WERKSTOFFTECHNIK-GRUNDPRAKTIKUM



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Universität Siegen Institut für Werkstofftechnik WERKSTOFFTECHNIK-GRUNDPRAKTIKUM Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung Inhalt 1. Werkstoffprüfung 2 2. Zerstörungsfreie Prüfverfahren 4 3. Kontrollfragen 14 4. Laborversuche 15 Name: Vorname: Matrikel-Nr.: Datum / Testat:

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 2 1. Werkstoffprüfung 1.1 Aufgaben der Werkstoffprüfung Die Auswahl eines Werkstoffes für einen bestimmten Verwendungszweck erfolgt auf der Grundlage seiner mechanisch-technologischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften. Mit der Ableitung dieser Eigenschaften aus dem strukturellen Aufbau der Werkstoffe und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten einer zielgerichteten Beeinflussung beschäftigt sich die Werkstoffwissenschaft; die praktische Umsetzung ihrer Ergebnisse ist Aufgabe der Werkstofftechnik. Ein Teilgebiet der Werkstofftechnik ist die Werkstoffprüfung. Als grundsätzliche Aufgaben der Werkstoffprüfung können zusammengefasst werden: Grundlagenforschung zur Entwicklung und zur Gütesicherung und -steigerung von Werkstoffen Ermittlung von Kennwerten zur Entscheidung über den Einsatz und die Bearbeitung der Werkstoffe Gütekontrolle bei Abnahme der Werkstoffe oder der fertigen Werkstücke Aufklären von Werkstoffverwechslungen Schadensanalyse Sicherung der Funktionstüchtigkeit von Maschinen und Anlagen Gütesicherung durch Überprüfen der Fertigungsprozesse Diese Aufgabenstellungen machen einen Einsatz der Verfahren zur Werkstoffprüfung bei der Entwicklung, Herstellung, Bearbeitung und Anwendung der Werkstoffe erforderlich. 1.2 Prüfverfahren 1.2.1 Allgemeine Forderungen an die Prüfverfahren Bei der Ermittlung von Werkstoffkennwerten, z.b. der Zugfestigkeit von Stahl, kann das Ergebnis der Prüfung von den Prüfeinrichtungen, den Versuchsbedingungen und der Probe beeinflusst werden. Um die Vergleichbarkeit der Messwerte zu gewährleisten, müssen die Prüfungen immer unter in gewissem Rahmen gleichen Bedingungen erfolgen. Die

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 3 Vergleichbarkeit von Messungen ist eine der grundlegenden Forderungen an die Verfahren der Werkstoffprüfung. Weiterhin darf das Ergebnis einer Messung oder einer Prüfung nicht prüferspezifisch sein. Der Einfluss der Messanordnung ist ebenfalls minimal zu halten. Diese zweite Forderung der Werkstoffprüfung bezeichnet man als Reproduzierbarkeit, d.h. Wiederholbarkeit der Prüfergebnisse, die in der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung besonders zum Tragen kommt. Nur unter diesen beiden Bedingungen kann eine Prüfaussage gesichert abgegeben werden. Diese beiden Forderungen werden durch die Normung von Prüfeinrichtungen, der Prüfvorgänge mit ihren Bedingungen und durch die Normung der Messwertangaben verwirklicht. 1.2.2 Einteilung der Prüfverfahren Nach den zu ermittelnden Eigenschaften oder nach den angewandten physikalischen Prinzipien können unterschieden werden: a) Mechanisch-technologische (zerstörende) Prüfverfahren: Zugversuch, Härteprüfung, Tiefungsversuch etc. b) Physikalische Prüfverfahren: Ermittlung der Dämpfung, Wärmeausdehnung, Leitfähigkeit etc. c) Chemische Prüfverfahren: Element-Analyse, Ermittlung des Korrosionsverhaltens etc. d) Metallografische Prüfung: Gefügebilder, Bruchbilder e) Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung: Prüfung mit Röntgen- und Gammastrahlung, Ultraschall, magnetischer Durchflutung, Penetrationsverfahren, etc.

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 4 2. Zerstörungsfreie Prüfverfahren Ziel der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung ist das Untersuchen von Bauteilen nach Fehlern ohne diese Bauteile zu zerstören und sie dadurch für den weiteren Einsatz unbrauchbar zu machen. Somit können ganze Baureihen geprüft werden, wodurch im Unterschied zur Stichprobenprüfung eine erhöhte Aussagesicherheit bezüglich der Qualität der Bauteile möglich wird. Zerstörungsfreie Prüfungen erstrecken sich sowohl auf Teilbereiche der Werkstücke (z.b. die Oberfläche) als auch auf deren Gesamtquerschnitt. Zum Nachweis von Fehlern (z.b. Risse Lunker, Einschlüsse) sowie Seigerungszonen werden verschiedene physikalische Werkstoffeigenschaften ausgenutzt (z.b. Absorption von Röntgenstrahlen, Reflexion von Ultraschallwellen, Schallemission, magnetische Eigenschaften). 2.1 Werkstoffprüfung mit Röntgenstrahlen 2.1.1 Physikalische Grundlagen Die Röntgenstrahlung wurde 1895 von Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt und von ihm selbst X-Strahlen (X-ray) genannt. Es handelt sich um elektromagnetische Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit (310 8 m/s) ausbreiten, gegenüber dem sichtbaren Licht jedoch eine bedeutend kleinere Wellenlänge bzw. eine höhere Frequenz aufweisen. Entstehung von Röntgenstrahlen In einem evakuierten Glaskolben, der sog. Röntgenröhre, treten aus einer stromdurchflossenen Wolframglühwendel Elektronen aus, werden durch eine zwischen Wolframdraht (Kathode) und Anode angelegte Hochspannung beschleunigt und treffen mit hoher Geschwindigkeit auf die Anode (siehe Bild 2.1). Die mit Elektronen beschossene Anode sendet Röntgenspektren (Röntgenbremsstrahlung) aus, deren Wellenlängen spezifisch für den verwendeten Anodenwerkstoff sind. Häufig eingesetzte Anodenmaterialien sind Kupfer, Chrom, Kobalt und Molybdän. Auf Grund des andauernden Elektronenbeschusses ist das ständige Kühlen der Anode unabdingbar. Röntgenstrahlung wird vornehmlich zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung mittels Durchstrahlen von Prüflingen (Grobstrukturuntersuchungen), zur Phasenanalyse, zur Textur-

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 5 bestimmung anisotroper Gefüge und zur Messung thermischer oder umformungsbedingter Eigenspannungen eingesetzt (Feinstrukturuntersuchungen). Wolfram-Kathode Elektronen Anode Wasserkühlung Röntgenstrahlen - + Hochspannung Bild 2.1: Schematische Darstellung des Aufbaus einer Röntgenröhre 2.1.2 Grobstrukturuntersuchungen mittels Röntgenstrahlung Die Prüfung mit Röntgenstrahlen beruht auf der Streuung und der Absorption der Röntgenquanten beim Durchgang durch Materie. Mittels Leuchtschirm, Fotoplatte oder Zählrohr können Orte unterschiedlicher Strahlungsintensität, die an Fehlern auftreten, nachgewiesen werden. Hauptanwendungsgebiete dieser Durchstrahlungsverfahren sind die Fehlerkontrolle von Schweißnähten oder von Gussteilen (z.b. Aluminiumdruckgussfelgen). Die Prüfung kann automatisiert und dem Fertigungsprozess nachgeschaltet werden. Als Strahlungsquellen dienen Röntgenröhren mit Beschleunigungsspannungen bis 400 KV, wobei die Durchdringungsfähigkeit der Strahlung mit wachsender Strahlungsenergie zunimmt. Je nach verwendeter Röntgenquelle (Anodenwerkstoff) und angelegter Hochspannung (in der Röhre anliegende Beschleunigungsspannung) können die entstehenden Röntgenquanten Bauteile von bis zu 500 mm Dicke durchdringen. Die Intensität der Röntgenstrahlen wird beim Durchstrahlen eines Bauteilfehlers (Riss, Lunker oder Pore) weniger stark geschwächt als beim Durchdringen des fehlerfreien Vollmaterials. Auf einem speziellen Röntgenfilm aus Acetatcellulose mit Bromsilber-

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 6 Gelatinebeschichtung können die so entstehenden Intensitätsverteilungen durch unterschiedliche Schwärzungen sichtbar gemacht werden (siehe Bild 2.2). Schwärzung Bild 2.2: Durchstrahlen eines Prüfkörpers Für die Prüfung komplexerer Bauteile wird zunächst ein fehlerfreier Prüfling durchstrahlt. Die entstandene Aufnahme wird digitalisiert und in ein Bildverarbeitungsprogramm eingelesen. Aufnahmen weiterer Prüflinge werden in einem automatisierten Verfahren ebenfalls in die Bildverarbeitung eingelesen, mit der Aufnahme der fehlerfreien Probe verglichen und gegebenenfalls aussortiert. 2.2 Magnetische Rissprüfung - Magnetpulververfahren Die Anwendung des Magnetpulververfahrens setzt das Vorhandensein eines magnetischen Flusses voraus, ist also nur auf ferromagnetische Werkstoffe anwendbar. Das Verfahren beruht auf der Feldverdrängung durch Risse, Lunker, Schlackenzeilen und ähnlicher Fehler. An solchen Stellen muss der höhere magnetische Widerstand durch Vergrößerung des

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 7 Durchtrittquerschnitts ausgeglichen werden. Dabei können Kraftlinien aus dem Werkstück austreten, sofern der Fehler an oder dicht unter der Oberfläche (2-3 mm) liegt. Die austretenden Kraftlinien werden durch feines Eisenoxidpulver sichtbar gemacht, welches auf das Werkstück aufgestreut wird, und zwar meistens als Ölaufschwemmung, seltener als trockenes Pulver (schlechtere Erkennbarkeit). Es lassen sich Risse bis herab zu 1 µm Breite nachweisen, wenn sie senkrecht zu den Kraftlinien verlaufen. Dementsprechend richtet sich die Art der Magnetisierung in erster Linie danach, ob Längs- oder Querrisse festgestellt werden sollen. Fehlstellen Magnetpulverraupe Magnetfeldlinien Bild 2.3: Feldverdrängung durch Werkstofffehler Joch- Magnetisierung Spulen- Magnetisierung Induktions- Durchflutung Bild 2.4: Längsmagnetisierung zum Nachweis von Querrissen

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 8 Selbstdurchflutung Hilfsdurchflutung Bild 2.5: Quermagnetisierung zum Nachweis von Längsrissen Die Magnetisierungsverfahren sind mit Wechselstrom und mit Stromstößen durchführbar sowie - unter Ausnahme der Induktionsdurchflutung - auch mit Gleichstrom; die Jochmagnetisierung darüber hinaus auch mit einem Dauermagneten. Im Gegensatz zum Gleichstrom, der sich mit gleichmäßiger Stärke über den Leiterquerschnitt verteilt, kommt bei Wechselstrom der Skin-Effekt zur Wirkung, und zwar derart, dass sich bei Selbstdurchflutung der Strom und damit das Magnetfeld am stärksten an der äußeren Oberfläche ausbildet (auch an Rohren), bei der Hilfs- und Induktionsdurchflutung dagegen an der Innenwand. Dementsprechend sind Fehler auch besser an der Außen- oder Innenwand erkennbar. 2.3 Akustische Prüfverfahren 2.3.1 Physikalische Grundlagen Definition des Wellenbegriffes Besteht zwischen einer Menge von benachbarten, schwingungsfähigen Teilchen eine Kopplung, so breitet sich jede Bewegung der Teilchen als Welle durch die ganze Menge aus. Eine Welle ist also eine Gesamtheit sich fortpflanzender Schwingungszustände. Eine Welle transportiert Energie, aber keine Materie. Wellenarten Transversalwellen (Querwellen): Die Teilchen schwingen senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung der Welle. Es bilden sich Wellenberge und Wellentäler aus (Beispiel: Wasserwelle).

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 9 Amplitude Schwingungsrichtung der Teilchen Wellenlänge Bild 2.6: Transversalwelle Longitudinalwellen (Längswellen): Die Teilchen schwingen in Fortpflanzungsrichtung der Welle. Es entstehen Verdichtungen und Verdünnungen (Beispiel: Schallwelle). Schwingungsrichtung der Teilchen Verdichtung Wellenlänge Bild 2.7: Longitudinalwelle Größen zur Charakterisierung von Wellen / Wellengleichung In einem elastischen Körper breiten sich Schwingungen in messbarer Zeit aus - man spricht von der Ausbreitungsgeschwindigkeit c der Welle. Diese Größe lässt sich sehr einfach durch das Produkt aus Wellenlänge und Frequenz f beschreiben. c f (Wellengleichung) Schallwellen breiten sich in verschiedenen Medien mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus. Die Frequenz der Schwingungen einer Welle ist jedoch nicht vom Medium abhängig. Es besteht somit ein linearer Zusammenhang zwischen Fortpflanzungsgeschwindigkeit und

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 10 Wellenlänge. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit longitudinaler Wellen ist etwa doppelt so hoch wie jene transversaler Wellen. Beispiele für Schallgeschwindigkeiten (Longitudinalwellen): Stahl: 5900 m/s, Aluminium: 6410m/s, Messing: 4460 m/s, PVC: 2341 m/s Ultraschall ultra (lat.) = jenseits, darüber hinaus Die Frequenzen von Ultraschallwellen liegen oberhalb der menschlichen Hörschwelle, die je nach Alter und Konstitution zwischen 16 und 20kHz liegt. Die für die technische Anwendung relevanten Frequenzbereiche liegen zwischen 0.5 und 20MHz. Erzeugen von Schwingungen hoher Frequenz - piezoelektrischer Effekt Bestimmte Stoffe, wie z.b. Quarz, Tumalin oder Bariumtitanat, reagieren auf eine mechanische Beanspruchung mit Ladungsverschiebungen. Es bildet sich ein messbarer Potentialunterschied aus (Entladung beim piezoelektrischen Feuerzeug). Ultraschall wird durch die Umkehrung des piezoelektrischen Effekts erzeugt, indem eine hochfrequente Wechselspannung an einen Kristall angelegt wird. Durch die angelegte Spannung verändert sich die Dicke des Kristalls. Der Wechsel zwischen Dickenzunahme und abnahme vollzieht sich mit der Frequenz der angelegten Spannung. Die Schwingungen des Kristalls breiten sich in den umgebenden Medien als Ultraschallwellen aus. Reflexion Ultraschallwellen werden an den Grenzflächen unterschiedlicher Medien (Phasenübergang) nahezu vollständig reflektiert. Diese Reflexion wird zur Fehlererkennung genutzt, da jeder Fehler im Werkstück, der mindestens eine Größe von /2 hat, einen Phasenübergang bedeutet. 2.3.2 Verfahren der Ultraschallprüfung Durchschallungsverfahren Das Durchschallungsverfahren ist in der Technik nur noch von geringer Bedeutung. Es kommt bei der kontinuierlichen Prüfung von Blechen, Bändern, Profilen und Rohren zum Einsatz (Qualitätssicherung).

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 11 Eine Seite des Werkstückes wird kontinuierlich mit Schallwellen beaufschlagt, die auf der gegenüberliegenden Seite durch einen als Empfänger geschalteten Kristall aufgenommen werden. Liegt im Prüfling ein Fehler vor, so werden die Ultraschallwellen ganz oder teilweise an der Grenzfläche zwischen Werkstück und Fehler reflektiert. Die Stärke (Intensität) der am Empfänger ankommenden Impulse fällt in Abhängigkeit von der Art und der Größe des Fehlers ab. Die Tiefenlage eines Fehlers kann mit diesem Verfahren nicht bestimmt werden. Sender Empfänger 50 0 100 Fehlerfreier Prüfkörper Intensität Sender Empfänger 50 0 100 Prüfkörper mit Fehler Intensität Bild 2.8: Das Prinzip des Durchschallungsverfahrens Impuls-Echo-Verfahren Dieses Verfahren ist für die praktische Anwendung von größerer Bedeutung als das Durchschallungsverfahren. Ein Prüfkopf wird im Wechsel als Sender und als Empfänger geschaltet. Als Sender gibt dieser Ultraschallimpulse ab, die zunächst die Grenzschicht zwischen Prüfkopf und Prüfling durchdringen müssen. Einer durch den Dichteunterschied zwischen Metall und Luftspalt verursachten Reflexion und dem damit verbundenen Intensitätsverlust wird durch das Aufbringen eines Kopplungsmittels entgegengewirkt (z.b. Öl, Wasser oder Glycerin). Nach dem Senden eines Schallimpulses wird der Prüfkopf als Empfänger geschaltet. Er ist jetzt in der Lage, die an den verschiedenen Grenzflächen reflektierten Schallwellen zu

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 12 detektieren (Echo). Probleme können bei Werkstofffehlern auftreten, die sich unmittelbar unter der Werkstückoberfläche befinden, da der Prüfkopf beim Eintreffen eines dort reflektierten Schallimpulses noch nicht auf Empfang umgeschaltet ist. Prüfkopf Dicke S Impuls Rückwandsignal Eingangssignal Echo Prüfkopf Fehlerfreier Prüfkörper Oszillographenschirm Probendicke Fehlersignal Prüfkörper mit Fehler Rißabstand Bild 2.9: Das Prinzip des Impuls-Echo-Verfahrens Die ungefähre Größe und die Tiefenlage eines Fehlers können mit Hilfe eines prüfkopfspezifischen AVG-Diagramms (Abstand-Verstärkung-Größe-Diagramm) bestimmt werden. Risse und kleine Fehler, die in Durchschallungsrichtung verlaufen, ergeben keine Reflexion. Um auch diese zu detektieren, werden Winkelprüfköpfe eingesetzt, die den Schall schräg einleiten. Diese Art der Schalleinleitung ist auch beim Prüfen von Schweißnähten erforderlich, da eine Schweißraupe keine direkte Ankopplung des Prüfkopfes zulässt. Über die Art eines Fehlers, d.h. ob Lunker, Einschluss oder Pore o.ä. kann keine Aussage getroffen werden.

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 13 2.4 Penetrationsverfahren - Farbeindringprüfung Die Verfahren der Farbeindringprüfung sind zur Ortung von Oberflächenrissen geeignet, die mit der einfachen Sichtkontrolle ( unbewaffnetes Auge ) nicht erkannt werden können. Prüfvorgang: Das Prüfstück wird nach sorgfältiger Reinigung der Prüffläche mit einer Flüssigkeit geringer Viskosität bestrichen. Durch Kapillarwirkung dringt die Flüssigkeit in die vorhandenen Öffnungen der Oberfläche ein. Anzeige eines Fehlers: Nach dem oberflächlichen Entfernen der Flüssigkeit bleiben Reste in den Fehlern zurück. Durch Aufbringen einer Entwicklerflüssigkeit oder eines Pulvers entstehen durch chemische Reaktion am Rissausgang farbige Markierungen. Bei einigen Verfahren kommen Flüssigkeiten zur Anwendung, die unter UV-Bestrahlung fluoreszieren, wodurch die Fehlererkennung vereinfacht wird. Das Farbeindringverfahren ist nicht zur Erkennung von tiefen Rissen geeignet, da in diesem Fall die aufgetragene Penetrierflüssigkeit nach dem Aufbringen des Entwicklers u.u. nicht aus dem Riss an die Oberfläche dringen kann. Reinigen der Probenoberfläche Aufbringen der Penetrationsflüssigkeit Abwaschen der Penetrationsflüssigkeit und Auftragen des Entwicklers Anzeige nach dem Entwickeln Bild 2.10: Vorgehensweise bei der Farbeindringprüfung

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 14 3. Kontrollfragen Bitte bereiten Sie sich auf folgende Fragen sorgfältig vor (Lösung der Fragen muss nicht schriftlich vorliegen). Zu Beginn des Praktikum-Versuchs wird Ihre Kenntnis über die theoretischen Grundlagen anhand dieser Fragen in einem Fachgespräch kontrolliert. 1. Nennen Sie die Aufgaben der Werkstoffprüfung! 2. Welche Forderungen müssen die Verfahren der Werkstoffprüfung erfüllen? 3. Zu welchen Teilbereichen können die Prüfverfahren zusammengefasst werden? Nennen Sie Beispiele! 4. Welche Ziele verfolgt die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung? 5. Was sind Röntgenstrahlen? Wie entstehen sie? 6. Nennen Sie Bereiche, in welchen Röntgenstrahlung gezielt zur Werkstoffprüfung eingesetzt wird! 7. Erläutern Sie das Prinzip der Grobstrukturuntersuchung mittels Röntgenstrahlung! 8. Für welche Werkstoffe ist die Rissprüfung mittels Magnetpulververfahren geeignet? 9. Auf welchem Prinzip beruht das Magnetpulververfahren? 10. Nennen und beschreiben Sie Wellenarten! 11. Welche Größen der Wellengleichung sind vom durchschallten Werkstoff abhängig? 12. Was ist Ultraschall? 13. Beschreiben Sie einen Effekt zur Erzeugung hochfrequenter Schallwellen! 14. Nennen und beschreiben Sie die beiden grundlegenden Verfahren der Ultraschallprüfung! 15. Welche Aufgabe hat das Kopplungsmittel? 16. Wie wirkt sich beim Impuls-Echo-Verfahren ein Fehler in einem Probekörper auf die Anzeige des Oszillographen aus? 17. Welche Fehler können durch die Farbeindringprüfung erkannt werden? 18. Beschreiben Sie die Vorgehensweise bei der Durchführung der Farbeindringprüfung!

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 15 4. Laborversuche 4.1 Teilversuch 1: Penetrationsverfahren - Farbeindringprüfung Mehrere dauergeschwungene Proben werden mit Hilfe der Farbeindringprüfung auf Oberflächenfehler untersucht. 4.2 Teilversuch 2: Magnetische Rissprüfung Eine Schweißnaht wird mit dem Magnetpulververfahren auf Risse hin untersucht. 4.3 Teilversuch 3: Ultraschallprüfung Aufgabenstellungen: 1.) Die Prüfeinheit ist mit einem Normalprüfkopf zu justieren. Man wähle folgende Justage: 100 mm Stahl (a 1 =100mm) ist mit drei Signalen auf dem ganzen Leuchtschirm des Gerätes abzubilden. Prüfeinrichtung Gerät (Typ): Prüfkopf: Schwingerdurchmesser = mm Prüffrequenz f = MHz 2.) An einem Prüfstück aus Stahl sind der Nachweis, die Ortung und die Größenbestimmung von drei Kreisscheibenreflektoren (Bohrungen) mit Hilfe des auf Seite 16 abgedruckten, für den benutzten Prüfkopf geltenden AVG-Diagramms (Abstand-Verstärkung-Größe- Diagramm) durchzuführen. Messwerte Tatsächliche Werte Messstelle V 1 V 2 a 1 a 2 V D f a 1 a 2 h D f [db] [db] [mm] [mm] [db] [mm] [mm] [mm] [mm] [mm] 100 100 100 100 100 100

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 16 Erläuterung: V 1 [db] Verstärkung bei 4/5 Bildschirmhöhe des 1. Rückwandechos (frei wählbar) V 2 [db] Verstärkung bei 4/5 Bildschirmhöhe des Kreisscheibenreflektors V = V 2 -V 1 [db] a 1 = a 1 [mm] Abstand Rückwand - Prüffläche a 2 [mm] Tiefenlage des Kreisscheibenreflektors zur Prüffläche a 2 = a 1 - h [mm] Tatsächliche Tiefenlage des Fehlers h [mm] gemessene Tiefe der Bohrung D f [mm] Aus dem AVG-Diagramm ermittelter Durchmesser des Kreisscheibenreflektors D f [mm] Tatsächlicher Durchmesser des Kreisscheibenreflektors AVG-Diagramm für den Prüfkopf B4S-N:

Grundpraktikum Werkstofftechnik - Versuch G7: Zerstörungsfreie Werkstoffprüfung 17 3.) Mit Hilfe der werkstoffspezifischen Schallgeschwindigkeiten soll eine Materialerkennung an gleich großen (a = 50mm = const.) zylindrischen Proben durchgeführt werden. Gegeben sind: -Messfrequenz f = 2 MHz = const. -Schallwellenlänge in Stahl St = 2,950 mm -Schallgeschwindigkeit: c f -Relation zwischen Schalllaufzeit t und Wellenlänge: t Stahl t?? Stahl c Stahl c? Stahl t? t -Schallgeschwindigkeiten (aus Tabellenwerken): Werkstoff Schallgeschwindigkeit [m/s] Stahl 5900 Aluminium 6410 Messing 4460 Kupfer 4700 PVC hart 2341 Bakelit 2590 Nickel 5630 Auswertung: Probe t? in Skalenteilen 1 2 3 4 c c Stahl t? t in m/s Stahl? Werkstoff