A N W A L T S G E M E I N S C H A F T D R. K O G E L R e c h t s a n w ä l t e. Nießbrauch, Altenteil und Leibrente im Zugewinn



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Transkript:

Augustastr. 89 52070 Aachen Telefon 0241/505031 Telefax 0241/505033 Gerichtsfach 046 Internet: www.dr-kogel.de Email: kanzlei@dr-kogel.de Veröffentlicht FamRZ 2006, 451 ff. Nießbrauch, Altenteil und Leibrente im Zugewinn Der Beitrag zeigt anhand von Fallbeispielen und der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß diese Vermögenspositionen sowohl bei den Aktiva als den Passiva die Zugewinnausgleichsbilanz erheblich beeinflussen können. In der täglichen Praxis zur Zugewinnberechnung werden Nießbrauch, Altenteil und Leibrente eher stiefmütterlich behandelt. Zwei jüngere Entscheidungen des BGH 1, die teilweise die bisherige Rechtsprechung aufgeben, zeigen jedoch, daß diese Vermögenswerte bei korrekter Anwendung sowohl bei den Aktiva wie bei den Passiva einen ganz erheblichen Einfluss auf die Zugewinnbilanz haben können. 1) Nießbrauch, Altenteil und Leibrente auf der Seite der Aktiva. Der Nießbrauch ist häufig als höchstpersönliches Recht ausgestaltet. Da er dann nicht übertragbar ist, wird könnte hieraus geschlossen werden, daß er im Zugewinn keine Vermögensposition sein kann2. Schon dieser Ausgangspunkt ist grundsätzlich falsch. Herr Trossen und seine Ehefrau wohnen in einem Einfamilienhaus, welches dem Sohn gehört. Beide Eheleute haben an unterschiedlichen Räumlichkeiten des Hauses ein unentgeltliches, lebenslängliches, allerdings nicht übertragbares Wohrecht. Beispielsfall 3 : Wie sind im Falle der Scheidung diese Vermögenswerte zu berücksichtigen? Selbst wenn ein Nießbrauchsrecht unveräußerlich und unvererblich ist, bedeutet dies nicht, dass es bei der Zugewinnausgleichsabrechnung unberücksichtigt bleiben müsste. Schon für den GmbH-Anteil hat der BGH entschieden,4 dass solche Nutzungsrechte, die dem Berechtigten auf Lebenszeit zustehen 1 Vgl. BGH, FamRZ 2005, 1974 (Leibrente) sowie BGH, FamRZ 2004, 527 (Nießbrauch) 2 so noch Rittner, FamRZ 1961, 506 3 Fall nachgebildet BGH, FamRZ 2004, 527 4 FamRZ 1986,1196; andererseits hat der BGH bei einem Handelsvertreter mangels Übertragbarkeit und - 1 -

und nicht vererbbar sind, dennoch einen wirtschaftlichen Wert darstellen, der in der Ausgleichsbilanz beachtet werden muss. Diese Rechtsprechung korrespondiert mit den Entscheidungen zur Vermögensposition eines Gesellschaftsanteils. Bei diesem wird auf den wirklichen Wert des lebenden Unternehmens einschließlich der stillen Reserven und des Goodwill abgestellt.5 Oftmals überreichen Zugewinnausgleichspflichtige Gesellschaftsverträge, in denen die Abfindungsansprüche entweder gekürzt oder vollkommen ausgeschlossen werden. Selbst in diesen Fällen bleibt der BGH bei seiner Bewertung. Da die Nutzung und Gewinnerzielungsmöglichkeit während der Ehe aufgebaut worden sei, sei es nicht sachgerecht, einen Ehegatten daran nicht teilhaben zu lassen. 6 Beiden Eheleuten Trossen stehen in dem Beispielsfall Nutzungsrechte zu. Beide Nießbrauchsrechte sind also in die jeweilige Vermögensbilanz einzustellen. Die Nießbrauchsrechte heben sich nicht etwa auf! Abgesehen davon, dass auf die jeweiligen Räumlichkeiten abzustellen ist, muss auch die unterschiedliche Lebenserwartung berücksichtigt werden. Bei Frauen ist diese statitisch höher anzusetzen. In der Regel wird also bei ihnen ein höherer Vermögenswert in die Ausgleichsbilanz einzustellen sein. Es wäre damit vom Ansatz her schon falsch, Nießbrauchsrechte in den Fällen außen vor zu lassen, in denen beide Eheleute an denselben Räumen eine Nutzungsmöglichkeit haben7. Wenn keine sonstigen Vermögenswerte bestehen, müsste nach der Rechtsprechung des BGH dem Ehemann wegen des geringeren kapitalisierten Wertes des Nießbrauches ein Zugewinnausgleich zustehen. Entschieden ist dies allerdings, soweit ersichtlich, noch nicht. Wenn die Ehefrau über keine sonstigen Vermögenswerte verfügt, müsste daran gedacht werden, diesem Ausgleichsanspruch 1381 oder 242 BGB entgegen zu setzen.8 Bei der Bewertung künftiger Leistungen darf nicht auf den Zinssatz abgestellt werden, der gerade zum Stichtag aktuell war. Der Zeitwert künftiger Leistungen ist vielmehr mit dem Zinssatz zu bestimmen, der aus einer langfristigen Beobachtung der maßgebenden volkswirtschaftlichen Orientierungsgröße gewonnen wird. Bei einer lebenslangen Ziehung von Nutzungen muss nach Ansicht des BGH deshalb der vom Bewertungsgesetz unverändert zugrunde gelegte Zinssatz von 5,5% angewandt werden9. Dem Richter ist insoweit kein Ermessenspielraum eingeräumt. Diese Bewertungen sind konsequenterweise auf die Leibrente und das Leibgedinge zu übertragen, selbst wenn diese nur höchstpersönlich ausgestaltet sind. Auch hierbei handelt es sich um zugewinnrechtlich relevante Vermögenswerte. Allerdings hat diese Rechtsprechung die Konsequenz, daß diese Werte ggf. auch beim Anfangsvermögen anzusetzen sind, sollten sie schon zum Zeitpunkt der Eheschließung bestanden haben oder ein Fall des privilegierten Vermögenserwerbes im Sinne von 1374 Abs. 2 BGB Vererblichkeit des Unternehmens keinen Vermögensanspruch angenommen, vgl BGH FamRZ 1977, 386. 5 BGH FamRZ 1987, 36, 38; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., 2004, VII Rdn. 95 6 BGH a. a. O.; ebenso Hausleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl. 2004,Kap. 1 Rdn. 305; vgl. auch die Nachweise bei Schröder/ Bergschneider, Familienvermögensrecht, 2003, Rdn. 4260 ff.; a.a. Benthin FamRZ 1982,344 ff. 7 vgl. hierzu KG FamRZ 1988, 171 sowie Schröder, Bewertungen im Zugewinnausgleich, 3. Auflage, 2002, Rdn. 144; zur gesamten Problematik des Nießbrauches vgl. auch Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, NJW- Schriftenreihe, Bd. 76, Rdn. 422 ff. 8 vgl. allgemein zur Möglichkeit, unbillige Ergebnisse im Zugewinn über 242 BGB zu korregieren Kogel, a.a.o., Rdn. 606 ff. 9 vgl. BGH a.a.o. - 2 -

vorliegen. Da mit steigendem Alter die Lebenserwartung abnimmt, sinkt damit gleichzeitig der Kapitalwert des Rechtes. Dies führt dazu, daß dieser Vermögenswert alleine durch den Zeitablauf beim Anfangsvermögen höher als beim Endvermögen anzusetzen ist. Es wäre daher falsch, den Nießbrauch gar nicht einzustellen, wenn er am selben Objekt für dieselbe Person zu beiden Zeitpunkten bestand. Auch beim Anfangsvermögen ist der Zinssatz mit 5,5% anzunehmen. Fazit: Selbst wenn Nießbrauchsrechte höchstpersönlich ausgestaltet sind, müssen sie immer in der Zugewinnbilanz jeweils getrennt für beide Ehegatten kapitalisiert eingestellt werden. Der Zinssatz ist zwingend mit 5,5% anzusetzen. Ob alleine im Hinblick auf die höhere Lebenserwartung der Ehefrau ein Ausgleichsanspruch des Ehemannes begründet werden kann, ist noch nicht entschieden. Ggf. muss einem solchen Verlangen 242 oder 1381 BGB entgegengehalten werden. Wenn der Nießbrauch schon zu Beginn der Ehe bestand, ist er zu beiden Zeitpunkten zu bewerten. Sofern keine weiteren Vermögenswerte auf Seiten dieses Ehepartners existieren, kann alleine schon aufgrund des Zeitablaufes und des damit gesunkenen Kapitalwertes eine Minderung des eigenen Zugewinns begründet werden. 2) Nießbrauch auf der Passivseite Schon aus steuerlichen Gründen übertragen Eltern oftmals ihren Kindern Immobilien; allerdings behalten sie sich in der Regel ein Nießbrauchsrecht bis an ihr Lebensende vor. Damit tritt regelmäßig folgendes Bewertungsproblem auf. Beispielsfall: Herr Unger hat bei Eheschließung 1995 eine Immobilie mit in die Ehe eingebracht. Diese ist mit einem Nießbrauchs- und Wohnrecht zugunsten seiner Eltern belastet. Der indexierte Wert der Immobilie war zu Beginn der Ehe 100 000, EUR. Bis zur Rechtshängigkeit 2005 ist der Wert auf 200 000, EUR gestiegen. An der Nießbrauchssituation hat sich trotz des Zeitablaufes nichts geändert. - 3 -

Beim Nießbrauch handelt es sich um eine rechtlich geschützte Position mit wirtschaftlichem Wert. Der Wert ist vorliegend mit einem fiktiven Nettomietwert anzusetzen. Unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten und der Restnutzungsdauer des Gebäudes ist er zu kapitalisieren.10 Wegen der abnehmenden Lebenserwartung des Berechtigten wird mit zunehmendem Alter der Wert des Nießbrauchsrechts kleiner. Der Wert des Nießbrauches zum Zeitpunkt 1995 ist daher höher anzusetzen als zum Ende der Ehezeit. Damit wäre das Anfangsvermögen kleiner. Die Belastung war zu diesem Zeitpunkt eben höher. Dieser Weg wäre jedoch mit dem Grundgedanken des 1374 BGB nicht in Einklang zu bringen. Letztendlich basiert dieser Vermögenszuwachs ja ebenfalls auf einer Zuwendung der Eltern. Von vorneherein ist das Grundstück mit der sicheren Aussicht, dass der Nießbrauch geringer wird und irgendwann wegfällt, erworben worden. Es würde nun einer wortgetreuen Anwendung des 1374 Abs. 2 BGB entsprechen, sowohl im Anfangs- wie im Endvermögen, die jeweiligen Immobilienwerte anzusetzen. Abgezogen werden müsste dann einerseits der zu jedem Zeitpunkt berechnete, kapitalisierte Nießbrauchswert. Andererseits müsste aber dem Anfangsvermögen der Wertzuwachs hinzugerechnet werden, der sich durch das zwischenzeitliche Absinken des Nießbrauchsrechts ergeben hat. Diesen umständlichen Weg ist der BGH bisher nicht gegangen11. In derartigen Fällen wird kurzerhand beim End- und Anfangsvermögen der Nießbrauch ganz unberücksichtigt gelassen. Er bleibt außen vor, da er zu beiden Zeitpunkten gleich hoch ist. Die Berechnung sieht nach der BGH- Rechtsprechung wie folgt aus: Endvermögen 200.000 -Anfangsvermögen 100.000 =Zugewinn 100.000 Unterstellt man einmal, daß der Wert des Nießbrauches zu Beginn und zum Ende der Ehe jeweils mit 60.000 anzusetzen ist (incl. der sukzessiven monatlichen Zuwendungen durch das Absinken des Rechts), wäre folgende Berechnung vorzunehmen: Endvermögen: 200.000-60.000 = 140.000. Dem steht gegenüber das Anfangsvermögen mit 100.000-60.000 = 40.000. Die Differenz beträgt ebenfalls 100.000. In der Regel wird man auf diese Weise also zu korrekten Ergebnissen gelangen. Das OLG Bamberg 12hat jedoch schon darauf hingewiesen, dass dieser vereinfachte Weg z.b in den Fällen problematisch ist, in denen das Anfangs- oder Endvermögen negativ ist. 10 Schnitzler/Boden MAH 19 Rdn. 130. 11 Vgl BGH FamRZ 1990, 603; 1990 1083, 1084; Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, 2000, Rdn. 119; Hausleiter/Schulz a.a.o. Kap.. 1 Rdn. 253 ff 12 OLG Bamberg FamRZ 1995,607,609 ebenso Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Auflage 1374 Rdn. 24-4 -

1. Abwandlung des Beispielfalles: Zu Beginn der Ehe hatte Herr Unger Verbindlichkeiten aus einer fehlgeschlagenen Investition in Höhe von 80.000. Es wird wiederum davon ausgegangen, daß der Wert des Nießbrauches zu Beginn und zum Ende der Ehe jeweils mit 60.000 anzusetzen ist. Geht man den einfacheren Weg des BGH und lässt das Nießbrauchsrecht gänzlich unbeachtet, ergibt sich ein Zugewinn von 200.000 abzüglich des Anfangsvermögens von 20.000 (100.000-80.000 ). Er beträgt damit 180.000. Hat Frau Unger selber keinen Zugewinn erwirtschaftet, steht ihr ein Ausgleichsanspruch von 90.000 zu. Stellt man aber den Nießbrauch zu beiden Zeitpunkten in die Zugewinnbilanz ein, so ergibt sich folgende Abrechnung: Anfangsvermögen Herr Unger: - 80.000 Nießbrauch - 60.000 Das Anfangsvermögen ist damit negativ, aber wegen 1374 Abs. 1 BGB 0 100.000 Schulden Das Endvermögen ist demgegenüber 200.000 abzüglich Nießbrauch 60.000 damit 140.000. Der Zugewinnausgleichsanspruch beträgt damit (140.000-0 ) : 2 = 70.000. Die Differenz ergibt sich dann, wenn man entgegen der BGH- Rechtsprechung den Nießbrauch ansetzt. Obwohl der Ausgleichspflichtige tatsächlich nur über ein Vermögen von 140.000 verfügt, müsste er nach der Judikatur des BGH 90.000 Zugewinn zahlen. Dies kann nicht richtig sein. 2. Abwandlung des Beispielfalles: Zu Beginn der Ehe hatte Herr Unger 60.000 Schulden bei gleichem Anfangsvermögen wie oben. Zum Stichtag der Ehescheidung bestanden aber Schulden von 150.000. - 5 -

Folgt man der Rechtsprechung des BGH, ist das Anfangsvermögen mit 40.000 anzusetzen (100.000-60.000 ). Beim Endvermögen sind anzusetzen 200.000-150.000 = 50.000 Als Zugewinn wären also auszugleichen: (50.000-40.000 ) = 10.000 : 2 = 5.000. Stellt man aber den Nießbrauch in die Bilanz ein, ist richtiger Weise gar kein Zugewinn entstanden. Die Berechnung sieht dann nämlich wie folgt aus: Anfangsvermögen: 100.000 Schulden 60.000 Nießbrauch 60.000 20.000, wegen 1374 Abs. 1 BGB damit 0. Endvermögen: 200.000 Schulden 150.000 Nießbrauch 60.000-10.000 wegen 1375 Abs. 1 S. 2 BGB aber = 0 Auch hier überzeugt die Lösung des BGH nicht. Obwohl wirtschaftlich dem Ehemann gar kein Vermögensüberschuss zusteht, müsste er noch einen Geldbetrag ausgleichen. Dies kann nicht richtig sein. Ein solches Ergebnis stünde auch zu 1378 Abs. 2 BGB in Widerspruch. Hiernach wird Zugewinn ja nur dann und insoweit geschuldet, als bei Rechtskraft der Scheidung überhaupt noch Vermögen vorhanden ist. Fazit: Sofern sich nicht eindeutig ergibt, daß selbst nach Abzug des kapitalisierten Nießbrauchsrechts sowohl beim Anfangs- wie Endvermögen ein positiver Betrag verbleibt, ist der Nießbrauch in die Zugewinnbilanz einzustellen. Sicherheitshalber sollte aus anwaltlicher Sicht immer mit einem kapitalisierten Nießbrauch gerechnet werden. Je höher der Kapitalwert des Nießbrauches ist, desto eher wirkt sich dies für den Ausgleichsverpflichteten aus. - 6 -

3) Die Leibrente auf der Passivseite: Hintergrund für die Rechtsprechung des BGH zum Nießbrauchsrecht ist die Überlegung, daß der andere Ehepartner nicht an den Wertzuwächsen einer vorweggenommenen Erbfolge partizipieren soll. Bei der Leibrente besteht wirtschaftlich jedoch eine ganz andere Konstellation. Beispielsfall 13 Auf Herrn Moers war im Jahre 1988 eine Immobilie schenkweise übertragen worden allerdings mit einer Leibrentenverpflichtung von monatlich 150 zu Gunsten seines Vaters. Zum Stichtag (1996) lebte der Vater noch. Die Leibrente wurde grundbuchlich nicht abgesichert. Hätte Herr Moers bei Abschluss des Notarvertrages eine einmalige Zahlung erbringen müssen, hätte man diese Verpflichtung als Passiva im Anfangsvermögen abgezogen14. Dies würde man ja auch vornehmen, wenn von vornherein die Absicht bestand, daß sein Vater den Geldbetrag anlegte, um dann hiervon monatlich gleich hohe Entnahmen zu tätigen. Nichts anderes kann gelten, wenn eine laufende monatliche Verpflichtung des Sohnes vereinbart wird. Das Grundstück erhält er zwar geschenkt. Er muß aber selber eine Geldleistung aus eigenen Mitteln entrichten. Zu Recht vertritt der BGH15 deshalb nunmehr die Ansicht daß diese Belastung abzuziehen ist. Dies gilt sowohl für das Anfangs- wie das Endvermögen. Ein Posten in der Zugewinnausgleichsberechnung wäre in dem obigen Beispielsfall die Differenz zwischen dem ursprünglich höheren Kapitalwert der Leibrente bei Schenkung und dem Wert der Rente bei Einreichung des Scheidungsantrages. Dadurch daß die Leibrente bereits über Jahre entrichtet wurde, ist das Lebensalter des Berechtigten gestiegen; der Kapitalisierungsfaktor der Leibrente ist mithin geringer. Solche Wertsteigerungen können allenfalls dadurch relativiert werden, daß die Leibrente dynamisch ausgestaltet ist. Ob die Leibrente grundbuchlich eingetragen ist, spielt keine Rolle. Ist dies der Fall, ist das dingliche Recht von vornherein weniger werthaltig. Bei einem bloßen schuldrechtlichen Anspruch steht dem Immobilienwert der schuldrechtliche Anspruch auf Zahlung gegenüber. 4) Das Leibgedinge auf der Passivseite. Die Rechtsprechung zum Nießbrauchsrecht hatte der BGH16 zunächst auf die Fälle übertragen, in denen ein Ehegatte mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht ein Grundstück erwirbt, welches mit 13 nachgebildet BGH FamRZ 2005, 1974 14 vgl zur Problematik des Abzuges von Verbindlichkeiten beim Anfangsvermögen Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, Rdn. 49o ff. 15 FamRZ 2005, 1974; Schröder, Bewertungen im Zugewinnausgleich, Rdn. 141 16 FamRZ 1990, 1217 sowie FamRZ 1990, 1083-7 -

einem Leibgedinge (Altenteil) belastet ist. Dies galt sowohl für den Fall, dass ein Wohnrecht eingeräumt wurde als auch für den Fall, dass Wartung und Pflege auf Lebenszeit gewährt wurden. Hintergrund für diese Rechtsprechung war die Überlegung, dass die Zuwendung wegen der besonderen persönlichen und familiären Beziehung erfolgt ist und damit dem Privilegierungstatbestand des 1374 Abs. 2 BGB unterfallen sollte. Zu Recht ist diese Rechtsprechung jedoch erheblich kritisiert worden17. Die zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlichen Aufwendungen schmälern bereits den Zugewinn des Berechtigten. Auch wird oftmals der andere Ehepartner benachteiligt. Teilweise muss er selbst ja faktisch die Pflege leisten. Man denke nur an die nicht berufstätige Hausfrau, die für ihren als Alleineigentümer eingetragenen, im Erwerbsleben stehenden Ehemann die Pflegeleistungen bei den Schwiegereltern erbringt. Sie wird damit unter Umständen von der Erzielung eines eigenen Zugewinns abgehalten. Der BGH hat folgerichtig in der Entscheidung zur Leibrente ausdrücklich erklärt, an der bisherigen gegenteiligen Rechtsprechung nicht mehr festhalten zu wollen. Fazit: In Zukunft wird man unterscheiden müssen: hat der Beschenkte irgendeine Leistung zu erbringen, die geldwerter Art ist, muss diese Leistung kapitalisiert werden. Für den Fall, dass ohne sein Zutun sozusagen aus sich selber heraus eine Immobilie eine Wertsteigerung erfährt und er keine geldwerte Leistung aufbringen muss, darf kein Abzug aufgenommen werden. 17 Vgl. Johannsen/Henrich/Jäger, Eherecht, Rdn 24 b; MK/Koch 1374 Rdn 21; OLG Karlsruhe, FamRZ 1990, 56-8 -