Das Human-Genom und seine sich abzeichnende Dynamik



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Humangenom - Sequenzierung 1. Methode 2. Ergebnisse Biologie 3. Anwendung Medizin

Humangenom - Sequenzierung 1. Methode 2. Ergebnisse Biologie 3. Anwendung Medizin

Sequenzierung des Human-Genoms Beiträge der Teilnehmer May 2000 March 2005 January 2006 Human Sequence % 21 X 8 IHGSC (2001), Nature 409: 860

Sequenzierung des Human-Genoms Herausforderungen Größe 25x größer als bisher größtes sequenziertes Genom 8x größer als alles bisher Sequenzierte Gehalt an sich wiederholenden Sequenzen erstes wiederholungsreiches Genom, ca.40% erwartet Ackerschmalwand 11%, Fadenwurm 7%, Fruchtfliege 3% Medizinische Relevanz gesellschaftliche und persönliche Konsequenzen, ethische Brisanz Internationales Konsortium 20 Zentren aus 6 Ländern privatwirtschaftliche Konkurrenz 1998-2001 von 15% auf 90% in 15 Monaten (Februar 99 - Juni 2000)

Sequenzierungen bis 2001

Sequenzierung des Human-Genoms Publikationen 2004 2001 2001 Internationales akademisches Konsortium Privates Unternehmen Celera

Schrotschuß-Strategien hierarchisch vs. gesamt-genomisch 2.500 Teile Puzzle 60.000.000 Teile

Human Genome Working Draft versions February 2001 Academic Private Initial Sequencing & Analysis The Sequence of 2.72 Gb Sequenced Bases 2.65 Gb 1,000 Clone gaps 54,000 146,000 Sequence gaps 116,000 147.000 Gaps 170,000 overall coverage: 94% quality of unfinished data : < 1 error/10kb in 91% human population heterogeneity: variation between two individuals: 1 SNP/kb 1 SNP/10kb IHSC (2001), Nature 409: 860

Human Genome Final version October 2004 Academic Private Initial Seq Finishing the euchromatic sequence The Sequence of 2.72 Gb 2.85 Gb Sequenced Bases 2.65 Gb 1,000 283 Clone gaps 54,000 146,000 58 Sequence gaps 116,000 147.000 341 Gaps 170,000 near-complete sequence: extremely high quality: 99% of euchromatin < 1 error/100kb IHSC (2004), Nature 431: 931

Humangenom - Sequenzierung 1. Methode 2. Ergebnisse Biologie 3. Anwendung Medizin

Analyse der Human-Genom-Rohfassung Besonderheiten 30.000-35.000 Gene erwartet 28.000-140.000 Ackerschmalwand 25.700, Fadenwurm 18.300, Fruchtfliege 13.300 komplexere Transkription 60% aller Gene; mrnas/gen: Chr22=2,6, Chr19=3,2 Fadenwurm: 22% aller Gene; 1,3 mrnas/gen komplexere Proteinarchitektur keine Neuen Domänen, "Auflaufen" (accretion) zusätzlicher Domänen an den Gen-Enden Gentransfer von Prokaryonten 233 Gene mit Ähnlichkeit nur zu Prokaryonten davon 133 bei Prokaryoten weit verbreitet ungleichmäßige Genverteilung 25% des Genoms sind "genlose Wüste" Gegensatz zu Ackerschmalwand, Fadenwurm, Fruchtfliege 50% repetitive Sequenzen Ackerschmalwand 11%, Fadenwurm 7%, Fruchtfliege 3% "fossiles Archiv" der genomischen Evolution dramatische Reduktion der Akkumulation in den letzten 50 MioJ SINEs als Symbionten von Genen (Chr19=57%) Mutationsraten Frau:Mann 1:2 Vergleich X und Y Chr ungleichmäßige SNP-Verteilung 63% aller 5kb-Fragmente enthalten SNP(s) interindividueller Unterschied 0.01% IHSC (2001), Nature 409: 860

Analyse der finalen Fassung des Human-Genoms Besonderheiten fast vollständige Sequenz 2,85 Mb, 99% des Euchromatins genreich, fast alle Lebensprozesse nur noch 341 Lücken 33 heterochromatisch (Centromere) 308 euchromatisch (28 Mb), 50% mit segmentalen Duplikationen extrem hohe Genauigkeit 99.999% ein Fehler auf 100.000 Bausteine 20.000-25.000 Gene erwartet 28.000-140.000 Pflanze 25.700, Wurm 18.300,Fliege 13.300 verbesserte Gen-Vorhersagen 58% aller Gene der Rohfassung waren fehlerbehaftet neue & verlässliche Analysen Pseudogene 1.183 neue entstandene Gene Geruchsrezeptoren, Immunität, Schwangerschaft 37 kürzlich gestorbene Gene 10 Geruchsrezeptoren

Charakteristika humaner Gene (Mittelwerte) Länge Exon Länge Intron Exonzahl 8,8 5 UTR 300 145 bp 3385 bp 3 UTR 770 Kodierende Region 1340 bp

Genetische Variabilität Einzel-Nukleotid-Polymorphismus (SNP) ATTCGACGTATTG ATTCGATGTATTG SNP in der Regel bi-allelisch 12 Mio SNPs genomweit 1/250 bp 2 Individuen unterscheiden sich in ~300.000 SNPs 1/10.000 bp ca. 5%, d.h. 600.000 SNPs mit Phänotyp (?) 50-100.000 mit klinische Relevanz (?)

Genetische Variabilität Begriffsbestimmung Mutationen Substitution, Insertion, Deletion, Inversion Polymorphismen sind Mutationen, die sich mit einer Häufigkeit >1% in einer Population etabliert haben Einzel-Nukleotid-Polymorphismen SNP - single nucleotide ~

Segmentale Duplikationen Definition genomische Regionen >1kb Identität >90% Human-Genome 5.3% segmental dupliziert 87% aller segmentalen Duplikationen >50 kb

Genetische Variabilität Strukturelle Variationen Polymorphismen >1kb: segmentalen Duplikationen Deletionen Inversionen

Genetische Variabilität Zusammenfassung Genomes of any two individuals in the human population differ more at the structural level than at the nucleotide sequence level. Differences between individuals CNV: >4 Mb >1/800 bp > 0.12 % SNP: 2.5 Mb 1/1,200 bp 0.08 % Sebat, Nat Gen Suppl 39:s3 (2007)

Genetische Variabilität Lexikon Scherer et al., Nat Genet Suppl 39:s7 (2007)

Genom-Dynamik Patchwork people? News Feature, Nature 437:1084 (2005)

Expansion der nicht kodierenden RNA Huttenhofer A, Schattner P, Polacek N. Non-coding RNAs: hope or hype? Trends Genet. 2005 May;21(5):289-97

Typen und Funktionen der nicht kodierenden RNA Huttenhofer A, Schattner P, Polacek N. Non-coding RNAs: hope or hype? Trends Genet. 2005 May;21(5):289-97

Domänenstruktur von Proteinen

Gen/Proteinfunktionen

Chromosomenvergleich Maus-Mensch

Chromosomenvergleich Maus-Mensch

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Humangenom - Sequenzierung 1. Methode 2. Ergebnisse Biologie 3. Anwendung Medizin

Diagnose von genetischen Erkrankungen

Krankheitsgene Aufklärungsrate Anzahl identifizierter Krankheitsgene 2000 1677 1500 1112 1000 500 105 0 1990 2000 2005

Krankheitsgene klassische Positionsklonierung WWW. Kopplungsanalyse in betroffenen Familien Physische Kartierung der Region Identifikation aller Gene Mutationsanalyse von Kandidatengenen in Betroffenen und Kontrollen

Lokalisation von Krankheitsgenen

Krankheitsgene und Funktionen

genome.fli-leibniz.de Teaching