Aus der Arbeit des Sudetendeutschen Archivs: Die Inventarisierung von Museumsgütern (Klaus Mohr) Das Sudetendeutsche Archiv in München bewahrt nicht nur historisches Schriftgut und Bildmaterial, sondern besitzt auch eine ansehnliche Sammlung von musealen Gütern. Diese Sammlung bildet den Grundstock für ein künftiges Sudetendeutsches Museum. Die Betreuung dieser musealen Sachgüter ist ein wesentlicher Arbeitsbereich des Sudetendeutschen Archivs. Neben dem konservatorisch angemessenen Umgang mit den Objekten, also ihrem Schutz vor schädlichen Einwirkungen des Raumklimas, des Lichtes, von Ungeziefer und dergleichen, ist vor allem die dokumentarische Erfassung der Bestände eine zeitraubende Angelegenheit. Der folgende Beitrag soll einen kleinen Einblick in dieses den Blicken der Öffentlichkeit sonst weitgehend verborgene Arbeitsfeld geben. Den Betreuern der zahlreichen Sudetendeutschen Heimatsammlungen mag er als Anregung für die eigene Arbeit dienen. Unter der Inventarisation von Museumsgütern versteht man, verkürzt gesagt, deren systematische Erfassung unter verschiedenen Gesichtspunkten. Zu jedem Objekt sollen möglichst viele Informationen festgehalten werden. Die Erfassung im Sudetendeutschen Archiv erfolgt unter EDV-Einsatz mit einer speziellen Museumssoftware (Programm HIDA). Das auszufüllende Inventarblatt fragt nach über 30 verschiedenen Aspekten eines Objektes, etwa nach der Objektbezeichnung, den Maßen, der Datierung, dem Material, dem Erhaltungszustand, dem Aufbewahrungsort, einer Literaturangabe usw. Von besonderer Aussagekraft sind natürlich die Angaben zur Herkunft der Objekte. Informationen zur Funktion eines Gegenstandes können sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen bewegen. So kann eine Ofenkachel, um nur ein Beispiel zu nennen, einen Eindruck vom bürgerlichen Wohnen vermitteln, aber auch ein Indikator für ein örtliches Hafnerhandwerk sein, oder sie kann eine Ortsansicht mit bestimmten Details enthalten. Die Inventarisation bildet die notwendige Grundlage für Ordnungs- und Ausstellungskonzepte, insbesondere auch für die Einrichtung eines geeigneten Depots. Die durch die Inventarisation gewonnene Dokumentation stellt aber auch ein wichtiges Hilfsmittel im Falle des Verlustes der Objekte dar.
Die Inventare bilden schließlich die Grundlage für verschiedene organisatorische Vorgänge, etwa für den Leihverkehr, die Standortfindung, den Bestandsnachweis etc. Schritte der Inventarisation Die Inventarisation erfolgt in verschiedenen Arbeitsschritten. 1. Das Eingangsbuch Im Idealfall wird jedes Objekt sofort nach dem Zugang in ein Eingangsbuch eingetragen. Die Objekte werden dort fortlaufend numeriert, benannt, die Herkunft und Erwerbsart dokumentiert. Hier sollen auch besondere Bemerkungen zur Geschichte des Objekts, zum Verwendungszweck etc. festgehalten werden. In der Praxis zeigt sich allerdings, daß zahlreiche Objekte dort nicht erfaßt sind. In diesem Fall werden den noch nicht erfaßten Objekten dann fortlaufend neue Nummern zugewiesen. 2. Die Inventarnummer Die Inventarnummer muß natürlich, vorerst provisorisch durch ein Hängeetikett, auch am Objekt selbst angebracht werden, um eine spätere Zuordnung zu ermöglichen. Keinesfalls darf das Objekt durch das Anbringen der Inventarnummer beschädigt werden. Welches Verfahren dafür das Geeignete ist, hängt im Wesentlichen von der Art des zu beschriftenden Materials ab. Für Holz, Keramik, Glas oder Metall wird verdünnte Acrylfarbe, mit dünnem Pinsel aufgetragen, empfohlen. Vorher wird die entsprechende Stelle mit farblosem Schellack präpariert. Dieser muß vor dem Beschriften 24 Stunden lang trocknen. Der Schellack kann bei Bedarf jederzeit wieder mit Reinigungsbenzin entfernt werden. Für Objekte aus Papier wird ein Bleistift [der Härte B2] verwendet; bei Fotos sollte aber möglichst nur die Schutzhülle beschriftet werden. Hängeetiketten aus Karton und mit einem ungefärbtem Faden eignen sich für Textilien oder zur provisorischen Kennzeichnung aller möglichen Objekte; sie sind im Handel erhältlich. Für Textilien wird auch Wäscheband mit Wäschestift oder Schreibmaschine verwendet. Kann das Objekt wegen seines Erhaltungszustandes oder auch seiner Größe (z. B. bei Münzen) nicht direkt beschriftet werden, so wird ihm ein mit der Inventarnummer versehendes Etikett beigelegt. - 2 -
Grundsätzlich nicht verwendet werden sollen Selbstklebe-Etiketten. Denn die im Klebstoff enthaltenen Weichmacher können auf Dauer Verfärbungen am Objekt bewirken. Außerdem sind beim Ablösen alter Klebeetiketten immer Beschädigungen am Objekt möglich. Filzstifte sind abzulehnen, weil die Schreibflüssigkeit in poröses Material tief eindringt und dieses verfärbt. Auch ist die Haftung auf glatten Oberflächen unzureichend. Abzulehnen sind auch mit Stecknadeln befestigte Etiketten, da die mit der Zeit rostende Nadel das umgebende Gewebe schädigt, vor allem auch beim Entfernen der rostigen Nadel. Die Inventarnummer wird an einer Stelle angebracht, an der sie die Ästhetik des Objektes nicht beeinträchtigt, also vor allem nicht auf der Schauseite. Sie soll so angebracht werden, daß es ohne Demontage oder größere Bewegungen des Objekts durchführbar ist, und sie muß an einer Stelle angebracht sein, an der man sie auch leicht wiederfindet. Deshalb sollte sie bei vergleichbaren Objekten stets an der selben Stelle angebracht werden. Bei gerahmten Gemälden etwa an der Außenkante des Rahmens, bei Skulpturen an der Sockelzone, bei Möbeln an einer Rück- oder Seitenwand usw. Bei Objekten, die aus nicht fest verbundenen Einzelteilen bestehen, sollte jedes Einzelteil für sich beschriftet werden. 3. Das Inventarfoto Zur Dokumentation gehört auch eine fotografische Erfassung des Objektes. Das Inventarfoto soll nicht die Beschreibung des Objektes ersetzen, sondern sie ergänzen. Publikationsfähige Qualität wäre zwar erwünscht, kann aber nicht immer erreicht werden. Das Foto soll aber den Gegenstand auf jeden Fall gut erkennbar abbilden. Oft sind dazu verschiedene Ansichten oder auch Detailaufnahmen notwendig. Inventarfotos werden meist als Schwarz-weiß-Aufnahmen angefertigt (SW-Negative sind länger haltbar). Farbfotos sind aber bei bestimmten Objekten von größerer Aussagekraft, etwa bei Trachten, Gemälden oder ganz allgemein bei Dekoren. Für die Inventarisierungarbeiten des Sudetendeutschen Archivs wird derzeit eine digitale Fotokamera eingesetzt, die sehr zufriedenstellende Ergebnisse liefert. Diese Technik erspart die aufwendige Archivierung von Negativen und Fotoabzügen. Bei Bedarf sind schnelle Ausdrucke über den PC möglich. Wird die Bilddatei durch ein Fotolabor auf Fotopapier ausbelichtet, so erhält man ein Farb- oder Schwarzweißbild, daß von einem herkömmlichen Fotoabzug nicht zu unterscheiden ist. - 3 -
Grundsätzlich sollte für jedes Objekt ein eigenes Foto angefertigt werden, also keine Sammelaufnahmen. Mit fotografiert werden soll ein Maßstab und die Inventarnummer, wobei darauf zu achten ist, daß keines von beiden das Objekt oder Teile davon verdeckt. Bei digitaler Fotografie kann die Inventarnummer auch nachträglich am Monitor eingefügt werden. Von entscheidender Bedeutung bei der digitalen Fotografie ist das Problem der Speicherkapazitäten und der Datensicherung. Beim Sudetendeutschen Archiv wird für die Datensicherung ein Magnet-optisches Laufwerk (MO-Disc) verwendet. Die MO-Disc gilt als längerfristig sicheres Speichermedium. Es ist wiederbeschreibbar und weist eine Kapazität von 650 MB auf. Wichtig beim Fotografieren ist ein neutraler Hintergrund (Kartons) und eine gute Ausleuchtung mit möglichst diffusem Licht. Wichtig ist auch ein stabiles Stativ. Diese kurzen Bemerkungen zum Inventarfoto sollen hier genügen. Aber schon daraus wird deutlich geworden sein, daß auch das Fotografieren einen nicht unerheblicher Zeitaufwand erfordert. 4. Das Inventarblatt Bild und Text werden auf dem Inventarblatt zusammengeführt (das Bild entweder in aufgeklebter Form oder als Computerausdruck, eventuell auch nur in Form einer Fotonummer). Das von der Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in Bayern empfohlene Inventarblatt, das auch vom Sudetendeutschen Archiv verwendet wird, fragt nach über 30 verschiedenen Aspekten eines Objektes. Oft können natürlich nicht alle Felder ausgefüllt werden, weil bestimmte Angaben, etwa zum Vorbesitzer, nicht mehr zugänglich sind. Sind aber alle oder fast alle Felder vollständig ausgefüllt, so ergibt sich, zusammen mit dem Foto, schon ein sehr anschauliches Bild vom Objekt und seinem historischen Kontext. Wichtig ist, daß die Inventarisierung nicht auf die lange Bank geschoben wird, sondern möglichst noch unter Beteiligung von Zeitzeugen und Gewährsleuten durchgeführt wird, die hier noch ihr Wissen einbringen können. Dies gilt natürlich auch ganz besonders für die Inventarisierungsarbeiten in den Sudetendeutschen Heimatstuben. - 4 -
5. Inventariserung und EDV Die Inventarblätter werden beim Sudetendeutschen Archiv mit Hilfe eines tragbaren Computers (Notebooks) hergestellt. Dies erleichtert sowohl das Anlegen der Blätter direkt am Objekt, als auch deren nachträgliche Korrektur. Vor allem aber erleichtert es später den schnellen Zugriff auf den gesamten Informationsbestand. Denn nun kann gezielt nach jeder gewünschten Kategorie gesucht werden, ohne sich durch Karteikarten oder Aktenordner wühlen zu müssen. So lassen sich beispielsweise Herkunftsorte, Funktionsgruppen, Materialarten usw. beliebig heraussuchen und auf ihre Verwendbarkeit für die jeweilige Fragestellung prüfen. Die häufig gestellte Frage nach dem besten Inventarisierungsprogramm kann hier nicht erörtert werden. Beim Sudetendeutschen Archiv wird das Programm HIDA verwendet, das in zahlreichen Museen benützt wird. Daraus ergibt sich der Vorteil einer gewissen Kompatibilität innerhalb der Museumsszene. Das Programm ermöglicht relativ komplexe Funktionen (Suchanfragen, Listenausdrucke etc.) und eine sehr individuelle Beschreibung aller möglichen Museumsobjekte (bei standardisierter Eingabemaske). Notwendig für einen effektiven Einsatz ist allerdings eine gründliche Einarbeitung und die kontinuierliche Beschäftigung mit dem Programm. Weitere in Museen verwendete EDV-Programme für die Inventarisierung sind z.b. Imdas-Pro, MOV, FirstRumos, AskSam und verschiedenste selbst erstellte Datenbank-Anwendungen mit Programmen wie Access oder dbase [ein, leider nicht mehr aktueller, Überblick über verschiedene Inventarisierungsprogramme bei: Joosten, Hans- Dirk: EDV-Anwendungen für Museen im Test. In: Freundeskreisblätter 36 (1997), S. 46-60]. Unabhängig davon, welches Programm eingesetzt wird, sollten bei der Inventarisierung aber auf jeden Fall die gleichen Aspekte (Feldnamen) wie beim HIDA-Programm bearbeitet werden. An dieser Stelle sei auch ausdrücklich betont, daß der Wert einer Inventarisierung erst in nachgeordneter Weise vom Erfassungsmedium abhängt. Eine solide Erfassung auf Karteikarten ist sicher nicht schlechter als eine oberflächliche EDV-Dokumentation und sollte auf keinen Fall unterbleiben, nur weil möglicherweise kein Computer zur Verfügung steht. - 5 -
Die Inventarisierung der Museumsbestände des Sudetendeutschen Archivs und der Sudetendeutschen Heimatsammlungen ist eine wichtige Voraussetzung für die Bewahrung des kulturellen Erbes der sudetendeutschen Volksgruppe. Es ist eine oft mühselige Tätigkeit, die von zahlreichen ehrenamtlichen Sammlungsbetreuern in oft jahrelanger Kleinarbeit geleistet wird. Für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und sonstige Zusammenarbeit haben sich zahlreiche Heimatsammlungen zur Arbeitsgemeinschaft für kulturelle Heimatsammlungen zusammengeschlossen, die auch gerne neue Mitglieder aufnimmt (Kontakt über das Sudetendeutsche Archiv). - 6 -