Stellungnahme des Deutschen Naturschutzrings zum Entwurf der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung



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Transkript:

Stellungnahme des Deutschen Naturschutzrings zum Entwurf der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung Der Deutsche Naturschutzring und die in ihm organisierten Verbände begrüßen die Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie durch die Bundesregierung, die als deutscher Beitrag zum Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg vorgelegt werden soll. Wir bewerten es positiv, dass die Bundesregierung die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit durch einen Staatssekretärsausschuss unterstreicht. Der Prozess hätte allerdings viel früher beginnen müssen, um breite demokratische Beteiligungsmöglichkeiten und einen umfassenden fachlichen Dialog zu gewährleisten, bevor die Strategie vom Bundeskabinett verabschiedet wird. Der Entwurf zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie spiegelt im wesentlichen die Politik der Bundesregierung wieder. Dass in einigen Bereichen durchaus ehrgeizige Ziele formuliert werden, ist dabei positiv zu vermerken. Da sich diese jedoch nicht durchgängig auch in den Handlungsfeldern wiederfinden, sollte bei der vorgesehenen Revision in 2 Jahren nicht nur überprüft werden, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht wurden, sondern auch, ob sich die vorgesehenen Maßnahmen als geeignet bewährt haben oder ggf. angepasst werden müssen. Der Aufforderung der Bundesregierung, eigene Stellungnahmen in den Dialog zur Nachhaltigkeitsstrategie einzubringen, kommen wir hiermit nach. Wir verweisen aber darauf, dass die fachliche Kommentierung in der Kürze der Zeit nur bedingt möglich war und es weitere Eingaben von unserer Seite geben wird. Außerdem werden wir den Prozess der Fortentwicklung der Strategie sowie das Monitoring intensiv begleiten. Der Vermittlung eines guten Verständnisses von nachhaltiger Entwicklung und von entsprechenden Handlungsmöglichkeiten, beispielsweise in der schulischen und außerschulischen Bildung, in der politischen Erwachsenenbildung, in den Medien und mit Werbekampagnen, sollte eine weitaus prominentere Rolle eingeräumt werden, und zwar sowohl im Vorfeld des Weltgipfels in Johannesburg als auch darüber hinaus. Wir fordern die Bundesregierung auf, dafür einen ausreichend hohen und dem Anliegen angemessenen Etat zur Verfügung zu stellen. Vorbemerkung Nachhaltige Entwicklung Wir begrüßen, dass die Bundesregierung neben den sektoralen Schwerpunktthemen wie Energie, Mobilität und Landwirtschaft umfassende Nachhaltigkeitsthemen wie Generationengerechtigkeit, sozialer Zusammenhalt, Lebensqualität und internationale Verantwortung aufgegriffen hat, wobei der Bereich internationale Verantwortung wesentlich stärker berücksichtigt werden sollte. Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wird somit auf zentrale gesellschaftlich relevante Bereiche

2 übertragen und aus seinem Nischendasein für Fachexperten herausgeholt. So besteht die Chance, die gesellschaftliche Diskussion durch ungewohnte Blickwinkel in Gang zu bringen, wenn etwa eine wieder steigende Artenvielfalt ebenso wie sinkende Kriminalität als jeweils unterschiedlicher Aspekt des übergeordneten Zieles "Lebensqualität" thematisiert wird. Dies zeigt: Nachhaltigkeit geht ALLE an diese breite Botschaft sollte bei der Kommunikation des Leitbildes und der Maßnahmen, die auch jeder einzelne nach seinen Möglichkeiten umsetzen muss, im Vordergrund stehen. Wir fordern die Bundesregierung jedoch auf, die Begrenztheit der Ressourcen als Leitplanken und grundlegende Komponente des Konzeptes nachhaltiger Entwicklung deutlicher zu benennen. Die Nachhaltigkeit politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse im Sinne einer auf Dauer angelegten Funktionsfähigkeit ist abhängig davon, dass sie mit den Ressourcen der Erde nachhaltig umgeht. Auf dem heute erreichten globalen Niveau wirtschaftlicher Tätigkeit kann zukünftig eine mittel- und langfristig erfolgreiche Ökonomie ohne die Beachtung der natürlichen Grenzen nicht mehr realisiert werden es besteht die Anerkennung dieser natürlichen Grenzen (Ressourcen, Aufnahmekapazität der Umwelt für Schadstoffe etc.) in quantitativer, qualitativer und zeitlicher Perspektive als Grundlage für die weitere ökonomische und soziale Entwicklung. Dies muss sich in Handlungsfeldern, Zielen und Indikatoren klar wiederfinden. Langfristige Perspektiven In weiten Teilen ist der Entwurf einer Nachhaltigkeitsstrategie die Wiedergabe der Politik der Bundesregierung in der jetzigen Legislaturperiode. Ein großer Teil der formulierten Ziele ist ohnehin schon Bestandteil bundesdeutscher Politik bzw. gibt die Vorgaben europäischer Richtlinien und Vereinbarungen sowie internationaler Übereinkommen wieder. Langfristige Perspektiven, die das vorangestellte Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, die Generationengerechtigkeit, umsetzen könnten, sind nicht vorhanden; Visionen und strategische Ansätze, die eine weit in die Zukunft reichende Trendumkehrpolitik einleiten könnten, fehlen. Nachhaltige Finanzpolitik als übergeordnetes Handlungsfeld Die Umwelt- und Entwicklungsverbände regen an, eine nachhaltige Finanzpolitik als übergeordnetes Haupt-Handlungsfeld in die Strategie aufzunehmen. Die Streichung umweltschädlicher Subventionen und Steuererleichterungen sowie die verursachergerechte Anlastung externer Kosten sind eine wirksame Grundlage für nachhaltige Politik. Die Ökosteuer sollte fortgeführt und weiterentwickelt werden. Neue Handlungsfelder Weiterhin regen wir an, neue Handlungsfelder, wie z. B. die Abfallpolitik (mit konkreten Zielsetzungen und Zeithorizonten zur Verringerung der Abfallmengen) und den für eine nachhaltige Entwicklung wesentlichen Aspekt der Kreislaufwirtschaft oder auch eine nachhaltige Fischerei- (Meeres-) Politik in eine Nachhaltigkeitsstrategie aufzunehmen. Auch der Wald sollte in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung als wichtiger, multifunktionaler Teil der Landschaft Erwähnung finden. Wälder spielen nicht nur mit biochemischen Prozessen bei der lokalen Klimabildung, für den regionalen Wasserhaushalt und in den globalen Klimakreisläufen eine wichtige Rolle, sondern bieten zudem Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten und eine wichtige Erholungsfunktion für Menschen in den Industrieländern.

3 Der europäische Rahmen Uns ist bewusst, dass viele Probleme nur EU- oder weltweit bzw. zusammen mit den Bundesländern, Städten und Gemeinden gelöst werden können. Trotzdem sollten diese Themen als zukünftige Schwerpunkte nationaler Politik angesprochen werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich auch auf EU-Ebene und europaweit für eine entsprechende Politik einzusetzen. Internationale und entwicklungspolitische Implikationen Insgesamt sollte der internationalen Komponente und der entwicklungspolitischen Verantwortung ein wesentlich zentralerer Stellenwert in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie eingeräumt werden. In diesem Sinne müssen auch die Konsequenzen, die die nationale Politik in Handlungsfeldern wie beispielsweise der Agrarpolitik hat, unbedingt reflektiert und entsprechend in die Strategie einbezogen werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, das international vereinbarte Ziel, 0,7 Prozent des Sozialproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, in der Nachhaltigkeitsstrategie verbindlich anzuerkennen. Wir unterstützen nachdrücklich den vom Rat für nachhaltige Entwicklung vorgeschlagenen Zeitplan, dieses Ziel bis 2007 zu erreichen und bitten die Bundesregierung, die dafür erforderlichen Schritte umgehend einzuleiten. Jegliche Unklarheit in dieser Frage würde bei den Entwicklungsländern zu Recht Zweifel nähren, ob den Industriestaaten ernsthaft an einem Erfolg des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung gelegen ist. Das im Entwurf einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie formulierten Ziel, den Marktzugang der Entwicklungsländer zu stärken und damit ihre Handelschancen zu verbessern, sollte differenziert werden im Hinblick auf den Verarbeitungsgrad der Produkte aus den Entwicklungsländern, um die nach wie vor bestehenden Abhängigkeit von den Rohstoffmärkten zu verringern. In diesem Zusammenhang sollte die Bundesregierung die Entwicklungsländer substantiell darin unterstützen, adäquate Sozial- und Umweltstandards zu erreichen, und sich dafür einsetzen, dass ihre Vertreter in die entsprechenden internationalen Verhandlungen einbezogen werden. Handlungsfelder Die Beschreibung des Handlungsfeldes Klima und Energie im Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie verharrt insgesamt viel zu stark an einer Beschreibung des energiepolitischen Status Quo. Mit den von der Bundesregierung beschriebenen Maßnahmen wird es nicht gelingen, eine echte Trendwende in Richtung Nachhaltigkeit zu bewirken; dies betrifft insbesondere das fehlende CO 2 - Reduktionsziel von 40 % bis 2020 bezogen auf 1990 (s. auch S. 10). In dem Energiekapitel fehlen konkrete Aussagen zur Kohlepolitik, insbesondere zur ökologisch und ökonomisch verfehlten Subventionierung der Steinkohle sowie zu den negativen Umweltwirkungen des Braunkohletagebaus. Es wird richtig festgestellt, dass die heutige Energieversorgung weltweit dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung nicht gerecht wird und dass der Verbrauch fossiler Energien die Hauptursache für den anthropogenen Treibhauseffekt ist. Dass die fossilen

4 Energieträger jedoch auf absehbare Zeit die Hauptlast der Energieversorgung weltweit tragen müssen, ist nicht zwangsläufig. In den folgenden Abschnitten des Energiekapitels sollte klarer zwischen der Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes, der Beschreibung der Herausforderungen und Ziele in Richtung Nachhaltigkeit und der Aufzählung der Maßnahmen unterschieden werden. Wir beziehen uns im folgenden auf Abschnitt 5. Politiken und Maßnahmen: 1. Zur Verstärkung des marktwirtschaftlichen Rahmens gehört die Fortführung der ökologischen Steuerreform über 2003 hinaus mit kontinuierlich steigenden Steuersätzen und einem Abbau der Ermäßigungen für das produzierende Gewerbe. Die Ökosteuer auf regenerative Energien und die Stromsteuer auf KWK-Strom sind aufzuheben. 2. Ebenfalls zur Stärkung des marktwirtschaftlichen Rahmens gehört der Abbau der Steinkohlesubventionen bis spätestens 2010. Die Braunkohlenförderung im Rheinischen Revier sollte bis 2030 und im mitteldeutschen und Lausitzer Revier bis 2035 auslaufen. Maßnahmen zur sozialen Abfederung müssen gleichzeitig den ökologischen Strukturwandel in den betroffenen Regionen beschleunigen. 3. Das größte Handlungspotenzial zur Energieeinsparung liegt im Gebäudebestand (Dämmung, effiziente Heizung). Einsparpotentiale reichen technisch bis etwas 80% des heutigen Verbrauchs. Im Neubaubereich stellt das marktreife Passivhaus ein Optimum (incl. des Energieaufwandes zur Herstellung) dar. Zentrale Instrumente sind: a.) Verschärfung der Energiesparverordnung, hierbei: Konsequenter Primärenergiebezug auch bei elektrischer Heizung und Warmwasserbereitung b.) Erweiterung der Pflicht zur Wärmedämmung bei Sanierung/Modernisierung; Pflicht zur Erstellung und Nachweis von Energiepässen c.) Novellierung des EnEG mit dem Ziel der Aufnahme eines Umweltziels (über Wirtschaftlichkeit hinaus) d.) Förderung mit günstigen Krediten bzw. mit Steuervorteilen e.) Pflicht zur Prüfung des Einbaus von Solaranlagen bei Heizungsmodernisierung f.) Schrittweise Senkung der Grenzwertanforderungen in Neubau mit Passivhaus als Standard g.) Möglichkeiten für Kommunen weitergehende Anforderungen in Baugebieten festzulegen. h.) Breites integriertes Angebot von Energieberatung i.) Impulsprogramm zur Aus- und Fortbildung in Planung und Handwerk 4. Stromnutzung Haushalte, Gewerbe, Industrie: Ein Großteil der Stromnutzung steht nicht in Bezug auf einen konkreten Nutzen. Etwa 40% des unter hohen Verlusten aus Wärme erzeugten Stroms wird wieder zur Erzeugung von Wärme eingesetzt. Das Potential für Stromeffizienz beträgt technisch über 50% des heutigen Verbrauchs und kann vielfach sogar kurzfristig wirtschaftlich erschlossen werden. Als wirksame Maßnahmen kommen u.a. in Frage: a.) Behinderung der Stromnutzung für Wärmeanwendungen, insbesondere für Heizung und Warmwasserbereitung durch konsequente Begrenzung des Primärenergieverbrauchs u.a. in der EnEV b.) Schnellere Anpassung der Energieeffizienz-Kennzeichnung von Geräten an den Stand der Technik (nicht nur Haushaltsgeräte) c.) Verkaufs- und Anwendungsverbote für die jeweils ineffizientesten Geräte einer Produktgruppe

5 d.) Entwicklung und Verbreitung von Stromspardienstleistungen und Stromsparmarketing e.) Ausweitung und Vereinfachung von performance Contracting Angeboten f.) Impulsprogramm Stromanwendungen für Planer, Handwerk, Anwender 5. Bereich Kraft-Wärme-Kopplung: Die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme hat im Vergleich zur Kondensationsstromerzeugung noch hohe Potenziale. Andere Länder in Europa weisen einen Anteil des KWK-Stroms von bis über 50% auf, Deutschland nur ca. 10%. Neue Kraftwerke sollten vornehmlich mit KWK-Nutzung errichtet werden, das immense Potenzial dezentraler KWK (gebäudebezogen und in Nahwärmenetzen) ist zu erschließen. Als wirksame wie auch marktwirtschaftlich in die Liberalisierung des Strommarkts einpassbare Lösung kommt in Frage: a.) Einführung einer Quotenregelung für KWK-Strom b.) Pflicht zur Prüfung des Einsatzes von KWK-Anlagen beim Neubau bzw. Modernisierung von Heizungsanlagen. 6. Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien: a.) Im europäischen Verbund ist der Import von Solarstrom, insbesondere aus solarthermischen Kraftwerken in sonnenreichen Ländern einzubeziehen. b.) Die Vielfalt der Formen regenerativer Energien korrespondiert mit ihren dezentralen verbrauchsnahen Einsatz. Ihr Einsatz ist jeweils mit der Umsetzung von Energieeffizienz und KWK zu kombinieren. Vielfach sind solche Kombinationslösungen schon heute wirtschaftlich (Einsparung finanziert Mehrkosten regenerativer Energien). c.) Das Instrument des Erneuerbare Energien Gesetz hat sich nach kurzer Zeit bewährt. Es ist in dieser Form fortzuführen (insbes. 20-jährige Bindung der Vergütung). In einigen Bereichen wird es möglich sein, Vergütungssätze entsprechend Kostendegressionen zu senken, in anderen Bereichen wird es kurzfristig erforderlich sein, Vergütungssätze, insbes. für kleinere Anlagen bis knapp über die Kostendeckung anzuheben (Biogas). In letzteren Fällen könnte dann auf separate Zuschußförderung verzichtet werden. 7. Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien: a.) Neben der Zuschußförderung, bzw. der Gewährung günstiger Kredite kann eine Förderung auch insbesondere für Eigenheimbesitzer mit Steuervorteilen erfolgen. b.) Im Neubau kann eine Pflicht zum Einbau bzw. Prüfung des Einsatzes von Solarkollektoren, bzw. Holzpelletsheizungen eingeführt werden. c.) Darüber hinaus können auch Quoten- und Zertifikatsmodelle eingeführt werden, die insbesondere den Bau größerer Anlagen der Solarwärme und Geothermie anstoßen können. d.) Kommunen kann im Rahmen des Baurechts das Recht zur Ausweisung von Solarsiedlungen eingeräumt werden. (Satzungen) In dem Entwurf einer Nachhaltigkeitsstrategie im Handlungsfeld Mobilität wird zwar erwähnt, dass auch der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Klimaschutz liefern muss; das dort formulierte Ziel Minderung der verkehrsbedingten CO 2 -Emissionen bis 2005 um 15 20 Mio. t gegenüber 1998 ist dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung entlehnt und wenig ambitioniert. Wir schließen uns demgegenüber der Forderung des Umweltbundesamtes (Nachhaltige Entwicklung in

6 Deutschland, 2002) an, die aufbauend auf einer OECD-Studie das Handlungsziel einer 50 %igen Minderung des verkehrsbedingten Ausstoßes an CO 2 bis 2030 gegenüber 1990 als machbar und auch unter sozialen Aspekten als nachhaltig bezeichnet. Die bei Indikatoren und Maßnahmen (Punkt 11) vorgestellten Handlungsziele können zwar ihren Beitrag leisten, sind aber nicht ausreichend. Durch die Einbeziehung des Klimaschutzes in die Verkehrspolitik lassen sich auch andere Nachhaltigkeitsziele gut integrieren, wie z. B. Senkung des Flächenverbrauchs, der Luftschadstoffe, des Verkehrslärms oder der verkehrsbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen. Insgesamt liegt in dem Kapitel Mobilität der Schwerpunkt zu sehr auf der Verkehrsverlagerung und der Effizienzsteigerung. Mit diesen Aktionsfeldern allein werden sich die Probleme im Verkehrssektor nicht lösen lassen. Der Verkehrsvermeidung als wichtigstem Strategieansatz wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hierauf kann ein wirklich nachhaltiger Ansatz nicht verzichten. Die Frage, ob z. B. Gütertransporte über immer weitere Entfernungen tatsächlich nötig sind, wird nicht gestellt. Diese Frage wird aber mit der EU-Osterweiterung und der Rolle Deutschlands als Transitland immer virulenter. Auf die hohe Umweltrelevanz der durch die Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln verursachten Transporte und die damit einher gehenden Emissionen sollte eingegangen werden. An dieser Stelle wird auf die Studie Nachhaltige Entwicklung in Deutschland des Umweltbundesamtes verwiesen. Der Luftverkehr wird nur unter Lärmgesichtspunkten betrachtet. Die erheblichen, insbesondere das Klima belastenden Folgen des zunehmenden Luftverkehrs werden nicht erwähnt. Konzepte zur Verringerung dieser Belastungen fehlen. Auf die Bundesverkehrswegeplanung als zentrales Instrument einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik wird nicht eingegangen. Für die Verwirklichung eines zukunftsfähigen Verkehrssystems muss die Investitionspolitik auf den Auf- und Ausbau innovativer und umweltverträglicher Mobilitätsangebote ausgerichtet werden und nicht mehr auf die ausschließliche Förderung des Infrastrukturausbaus. Handlungsfeld Gesund produzieren gesund ernähren Im Bereich Agrarpolitik haben wir sowohl mit Bezug auf die nationale Politik als auch zur internationalen Dimension einige grundlegende Anmerkungen. Wir begrüßen im wesentlichen die im Strategieentwurf enthaltenen Maßnahmen als ersten Schritt zu der notwendigen Agrarwende. Dennoch sind bei der Analyse des Strategieentwurfes deutliche Defizite festzustellen. So sind bei den Umweltschäden, die durch die derzeitige intensive Landbewirtschaftung entstehen neben den genannten Nitrateinträgen ins Grundwasser außerdem Pestizide, Antibiotika und Lebensmittelskandale durch mangelnde Überwachung wie z.b. Dioxine in Eiern zu nennen. Wir unterstützen die Feststellung, dass eine ethisch verantwortlich und gesundheitsbewusste Nachfrage nach Produktion und Dienstleistungen aus einer so betriebenen Landwirtschaft von großer Bedeutung ist, und ebenso, dass Lebensmittel entsprechend ihrer regionalen Erzeugung nach ökologischen oder konventionellen Grundsätzen deutlich gekennzeichnet werden, ebenso wie fair gehandelte Produkte. Um die regionale Erzeugung überhaupt zu ermöglichen und dauerhaft zu gewährleisten, müssen aber die Verarbeitungsstrukturen in der Region erhalten und wieder aufgebaut

7 werden. Die Bundesregierung sollte sich zudem wirksam für die Sicherung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum und den Erhalt der vielgestaltigen Naturlandschaft einsetzen. Bei der gegenwärtigen Umorientierung in den Forschungseinrichtungen des BMVEL sollten Mittel beschleunigt in die Forschung zur nachhaltigen Agrarwirtschaft umgelenkt werden. Darüber hinaus sollen bei der Aufstellung der Forschungsprogramme gesellschaftliche Gruppen mit einbezogen werden. Wir fordern, dass auf den Einsatz von Gentechnik verzichtet wird. Die grüne Gentechnik birgt unwägbare Risiken für Umwelt und Natur. Sie ist nicht rückholbar und nicht kontrollierbar. Zu dem Punkt Lebensmittelsicherheit ergänzen wir, dass solange der Verzicht auf Gentechnik nicht umgesetzt ist - nicht nur gentechnisch veränderte Futtermittel zu kennzeichnen sind, sondern in jedem Falle auch die tierischen Erzeugnisse, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Futtermitteln erzeugt wurden. Die Wahlfreiheit der Verbraucher muss absolut gewährleistet sein. Zu dem Punkt Regelungen für den Tierschutz regen wir an, dass zusätzlich zu den erwähnten Mindestanforderungen in der Mastgeflügelhaltung bei der Wassergeflügelhaltung (Enten/Gänse) der Wasserzugang artgerecht geregelt werden muss. Daß die internationalen und entwicklungspolitischen Implikationen der nationalen Agrarpolitik wesentlich klarer benannt werden, halten wir unabdingbar. Ebenso muss die Verbindung zwischen der Agrarpolitik hierzulande und der Notwendigkeit, den Welthunger zu bekämpfen und weltweite Ernährungssicherheit zu garantieren, explizit hergestellt werden. Konkrete Umsetzungsschritte sollten in der Strategie ausdrücklich benannt werden. So entspricht nachhaltige Landnutzung in vielerlei Hinsicht den strukturellen Gegebenheiten des ländlichen Raumes in den Entwicklungsländern und kann zudem einen entscheidenden Beitrag zur dortigen Ernährungssicherheit leisten. Wir fordern die Bundesregierung auf, diesbezüglich klare Prioritäten zu setzen und deutlich mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, um den ökologischen Landbau im Süden zu fördern. Darüber hinaus fordern wir, eine substantielle und wesentlich umfangreichere Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Entwicklung ökologischer und sozialer Standards festzuschreiben als durch die im Strategieentwurf erwähnten und bereits existierenden entsprechenden Programme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. An dem Prozess internationaler Standardfindung sollen die Entwicklungsländer, insbesondere auch die Verbände der Produzenten, Vertretungen der Kleinbauern und Nichtregierungsorganisationen gleichberechtigt beteiligt werden. Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrem Einsatz für einen Verhaltenskodex, mit dem ein einklagbares Recht auf den Zugang zu Ernährung im Süden geschaffen werden soll. Zu dem Aspekt der gesunden Ernährung im Handlungsfeld Gesund produzieren gesund ernähren haben die Umweltverbände folgende Anmerkungen: 1. Auf unterschiedlichen Ebenen (kommunal, Land, Bund) sollten Aktionspläne Umwelt, Gesundheit und Ernährung entstehen mit dem Ziel der Agrarwende und Ernährungswende. Die Agrarwende kann nur gleichzeitig mit der Ernährungswende zusammen stattfinden. 2. Der öffentliche Dialog über das Themenfeld gesunde Ernährung darf auch vor Lebensstilfragen nicht halt machen. Als Diskussionsanstoß können folgende grobe Ziele dienen: a.) Verringerung des Fleischkonsums

8 b.) höherer Stellenwert regionaler Nahrungsmittel c.) höherer Stellenwert saisonaler Nahrungsmittel d.) Bevorzugung von Nahrungsmitteln aus ökologischen Anbau e.) Bevorzugung fair gehandelter Produkte 3. In die Beschreibung des Handlungsfeldes sollte auch die Salutogenese aufgenommen werden. Das heißt, es muss stärker ins Blickfeld rücken, was uns gesund macht, nicht nur, was uns krank macht insbesondere im Bereich gesunde Ernährung. Dabei ist die Kinder- und Jugendgesundheit besonders einzubeziehen. 4. Zur Beschreibung des Problemfeldes gehört auch die Bezifferung der ernährungsbedingten Krankheitskosten und der hohen Folgekosten durch Mangel- und Überernährung. Dazu ebenso wie zur Bewertung verhältnisbezogener und struktureller Ansätze im Interventionsbereich wird eine bundesweite Ernährungsberichterstattung gefordert. 5. Zur sozialen Dimension dieses Themenfeldes gehört eine Auseinandersetzung mit der Geschlechtergerechtigkeit bei der Nahrungsbeschaffung und -zubereitung (ungleiche Aufteilung informeller Arbeit, schlechte Bezahlung in der Gastronomie) Handlungsfeld Flächeninanspruchnahme vermindern nachhaltige Siedlungsentwicklung fördern Im Themenfeld Flächenverbrauch klafft im Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie eine große Lücke zwischen Ziel und Umsetzung. Wie bereits in der Stellungnahme zu den 21 Zielen erwähnt, begrüßen wir die Zielsetzung einer Reduzierung des Flächenverbrauches auf 30 ha bis 2020 und die ergänzenden Zielsetzungen des Nachhaltigkeitsrates. Allerdings müssen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Die im Strategieentwurf beschriebenen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus. Diese Lücke kann u.a. durch folgende Maßnahmen geschlossen werden, die in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden sollten: 1. Reduzierung und Umgestaltung der Eigenheimförderung; 2. Massive Anhebung der Grundsteuer für baureife Grundstücke und Einführung einer Versiegelungssteuer; 3. Erhöhung der Grunderwerbssteuer bei Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungszwecke; 4. weitere Steigerung der Ökosteuer wegen ihrer dämpfenden Wirkung auf Wohnraumansprüche und Mobilitätsniveau; 5. Abschaffung der Entfernungspauschale; 6. Verstärkung der Städtebauförderung; 7. Einrichtung eines Altlastenfonds zur Wiederherrichtung aufgegebener insbesondere kontaminierter - Industrie- und Gewerbeflächen und Einführung einer Versicherungspflicht für Flächenwiederherstellung für alle Industriebetriebe; 8. Einführung eines Alternativengebots in die UVP; 9. Reduzierung flächenverbrauchsfördernder Ausbaustandards im Wohnungs- und Straßenbau; 10. Verabschiedung einer Entsiegelungsverordnung nach 5 BBodSchG;

9 11. Aufhebung der Abwägbarkeit der Eingriffsregelung im BauGB und Gleichstellung mit der Eingriffsregelung bei Vorhaben ( 8a BNatSchG). Indikatoren und Ziele Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung in ihren Entwurf der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 21 quantifizierte Nachhaltigkeitsziele aufgenommen hat. Diese Ziele tragen entscheidend zur Verbindlichkeit, Kontrollierbarkeit und Kommunizierbarkeit der Strategie bei. Aus unserer Sicht sollen die 21 Schlüsselziele nicht lediglich altbekannte politische Zielsetzungen wiedergeben, sondern müssen deutlich darüber hinaus weisen. Nur mit anspruchsvollen Zielsetzungen wird es gelingen, in der Bevölkerung mehr Interesse und Bereitschaft für die Nachhaltigkeitsstrategie zu wecken und Deutschland in der internationalen Arena als treibende Kraft einer nachhaltigen Entwicklung zu positionieren. 1. Ressourcenschonung - knappe Ressourcen sparsam und effizient nutzen Die Begrenztheit der endlichen natürlichen Ressourcen muss in der Nachhaltigkeitsstrategie anerkannt werden. Es greift zu kurz, die Ziele für die Energie-, Rohstoff- und Verkehrseffizienz relativ bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt zu definieren. Hier sollten stattdessen absolute Ziele gesetzt werden, z. B. die Halbierung des Primärenergieverbrauchs um 50 Prozent bis 2050 gegenüber 2000. Für den Zielpfad sollten zunächst konsistente Zwischenziele bis 2010 und 2020 gesetzt werden. Das Aufkommen des Güter- und Personenverkehrs muss reduziert werden. Außerdem muss der Verkehrssektor mindestens seinen im Klimaschutzprogramm festgelegten Beitrag zum Klimaschutzziel leisten. 2. Klimaschutz - Treibhausgase reduzieren Die Bundesregierung beruft sich in der Nachhaltigkeitsstrategie auf ihre ohnehin getroffene Verpflichtung, ihre Emissionen der sechs im Kioto-Protokoll genannten Treibhausgase bis zum Zeitraum 2008-2012 gegenüber 1990 um 21% zu reduzieren. Außerdem wird das nationale Klimaschutzziel einer CO 2 -Reduktion bis 2005 um 25% gegenüber 1990 nur schwach formuliert. Das jahrelang konsensuale CO 2 -Reduktionsziel von 40 % bis 2020 und von 80 % bis 2050 bezogen auf 1990 wird nicht erwähnt. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Fortsetzung dieses Klimaschutzziels in das Handlungsfeld Energie und Klima aufzunehmen, zumal dieses Ziel in früheren Studien (z. B. Wuppertal Institut, Klima-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Studien für das Umweltbundesamt) als energiepolitisch machbar und hinsichtlich der Kostenbelastung als wirtschaftsverträglich angesehen wurde. Auf diesen Sachverhalt hat auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hingewiesen. Wir erwarten, dass die Bundesregierung durch die Festlegung auf das 40 %-Reduktionsziel innerhalb der EU weiterhin treibende klimapolitische Kraft bleibt. Die Aufnahme des obigen Zieles ist für die Beurteilung der Frage entscheidend, ob die Umweltverbände die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung als zukunftsweisend und verpflichtend einschätzen können. 3. Erneuerbare Energien - Zukunftsfähige Energieversorgung ausbauen

10 Das Ziel erneuerbare Energien sollte sich sowohl auf die Stromerzeugung als auch auf den gesamten Energieverbrauch beziehen. Das genannte Ziel in dem Entwurf der Bundesregierung erscheint beim Stromverbrauch vorsichtigrealistisch, beim Primärenergiebedarf jedoch sehr schwach, wirkt sich doch auch jede Erhöhung der Energieumwandlungseffizienz hier positiv aus. Der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch in Höhe von 50 Prozent bis 2050 sollte nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland erreicht werden. Es ist nicht akzeptabel, wenn dies nun nur noch als Wunsch für eine weltweite Entwicklung formuliert wird. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung sollte bis 2020 auf 25 Prozent gesteigert werden. Weiterhin halten wir im Bereich der Maßnahmen die Verdreifachung des Anteils der Stromerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung auf ca. 30 Prozent bis 2010 für erforderlich. 4. Flächenverbrauch - Erholungsräume erhalten Wir begrüßen das Ziel einer Rückführung des Flächenverbrauchs auf maximal 30 ha pro Tag in 2020, halten jedoch auch die Benennung eines kurzfristigeren Zieles bis zum Jahr 2007 um 50% bzw. eines Reduktionszieles auf Null bis 2020 für möglich. Wir begrüßen die Zielsetzung der Bundesregierung zur Reduzierung des Flächenverbrauches ebenso wie die ergänzenden kurz- und langfristigen Zielsetzungen des Nachhaltigkeitsrates. In diesem Bereich fehlt es in dem Entwurf der Bundesregierung an der Beschreibung von Maßnahmen, mit denen das Ziel erreicht werden kann. Marktwirtschaftliche Instrumente wie die Einführung einer Versiegelungsabgabe wären geeignet, das Ziel umzusetzen. Neue, konkrete Instrumente zur Erreichung des Zieles zur Reduktion des Flächenverbrauches fehlen im Entwurf der Bundesregierung - es wird nur auf bestehende Regelungen verwiesen und an die Zuständigkeit der Länder und Kommunen appelliert. 5. Artenvielfalt: Arten erhalten - Lebensräume schützen Die im Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie ausgewählten Arten (Kormoran, Weißstorch, Rotmilan, Seeadler, Seeregenpfeifer und Zwergseeschwalbe) erfüllen nicht den erklärten Anspruch, typische Lebensräume indikatorisch zu repräsentieren und damit über den Zustand bzw. die Entwicklung von Natur und Landschaft stichhaltig Auskunft zu geben. Die Auswahl der Arten bleibt vielmehr unklar. Sie muss um Vertreter aus den Biotopen/Lebensräumen Ackerland, Grünland, Wald, (Fließ-)Gewässer, sowie solche erweitert werden, die u.a. für Kriterien wie "Ungestörtheit", "Flächenverbrauch", "extensive Landnutzungsformen" stehen. Wir schließen uns den Anregungen des Nachhaltigkeitsrates zur Ausweitung der Artenliste an: Weißstorch (Feuchtgrünland, Zerschneidung der Landschaft) Rotmilan (Laubwälder, Feldgehölze) Zwergseeschwalbe (Küste, Tourismus) Feldlerche (Intensität der Landbewirtschaftung) Rebhuhn (Pestizide, offenes Agrarland, Ruderalflächen)

11 Kiebitz (Feuchtgrünland) Neuntöter (struktur- und insektenreiches Kulturland, extensive Landnutzung) Rauchschwalbe (dörfliche Strukturen, Flächenversiegelung) Haussperling (Strukturwandel im Siedlungsbereich) Mittelspecht (Reife- und Zerfallsphase eichenreicher Laubwälder) Auerhuhn (montane und alpine Regionen: naturnahe Wälder, Klimawandel) Schreiadler (feuchte Wälder, Altholz, extensives Kulturland, Tourismus) Zwergtaucher (Stillgewässer, Röhrichte, Auen) Saatgans (bedeutender Wintergast und Durchzügler: Ruhezonen im Kulturland) Für eine Zustandsbeschreibung der Artenvielfalt ist der noch zu erweiternde Artenindex zwar geeignet, sollte aber um ein besser kontrollierbares Handlungsziel ergänzt werden. Die im neuen Bundesnaturschutzgesetz geforderte Einrichtung eines Biotopverbundsystems mit mindestens 10 - besser noch 15 Prozent der Staatsfläche bis zum Jahr 2007 sollte in den Zielekatalog aufgenommen werden. 10. Wirtschaftsleistung umwelt- und sozialverträglich steigern Das Bruttoinlandsprodukt ist als Indikator für Lebensqualität nicht geeignet, da es zu undifferenziert ist. Zwei Modifikationen könnten den Indikator aussagekräftiger machen: Zur Messung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands müsste das Bruttoinlandsprodukt um zentrale negative Größen wie Unfallkosten u.a.m. korrigiert werden. Zur Messung des individuellen Wohlstandes wäre das verfügbare Haushaltseinkommen mit einem Maß für die Einkommensverteilung geeigneter. In jedem Falle ist das Inlandsprodukt nur dann ein akzeptabler Indikator in der Nachhaltigkeitsstrategie, wenn die Ressourcenziele nicht spezifisch bezogen auf das Inlandsprodukt, sondern absolut gefasst werden. 11. Mobilität umweltverträglich gestalten Im Verkehrsbereich sollten absolute Ziele für die Verkehrsmengenentwicklung gesetzt werden. Als Indikator sollte die Verkehrsleistung pro Kopf statt pro BIP verwendet werden. Für den Güterverkehr reicht die Transportintensität nicht als Indikator aus, weil die Gesamtbelastung dabei unberücksichtigt bleibt. Die absolute Güterverkehrsmenge auf der Straße muss begrenzt werden. Nachhaltigkeit lässt sich im Verkehrssektor mit dem prognostizierten Zuwachs von 79 Prozent im Straßengüterverkehr bis 2015 nicht realisieren. Verkehrspolitisches Ziel sollte es sein, den Straßengüterverkehr bis 2015 zu stabilisieren. Über alle Verkehrsarten wird als Indikator der "Modal split" (Anteil der Verkehrsträger am Gesamtverkehr) vorgeschlagen. Für den Personenverkehr kann zusätzlich als Indikator für die Attraktivität des Umweltverbundes (Bus, Bahn, Fahrrad- und Fußgänger-Verkehr) im Nah- und Regionalverkehr der ÖV-Anschluss (ausgedrückt durch die Zugangsmöglichkeiten für Personen in Prozent innerhalb eines Ortes, die im Umkreis von 300 m Zugang zu einer Haltestelle eines ÖPNV mit einer Bedienungshäufigkeit bis 30 Minuten zwischen 6:00 Uhr und 19:00 Uhr haben) herangezogen werden. 12. Ernährung - gesunde Nahrungsmittel umweltverträglich produzieren

12 Das Ziel, den Anteil des ökologischen Landbaus bis 2010 auf 20 Prozent zu steigern, unterstützen wir nachdrücklich. Im Schnittfeld von Ernährung und Landwirtschaft halten wir den Ökoanbau- Anteil auch für aussagekräftig. Allerdings fehlt es dann an einer geeigneten Bewertungsgrundlage für den größeren Anteil der konventionellen Landwirtschaft. Das Ziel zur Steigerung des ökologischen Landbaus sollte dementsprechend ergänzt werden um ein Ziel für die gesamte Landwirtschaft, beispielsweise die Begrenzung der Stickstoffeinträge oder des Pestizideinsatzes. Als Indikator zur nachhaltigen Landbewirtschaftung schlagen wir den Stickstoff-Saldo [kgn/ha*a] vor. 13. Luftqualität - gesunde Umwelt erhalten Es ist richtig, dass die Verbesserung der Luftqualität in den Katalog der 21 Ziele aufgenommen wurde. Der ungewichtete Index aus Luftschadstoffen ist aber zu unspezifisch. Wir schlagen vor, dass der Massenindex in einen Wirkungsindex umgewandelt wird. Das heißt, dass die Menge des jeweiligen Stoffes mit der spezifischen Wirkung/Gefährlichkeit gewichtet wird (Menge mal Kehrwert des Grenzwertes bzw. Richtwertes des Stoffes). Des weiteren sollte der Index der Luftschadstoffe, um die besonders problematischen Stäube/Feinststäube und um bodennahes Ozon erweitert werden. Außerdem weisen wir darauf hin, dass die kumulierte Darstellung der Luftschadstoffe im Entwurf der Nachhaltigkeitsstrategie zu undifferenziert ist. Beispielsweise beim Schwefeldioxid wurde bereits eine mehr als 70 prozentige Minderung seit 1990 erreicht. Nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2001/81/EG ist aber eine weitere Minderung bis spätestens 2010 zu erreichen. Diese Inkonsistenz zwischen Nachhaltigkeitsstrategie und EU-Rechtssetzung muss noch aufgelöst werden. Auf der Ebene der Fachindikatoren ist außerdem auch die Immissionsseite zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die nach wie vor zu hohe Belastung des Bodens durch Luftschadstoffe (Versauerung mit der Folge von Waldschäden und Schädigung empfindlicher Ökosysteme) halten wir das Konzept der Critical Loads im Hinblick auf den Säure- und Stickstoffeintrag für besonders geeignet. Bis spätestens 2010 dürfen die ökologischen Belastungsgrenzen gemäß dem nationalen ICP-Mapping vom Februar 2001 nicht mehr überschritten werden. Weiterhin sollte Dieselruß in die Liste der Schadstoffe mit aufgenommen werden. 14. Gesund leben Die Ziele zur Gesundheit sind zu unspezifisch. Aussagekräftiger wäre das Ziel, wenn es an Kernproblemen ansetzt, beispielsweise der Verbreitung von Wohlstandskrankheiten (Herz-, Kreislaufkrankheiten, Raucherkrankheiten, ernährungsbedingte Krankheiten). Wir halten es für dringend erforderlich, die Reduzierung der Lärmbelastung als zentrales Ziel in die Nachhaltigkeitsstrategie aufzunehmen. Die im Handlungsfeld Mobilität erwähnten vom Sachverständigenrat für Umweltfragen empfohlenen Zielwerte von 65 db (A) tags und 55 db (A) nachts sind nicht akzeptabel, weil durch sie höchstens schwerste Gesundheitsschäden vermindert werden. Stattdessen müssen spätestens bis 2010 die gesetzlichen Standards der TA Lärm bzw. die Richtlinien Schallschutz Städtebau nach DIN 18005 eingehalten werden. Das bedeutet im einzelnen, dass folgende Lärmpegel nicht überschritten werden dürfen: In allgemeinen Wohngebieten tagsüber 55 db(a) und nachts 40-45 db(a); in reinen Wohngebieten tagsüber 50 db(a) und nachts 35-40 db(a). Die Einhaltung dieser Grenzwerte hat höchste Priorität, denn es ist erwiesen, dass die heutigen Lärmbelastungen jährlich mehrere tausend Todesfälle durch Herz- und Kreislauferkrankungen zu Folge haben.

13 Das Erreichen dieses Zieles muss dann insbesondere im Handlungsfeld Mobilität durch entsprechende Maßnahmen sicher gestellt werden (z.b. Verabschiedung eines Verkehrslärmschutzgesetzes, Verkehrsvermeidung, technische Grenzwerte für Reifen, Fluglärmgesetz, tatsächliche Aufstellung und Durchsetzung von Lärmminderungsplänen in den Kommunen etc.). Als Schlüsselindikator für Lebensqualität sollte außerdem die Reduzierung der Unfallzahlen aufgenommen werden. Eine Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2010 - wie im Weißbuch Verkehr der EU-Kommission gefordert - und ebenso der Zahl der Schwerverletzten, halten wir für realisierbar. Zusätzlich sollte es eine zweite, umfangreichere Liste von Indikatoren geben, anhand derer festgestellt werden kann, wie sich die Umwelt verändert. Sobald kritische Schwellenwerte in der Natur überschritten werden, müsste die Gelegenheit bestehen, diese Indikatoren in das Set der 21 Indikatoren aufzunehmen. Hubert Weinzierl Jochen Flasbarth Dr. Angelika Zahrnt Präsident des DNR Präsident des NABU Vorsitzende des BUND