10. Januar 2002 wies das Oberlandesgericht München die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Der Domainname enthalte den Familiennamen des Klägers, und die Beschwerdeführerin habe keine schwerwiegenden Gründe für die Nutzung des Namens, die das Interesse des Klägers überwiegen angeführt. Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft insbesondere geltend mache, sie beabsichtige eine Internetseite über die Ente als Tier oder Nahrungsmittel einzurichten, könne sie für Ente die deutsche oder eine andere Bezeichnung wählen, die nicht geeignet sei, Verwechslungen in Bezug auf den Namen des Klägers hervorzurufen. Da die Beschwerdeführerin unter 3.000 DM Domaingebühren entrichtet und den strittigen Domainnamen im Internet nicht mit Inhalten belegt habe, sei kein schützenswerter Besitzstand begründet. In der Folge lehnte der Bundesgerichtshof die Annahme der Revision der Beschwerdeführerin ab. Am 20. September 2002 legte die Beschwerdeführerin beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde ein. Sie trug insbesondere vor, dass ihre Eigentumsrechte durch die fachgerichtlichen Entscheidungen verletzt worden seien und die Zivilgerichte ihr Vorbringen bezüglich der Verletzung dieser Rechte nicht berücksichtigt hätten. Am 24. November 2004 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Angabe von Gründen ab, die Verfassungsbeschwerde (Az.: 1 BvR 1774/04) der Beschwerdeführerin zur Entscheidung anzunehmen. Die Entscheidung wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 6. Dezember 2004 zugestellt.

9 B. Das einschlägige innerstaatliche Recht 12 BGB, der das Recht auf einen Namen betrifft, bestimmt, dass wenn das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten wird oder das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt wird, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Berechtigte auf Unterlassung klagen. In 15 Markengesetz sind die Rechte des Inhabers einer geschäftlichen Bezeichnung festgelegt. Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit einer geschützten Bezeichnung hervorzurufen ( 15 Abs. 2). 15 Abs. 3 Markengesetz betrifft im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnungen. Dritten ist es auch dann untersagt, diese geschäftlichen Bezeichnungen oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Absatzes 2 besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschützten geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Nach 15 Abs. 4 Markengesetz kann von dem Inhaber einer geschützten geschäftlichen Bezeichnung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen entgegen Absatz 2 oder Absatz 3 benutzt. RÜGEN Gestützt auf Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 zur Konvention rügte die Beschwerdeführerin in allen vier Individualbeschwerden das absolute Verbot der Benutzung der fraglichen Domainnamen, die Eigentum darstellten. Sie machte geltend, dass die Anordnung, es nicht nur zu unterlassen, diese Domains zu benutzen oder darüber zu verfügen, sondern bei der

10 Registrierungsstelle auch die Löschung der Domains zu beantragen, die allein auf die Auflage, eine konkrete Verletzung des Rechts der Kläger auf einen Namen oder Markenrechte zu unterlassen, hätte beschränkt werden können, unverhältnismäßig in ihr Recht auf Eigentum eingegriffen habe. Mit ihrer Individualbeschwerde Nr. 25379/04 rügte die Beschwerdeführerin nach Artikel 6 der Konvention ferner, dass das Zivilverfahren unfair gewesen sei, weil die Gerichte entgegen dem deutschen Verfahrensrecht ihre Widerklagen von dem Klagebegehren der Klägerin abgetrennt und damit ihre Fähigkeit, sich gegen die Klage der Klägerin zu verteidigen, beeinträchtigt hätten. Überdies habe das Oberlandesgericht ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil es ihre Berufung durch Beschluss willkürlich zurückgewiesen habe. Darüber hinaus sei ihr Recht auf ein faires Verfahren von dem Bundesverfassungsgericht verletzt worden, da es ihre Verfassungsbeschwerde trotz der grundsätzlichen Bedeutung der darin aufgeworfenen Fragen ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung angenommen habe. In ihren Individualbeschwerden Nrn. 21688/05, 21722/05 und 21770/05 rügte die Beschwerdeführerin, dass ihr Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 durch die Gerichtsverfahren verletzt worden sei, weil die Gerichte ihre rechtlichen Ausführungen zu ihren Eigentumsrechten nicht berücksichtigt hätten. RECHTLICHE WÜRDIGUNG 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft rügte, dass das Verbot der Benutzung der fraglichen Internet-Domains oder der Verfügung darüber und die Auflage, bei der Registrierungsstelle die Löschung dieser Domains zu beantragen, ihre Eigentumsrechte verletzt hätten. Sie stützte sich auf Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 zur Konvention, der lautet: Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit

11 dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält. Bei der Entscheidung darüber, ob die Versagung des Rechts der beschwerdeführenden Gesellschaft, die auf sie eingetragenen Domainnamen zu benutzen, einen Eingriff in ihr Recht auf Eigentum darstellte, weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Begriff des Eigentums in Artikel 1 Protokoll Nr. 1 eine eigenständige Bedeutung hat, die nicht auf das Eigentum an materiellen Gütern beschränkt ist und mit der förmlichen Einstufung in innerstaatlichem Recht nicht im Zusammenhang steht. Bestimmte andere Rechte, die Vermögenswerte darstellen, können auch als Eigentumsrechte und damit als Eigentum im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden (siehe Rechtssachen Gasus Dosier- und Fördertechnik GmbH./. Niederlande, Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A Band 306-B, S. 46, Rdnr. 53; Anheuser-Busch Inc../. Portugal [GK], Individualbeschwerde Nr. 73049/01, Rdnr. 63, EGMR 2007-...). Bei immateriellen Vermögenswerten hat der Gerichtshof insbesondere berücksichtigt, ob die fragliche Rechtsstellung wirtschaftliche Ansprüche begründete und deshalb einen wirtschaftlichen Wert darstellte (vgl. Rechtssachen Anheuser- Busch Inc., a. a. O., Rdnrn. 76 und 78, sowie Tre Traktörer Aktiebolag./. Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A Band 159, S. 21, Rdnr. 53). Mithin hat er z. B. geistiges Eigentum wie Marken und Urheberrechte (siehe Rechtsachen Melnychuk./. Ukraine (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 28743/03, EGMR 2005-IX; Anheuser-Busch Inc., a. a. O. Rdnrn. 72 und 78) oder Lizenzen zur besonderen Benutzung des Eigentums (wie Lizenzen zum Ausschank alkoholischer Getränke oder Fangrechte, siehe Rechtssachen Tre Traktörer Aktiebolag, a. a. O., S. 21, Rdnr.53; Alatulkkila u. a../. Finnland, Individualbeschwerde Nr. 33538/96, Rdnr. 66, 28. Juli 2005) als Eigentum gewertet. Im vorliegenden Fall ergab sich für die beschwerdeführende Gesellschaft aus den Verträgen mit der Registrierungsstelle gegen Entrichtung der Domaingebühren ein unbefristetes Recht, die auf ihren Namen registrierten Domains zu benutzen oder zu übertragen. Folglich konnte die beschwerdeführende Gesellschaft allen Internetnutzern, die den fraglichen Domainnamen eingaben, z. B. Anzeigen, Informationen oder Dienstleistungen ggf. gegen Zahlung eines Geldbetrags anbieten oder das Recht auf Benutzung der Domain an einen Dritten veräußern. Das Exklusivrecht zur Benutzung der fraglichen Domains stellte daher einen wirtschaftlichen Wert dar. Im Hinblick auf die vorgenannten Kriterien war dieses Recht deshalb Eigentum, in das die Gerichtsentscheidungen, mit denen die Benutzung der Domains untersagt wurde, eingriffen.

12 Der Gerichtshof hat ferner zu entscheiden, ob die gegen die Beschwerdeführerin ergangene Anordnung, es zu unterlassen, die strittigen Domainnamen zu benutzen oder darüber zu verfügen, und bei der Registrierungsstelle die Löschung dieser Domains zu beantragen, eine Entziehung des Eigentums der Beschwerdeführerin im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 des Protokolls Nr. 1 oder eine Regelung der Benutzung ihres Eigentums nach Artikel 1 Abs. 2 darstellte. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Verbot der Benutzung der Domains oder der Verfügung darüber, das nicht mit einer Übertragung der Rechte der Beschwerdeführerin aus den Domainverträgen einherging, eindeutig der Regelung der Benutzung ihres Eigentums im Sinne von Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 diente. Demgegenüber bewirkte die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, bei der Registrierungsstelle die Löschung dieser Domains zu beantragen, den Verlust ihrer Rechtsposition aus diesen Verträgen. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass er in seiner Rechtsprechung eine Vielzahl von Maßnahmen wie Einziehung, Verfall und Zerstörung von Eigentum, obwohl sie mit einer Eigentumsentziehung einhergingen, als Regelung der Benutzung des Eigentums gewürdigt hatte. Diese Maßnahmen zielten darauf ab, die weitere Verfügung über Sachen zu verhindern, deren Benutzung für rechtswidrig befunden worden war, und setzten das fragliche Verbot durch. Sie stellten daher ein konstituierendes Element des Verfahrens zur Regelung der Benutzung des Eigentums dar (vgl. u. a. Rechtssachen Handyside./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976, Serie A Band 24, S. 30, Rdnr. 63; AGOSI./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 24. Oktober 1986, Serie A Band 108, S. 17-18, Rdnr. 51; Air Canada./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 5. Mai 1995, Serie A Band 316-A, S. 16, Rdnr. 34). In vorliegender Rechtssache waren die Anordnungen, mit denen der beschwerdeführenden Gesellschaft aufgegeben wurde, die Löschung der Domains zu beantragen, geeignet, diese daran zu hindern, Markenrechte Dritter oder sonstige Rechte aus dem Markengesetz und / oder Bürgerlichen Gesetzbuch weiterhin zu verletzen. Bei dem in Rede stehenden Eigentum handelte es sich im vorliegenden Fall nicht um materielle Vermögenswerte wie in den Rechtssachen Handyside, AGOSI und Air Canada, sondern um ein vertragliches Recht auf ausschließliche Benutzung von Domainnamen. In dem fraglichen

13 Vertrag hieß es ausdrücklich, dass der Domaininhaber zu prüfen habe, ob durch die Registrierung und Nutzung der Domain die Rechte Dritter verletzt wurden, und bei der beschwerdeführenden Gesellschaft ist - ungeachtet ihrer Absichten bei der Domainregistrierung - davon auszugehen, dass sie sich der Gefahr bewusst war, dass ihre Domains mit schon bestehenden Rechten des geistigen Eigentums Dritter kollidieren könnten. Mithin sind die vorstehenden Erwägungen auf die vorliegende Rechtssache erst recht anwendbar. Die Anordnungen stellten deshalb Maßnahmen zur Regelung des Gebrauchs des Eigentums dar, die nach Artikel 1 Abs. 2 des Protokolls Nr. 1 zu prüfen sind. Es bleibt noch festzustellen, ob der Eingriff in die Eigentumsrechte der Beschwerde- Fahrerin mit dem Recht des Staates nach Artikel 1 Abs. 2 des Protokolls Nr. 1, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse für erforderlich hält, übereinstimmte. Die gerichtlichen Anordnungen, mit denen es der Beschwerdeführerin untersagt wurde, die auf sie eingetragenen Domainnamen zu benutzen, ergaben sich aus der Schlussfolgerung der Gerichte, dass ihre Nutzung durch die Beschwerdeführerin gegen die geltenden Vorschriften des Markengesetzes und / oder des Bürgerlichen Gesetzbuchs verstieß. Der Gerichtshof ist überzeugt, dass die getroffenen Maßnahmen dem innerstaatlichen Recht entsprachen. Die gegen die beschwerdeführende Gesellschaft ergangenen gerichtlichen Anordnungen dienten überdies der Förderung des legitimen Allgemeininteresses an der Erhaltung eines funktionierenden Systems zum Marken- und / oder Namensschutz, indem unbefugte Dritte (in diesem Fall die beschwerdeführende Gesellschaft) wirksam daran gehindert wurden, die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung geschützter Marken oder Namen zulasten ihrer Inhaber unberechtigterweise auszunutzen. Da Artikel 1 Absatz 2 des Protokolls Nr. 1 schließlich im Lichte des in Artikel 1 Satz 1 verankerten Grundsatzes der Achtung des Eigentums auszulegen ist, müssen bei dem Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf Eigentum die eingesetzten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen (vgl. unter vielen anderen Rechtssachen Air Canada, a. a. O., S. 16, Rdnr. 36; Allard./. Schweden, Individualbeschwerde Nr. 35179/97, Rdnr. 54, EGMR 2003-VII).

14 Der Gerichtshof stellt fest, dass die nationalen Gerichte es für notwendig erachteten, es der beschwerdeführenden Gesellschaft ausnahmslos zu untersagen, die auf sie eingetragenen Domainnamen zu benutzen, um dem Allgemeininteresse an einem Schutz der Marken und / oder der geschäftlichen Bezeichnungen bzw. Namen Rechnung zu tragen. Insbesondere erachteten sie die Anordnung weniger einschränkender Maßnahmen wie, es der Beschwerdeführerin zu gestatten, die registrierten Domains - vorbehaltlich der Klärung möglicher Verwechslungen mit anderen Domainnamen auf den betreffenden Internetseiten - weiterhin zu benutzen, nicht für ausreichend, um die Verletzung von Markenrechten oder Rechten auf eine geschäftliche Bezeichnung bzw. Namen Dritter zu beenden. Da die beschwerdeführende Gesellschaft eingeschränkte Möglichkeiten zur Nutzung der fraglichen Domains, bei denen die Gefahr der Verletzung der Rechte anderer nicht gegeben wäre, nicht nachgewiesen hat, und angesichts des eindeutigen Hinweises der DENIC e.g., dass die Registrierung einer Domain nicht von Ansprüchen Dritter freistelle, können die Anordnungen der nationalen Gerichte gleichwohl als zur Zielerreichung nicht unangemessen angesehen werden. Bei der Beurteilung des Interesses der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der auf sie eingetragenen Domains stellt der Gerichtshof überdies fest, dass die GmbH die fraglichen Domains im Zeitpunkt des innerstaatlichen Verfahrens durch das Einstellen von Inhalten auf den Internetseiten unter den jeweiligen Domainnamen kaum benutzt hatte. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falls und des weiten Ermessensspielraums des Staates in diesem Bereich (siehe, insbesondere Rechtssache Tre Traktörer Aktiebolag, a. a. O., S. 24, Rdnr. 62) stellt der Gerichtshof daher fest, dass durch die gerichtlichen Anordnungen ein gerechter Ausgleich zwischen dem Schutz des Eigentums der Beschwerdeführerin und den Erfordernissen des Gemeinwohls herbeigeführt wurde und die Beschwerdeführerin somit keine übermäßige individuelle Last zu tragen hatte. Daraus folgt, dass dieser Teil der Beschwerde nach Artikel 35 Abs. 3 und 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist. 2. Die beschwerdeführende Gesellschaft trug überdies vor, dass das Verfahren vor den deutschen Gerichten unfair gewesen sei, weil diese das Verfahrensrecht verletzt hätten, und wegen der Art und Weise, in der ihre Berufung und Klagen ohne Angabe von Gründen bzw.

15 ohne angemessene Berücksichtigung ihrer rechtlichen Ausführungen abgewiesen worden seien. Sie berief sich auf Artikel 6, der, soweit maßgeblich, wie folgt lautet: Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen [...] von einem [...] Gericht in einem fairen Verfahren [...] verhandelt wird. Der Gerichtshof hat die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Rügen nach Artikel 6 geprüft. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass diese Rügen keine Anzeichen für eine Verletzung der in der Konvention bezeichneten Rechte und Freiheiten erkennen lassen. Daraus folgt, dass die Individualbeschwerde im Übrigen ebenfalls nach Artikel 35 Abs. 3 und 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist. Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig: Er beschließt, die Individualbeschwerden zu verbinden und erklärt die Beschwerden einstimmig für unzulässig. Claudia WESTERDIEK Kanzlerin Peer LORENZEN Präsident