Zum Verhältnis zwischen GKV und PKV* Prof. Dr. Ulrich Meyer, Universität Bamberg



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Transkript:

Zum Verhältnis zwischen GKV und PKV* Prof. Dr. Ulrich Meyer, Universität Bamberg Vielen Dank, auch für die nette Einführung am Anfang, ich freue mich, dass ich eingeladen bin zu diesem Versicherungstag. Manche von Ihnen werden sich allerdings nicht freuen über das, was ich jetzt sagen werde. Ich will meine Ausführungen in drei Abschnitte gliedern. Ausführlich will ich zunächst auf die Frage eingehen, ob der bestehende Wettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenkasse fair ist. Kurz ansprechen will ich dann die Punkte Übertragbarkeit der Alterungsrückstellungen in der PKV und ganz kurz als letzten Punkt Leistungsverlagerung von der GKV zur PKV. Fairness des Systemwettbewerbs zwischen PKV und GKV? GKV und PKV beeinflussen sich gegenseitig finanziell. Ich nenne das Subventionen. Es fließen Subventionen zwischen GKV und PKV und zwar in beide Richtungen. Dabei verstehe ich unter Subvention Folgendes: Die PKV subventioniert die GKV, wenn die GKV niedrigere Kosten (je Versichertem) zu tragen hat dadurch, dass es die PKV gibt. Kurz: Die PKV trägt Kosten, die sonst, ohne PKV, die GKV tragen müsste. Umgekehrt gilt natürlich: Die PKV wird durch die GKV subventioniert, wenn die GKV Kosten trägt, die sonst die PKV tragen müsste. Subventionen von der PKV zur GKV resultieren daraus, dass in der PKV für dieselben Leistungen ein höheres Entgelt zu zahlen ist als in der GKV. Ein Privatversicherter erhält vom Arzt für dieselbe Behandlung eine Rechnung, die gut doppelt so hoch ist wie das, was dafür von der GKV für einen gesetzlich Versicherten zu zahlen wäre. Man muss zweifellos davon ausgehen, dass, gäbe es die hohen Vergütungen der PKV für die Ärzte nicht, die Ärzteschaft versuchen würde, von der GKV höhere Vergütungen zu bekommen. Zu einem Teil würde ihr das sicherlich gelingen. Insoweit hätte die GKV höhere * Vortrag, gehalten auf dem Nordbayerischen Versicherungstag 2006. Erschienen in: Hermann, Harald/Gruner, Petra (Hg.): Nordbayerischer Versicherungstag 2006. Berlin/Nürnberg 2007 [dort leider abgedruckt als fehlerhafte (nicht überarbeitete) Tonbandmitschrift].

2 Kosten. Es liegt daher insoweit eine Subventionierung der gesetzlichen durch die privaten Krankenkassen vor. Ähnliches, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß, gilt auch in anderen Bereichen wie Krankenhaus, stationärer Bereich, zahnmedizinischer Bereich und Medikamente. Eine Quantifizierung dieser Effekte ist grundsätzlich möglich. Allerdings dürfen quantifizierte Mehrausgaben der PKV pro Versichertem nicht unmittelbar und in voller Höhe als Subvention von der PKV an die GKV interpretiert werden. Zweierlei ist zu beachten. Zum einen beruhen Mehrausgaben der PKV auch auf einem Mehr an Leistungen der Ärzte für Privatversicherte. Privatpatienten werden, jedenfalls zum Teil, bevorzugt behandelt bei der Terminvergabe, Arztgespräche dauern länger, es werden häufiger teure Behandlungen und Diagnosemethoden eingesetzt. Insoweit sind Mehrausgaben nicht als Subvention zu interpretieren. Zum anderen würde, wie erwähnt, beim Wegfall der hohen Zahlungen der Privatversicherten wohl nur eine teilweise Kompensation durch höhere Zahlungen der GKV erfolgen. Zur Quantifizierung der dargestellten Effekte hat der PKV-Verband vor einem Jahr eine Studie vorgelegt mit dem Titel Der überproportionale Finanzierungsbeitrag privat versicherter Patienten zum Gesundheitswesen. Dass nicht alle Mehrausgaben der Privatversicherten als Subventionen angesehen werden können, wird in der Studie kurz erwähnt, es wird aber kein Versuch unternommen, die Höhe der tatsächlichen Subventionen abzuschätzen. Implizit werden die gesamten Mehrausgaben als Subventionen dargestellt, es wird mit dem Begriff Mehrumsatzeffekt argumentiert. Jetzt zu den Subventionen in die andere Richtung (von GKV zu PKV), die in der Studie bewusst, wie ich vermute gar nicht erwähnt werden. Eine erster Punkt ist Folgendes: So genannte schlechte Risiken hinsichtlich der Gesundheit, also Zuckerkranke, Herzinfarktgefährdete usw., gibt es in GKV und PKV. Es gibt aber systematisch mehr schlechte Risiken in der GKV, denn die GKV muss jeden Versicherten aufnehmen unabhängig vom Gesundheitsrisiko, die PKV nicht. Kommt ein 35-

3 jähriger Zuckerkranker mit seinem Einkommen über die Versicherungspflichtgrenze, braucht er bei dem gegenwärtigen System gar keinen Versicherungsantrag bei einer privaten Versicherung zu stellen; er wird sowieso nicht genommen. Die richtig teuren Versicherungsnehmer bleiben also in der GKV; das stellt eine Subventionierung der PKV durch die GKV in Milliardenhöhe dar. Dadurch dass die PKV von den teuren Versicherungsnehmern verschont bleibt, hat sie für ihre Versicherten ceteris paribus geringere Aufwendungen. Ein zweiter Punkt betrifft die Selektion bezüglich der Altersstruktur. Ältere Menschen haben, wie jeder weiß, deutlich höhere Krankheitskosten als jüngere. Empirisch zeigt sich nun, dass der Anteil älterer Versicherter in der PKV deutlich niedriger als in der GKV ist. Die PKV spart dadurch, dass viele Privatversicherte im Alter, wenn es in der PKV richtig teuer wird, durch irgendwelche Schlupflöcher unter das im Alter preiswertere Dach der GKV schlüpfen. Im Endeffekt trägt die GKV durch ihre überproportional vielen älteren Versicherten einen Teil der Krankheitskosten, der eigentlich von der PKV zu tragen wären. Auch das ist eine Subvention der PKV in Milliardenhöhe. Abb. 2 für das Jahr 2003 stammt aus der schon erwähnten Studie des PKV-Verbandes, wird da allerdings nicht zum Aufzeigen der Subventionierung der PKV durch die GKV verwendet. Die Abbildung zeigt, dass GKV-Versicherte im Durchschnitt etwas älter sind als (privatversicherte) Beihilfeberechtigte und wesentlich älter als die sonstigen Privatversicherten.

4 GKV PKV: Beihilfe PKV: Sonst Abb. 1: Subventionen von GKV zu PKV durch Selektion bzgl. der Altersstruktur Bei der Interpretation dieser Abbildung muss man zwei zusätzliche Punkte beachten: 1. Die Lebenserwartung von Privatversicherten ist signifikant höher als die der gesetzlich Versicherten. 2. In der PKV ist der Anteil der versicherten Kinder deutlich kleiner als in der GKV. Aus beiden Gründen müssten eigentlich, das heißt ohne Abwanderung von Privatversicherten im Alter in die GKV, die Privatversicherten im Durchschnitt deutlich älter sein als die gesetzlich Versicherten. Der nächste Punkt: Subventionierung der Privatversicherten dadurch, dass nur die GKV die Umverteilungslasten für die Alten trägt ist nicht ganz offensichtlich und unmittelbar einleuchtend. Ich will das anhand von Abb. 2 erläutern: Die durchschnittlichen Krankheitskosten steigen im Laufe eines Menschenlebens stark an. Der Krankenversicherungsbeitrag soll aber nicht entsprechend mit dem Lebensalter ansteigen. Bei einem in der Abbildung dargestellten konstanten Beitrag ergibt sich eine Kostenüberdeckung für junge Versicherte und eine Unterdeckung für Ältere.

5 Kosten, Beitrag GKV: Die jeweils Jüngeren unterstützen die jeweils Älteren PKV: Die jeweils Jungen sparen für sic h selbst im Alter Umlage in der GKV Kosten Beitra g Lebensalter Abb. 2: Subventionierung durch Tragung der Lasten der jeweils Alten durch die GKV Sowohl die GKV als auch die PKV funktionieren so, dass die Überdeckung der Jungen für die Unterdeckung der Alten verwendet wird allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: In der GKV wird der Überschuss der heute, im Jahr 2006, jungen Versicherten zum Ausgleich der Fehlbeträge der heute, im Jahr 2006, älteren Versicherten verwendet. In der PKV wird der Überschuss der Jungen für deren eigenes Alter als Alterungsrückstellung angespart. Die Alterungsrückstellungen werfen jahrzehntelang Zinsen und Zinseszinsen ab; diese Zinsen kommen den Privatversicherten zugute und ermöglichen so niedrigere Prämien. Die Dimension dieses Vorteils lässt sich durch eine grobe Rechung abschätzen: Die PKV hat 100 Mrd. Rückstellungen. Herr Hofer sagte eben, nur 80% davon beträfen die echten Privatversicherten, aber lassen Sie mich bei 100% bleiben, sonst müsste ich neu rechnen. Bei einem Zinssatz von 4% fallen auf 100 Mrd. jährlich Erträge von 4 Mrd. an. Auf jeden der 8 Millionen Vollversicherten in der PKV, vom Baby bis zum Greis, entfal-

6 len davon 500 Zinserträge pro Jahr, die prämiensenkend wirken. Bei der GKV gibt es keine Rückstellungen, es gibt keine durchschnittlichen Zinserträge, die Beiträge können nicht durch Zinserträge gesenkt werden. Die Subventionierung der Privatversicherten durch die gesetzlich Versicherten besteht also im Folgenden: Dadurch, dass der Staat die Privatversicherten im Gegensatz zu den gesetzlich Versicherten von der Verpflichtung freigestellt hat, sich in jungen Jahren mit ihrer Prämie an der Last der Unterstützung der jeweils Alten zu beteiligen, können ihre Prämien ceteris paribus niedriger sein als in der GKV. Auch das stellt eine milliardenschwere Subventionierung der privaten durch die gesetzlich Versicherten dar. Weiterhin gibt es einen Selektionseffekt bezüglich beitragsfreier Mitversicherter. Weil beispielsweise Kinder in der GKV beitragsfrei mitversichert sind, entscheiden sich Familien mit, bzw. mit vielen Kindern ceteris paribus tendenziell eher für die gesetzliche als für die private Versicherung. Im Ergebnis gibt es in der GKV systematisch deutlich mehr mitversicherte Kinder als in der PKV. Nun muss in der PKV zwar für jedes Kind eine eigene Prämie gezahlt werden, aber das ändert nichts daran, dass die GKV-Versicherten in ihrer Gesamtheit mit ihren Beiträgen für mehr Kinder aufkommen müssen als die Privatversicherten. Wären in gesetzlicher und privater Krankenversicherung proportional zu den Hauptversicherten gleich viele Kinder versichert, dann könnten die GKV-Beiträge niedriger sein, bzw. müssten in der PKV mehr Prämien bezahlt werden. Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Pflichtversicherungsgrenze. Diesen Punkt kann ich nur als sozialpolitischen Irrsinn bezeichnen. Zur Erläuterung verwende ich Abb. 3. Der GKV-Beitrag hängt vom Einkommen ab; bis zur Beitragsbemessungsgrenze steigt der Beitrag linear mit dem Einkommen an, ab da ist er konstant. Innerhalb der GKV findet zwischen Versicherten mit verschiedenem Einkommen eine sozialpolitisch gewollte Umverteilung statt. Versicherte mit höheren Einkommen unterstützen durch ihren höheren Beitrag Versicherte mit niedrigeren Einkommen. Das ist Solidarität in der GKV.

7 Beitra g GKV-Beitrag PKV-Be itra g niedrig mittel hoch BMG=Beitragsbemessungsgrenze Abb. 3: Entzug von Beitragszahlern BMG PVG= Pflichtversicherungsgrenze Einkommen Der sozialpolitische Unsinn hängt mit Existenz und Ausgestaltung der PKV zusammen. Jenseits der Pflichtversicherungsgrenze kann jeder Bürger sich für die PKV anstelle der GKV entscheiden. Wer richtig viel verdient, darf sich aus der GKV und damit von der solidarischen Umverteilung verabschieden. Wir können sagen, die Pflichtversicherungsgrenze ist so etwas wie eine Solidaritätsgrenze. Wenn in diesem Zusammenhang aus der PKV die Forderung kommt, die Pflichtversicherungsgrenze zu senken, wie es Herr Hofer angesprochen hat, dann kann man das (zugegebenermaßen etwas pointiert) auch so ausdrücken: Wir, die PKV-Unternehmen, halten es für ausreichend, dass die ganz Armen hinsichtlich ihres Versicherungsbeitrags nur von den mäßig Armen unterstützt werden. Schon Bürger mit mittlerem Einkommen sollen vom diesem Zwang zur Solidarität verschont werden und sich in der PKV versichern dürfen.

8 Die Subvention zugunsten der PKV liegt in diesem Punkt darin, dass ohne PKV, also ohne die Möglichkeit, sich in der PKV versichern zu können, der Beitragssatz in der GKV deutlich niedriger wäre. Nach allem, was ich über gegenseitige Subventionen ausgeführt habe, ist klar, dass ich den Wettbewerb der beiden Krankenversicherungssysteme in Deutschland nicht für fair halte. Es gibt zu viele Wettbewerbsverzerrungen, und zwar überwiegend zu Ungunsten der gesetzlichen Krankenversicherungen. Übertragbarkeit der Alterungsrückstellungen in der PKV Jetzt zum zweiten Punkt, zur Nicht-Übertragbarkeit der Alterungsrückstellungen. Wer mit 30 Jahren in ein PKV-Unternehmen A eingetreten ist und mit 50 Jahren in ein Unternehmen B wechseln will, kann das zwar theoretisch, faktisch aber nicht. Er verlöre beim Wechsel seine angesammelte Alterungsrückstellung in Höhe von ungefähr 40.000 bis 50.000. Als Folge müsste er im neuen Unternehmen eine wesentlich höhere Prämie zahlen, selbst wenn er als 50-Jähriger noch kerngesund ist. (Schlechte Risiken können sowieso nicht wechseln.) Das bedeutet, es gibt in der PKV praktisch keinen Wettbewerb um Bestandskunden. Den Slogan Einmal PKV versichert, immer PKV versichert könnte man viel schärfer fassen: Einmal zu PKV-Unternehmen A gefunden, lebenslang an PKV-Unternehmen A gebunden. Es ist ein Unding, dass in einer Marktwirtschaft, deren Funktionieren wesentlich auf Wettbewerb beruht, in einer großen Branche kein Wettbewerb um Bestandskunden herrscht. Übertragen Sie das mal gedanklich auf die Automobilwirtschaft. Dort möge es Gründe dafür geben, dass jemand, der zwanzig Jahre einen VW gefahren hat, für den Rest seines Lebens nur noch VWs kaufen darf. Wie wäre es dann wohl um die Effizienz in der Automobilwirtschaft bestellt? Inzwischen besteht ja innerhalb der staatlichen GKV mehr Wettbewerb als innerhalb der PKV, die doch eigentlich nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren sollte. Ich

9 fürchte, dass die derzeit erfolgende Reform des Krankenversicherungssystems nicht viel am fehlenden Wettbewerb innerhalb der PKV ändern wird. Die einzuführende Übertragbarkeit der Alterungsrückstellung ist ja auf den neuen Basistarif der PKV beschränkt. Dieser Basistarif ist aber einheitlich in allen PKV-Unternehmen, von daher ist auch bei Mitgabe der Alterungsrückstellung (innerhalb des Basistarifs) nicht viel Anreiz zum Wechseln gegeben. In diesem Zusammenhang ist die Frage der Alterungsrückstellung auch bei einem Wechsel von privater zur gesetzlichen Krankenversicherung interessant. Ich vertrete hier einen ganz anderen Standpunkt als Herr Hofer: Wie schon erwähnt, gibt es Menschen, die in jungen Jahren, sagen wir, Alter 30 bis 50, in der PKV versichert sind, und dann, aus welchen Gründen und auf welchen Wegen auch immer, in die GKV wechseln. Diese Personen haben sich vor ihrem Wechsel in die GKV nicht an der Finanzierung der alten Versicherten in der GKV beteiligt, belasten nach ihrem Wechsel in die GKV aber ihrerseits die GKV durch ihre eigenen im Alter hohen Kosten. Diese Leute haben aber durchaus Vorsorge für ihre im Alter hohen Kosten betrieben nämlich durch Bildung von Alterungsrückstellungen innerhalb der PKV. Die Alterungsrückstellungen in Höhe von 40.000 bis 50.000 verbleiben allerdings in der PKV, obwohl größenordnungsmäßig gerade ein solcher Betrag für die GKV erforderlich wäre, damit der Wechsler keine zusätzliche Belastung für ihr Umlagesystem darstellt. Ich plädiere daher dafür, dass zumindest die Alterungsrückstellungen des Basistarifs bei Wechsel in die GKV übertragen werden. Wie das im Einzelnen geschieht (z. B. über den Gesundheitsfonds), darüber muss man natürlich noch reden. Leistungsverlagerung von der GKV zur PKV Zuletzt noch ein Wort zur Verlagerung von Leistungen aus GKV und PKV als Beitrag zur Lösung der Probleme unseres Gesundheitssystems. Die PKV schlägt vor, Herr Hofer hat das gerade erwähnt, GKV-Leistungen zu kürzen. Aus Sicht der PKV verstehe ich das natürlich. Dadurch würden sich große neue Geschäftsfelder für die PKV auftun. Es lässt

10 sich auch gut damit argumentieren, dass der Beitragssatz in der GKV dadurch sinkt. Das stimmt natürlich aber sinken dadurch auch die Gesundheitskosten insgesamt? Die würden doch nur dann dadurch sinken, wenn die PKV die Finanzierung von im Wesentlichen denselben Gesundheitsleistungen zu geringeren Versicherungsbeiträgen leisten könnte. Eine Evidenz dafür sehe ich nicht. Ich meine vielmehr, dass stattdessen eine ganzheitliche Umgestaltung des Gesundheitswesens erforderlich ist. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen Möglichkeiten schaffen dafür, dass die Gestaltung des Versicherungsschutzes durch Versicherungsunternehmen und Krankenkassen über Versicherungsprämien und Versicherungsbedingungen so erfolgt, dass Anreize für die Akteure im Gesundheitswesen, das sind Patienten und Leistungserbringer, bestehen, die zu einer effizienten Versorgung führen. Zu diesen Möglichkeiten, die für Versicherungsunternehmen, Krankenkassen und gegebenenfalls deren Verbände bestehen müssen, zählt die Möglichkeit, mit Leistungserbringern Verträge zu schließen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil einer Reform, die Wesentliches im Gesundheitswesen ändern soll. Wenn dann noch ausreichender, fairer Wettbewerb herrscht, auch um Bestandskunden, dann hätte ich Vertrauen darein, dass Markt und Wettbewerb zu Verbesserungen im Gesundheitsbereich, das heißt zu mehr Effizienz führen würden. Steigerung der Gesundheitskosten, die durch medizinisch-technischen Fortschritt oder die Alterung der Bevölkerung bedingt sind, können allerdings auf Dauer natürlich auf keine, wie auch immer geartete Gesundheitsreform ganz vermieden werden. Und damit danke ich Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.