Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen



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Transkript:

Ausbildung zum/r Psycholog. Berater/in und Psychotherapeutische/r Heilpraktiker/in Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Begleitskript zum Seminar

Inhalt Allgemeine Vorbemerkungen zu den Skripten Inhalt 1 Persönlichkeit 1.1 Begriffsbestimmung 1.2 Einteilungsarten 1.3 Bausteine der Persönlichkeitsentwicklung 2 Persönlichkeitsstörungen im Allgemeinen 2.1 Einführung in die Persönlichkeitsstörungen 2.2 Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen 2.3 Epidemiologie 2.4 Ätiologie 2.5 Diagnostik 2.6 Therapie 3 Die spezifischen Persönlichkeitsstörungen (F60) 3.1 Paranoide Persönlichkeitsstörung (F60.0) 3.2 Schizoide Persönlichkeitsstörung (F60.1) 3.3 Dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung (F60.2) 3.4 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3) 3.5 Histrionische Persönlichkeitsstörung (F60.4) 3.6 Anankastische Persönlichkeitsstörung (F60.5) 3.7 Ängstlich-vermeidende (selbstunsichere) Persönlichkeitsstörung (F60.6) 3.8 Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung (F60.7) 3.9 Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen (F60.8) 4 Andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen 4.1 Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (F68.0) 4.2 Artifizielle Störung (F68.1) - Absichtliches Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen 4.3 Psychischer Masochismus 5 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (F63) 5.1 Pathologisches Spielen (F63.0) 5.2 Pathologische Brandstiftung (Pyromanie) (F63.1) 5.3 Pathologisches Stehlen (Kleptomanie) (F63.2) 5.4 Trichotillomanie (F63.3) 6 Sexualstörungen 6.1 Sexuelle nicht organisch bedingte Funktionsstörungen (F52) 6.2 Störungen der Geschlechtsidentität (F64) 6.3 Störungen der Sexualpräferenz (F65) 6.4 Psychische und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung (F66) 6.5 Therapie der Sexualstörungen 7 Fallbeispiele und Übungen 8 Fragen zur Selbstüberprüfung 9 Lösungen zu den Selbstüberprüfungsfragen 10 Lösungen zu den Fallgeschichten und Selbsterfahrungsübungen Literaturliste Impressum

1 Persönlichkeit Persönlichkeit ist einer der wichtigsten Begriffe in der Psychologie. Sie stellt das dar, was den einzelnen Menschen ausmacht und ihn von anderen unterscheidet. Es handelt sich also einerseits um die Vielzahl von Einzelmerkmalen einer Person, andererseits um die ganz spezifische und individuelle Zusammensetzung dieser. In der Psychologie gibt es eine Vielzahl verschiedener Definitionen, Herangehensweisen, Entwicklungs- und Erklärungsmodelle. Einige ausgewählte werden im Skript aufgeführt, um ein breiteres Verständnis für die, sich daraus ableitbaren, Störungen und Problemen zu erhalten. Persönlichkeit ist das was bleibt, wenn man Ämter, Orden und Titel von einer Person abzieht. (Wolfgang Herbst) 1.1 Begriffsbestimmung Mit der Bezeichnung Persönlichkeit ist die Summe aller Denk-,, Fühl- und Verhaltensmuster eines Menschen gemeint. Der Begriff der Persönlichkeit impliziert gleichzeitig die Vorstellung von einer gewissen Vorhersagbarkeit des Verhaltens einer Person unter verschiedenen Lebensumständen. Eine so statische Haltung wird von der heutigen Psychologie nicht mehr aufrechterhalten, da sich die Persönlichkeit eines Menschen im Laufe ihres Lebens mehr oder weniger stark verändern kann. Eine häufig verwendete Definition von Persönlichkeit erstellte Eysenck (1970), in der eine Reihe an wichtigen Bausteinen, aus denen sich eine Persönlichkeit zusammensetzt, enthalten ist. Immer wieder betont er die mehr oder weniger stabile und dauerhafte Organisation von: Charakter (Wille) Temperament (Emotion) Intellekt (Kognition, Intelligenz) Körperbau (physische Gestalt, hormonelle Ausstattung) Jedwede Eigenschaft an einer Persönlichkeit kann bei mehr oder weniger starker Ausprägung, sofern diese im Konflikt mit gesellschaftstypischen Regeln und Erwartungen steht, als Abweichung gelten. Die Übergänge sind häufig fließend. 1.2 Einteilungsarten In der Psychologie gibt es verschiedene Ansätze und Erklärungsmodelle zur Strukturierung, Entwicklung und den Verhaltensäußerungen der Persönlichkeit. Zu den bekanntesten Theoriemodellen gehört die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Freud nahm an, dass unbewusste Prozesse das Verhalten eines Menschen weitgehend bestimmen. Dafür entwickelte er verschiedene Modelle zur Entwicklung der Persönlichkeit, wie die psychosexuelle Entwicklung, sowie zur Erklärung der Struktur, z:b. Modell von Ich, Es und Über-Ich (siehe Skript zum Blockseminar Tiefenpsychologie ).

Weiterhin gibt es Schichtenmodelle, die davon ausgehen, dass sich das Individuum aus verschiedenen Persönlichkeitsschichten zusammensetzt, die unterschiedliche Bedürfnisse widerspiegeln. So differenzierte Philipp Lersch (1898-1972), ein Psychologe des 20. Jahrhunderts, die Persönlichkeit eines Menschen in eine so genannte körperliche Schicht, die alle Gefühle und Triebe umfasst und in eine geistige Schicht, die Denken und Wollen beinhaltet. Ähnliches finden wir es schon bei Platon, bei dem sich der Charakter eines Menschen aus Kopf (Verstand), Brust (Gemüt) und Unterleib (Begierde) zusammensetzt. Bei den Schichtenmodellen findet man stets eine starre Trennung zwischen Geist und Gefühl, was jedoch aus heutiger Sicht kaum mehr vertretbar ist. Schon in der Antike wurde versucht, die Persönlichkeit des Menschen zu definieren, zu beschreiben und zu klassifizieren. Am bekanntesten sind die vier Temperamente nach Hippokrates im alten Griechenland. Danach unterschied man: den Choleriker - der Jähzornige, Aufbrausende den Phlegmatiker - der Schwerfällige den Sanguiniker - der Lebensfrohe und Lebenslustige den Melancholiker - der Schwermütige Ähnliches wurde im 20. Jahrhundert durch den Mediziner und Psychologen William H. Sheldon (1898 1977) und den Psychiater Ernst Kretschmer (1888-1964) versucht, die durch ihre Konstitutionslehre bekannt wurden. In diesen Konstitutionslehren versuchen sie, sowohl die Vielfältigkeit des menschlichen Körperbaus, als auch den psychischen Eigenschaften bestimmter Grundtypen, so genannte Konstitutionstypen zuzuordnen. 1.2.1 Konstitutionstypen nach Sheldon Diese Typenlehre ist vornehmlich im angelsächsischen Raum verbreitet. Sheldon differenzierte 3 unterschiedliche Typen: Endomorpher Typ (oder Viszerotoniker) Mesomorpher Typ (oder Somatotoniker) Ektomorpher Typ (oder Zerebrotoniker) Der endomorphe Typ ist laut Sheldon vom inneren Keimblatt, dem Entoderm, abgeleitet, das den Magen-Darm-Kanal bildet. Entsprechend ist der Bauch gegenüber dem Brustbereich bei diesen Menschen besonders stark ausgebildet. Im Vordergrund stehen die Funktionen des Essens, Verdauens und des Schlafens. Diese Menschen werden als ruhig und gesellig beschrieben, die sich sozial leicht integrieren. Der mesomorphe Typ leitet sich vom mittleren Keimblatt, dem Mesoderm, das für die Bildung des Stütz- und Muskelgewebes verantwortlich ist, ab. Daher findet sich bei solchen Menschen ein kräftiges Knochengerüst und eine gut entwickelte Muskulatur. Dieser Typ zeichnet sich durch große Energie und Ausdauer aus. Er hat ein unkompliziertes und gutmütiges Wesen.

Beim ektomorphen Typ, der sich vom äußeren Keimblatt, dem Ektoderm, ableitet, sind die Sinnesorgane und das Nervensystem besonders stark entwickelt. Der Körperbau hingegen ist eher zierlich bis schwächlich mit langen Extremitäten. Als Persönlichkeitseigenschaften nennt Sheldon ein gutes Reaktionsvermögen, geistige Regsamkeit, große Sensibilität, gepaart mit einer gewissen Gesellschaftsfeindlichkeit. 1.2.2 Konstitutionstypen nach Kretschmer Kretschmer versuchte in stärkerem Maße als Sheldon morphologische und psychische Eigenschaften miteinander zu verbinden. Zudem betonte er auch die Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen der jeweiligen Typen. Kretschmers Typologie ist vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet. Er unterschied: Athletiker - muskulöser, athletischer Typ Leptosom - hagerer, schmächtiger Typ Pykniker - dicker, gedrungener Typ Der Athletiker (entspricht dem mesomorphen Typ Sheldons) zeigt einen besonders kräftig entwickelten Bewegungsapparat und ist daher entsprechend leistungsfähig. Psychisch wird er als temperamentarm mit begrenzter Phantasie und mäßiger geistiger und sozialer Aktivität beschrieben. Nach Kretschmer soll der Athletiker häufiger als die anderen Typen an Epilepsie erkranken. Der Leptosom (oder Astheniker) entspricht dem ektomorphen Typ Sheldons und ist durch ein feinknöchiges Skelett mit gering entwickelter Muskelmasse charakterisiert. Daher ist er auch körperlich nur sehr begrenz leistungsfähig. Psychisch zeigt er einen stark analytischen Verstand und ein hohes Maß an Abstraktions- und Assoziationsvermögen. Dagegen ist seine Gefühlswelt weniger entwickelt und seine Gefühlsreaktionen werden daher eher als kühl beschrieben. Er neigt aufgrund der Bindegewebs- und Muskelschwäche zu Brüchen und Krampfadern. Zudem wird Schizophrenie hier häufiger beobachtet. Der Pykniker entspricht dem endomorphen Typ Sheldons und ist der eher dickliche Typ, der rundlich gebaut ist und stärker Fett ansetzt als die anderen Charaktere. Er hat meist einen deutlichen Bauch und ein rundliches Gesicht mit eher dünnen Gliedmaßen. Als typische Eigenschaften werden Gemütswärme, Umweltaufgeschlossenheit und eine komplexe bzw. ganzheitliche Auffassungsfähigkeit beschrieben. Pykniker sollen besonders zu bipolaren Störungen, also manisch-depressiven Erkrankungen, neigen. Körperlich stehen Erkrankungen der Kreislauforgane und der Hormondrüsen im Vordergrund. 1.2.3 Einteilung nach Riemann Eine andere Einteilung versuchte der Tiefenpsychologe Fritz Riemann in seinem Buch Grundformen der Angst (siehe Literaturliste). Riemann leitet von vier Grundformen der Angst entsprechend vier Persönlichkeitsstrukturen bzw. Persönlichkeitstypen des Menschen ab, wobei jeweils zwei Typen ein Antipoden-Paar bilden, in ihrer Grundstruktur also entgegengesetzt sind. Die Riemannschen Grundstrukturen sind idealtypische Abstraktionen, die jedoch in reiner Form so nicht existieren, d.h. wir sind immer Mischtypen aus allen vier Grundformen.

Die vier Typen sind: der Depressive der Schizoide der Zwanghafte der Hysterische Antipodenpaar Antipodenpaar Der depressive Mensch: Im Mittelpunkt stehen andere Menschen, während die Beschäftigung mit sich selbst und die Fokussierung auf seine eigene Person vermieden werden. Nach Riemann besteht die vorherrschende Angst vor der Selbstwerdung. Diese Angst wird als Ungeborgenheit und Isolation erlebt. Die gefühlsmäßige Trennung des depressiven Menschen, von seiner sozialen Umwelt (Einsamkeit), bereitet diesen Menschen Schwierigkeiten. Distanz und Grenzen werden als leidvoll und als Zeichen des Alleingelassenwerdens empfunden. Empathie und Zuwendung, ebenso wie Hilfe für andere sind positive Werte des depressiven Typus. Der schizoide Mensch: Dieser Mensch kreist mit seinen Gedanken und Gefühlen vorwiegend um sich selbst, während er Kontakt zu anderen Menschen eher vermeidet. Dazu gehören häufig Einzelgänger, die ihre Selbstbewahrung überbewerten. Die typische Grundangst dieses Menschen liegt in der Angst vor der Hingabe, die er als Ich-Verlust und Abhängigkeit erlebt. Ein Ich-Verlust würde für ihn eine erhebliche Einschränkung seines Bedürfnisses nach Autonomie bedeuten. Aus diesen Bedürfnissen heraus versuchen schizoide Menschen wenig oder gar keine Gefühle zu zeigen und grenzen sich häufig von anderen ab, nicht zuletzt durch eine ausgeprägte Sachlichkeit. Positive Eigenschaften sind die beschriebene souveräne Unabhängigkeit und eine scheinbar klare, bewusste Einstellung in vielerlei Hinsicht, häufig gefüttert durch ein starkes Ausleben von Intellektualität. Der zwanghafte Mensch: Er strebt Dauer und Stabilität an und wünscht sich eine feste und verlässliche Zukunft. Er hat Angst vor der Vergänglichkeit, der Wandlung und vor allem Unvorhersehbarem, daher ängstigt ihn alles Neue und Unsichere. Somit muss also alles geplant und organisiert werden. Ordnung spielt eine große Rolle und sollte nicht aufgehoben oder verändert werden. Bei dieser Suche nach Sicherheit durch Konstanz besteht allerdings die Gefahr, dass der zwanghafte Mensch dabei gar nicht mehr zu Leben, zu Entdeckungen, Entwicklungen und schönen Erlebnissen kommt. Die Stärken dieser Menschen liegen in der Stabilität, der Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein. Der hysterische Mensch: Er wünscht sich Abwechslung und Abenteuer und bejaht jede Veränderung und Entwicklung. Er ist offen für alles Neue und Unbekanntes zieht ihn an. Ihm liegt die Angst vor Ordnung, vor Regeln, vor Notwendigkeiten zugrunde. Sein Freiheitsdrang begründet sich somit in der Angst vor Erstarrung, Unfreiheit und Endgültigkeit. Probleme ergeben sich für hysterische Menschen, wenn sie durch Ordnungen und Gesetzmäßigkeiten festgelegt werden und nicht ausweichen können und somit in ihrer Leidenschaft und Spontaneität gebremst werden. Für Ablenkungen sind sie meist empfänglich und dankbar. Positive Eigenschaften sind vor allem die große Kontaktbereitschaft, ebenso wie ihre Lust Neues zu entdecken und sich somit mit optimistischen Erwartungen weiter zu entwickeln.

2 Persönlichkeitsstörungen im Allgemeinen Persönlichkeitsstörung ist ein Begriff, der sehr viel Raum für Diskussion lässt. Die Grenzen zwischen einer besonderen, anderen, unnormalen, bis hin zur krankhaften Persönlichkeit sind fließend und liegen, nicht zuletzt durch die Fülle möglicher Definitionen von Persönlichkeit und dem Begriff der Norm, im Auge des Betrachters. Im Folgenden wird ein kurzer historischer Abriss gegeben und eine Klärung des Begriffs Persönlichkeitsstörung, sowie die Abgrenzung zwischen der sogenannten Neurose und einer Persönlichkeitsstörung versucht. 2.1 Einführung in die Persönlichkeitsstörungen Früher bezeichnete man Persönlichkeitsstörungen (zum Teil auch Verhaltensauffälligkeiten) weitestgehend als so genannte Charakterneurosen. Ein Mensch, dem eine Charakterneurose zugeschrieben wird, erkennt eine auffällige Verhaltensweise als Bestandteil seiner Persönlichkeit oder seines Charakters an. Er leidet vielleicht unter den Symptomen der Neurose, erlebt sie aber als ich-synton synton, das heißt sie stimmen mit seiner Vorstellung und Wahrnehmung von sich selbst überein, werden also nicht als unnormal angesehen. Die auffälligen Verhaltensweisen betrachtete man früher als Bestandteil der Persönlichkeit bzw. des Charakters eines Menschen. Der Psychiater Kurt Schneider (1887 1967) hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts die heute allgemein anerkannte Auffassung geteilt, dass das abnorme Erleben und Verhalten einer Person nicht auf krankhaften Vorgängen beruht, sondern Abweichungen bzw. Extremvarianten von einem Durchschnittswert der menschlichen Persönlichkeit darstellen. Auch der Begriff Psychopathie wurde früher für dieses Krankheitsbild eingesetzt. Aus diesem ergab sich durch die Übersetzung (griech.: psyche = Seele und pathein = leiden), dass die Betroffenen wohl an der Abnormität ihrer Persönlichkeit leiden oder die Gesellschaft an derselben. Ein Teil dieser Erklärung hat sich für die heutige Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen durchgesetzt, der Begriff wurde jedoch durch seine negative Konnotation ersetzt. Differentialdiagnostisch ist es wichtig Neurosen (damit sind nach ICD-Einteilung vor allem neurotische und affektive Störungen gemeint) von Persönlichkeitsstörungen zu unterscheiden. Dabei ist zu bemerken, dass sich eine Neurose aus heutiger Sicht klinisch von einer Persönlichkeitsstörung unterscheidet, obwohl beide gleiche oder ähnliche Ursachen haben können. Merke: Jeder von uns trägt neurotische Züge in sich, ein Behandlungsbedarf besteht jedoch nur dann, wenn es zu einer merklichen Einschränkung der Lebensqualität kommt, bzw. Leidensdruck besteht.

Während eine Neurose nur bestimmte Anteile der Persönlichkeit des Betroffenen umfasst, so dass dieser im Großen und Ganzen ein einigermaßen normales Leben führen kann, erstreckt sich eine Persönlichkeitsstörung auf so weite Bereiche des Denkens, Fühlens, Erlebens und des Verhaltens, sowie der Beziehungsstrukturen, dass sie den Betroffenen in seiner Gesamtheit deutlich beeinträchtigen und es regelrecht zu Konflikten mit der Umwelt kommt. Man spricht von einer Persönlichkeitsstörung, wenn Denk-,, Verhaltens- und Empfindungsmuster (kognitive, verhaltensspezifische und affektive Reaktionen) eines Menschen dauerhaft an a die Umwelt fehlangepasst und unflexibel sind. In Stärke und Dauer weichen diese deutlich von der Norm ab. Bei einer Persönlichkeitsstörung handelt es sich also um ein tief eingewurzeltes Fehlverhalten mit entsprechenden zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Konflikten. Im Gegensatz zur normalen Persönlichkeit ist die gestörte Persönlichkeit nicht in der Lage sich an die Lebensumstände im Alltag anzupassen und mit diesen flexibel umzugehen. Daher ist es für diese Menschen schwer, sich im Leben zurechtzufinden und schwierige Situationen zu meistern. Viele Patienten leiden unter den Symptomen der Persönlichkeitsstörung. Auf der anderen Seite erleben die Patienten diese Symptome jedoch als ich-synton, d.h zu sich gehörig, stimmen also mit ihrer Vorstellung und Wahrnehmung von sich selbst überein. Neben einem persönlichen Leidensdruck des einzelnen Patienten, kann sich aber auch die Umwelt stark durch die Verhaltens- und Denkweisen, sowie die affektiven Reaktionen eines solchen Menschen gestört fühlen, was regelrecht zu Konfliktsituationen führen kann. Persönlichkeitsstörungen sind also vor allem auch Beziehungsstörungen. In diesem Zusammenhang spricht man auch häufig von sogenannten strukturellen Störungen. Strukturelle Störungen in der Persönlichkeit sind demnach die Folge frühkindlicher Beziehungsstörungen. Die Struktur der Persönlichkeit an sich bezeichnet den Reifegrad/Entwicklungsstand psychischer Funktionen. Strukturelle Störungen bezeichnen demzufolge die eingeschränkte Verfügbarkeit psychischer Funktionen, die bedeutsam sind, um das Selbst und die Beziehungen zu anderen Menschen optimal zu gestalten. Nach Kernberg bzw. OPD (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik) unterscheidet man zwischen einem hohen, einem mittleren, einem niedrigen und einem desintegriertem Strukturniveau. Dabei kann das Strukturniveau auf folgenden Dimensionen beschrieben werden: Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung (Introspektionsfähigkeit) Fähigkeit zur Selbststeuerung/Selbstfürsorge Abwehrmechanismen Objektwahrnehmung/Empathie Kommunikationsfähigkeiten (verbal und nonverbal) Bindungsfähigkeiten (Internalisierungsfähigkeit, Bindungsflexibilität, Fähigkeit loszulassen

Entsprechend dem Fünf-Faktoren-Modell (Big Five) kann man Persönlichkeitsstörungen auch als Extremvarianten dieser 5 Persönlichkeitsdimensionen bezeichnen. Bei einer Persönlichkeitsstörung sind folgende Qualitäten gestört: Ich-Identität Körper- und Selbstbild Geschlechtsidentität Fähigkeit zum Alleinsein Gefühl von Echtheit (Authentizität)