Aktualisierung des Expertenstandards Förderung der Harnkontinenz in der Pflege. Dr. Daniela Hayder-Beichel Pflegewissenschaftlerin



Ähnliche Dokumente
Aktualisierung des Expertenstandards Förderung der Harnkontinenz in der Pflege

Vorwort 11. Der Harntrakt und seine Funktion 15

Kontinenz- und Beckenbodenzentrum der Uniklinik Köln Inkontinenzfragebogen Männer

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Projekt Fatigue. Annina Thöny. Medizinische Kinderklinik Onkologie

Straße / Nr.: PLZ / Ort: Telefon: Handy: Fax: Ab wann soll die Betreuung stattfinden: schnellstmöglich oder ab dem: Nachname: Vorname:

Quelle:

Zu dieser Folie: Schulungsziel: TN kennen wesentliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Harnund Stuhlinkontinenz

Störung der Blasenfunktion und ihre Auswirkungen

Inhouse-Schulungen maßgeschneidert und effektiv

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Lebensqualität bei Demenzerkrankung Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg 19. Mai 2008

Psychologie im Arbeitsschutz

Sehr geehrter Herr Pfarrer, sehr geehrte pastorale Mitarbeiterin, sehr geehrter pastoraler Mitarbeiter!

Was sind die Gründe, warum die Frau, der Mann, das Paar die Beratungsstelle aufsucht?

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

Technische Universität München. Patienteninformationstag Prostatakrebs. TU München. P. Herschbach Roman-Herzog-Krebszentrum München

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Workshop Informationen verbessern. Rückblick: Erwartungen der Teilnehmer

Elternzeit Was ist das?

Um Ihre Ziele durchzusetzen! Um Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen! Um in Begegnungen mit anderen Ihre Selbstachtung zu wahren!

Demenz verstehen/ Menschen mit Demenz begegnen

Ein neues System für die Allokation von Spenderlungen. LAS Information für Patienten in Deutschland

Neomentum Coaching. Informationsbroschüre für Studienteilnehmer

Beziehungsbedürfnisse nach R. Erskine

Es betrifft mehr Menschen als Sie denken. Man kann mehr dagegen tun als Sie denken. Finden Sie sich nicht damit ab! Sprechen Sie mit Ihrem Arzt!

Feedback (in der Hochschullehre): Form und Zweck

Inhouse-Schulung For tbildung.mal-alt-werden.de

Arbeit zur Lebens-Geschichte mit Menschen mit Behinderung Ein Papier des Bundesverbands evangelische Behindertenhilfe e.v.

Herzlich Willkommen zum WORKSHOP Therapiebedingte Versorgungsbedarfe ambulant behandelter onkologischer Patienten

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

BAVARIA Pflege24. Fragebogen zur Seniorenbetreuung

Trockenes Auge. Haben Sie Trockene Augen?

Qualitätsstandards in der Pflege am Beispiel Sturzprophylaxe

RSV. RSV kennen. Das Virus, das Eltern kennen sollten. Informationen. Kinder schützen

Wege zur Patientensicherheit - Fragebogen zum Lernzielkatalog für Kompetenzen in der Patientensicherheit

Die Harninkontinenz. Inhalt

Weiterbildungen 2014/15

Der Pflegefall tritt ein was tun?

Arbeitshilfe "Tipps für Gespräche mit Vorgesetzten und KollegInnen" Was gilt für mich?

Patientensicherheit aus Patientensicht

Hilfe bei plötzlichem, unwillkürlichem Harnverlust.

2015 webtogether.de Gabriele Ungethüm, Defensio akademische Abschlussarbeit KSBE01+ WME 03

Diabetes mellitus : Folgeschäden

dem Vater der Mutter des betreuten Kindes/der betreuten Kinder. Mein Kind/ Meine Kinder wird/werden in der Woche durchschnittlich Stunden betreut.

[Customer Service by KCS.net] KEEPING CUSTOMERS SUCCESSFUL

Qualität im Gesundheitswesen

Kontenaktualisierung in Lexware buchhalter

Liebe Interessierte an technischen Lösungen für die Sicherheit zu Hause,

Repräsentative Umfrage zur Beratungsqualität im deutschen Einzelhandel (Auszug)

Aktion oder Reaktion Qualität versus Sicherheit? Qualität ein PatientInnenrecht?

RUNDE TISCHE /World Cafe. Themen

Der Klassenrat entscheidet

2 Aufbau der Arbeit und wissenschaftliche Problemstellung

Umgebung Pflege. Der Mensch steht sowohl für die Person des Bewohners als auch für die Person des Pflegenden.

Fragebogen: Abschlussbefragung

Anreizstrukturen und Fehlanreize im Rahmen der qualitätsorientierten Vergütung PD Dr. M. Lüngen

Erfassungsbogen Seite 1 / 6

Flexibilität und Erreichbarkeit

Harn- und Stuhlinkontinenz

Statuten in leichter Sprache

Begriff 1 Begriff 2 Datenbank 1

Wenn Sie mit Ihrem Latein am Ende sind

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Anleitung. Empowerment-Fragebogen VrijBaan / AEIOU

Cytomegalie & Co. Häufige Virusinfektionen in der Schwangerschaft. Deutsches Grünes Kreuz e.v.

Sichere Anleitung Zertifikate / Schlüssel für Kunden der Sparkasse Germersheim-Kandel. Sichere . der

Motivationale Aspekte des gemeinsamen Lernens aus Sicht der Medizin- und Pflegestudierenden

Inkontinenz Was muß der Apotheker darüber wissen?

Forschungsprojekt Gesundheit und Information in der Schwangerschaft. Fragebogen zur Bewertung der Schwangerenvorsorge

Patienteninformation: Gentestung bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs (Basis-Information):

Alter: Größe: Gewicht:

alle Bilder: Google-Suche Unterstützung von Angehörigen Krebskranker

Projekt- Management. Landesverband der Mütterzentren NRW. oder warum Horst bei uns Helga heißt

Hinweise zum Fragebogen. Wir möchten Sie darum bitten, die jeweils zutreffenden Antworten in den dafür vorgesehenen

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

Sind Sie reif fürs ASSESSEMENT CENTER?

Gesundheit ist Chefsache. Betriebliches Gesundheitsmanagement

Osteoporose. Ein echtes Volksleiden. Schon jetzt zählen die Osteoporose und die damit verbundene erhöhte Brüchigkeit der Knochen

Das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung stellt sich vor

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Einstellungen der Deutschen gegenüber dem Beruf der Putzfrau

57 Sozialgesetzbuch III

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Dresdner Pflegestammtisch

Forderungsausfälle - Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Forsa - September 2009

Workshop Fundraising, Spenden & Sponsoring. 16. Juni 2014 Dr. Robin Rumler Präsident

Betriebliche Gestaltungsfelder

Vor- und Nachteile der Kastration

Das Recht auf gesundheitliche Versorgung ein Menschenrecht!

tempusplus 24 Fragebogen 1 N per Post N per 1. Allgemeine Angaben Patient und Kontaktpersonen 24-Stunden-Pflege und -Betreuung zu Hause

Zahn gesundheit von Pflegebedürftigen


Strategie 1.1. Positive Einstellung in der Gesellschaft zu Bewegung und Sport durch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit

Fragebogen Seite 1 von 7

Betriebs-Check Gesundheit

Transkript:

Aktualisierung des Expertenstandards Förderung der Harnkontinenz in der Pflege Dr. Daniela Hayder-Beichel Pflegewissenschaftlerin

Aktualisierung des Expertenstandards Vorgehen Literaturanalyse (Winter 2012/2013) Expertenurteil (Frühjahr/Sommer 2013) Konsentierungsphase (Winter 2013/2014) Öffentliche Präsentation Buch (Frühjahr 2014) Workshop (12.09.2014)

Methodik Wissenschaftliche Herangehensweise Ausrichtung: Einschluss: alle pflegerischen Bereiche Ausschluss: Kinder Literaturrecherche: Internationale und nationale Literatur Literaturdatenbanken Handrecherche

Methodik Literatursynthese und analyse Systeme Zusammenfassungen Evidenzbasierte Leitlinien Qualitätsbewertung Synthesensynopse Synthesen Systematische Übersichtsarbeiten Studiensynopse Studien Einzellstudien in Artikelform Nach DiCenso 2009

Literatur Was fällt auf? Was hat sich verändert? National Studien aus deutschsprachigen Ländern nehmen zu (Prävalenz, Erleben, Versorgungsbedarf) Interventionsstudien fehlen International Zunahme an Guidelines, systematischen Reviews, Einzelstudien Level der Evidenz steigen, bei gleichzeitig vielen unbeantworteten Fragen aus der Praxis

Literatur Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Forschungsbedarf Nach wie vor als hoch einzuschätzen unterrepräsentierte Themen sind z. B. Kontinenztraining bei spezifischen Gruppen, Hilfsmittel Gender Expertenmeinung große Bedeutung muss kritisch reflektiert werden Aufnahme besonderer Gruppen - allerdings sehr begrenzte Studienlage (Personen mit Lernschwierigkeiten, Übergang von Kinder zur Erwachsenenpflege)

Pflege-Prozessorientierung bleibt bestehen Einschätzung der Harninkontinenz Maßnahmen zur Kontinenzförderung/ Kompensation Evaluation

Terminologie der Harninkontinenz Medizinische Diagnosen (Begriffe) der ICS bleiben bestehen Funktionelle Inkontinenz als pflegerische Diagnose weiterhin von Bedeutung Eine üblicherweise kontinente Person erreicht die Toilette nicht rechtzeitig Folge: unfreiwilliger Harnverlust Keine Störung des Urogenitaltrakts Gründe: eingeschränkter Kognition und/oder Mobilisation

Initiales Assessment der Harninkontinenz Nach wie vor wichtig: Eingangsfragen Risikofaktoren Verlieren Sie ungewollt Urin? Verlieren Sie auf dem Weg zur Toilette Urin? Verlieren Sie Urin, wenn Sie husten, niesen, lachen, sich körperlich anstrengen? Tragen Sie Vorlagen, um Urin aufzufangen? Müssen Sie pressen, um Wasser zu lassen? Abnahme der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit Alter, Harnwegsinfekte, Obstipation Belastungen des Beckenbodens (Schwangerschaft / Entbindungen / Übergewicht) Erkrankungen wie: Schlaganfall, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Demenz, Diabetes mellitus Einnahme von Medikamenten (z. B. Diuretika, Opiate)

Assessment der Harninkontinenz Differenziertes Assessment Ausführliche Kontinenzanamnese Förderpotentiale und Bewältigungsstrategien besonders wichtig Neu: Erfassung des subjektiven Belastungserleben International Consultation on Incontinence Questionaire on Urinary Incontinence (ICIQ UI) Häufigkeit, Schwere, Situation der Inkontinenz, Einfluss auf tägl. Leben King s Health Questionnaire (KHQ) 33 Items in 7 Domänen

Assessment der Harninkontinenz Differenziertes Assessment Miktionsprotokoll Einsatz abwägen Begründete Entscheidung dokumentieren Kontinenzprofile Datenlage schwach Akzeptanz hoch Kontinenz Unabhängig erreichte Kontinenz Abhängig erreichte Kontinenz Unabhängig kompensierte Inkontinenz Abhängig kompensierte Inkontinenz Nicht kompensierte Inkontinenz

Assessment der Harninkontinenz Differenziertes Assessment Restharnmessung Abgeschwächte Empfehlung (nicht immer und als Routine) Wichtig: Risikofaktoren und Symptome erkennen Je nach Setting: durchführen/veranlassen Vorlagengewichtstest Zweckdienlichkeit ist umstritten Einziges Mess-/Evaluationsinstrument quantitativer Art

Kontinenzförderung - Beratung Professionelle Pflege kann/soll Beratung übernehmen Weltweit verschiedene Modelle der Beratung Situation in Deutschland Keine Studien Kontinenzberater nehmen zu, jedoch mangelnde Vergleichbarkeit in Aus- und Weiterbildung Was will die inkontinente Person erreichen? Was kann die inkontinente Person erreichen? Wer soll/muss mit einbezogen werden? Wie kann man angemessen kommunizieren?

Kontinenzförderung - Maßnahmen Allgemeine Maßnahmen Beckenbodentraining Systematische Reviews nehmen zu, Fragen bleiben: effektive Methode, Langzeiteffekte, Effekt bei Männern Neu: Magnetstimulation (Nutzen unklar)

Kontinenzförderung - Maßnahmen Blasentraining Viele Unklarheiten Individuelle Fall ist entscheidend Kontinenzförderung bei Personen mit erhöhter Pflegebedürftigkeit /Toilettentraining Datenlage weiterhin schwach Experten sind sich einige: Nebenwirkungsarm und daher zu empfehlen

Kompensation der Harninkontinenz Weiterhin nachrangige Bedeutung nach aktiver Kontinenzförderung Hilfsmittel Sind schwierig zu untersuchen Ergebnisse nur zum Teil übertragbar Sind unterschiedlich gut untersucht Hoher Beratungsbedarf

Inkontinenz-assoziierte Dermatitis Wurde neu aufgenommen Achtung: Kein Expertenstandard zum Thema Hautschutz Aspekte zu Assessment, Prävention und Intervention Assessment Deutschsprachige Instrumente auf dem Prüfstand Definition: Erythem oder Ödem der perianalen oder perigentitalen Hautoberfläche Erosionen, Blasenbildung, seröses Exudat können ebenfalls auftreten Sekundärinfektionen sind möglich

Meinungen, Anregungen, Diskussion

Meinungen, Anregungen, Diskussion Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!