H. Zingerle Direktor des Therapiezentrums Bad Bachgart I 39030 Rodeneck / S.Pauls 56 helmut.zingerle@sb-brixen.it zingerle_helmut@yahoo.



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Transkript:

Therapie der Alkoholabhängigkeit Seminar Bozen 21. 06. 2013 H. Zingerle Direktor des Therapiezentrums Bad Bachgart I 39030 Rodeneck / S.Pauls 56 helmut.zingerle@sb-brixen.it zingerle_helmut@yahoo.de

Abhängigkeiten Allgemeines h.zingerle - 2013 - bad bachgart 2

Dreifaktorenmodell Person Alkohol Abhängigkeit Gesellschaft h.zingerle - 2013 - bad bachgart 3

Merkmale einer Abhängigkeit (1) 1. Das Mittel wird in großen Mengen oder länger als beabsichtigt genommen. 2. Anhaltender Wunsch den Substanzgebrauch zu verringern oder zu kontrollieren. 3. Viel Zeit, um die Substanz zu beschaffen. 4. Häufige Intoxikations- oder Entzugssymptome. 5. Vernachlässigung sozialer, beruflicher oder Freizeitaktivitäten h.zingerle - 2013 - bad bachgart 4

Merkmale einer Abhängigkeit (2) 6. Fortsetzung des Suchtmittelgebrauchs trotz auftretender sozialer, psychischer oder physischer Probleme. 7. Toleranzentwicklung (Steigerung der Menge). 8. Charakteristische Entzugssymptome. 9. Einnahme des Suchtmittels, um Entzugssymptome zu vermeiden bzw. zu bekämpfen. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 5

Suchtkriterien 1. Kontrollverlust 2. Entzugserscheinungen 3. Abstinenzunfähigkeit 4. Wiederholungszwang 5. Dosissteigerung 6. Zentrierung 7. Körperlicher, psychischer, sozialer Abbau h.zingerle - 2013 - bad bachgart 6

Erste Vorzeichen einer Alkoholabhängigkeit Regelmäßiges Erleichterungstrinken Erhöhung der Toleranz Gedächtnislücken Heimliches Trinken und Verheimlichung des Trinkens, Alibis Schuldgefühle wegen des Trinkens Gespräche über den Alkohol werden vermieden Häufigere Kontrollverluste h.zingerle - 2013 - bad bachgart 7

Hinweise auf Alkoholprobleme (1) Ausnutzen aller Anlässe um zu trinken Trinken zu unüblichen Zeiten Drängen von Kollegen zum Mittrinken Sinkende Arbeitsleistung Ausgedehnte Mittagspausen Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit Auffällige Stimmungsschwankungen Häufige Fehlzeiten, Entschuldigung durch dritte h.zingerle - 2013 - bad bachgart 8

Hinweise auf Alkoholprobleme (2) Leistungsschwankungen, Unkonzentriertheit Mangelnde Selbsteinschätzung / Selbstüberschätzung / Leichtsinn Gleichgültigkeit der eigenen Person gegenüber Gereiztes, aggressives Verhalten Heimliches Trinken Kaschieren der Alkoholfahne Trinken bei Arbeitsbeginn Erklärung bzw. Verteidigung des Alkoholkonsums h.zingerle - 2013 - bad bachgart 9

Comorbiditätsraten bei Abhängigkeiten Angststörungen 7-69 % Affektive Störungen 20-73 % PTBS 12-59 %. Schizophrenie 2-8 % Borderline 13-54 % Antisoziale PD 14-53 % Suizidversuche 25-35 %

Abhängigkeit psychische vs. körperliche Dauerndes Denken an die Substanz Situationen scheinen nur mit der Substanz bewältigbar Kontrollverluste Innerer Zwang Entzugserscheinungen: - internistische - psychische - vegetative - neurologische h.zingerle - 2013 - bad bachgart 11

Symptome des einfachen Alkoholentzugsyndroms Somatisch internistisch: allgemeines Unwohlsein und Schwäche gastrointestinale Störungen - Herz- Kreislaufprobleme, - Tachykardien, - Ödeme Vegetativ: Mundtrockenheit vermehrtes Schwitzen Juckreiz Schlafstörungen Neurologisch: Tremor,- Artikulationsstörungen,- Ataxie Parästhesien Psychisch: Angst Reizbarkeit Unruhe depressive Verstimmungen Gedächtnis und Konzentrationsstörungen,- Bewusstseinsstörungen und halluzinationen. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 12

Psychische Entzugssymptome bei Benzodiazepinen Mnestische Störungen Verlangsamung Depressive Verstimmung / Weinerlichkeit Antriebsminderung/ Müdigkeit Dysphorie /Reizbarkeit/ allgemeine Affektlabilität Euphorie Diffuse Angst/panikartige Angst Vermehrtes Träumen, h.zingerle - 2013 - bad bachgart 13

Entzugssymptome bei Perzeptionsstörungen: Benzodiazepinen Überempfindlichkeit gegenüber akustischen, taktilen oder olfaktorischen Reizen, - verschwommenes Sehen,- Optische Verzerrungen, - Parästhesien,- Veränderter Geschmack,- Ohrendruck, - Körperfühlstörungen, h.zingerle - 2013 - bad bachgart 14

Harmlosigkeitsgrenze Bei Frauen: bis 16 Gramm reiner Alkohol/Tag = ca. 0,4 l Bier = ca. o,2 l Wein Bei Männern: bis 24 Gramm reiner Alkohol/Tag = ca.0,6 l Bier = ca.0,3 l Wein Bei zwei alkoholfreien Tagen / Woche h.zingerle - 2013 - bad bachgart 15

Analyse des Suchtverhaltens in bestimmten Situationen Situationsmerkmale Wirkungserwartung Tatsächliche Wirkung Konsequenzen h.zingerle - 2013 - bad bachgart 16

Therapie von Abhängigkeiten h.zingerle - 2013 - bad bachgart 17

Einige (therapeutische) Grundüberzeugungen Die Würde des Menschen, seine Individualität, seine Persönlichkeit und sein Leben müssen respektiert werden Der Mensch hat die Fähigkeit sich zu bilden, sich zu verändern und weiterzuentwickeln. Die schöpferischen Kräfte des Menschen sollen sich entfalten können. (Meyer, Th. 2009) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 18

Dem Kontinuum von Abhängigkeiten sollte ein Kontinuum angemessener Therapieinterventionen gegenüberstehen! h.zingerle - 2013 - bad bachgart 19

Behandlungsvarianten Ambulante Therapien: 1. Hausarzt / Facharzt 2. Dienst für Abhängigkeiten 3. Selbsthilfegruppen Stationäre Therapien: 1. Entzugsbehandlung (Med. / psychiatrische Abteilung) 2. Entwöhnungsbehandlung (8 wöchige Therapie in spezialisierter Klinik) N a c h s o r g e (2 Jahre) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 20

Sicherung und Verbesserung der Lebensqualität E M E L Dauerhafte Abstinenz Verlängerung der Abstinenzphasen E T H Z I Konsumreduktion Gesundheitsförderung Behandlung von Begleit- und Folgestörungen Ökonomische Absicherung Soziale Stabilisierung O D E N h.zingerle Überlebenssicherung - 2013 - bad bachgart 21

Allgemeine Indikationskriterien für Stationäre Therapie Ambulante/teilstationäre Therapie Ausgeprägter Schweregrad derabhängigkeit Ausgeprägte Entzugssymptomatik Mehrfachabhängigkeit Suizidale Gefährdung Mangelnde soziale Unterstützung Interesse, sich mit der Abhängigkeit auseinanderzusetzen Gescheiterte ambulante Therapien Ausgeprägte Komorbidität Stabile Wohnsituation Gute soziale Integration Anamnestisch keine schweren Entzüge Keine ernsthaften somatischen Erkrankungen Keine Mehrfachabhängigkeit Ausgeprägte Behandlungsmotivation Wenig psychiatrische Begleiterkrankungen h.zingerle - 2013 - bad bachgart 22

Schwerpunkte in der Behandlungsplanung Suchtdiagnose Psychiatrische Diagnose Somatische Diagnose Soziale Diagnose Suchtbezogenes Krankheitsbewußtsein Psychiatrisches KB Somatisches KB Soziales Problembewußtsein Entwicklung eines gemeinsamen Problemverständnisses h.zingerle - 2013 - bad bachgart 23

Bausteine der stationären (Psycho)therapie Verbale Therapien: Einzel-, Gruppen-, Paar- und Familiengespräche Psychologische, Psychiatrische und Medizinische Diagnostik Betreuung durch: Bezugstherapeutin und Assistenztherapeutin Patientin Nonverbale Therapien: Ergo-, Kunst- und Körpertherapien, Bewegungs- und Sporttherapie, therapeutisches Reiten PsychologischeTrainings Selbstsicherheit Entspannung, Kommunikation, Genuss Begleitende Pharmakotherapie Therapeutische Gemeinschaft Sozial- und Aktivitätstraining h.zingerle - 2013 - bad bachgart 24

Betreuungsmöglichkeiten für Alkoholabhängige DfA DfA DfA Caritas Hands DfA AA Gruppen (10) Hudolin Gruppen (12) Therap. Gruppen (30) Wohngemeinschaften (2) Werkstätten (6) KH Abteilungen (8) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 25

Motivationsarbeit und Interventionsstrategien bei Abhängigkeiten h.zingerle - 2013 - bad bachgart 26

Allgemeine Behandlungsprinzipien bei Abhängigkeiten Integrativer Ansatz: Bio-psycho-sozial! Therapiebegleitende Diagnostik! Empiriegeleitetes Vorgehen! Förderung der Selbstregulation, der Eigenverantwortung und der Lösungsorientierung! Individuelle Zielformulierung! Multimodalität in den Methoden! Interdisziplinarität im Team! h.zingerle - 2013 - bad bachgart 27

Motivationskonzepte 1. Behandlungsmotivation: a) Initiale Motivation b) Durchhaltemotivation 2. Abstinenzmotivation 3. Veränderungsmotivation h.zingerle - 2013 - bad bachgart 28

Therapeutischer Leitsatz bei Abhängigkeiten: Die kontinuierliche Prüfung und Unterstützung der Veränderungsbereitschaft bei Abhängigkeiten ist ein zentraler Bestandteil aller therapeutischen Bemühungen, oft über Monate auch deren überwiegender Inhalt. G. Bühringer, 2000 h.zingerle - 2013 - bad bachgart 29

Das Motivational Interviewing von Miller und Rollnick Es wird definiert als ein direktiv klientenzentrierter Ansatz zur Reduzierung der Ambivalenz bezüglich einer Verhaltensänderung. Betroffene und Berater betrachten das Problem gemeinsam, Selbstreflexion wird gefördert Selbstmanagementressourcen werden unterstützt. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 30

Zentrale Annahmen des MI Das Ambivalenzmodell Das Veränderungspotenzial des Patienten Achtung vor dem Patienten Die Autonomie des Patienten Der Widerstand als Interaktion Partnerschaftliche Beziehung h.zingerle - 2013 - bad bachgart 31

Mögliche Motivationsstrategien Diskrepanzen zwischen Problemzustand und Zielzustand verdeutlichen Ambivalenz vergrößern Attraktivität des Problemzustandes vermindern Handlungstendenzen erhöhen Ziele suchen, klären, finden Anreize schaffen h.zingerle - 2013 - bad bachgart 32

Leitlinien in der Motivationsarbeit mit Abhängigen (I) (Zusammenfassung) 1. Akzeptieren, Empathie zeigen! 2. Selbstwert fördern! 3. Vertrauen geben! 4. Zum Anwalt des Abhängigen werden! 5. Ansprüche durch das soziale Netzwerk sichtbar machen! 6. Alkoholprobleme selbst definieren lassen! 7. Konfrontieren mit der Realität (Cave: Tragfähigkeit der Beziehung!) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 33

Leitlinien in der Motivationsarbeit mit Abhängigen (II) 8. Wahlmöglichkeiten anbieten (Form, Dauer, Ziele der Hilfe) 9. Selbstverantwortung fördern! 10. Ziele konkret definieren! 11. Art der Auseinandersetzung mit der Abhängigkeit planen! 12. Rückfallvorbeugende Maßnahmen besprechen! 13. Kontinuität der Hilfe gewährleisten! 14. Paradoxe Interventionen als Möglichkeit bedenken! h.zingerle - 2013 - bad bachgart 34

Stufen der Verhaltensänderung (nach Prochaska und DiClemente, 1992) I. Absichtslosigkeit II. III. IV. Absichtsbildung Handlungsvorbereitung Handlung V. Aufrechterhaltung VI. Stabilisierung h.zingerle - 2013 - bad bachgart 35

RÜCKFALLDEFINITION Rückfall ist der Prozess der Wiedereingliederung in das Zustands- und Reaktionsmuster der früheren Abhängigkeit nach Einnahme des ursprünglichen Suchtmittels oder einer analogen Substanz. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 36

(Be)wertungen des Rückfalls (1) RF ist Anzeichen für schlechte Behandlung und eigenes Versagen RF ist eine Katastrophe RF ist Zeichen für vergebliche Behandlung RF ist deutliches Zeichen für fehlende Abstinenzbereitschaft und Uneinsichtigkeit RF ist ein Zeichen dass jemand weitertrinken will.. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 37

(Be)wertungen des Rückfalls (2) RF sind die Regel und nicht die Ausnahme RF sind Entwicklungschancen RF sind sinnhafte Handlungen RF sind erklärbar RF ist nicht gleich RF RF sind manchmal Zeichen des Widerstandes RF sind Zeichen dafür, dass Veränderungen nicht linear verlaufen.. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 38

Risikofaktoren für einen RF Positive Einstellung gegenüber dem Suchtmittel Ungleichgewicht im Beziehungshaushalt Auftreten kritischer Lebensereignisse Gefühlsschwankungen Defizite im Bereich sozialer Fertigkeiten Selbstwertproblematik Situative Faktoren (Arbeit, Wohnung, Finanzen, soziale Kontakte, etc.) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 39

Wichtige Schritte in der Analyse des Rückfallprozesses Abstinenzphase external +/- Risikosituation internal +/- Bedürfnis Spannung -------- Befriedigung + - Konsequenzerwartung - - Effekterwartung - Kompetenzerwartung Auswahl der Verhaltensalternativen E n t s c h e i d u n g Verhalten Bewertung h.zingerle - 2013 - bad bachgart 40

Familie und Sucht h.zingerle - 2013 - bad bachgart 41

Definitionen von Co - Abhängigkeit = Verhalten und Haltungen, die ein Weiterbestehen der Abhängigkeit gewährleisten. = eine Persönlichkeitsstörung (abhängige Persönlichkeit). = unangepasstes, problematisches, dysfunktionales Verhalten, entstanden durch Zusammenleben mit einem Abhängigen. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 42

Co abhängige Verhaltensweisen Verstrickung in Beziehungen mit negativen Interaktionen Übermäßige Verantwortungsübernahme Ausgeprägtes Mitgefühl mit starken Helferimpulsen Unfähigkeit Kritik oder Zurückweisung zu ertragen Niedriges Selbstwertgefühl / Anerkennung!!! Konfliktvermeidung Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühle Verleugnung und Verdrängung unangenehmer Emotionen h.zingerle - 2013 - bad bachgart 43

... psychische Störungen bei Partnern... signifikant höhere Zahl psychiatrischer Behandlungen für Ehefrauen alkoholabhängiger Männer Familiengeschichte bezüglich Suchtstörungen sowie psychiatrische Erkrankungen bei 50 bis 70% der Partnerinnen erhöhtes Auftreten affektiver Erkrankungen, insbesondere Depressionen (bei ca. 30 %) deutlich erhöhtes Auftreten von Angsterkrankungen, somatoformen Störungen, substanzbezogenen Störungen sowie Persönlichkeitsstörungen Selbstwertproblematik als häufiges Hauptsymptom h.zingerle - 2013 - bad bachgart 44

Häufige Grundhaltungen von Angehörigen Das Problem kann gelöst werden: - Mit ausreichend Liebe, Geduld und Ausdauer, - wenn man sich nicht in den Mittelpunkt stellt, - wenn man die Bedürfnisse der anderen wichtiger nimmt als die eigenen. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 45

Typische Interaktionsmuster in Paarbeziehungen von Abhängigen Viele feindliche und aversive Reaktionen Viele Schuldzuweisungen: ich bin so, weil Du so bist! Wenig positive Interaktionen Viele Versuche, sich gegenseitig zu kontrollieren Viel Kritik / Zweifel / Abwertungen Wenig gemeinsame positive Freizeitaktivitäten Aufwärmen der Vergangenheit Es gibt nur mehr ein Gesprächsthema ( Der Tanz um die Flasche ) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 46

Wichtige Ziele in der Angehörigenarbeit Information Entlastung bieten beim Umgang mit negativen Gefühlen Unterstützung in der Motivationsarbeit Förderung der eigenen Veränderungsbereitschaft Besprechung der Folgeerscheinungen Den Therapieprozess transparent machen Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit Entwicklung von Zukunftsperspektiven Anschluss an Selbsthilfegruppen fördern h.zingerle - 2013 - bad bachgart 47

Was können Angehörige tun? Informationen einholen Hilfe für sich selbst in Anspruch nehmen Eigene Bedürfnisse wichtig nehmen Verantwortung klären Die Suche nach dem Schuldigen aufgeben Besorgnis äußern / nicht ständig über die Sucht diskutieren Verhaltensänderungen ansprechen Teilnahme an Angehörigengruppen etc. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 48

Kinder alkoholkranker Eltern Ca 10% aller Kinder sind im Laufe der Kindheit mit einem alkoholkranken Elternteil konfrontiert Ca 50% aller Kinder sind im Laufe der Kindheit mit einem Alkohol missbrauchenden nahen Verwandten oder Partner eines Elternteils konfrontiert. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 49

... die Kinder... größte Risikogruppe für Entwicklung einer Sucht ca. sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko in bezug auf Abhängigkeitsstörungen - deutlich erhöhtes Risiko hinsichtlich anderer psychischer Störungen (Angststörungen, Depressionen...) genetische Besonderheiten als Risikofaktoren (erhöhte Toleranz in Bezug auf Alkohol, verstärkte Streßdämpfungseffekte) Familienumwelt: negative Familienatmosphäre, pathologische Familienkohäsion, problematische Eltern-Kind-Beziehung h.zingerle - 2013 - bad bachgart 50

... die Psyche der Kinder... Hyperaktivität und Verhaltensauffälligkeiten Störung des Sozialverhaltens/ Unsicherheiten kognitive Funktionsstörungen somatische Probleme Angst depressive Symptome, Selbstwertproblematik Essstörungen h.zingerle - 2013 - bad bachgart 51

Ungünstige Faktoren für die Kinder Unverlässlichkeit / Unvorhersehbarkeit der Reaktionen / Orientierungslosigkeit Verantwortungsübernahme für Geschwister/ Eltern Kränkungen und Beschämungen Verleugnung eigener Gefühle und Bedürfnisse / fehlendes Modell Schwankungen in den Gefühlsreaktionen Psychische und physische Gewalt, etc. h.zingerle - 2013 - bad bachgart 52

Wichtige Erkenntnisse Wissensvermittlung: Alkoholismus ist eine Krankheit Kinder alkoholkranker Eltern sind nicht allein Kinder sind nicht die Ursache der Erkrankung Kinder können die Krankheit nicht kontrollieren Sie können die Krankheit nicht heilen Gefühle identifizieren und ausdrücken h.zingerle - 2013 - bad bachgart 53

Protektive Faktoren Entwicklung von Resilienzen Positive Lebenseinstellung Angemessene Copingstrategien Geringe Erwartung von positiven Alkoholeffekten Soziale Kompetenzen Wahrung von Familienritualen Emotionale Beziehung zum nicht-abhängigen Elternteil und anderen Bezugspersonen Geringe Exposition den Auseinandersetzungen h.zingerle - 2013 - bad bachgart 54

Definition von RESILIENZ Psychische Widerstandskraft Gesunde Entwicklung trotz Risikobelastungen Nicht angeboren, entwickelt sich im Kontext der Kind-Umwelt-Interaktion Nicht stabil, Unterschiede über Zeit und Situation Gebunden an - Bedrohung der kindlichen Entwicklung - erfolgreiche Bewältigung h.zingerle - 2013 - bad bachgart 55

Resilienzfaktoren (Wolin und Wolin 1996) Einsicht (Verständnis für die Krankheit) Unabhängigkeit (Distanz zur häusl. Situation) Beziehungsfähigkeit (Beziehungen zu anderen) Initiative (Unternehmungen, Aktivitäten,) Kreativität (Anleitung, Raum und Zeit) Humor (Spass als psychohygienische Maßnahme) Moral (Prinzipien, ethische Orientierung) h.zingerle - 2013 - bad bachgart 56

Danke für Ihre Mitarbeit! h.zingerle - 2013 - bad bachgart 57