Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband



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Transkript:

Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Standpunkt Euro-Krisenländer: Kurs halten Wachstum stärken der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 10. Juni 2013 Chefvolkswirt Uwe Burkert - LBBW Chefvolkswirt Uwe Dürkop - LBB Chefvolkswirt Folker Hellmeyer - Bremer Landesbank Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater - DekaBank Chefvolkswirt Dr. Jürgen Pfister - BayernLB Chefvolkswirt Dr. Cyrus de la Rubia - HSH Nordbank Chefvolkswirt Dr. Patrick Steinpaß - DSGV Chefvolkswirtin Dr. Gertrud Traud - Helaba Chefvolkswirt Torsten Windels - NordLB Koordination: Dr. Reinhold Rickes DSGV

Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Die Chefvolkswirte plädieren für eine Fortsetzung des Reformkurses mit Kurskorrekturen: Die Krisenländer im Euro-Raum Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Irland können bei der Haushaltskonsolidierung und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit große Fortschritte verzeichnen. Allerdings besteht in Italien gerade mit Blick auf die Lohnstückkosten noch Anpassungsbedarf. Insgesamt muss der Kurs von Konsolidierung und Wachstumsstärkung 2013/14 gehalten werden, um Nachhaltigkeit bei Staatsfinanzen und in der Leistungsbilanz zu erreichen. Die Fortsetzung des Reformkurses bei schwacher wirtschaftlicher Dynamik in den Kernländern um Deutschland und Frankreich bedeutet anhaltende Rezession und sehr hohe (Jugend)Arbeitslosigkeit in den Krisenländern. Trotz einer erwarteten schwachen Belebung ab Ende 2013 wird die wirtschaftliche Besserung für die Bevölkerung der Krisenländer in der Breite nicht vor 2015 spürbar werden. Ob die Geduld der Bürger und die Kraft der Politik so lange hält, ist fraglich. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die wirtschaftlich Schwächsten von den Maßnahmen zur Sanierung des Haushaltes weitestgehend ausgenommen werden. Diese Personengruppe ist ohnehin von der hohen Arbeitslosigkeit besonders betroffen. Die neue Formel Austerität versus Wachstum trifft den Kern des Problems nicht. Eine das Wachstum fördernde Politik mit wirkungsvoller Strukturpolitik, wie Aufbau von funktionierenden Kommunalverwaltungen und lokalen Bankenstrukturen, eine Reform der Güter- und Arbeitsmärkte und der sozialen Sicherung in Anpassung an demographische Trends sowie eine Verbesserung der Bedingungen für private Investitionen, steht grundsätzlich nicht im Konflikt mit der Haushaltskonsolidierung. Auf die unmittelbar Wachstum fördernden Ausgaben für Infrastruktur, Bildung und Forschung entfällt leider nur ein Bruchteil der öffentlichen Ausgaben. Die Europäische Zentralbank hat mit ihrer expansiven Politik einen Beitrag geleistet. Weitere Zinssenkungen oder gar strukturpolitische EZB-Maßnahmen, wie direkte Kreditförderungen, sind abzulehnen. Die zeitliche Streckung der Konsolidierung, wie sie nun für Spanien, Italien und Frankreich diskutiert wird, schafft für sich genommen kein Wachstum, sondern mindert lediglich den von der staatlichen Nachfrage ausgehenden kontraktiven Effekt. Die Streckung ist vertretbar, soweit sie nicht zu einer erneuten Zuspitzung der Lage an den Anleihemärkten führt. Das wird am ehesten erreicht, indem der künftige Konsolidierungskurs verbindlich per Gesetz festgeschrieben wird und Strukturreformen fortgeführt werden. Die Gemeinschaft und die wirtschaftlich starken Länder sollten alle nachhaltigen Möglichkeiten nutzen, den Anpassungsprozess in den Krisenländern zu unterstützen..

Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Kurs halten Wachstum stärken 1. Beeindruckende Erfolge der Reformanstrengungen Die traditionellen Krisenländer im Euro-Raum, Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Irland, haben erhebliche Fortschritte beim Abbau der Haushaltsdefizite und bei der Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit erreicht. So hat Griechenland sein Staatsdefizit von 15,6 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2009 auf 6 Prozent (ohne Bankenrekapitalisierung) 2012 verringert. Dies wurde bei einem um 16 Prozent geringeren Bruttoinlandsprodukt erreicht. Die anderen Länder können vergleichbare Erfolge vorweisen. Italien hat sein Defizit 2012 auf den Grenzwert im Maastricht-Vertrag von 3 Prozent gesenkt, das Land hat aber noch erheblichen Anpassungsbedarf bei den Lohnstückkosten. Auch beim außenwirtschaftlichen Ungleichgewicht, den chronischen Leistungsbilanzdefiziten, konnten große Fortschritte erreicht werden. So ging der Fehlbetrag in Griechenland von 42 Mrd. Euro 2008 auf 10 Mrd. Euro 2012 zurück. In Spanien fiel die Verbesserung mit einem Defizit 2012 von 9 Mrd. Euro gegenüber 104 Mrd. Euro 2008 noch deutlicher aus. Dabei ist entscheidend, dass der Defizitabbau nicht primär über schrumpfende Importe als Reflex der Rezession erreicht wurde, sondern zu einem erheblichen Teil über höhere Exporte. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hat sich durchgreifend verbessert. Soweit die Unternehmen mit neuen Produkten auf den Markt treten, effizienter produzieren oder neue Absatzmärkte erschließen, verringert sich der Bedarf an Lohn- und Preisanpassung. Bei den Bestandsgrößen öffentliche und private Schulden, Verschuldung gegenüber dem Ausland sind allerdings noch keine merklichen Erfolge zu verzeichnen. 2. Auf halbem Wege Die forcierte Haushaltskonsolidierung und die Strukturreformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit haben tiefe Spuren in den Krisenländern hinterlassen. Eine teilweise sehr hohe Verschuldung von Unternehmen und privaten Haushalten in Spanien, Portugal und Irland das zwei- bis dreifache der jährlichen Wirtschaftsleistung (Deutschland: 1,3-fache) und ein aufgrund der öffentlichen und privaten Überschuldung erheblich geschwächtes Bankensystem verschlimmern die Lage. Es gibt keinen einfachen Ausweg, also eine Sanierung ohne erhebliche gesamtwirtschaftliche Kosten. Der Schaden sollte aber so gering wie möglich gehalten werden. Das hat eine wirtschaftliche und eine gesellschaftliche oder politische Dimension. Zunächst zur wirtschaftlichen Seite des Problems: Die Haushaltskonsolidierung kann zeitlich gestreckt werden, wenn der Fahrplan verbindlich festgelegt wird, um das Vertrauen an den Finanzmärkten nicht zu untergraben. Das heißt, die künftigen Konsolidierungsschritte müssen heute per Gesetz festgelegt werden. So werden Ausgabenkürzungen nach Art und Höhe festgeschrieben, auch wenn sie erst in zwei oder drei Jahren in Kraft treten. Das Gleiche gilt für Einnahmenerhöhungen. Weiterhin sind nach mehreren Studien Ausgabenkürzungen weniger abträglich für das Wachstum als Einnahmenerhöhungen. Schließlich können und

Standpunkt Berlin, 10. Juni 2013 Seite 2 sollten innerhalb der Ausgaben und Einnahmen des Staates Umschichtungen zugunsten von Wachstum und Beschäftigung vorgenommen werden. Bei den Ausgaben sind solche für Infrastruktur, Bildung und Forschung eher auszuweiten zulasten konsumtiver Posten. Zudem ist mit Blick auf die staatlichen Aufgaben/Ausgaben in diesen Ländern zu prüfen, wie eine den Mittelstand tragende lokale Bankenwirtschaft, die mit der Region, den Kommunen und der Wirtschaft vor Ort verbunden wird, revitalisiert wird. Dabei sollten auch Förderinstitute mit dem spezifischen Auftrag zur Stärkung des Mittelstands für eine breite und fundierte Stärkung der Volkswirtschaft auf den Weg gebracht werden. Auf der Einnahmenseite sind Erhöhungen von Abgaben auf Einkommen und Gewinne eher dem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen abträglich als Belastungen des Konsums (Mehrwertsteuer und spezielle Verbrauchsteuern), des Bodens und des Vermögens (Vermögensteuer/abgabe, Erbschaftsteuer). Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ist höheren Steuersätzen vorzuziehen. Dazu ist gerade auf lokaler Ebene in vielen dieser Länder auch die Schaffung von effektiven Kommunalverwaltungen auf den Weg gebracht. Insgesamt bleibt es wichtig, dass die Südländer ihre Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen auf Grundlage solider Finanzen durch leistungsfördernde Angebotsbedingungen stärken und damit auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärken. Die Krux ist, dass die Krisenländer in einer Währungsunion keine Möglichkeit haben, durch Zinssenkung und Abwertung der Währung einen Gegeneffekt zur verminderten staatlichen Nachfrage bzw. Inlandsnachfrage zu setzen. Mehrere Beispiele anderer Länder mit erfolgreicher Haushaltskonsolidierung ohne Einbruch der Konjunktur belegen die Bedeutung dieser Faktoren. Zwar hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins massiv gesenkt und mit den sogenannten nichtkonventionellen Maßnahmen erheblich zur Stabilisierung des Bankensystems im Euro-Raum beigetragen. Hervorzuheben ist dabei sicherlich, dass das Versprechen von EZB-Präsident Draghi, unter bestimmten Voraussetzungen Staatsanleihen zu kaufen, die Geldmärkte beruhigt hat. In den Krisenländern kommen jetzt aber mit der letzten Zinssenkung Erleichterungen aufgrund des Misstrauens der Finanzinvestoren in die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen bzw. den Fortbestand des Euro sowie des geschwächten Bankensystems ohne wirksame lokale Bankenstrukturen nicht mehr an. Jetzt sind struktur- und finanzpolitische Reformen notwendig. Dafür sollte aber das Mandat der Europäischen Zentralbank nicht überzogen werden direkte Förderungen von Krediten oder gar Kreditvergaben in den Südländern gehören dabei nicht zur Aufgabe der EZB. Insgesamt hat sich eine spürbare Abwertung des Euro wegen der Stärke der Kernländer bzw. wegen der erheblichen Probleme mit den Staatsfinanzen in den USA nicht eingestellt. (Immerhin war der reale Außenwert des Euro im April dieses Jahres 3 ½ Prozent niedriger als im Durchschnitt 2010/11.) Die gesellschaftliche Seite des Problems: Eine erfolgreiche Reformpolitik muss drei Anforderungen erfüllen: (1) eine klare, transparente Kommunikation mit den Bürgern über die geplanten Maßnahmen, (2) es muss Licht am Ende des Tunnels erkennbar sein und (3) die

Standpunkt Berlin, 10. Juni 2013 Seite 3 Lastenverteilung muss von der (großen) Mehrheit der Bevölkerung als fair empfunden werden. Hier gab es sicher Versäumnisse in allen Krisenländern, zum Teil im Zusammenhang mit Regierungswechseln, zum Teil aufgrund mangelnder Erfahrung mit Krisen dieser Dimension. Zwar stehen in keinem der Krisenländer vor 2015 reguläre Neuwahlen an. Es kann aber vorher zu einem Verlust der Mehrheit im Parlament für den Reformkurs oder einer Verweigerung der Bürger kommen, und in der Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2014 kann sich der Protest der Bevölkerung Luft verschaffen. Neben der nationalen Ebene spielt die Gemeinschaftsebene der 27 EU-Länder bzw. der 17 Euro-Länder eine wichtige Rolle für die Überwindung der Krise. Mit zahlreichen weitreichenden Schritten wurde die Governance verbessert (Euro-Plus-Pakt, Fiskalpakt, Six Pack, Two Pack). Ein Quantensprung wird aber erst mit der Verwirklichung einer Fiskalunion, mit der wirksam Staatsschulden abgebaut werden und bei der im Falle von wiederholten Verstößen gegen vereinbarte Reformen eine demokratische legitimierte gemeinsame Entscheidung über Haushaltssalden bzw. Staatsschulden erreicht wird. Auch die Bankenunion mit dem Single Supervisory Mechanism wird einen Beitrag zur Fortentwicklung leisten, wenn dabei der Pluralität der Bankenmärkte Rechnung getragen wird und insbesondere die deutschen Institutssicherungssysteme uneingeschränkt als Bail-in-Instrumente im Vorrang vor Abwicklungsmechanismen anerkannt werden. Eine einheitliche europäische Aufsicht bei der Europäischen Zentralbank ist im Grundsatz vereinbart und soll Mitte 2014 starten. Im Detail gibt es aber noch mehrere ungeklärte Fragen. Weitere Beschlüsse, bzw. zumindest Prüfaufträge zur Fiskalunion sollten auf dem EU-Gipfel am 27./28. Juni 2013 auf den Weg gebracht werden. Das hätte einen nachhaltigen Vertrauen stärkenden Effekt und könnte damit den Krisenländern die Streckung der Konsolidierung erleichtern. Insbesondere Frankreich scheint aber zu einem so weitgehenden Souveränitätsverzicht nicht bereit zu sein, obwohl es mit Blick auf die großen Herausforderungen (siehe Standpunkt vom 13. Mai 2013) sicherlich auch im eigenen Interesse sein könnte, den Märkten durch klare Stabilitätspositionen eben keine Abstriche am Willen zur nachhaltigen Konsolidierung zu signalisieren. 3. Die Kernländer müssen helfen, aber nachhaltig Was können und sollten die wirtschaftlich stabileren Kernländer, allen voran Deutschland tun? Geeignet sind nur Maßnahmen, die den Krisenländern helfen, ohne die starken Länder zu schwächen. Nicht infrage kommen folglich deutlich höhere Lohn- und Gehaltssteigerungen sowie staatliche Konjunkturprogramme bzw. eine Abkehr vom Konsolidierungskurs. In Deutschland sind trotz der sehr positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt in den letzten Jahren noch immer fast 3 Millionen Personen arbeitslos registriert; hinzu kommen etwa 1 Million Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, sodass die Unterbeschäftigung 4 Millionen Personen betrifft.

Standpunkt Berlin, 10. Juni 2013 Seite 4 Die Löhne in Deutschland sollten sich daher weiterhin am Produktivitätstrend (1 Prozent p.a.) zuzüglich dem im Inland verursachten Anstieg der Verbraucherpreise (ohne indirekte Steuern; 1 ½ Prozent p.a.) orientieren, um diese gravierende soziale Schieflage nicht zu verschärfen. Studien zeigen im Übrigen, dass von einer über höhere Löhne erzeugten Mehrnachfrage in Deutschland die Krisenländer über vermehrte Lieferungen nach Deutschland nur in sehr geringem Umfang profitieren würden. Die deutschen Unternehmen stehen nicht nur im Wettbewerb mit Konkurrenten in der Währungsunion sondern im Weltmaßstab. Daher wäre jede Lohnerhöhung, die über das genannte Maß hinausgeht, mittelfristig mit Beschäftigungsverlusten verbunden. Ebenso gibt es keinen Bedarf und keinen Raum für eine expansive Finanzpolitik in Deutschland. Die Wirtschaft ist annähernd normal ausgelastet. Und die deutschen Staatsschulden beliefen sich Ende 2012 auf 2,17 Billionen Euro oder 81,9 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das überschreitet nicht nur massiv die im Maastricht-Vertrag festgelegte Obergrenze von 60 Prozent, sondern stellt auch eine erhebliche Belastung für die Steuerzahler in der Zukunft dar, allemal bei normalisiertem Zinsniveau. Für die Krisenländer und für Deutschland kommen daher nur nachhaltige Wege für höheres Wachstum in Betracht. Diese nun zu beschreiten, liegt im nationalen Interesse (Arbeitslosigkeit) und ist zugleich ein Gebot europäischer Solidarität. Ein wegweisender Ansatz ist es daher, lokale Bankenstrukturen als Stabilitätsanker auch in der aktuellen Krise gemeinsam auf nationalen/bilateralen und mit europäischer Unterstützung aufzubauen bzw. zu revitalisieren. Das ist Solidarität in Europa und zeigt die zentrale Bedeutung des Aufbaus Europas von unten nach oben in pluralen Strukturen. Das sind zentrale Strukturen für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell für Europa. Zudem würde eine durchgreifende Verbesserung der Investitionsbedingungen im Inland schon in der ersten Runde zu höherer (Investitions)-Nachfrage und höheren Importen führen. Wichtiger wäre darüber hinaus der Zweitrundeneffekt: Mehr Investitionen bedeuten mehr Beschäftigung und damit höhere Lohneinkommen sowie über die Produktivitätseffekte eines größeren und moderneren Kapitalstocks Spielraum für höhere Lohnsteigerungen je Beschäftigten. Das stärkt den Konsum, den privaten Wohnungsbau und die Importe. Der hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss, Spiegelbild der Defizite in den Krisenländern, schrumpft. Um dies zu erreichen, brauchen wir einen Abbau steuerlicher Hemmnisse für Investitionen, eine Entbürokratisierung, eine Deregulierung im Dienstleistungssektor, eine Fortsetzung der produktivitätsorientierten Lohnpolitik mit Spielraum für Differenzierung nach Lage der Unternehmen, einen Ausbau der Infrastruktur nach einem Jahrzehnt mit negativen öffentlichen Nettoinvestitionen und eine umfangreichere Förderung der unternehmensnahen Forschung.

Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Zusammenfassung Memorandum und bisherige Standpunkte der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 13. Mai 2013 Standpunkt: Frankreich vor großen Aufgaben 24. April 2013 Memorandum: Europa2.0 Thesen 15. April 2013 Standpunkt: Fünf zentrale Eckpunkte zur Restrukturierung des zyprischen Bankensektors: Zustimmung des Deutschen Bundestages bleibt notwendig! 11. März 2013 Standpunkt Weltwirtschaftliche Herausforderungen 2013 - Handlungsbedarf der Politik bleibt hoch 18. Februar 2013 Standpunkt Trotz Entspannung an den Finanzmärkten: Herausforderungen bleiben bestehen 14. Januar 2013 Standpunkt Hochfrequenzhandel Entschleunigung stärkt realwirtschaftliche Verankerung 10. Dezember 2012 Standpunkt Deutschland braucht mehr Wachstum 05. November 2012 Standpunkt: Niedrigzinsen gefährden Wohlstand und Stabilität 18. Oktober 2012 Standpunkt EZB Anleihekäufe bleiben ein problematischer Notbehelf 10. September 2012 Standpunkt Stabile Finanzpolitik für Europa 28. August 2012 Standpunkt Finanztransaktionssteuer: Eine kritische Würdigung 25. Juni 2012 Standpunkt Nach der Wahl: Die Probleme außerhalb Griechenlands angehen 21. Mai 2012 Standpunkt Europäische Währungsunion: Reformkurs beibehalten - Flexibilität erweitern 23. April 2012 Standpunkt Der Europäische Stabilitätsmechanismus ersetzt den Rettungsschirm, ist aber allein keine Lösung

Standpunkt Berlin, 10. Juni 2013 Seite 3 19. März 2012 Standpunkt Nach dem Haircut: Keine Atempause in der Staatsschuldenkrise 24. Februar 2012 Standpunkt Griechenland: Nicht flüchten, sondern standhalten 13. Januar 2012 Standpunkt Geldpolitik muss glaubwürdig bleiben 29. November 2011 Standpunkt Staatsschuldenkrise: Zeit zum Handeln! 03. November 2011 Standpunkt Nach dem Euro-Gipfel: Umfangreiche Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte 25. Oktober 2011 Standpunkt Schuldenschnitt und EFSF - effizient ausgestalten 24. September 2011 Memorandum zu aktuellen Fragen Europa und Euro Veröffentlicht am 24.09.2011, Washington D.C., anlässlich der IWF/Weltbanktagung 2011 Disclaimer: Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden von den Chefvolkswirten der Sparkassen-Finanzgruppe nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfängers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumenten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragliche oder anderweitige Verpflichtung gedacht, noch ersetzen sie eine (Rechts- und / oder Steuer) Beratung; auch die Übersendung dieser stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen, können im Detail auch andere Erkenntnisse als aktuelle Research-Publikationen der Landesbanken/DekaBank enthalten und stammen (teilweise) aus von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen. Eine Haftung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der gemachten Angaben und Einschätzungen, einschließlich der rechtlichen Ausführungen, ist ausgeschlossen. Jeder Empfänger sollte eine eigene unabhängige Beurteilung, eine eigene Einschätzung und Entscheidung vornehmen. Insbesondere wird jeder Empfänger aufgefordert, eine unabhängige Prüfung vorzunehmen und/oder sich unabhängig fachlich beraten zu lassen und seine eigenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf wirtschaftliche Vorteile und Risiken unter Berücksichtigung der rechtlichen, regulatorischen, finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Aspekte zu ziehen. Sollten Kurse/Preise genannt sein, sind diese freibleibend und dienen nicht als Indikation handelbarer Kurse/Preise.