Vincenz Leuschner Freie Universität Berlin NETWASS (Networks Against School Shootings) Prävention schwerer zielgerichteter Schulgewalt Vortrag auf der Auftaktveranstaltung der Innovationsplattform Gesellschaftliche Dimensionen der zivilen Sicherheitsforschung am 1./2. Dezember 2010 InaS Institut für angewandte Sicherheitsforschung
Phänomen schwere Schulgewalt School Shootings in Deutschland 09.11.1999, Meißen 16.03.2000, Brannenburg 19.02.2002, Freising 26.04.2002, Erfurt 29.08.2002, Behrenhoff 02.07.2003, Coburg 20.11.2006, Emsdetten 23.07.2008, Biberach 11.03.2009, Winnenden 11.05.2009, St. Augustin 17.09.2009, Ansbach 18.02.2010, Ludwigshafen Jugendliche schießen auf Menschen in einem geschützten Raum (Institution Schule) Die Fälle sind selten, haben aber schwerwiegende Konsequenzen: Tote oder Verletzte traumatisierte Opfer, Zeugen und Hinterbliebene Kollektive Traumatisierung, massives Unsicherheitsgefühl in der Schule und in der Umgebung
Androhung von Taten Weitaus häufiger als Taten! Brandenburg: Laut Polizeistatistik gab es 2009 insgesamt 57 Amokandrohungen an. (Tagesspiegel vom 28.01.2010) Berlin: in der ersten Woche nach Winnenden allein 11 Bedrohungsvorfälle im Zusammenhang mit Amokläufen (Gewaltbericht 2008/2009 der Berliner Senatsverwaltung) Baden-Württemberg: im Jahr 2009 seit Winnenden 231 Amokdrohungen an (Ziehfreund 2010)
Stand der Prävention Es existiert derzeit kein Standardweg zur Verhinderung von School Shootings! Niedrige Basisrate Problem der Prädiktion (Falsch-Positive/Negative) Unspezifität der Risikofaktoren bzw. Unkenntnis Profiling / Warning Signs sinnlos! Keine evaluierten Präventionsmaßnahmen (Ausnahme z.b. Threat Assessment-Verfahren in den USA, Cornell et al.)
Leaking Leaking (engl. durchsickern, lecken, leckschlagen) Eine Person lässt durch direkte oder indirekte Ankündigungen Tatideen, Tatfantasien, Tatabsichten oder Tatpläne durchsickern Leaking ist nicht gleich zu setzen mit Drohungen! Beispiele: Ein Täter schreibt in einem Internetblog an seine Peers: Ich habe Lust, in die Stadt zu gehen und ein paar Leute umzubringen. Ein Jugendlicher zeichnete ein Comic, in dem ein Amoklauf dargestellt war, bei dem der Lehrer getötet wird später setzte er seine Ankündigung um. Berliner-Leaking-Projekt: 429 relevante Fälle (1996/1997 2006/2007)
Wissenschafts-Praxis-Ansatz Wissenschaft Praxis Wissenschaft Praxis Wissenschaft Aktenanalyse Pilotstudien Evaluation Interventionen an Evaluation Fortlaufend: aktuelle empirische Ergebnisse
NETWASS-Grundgedanken Schwere zielgerichtete Gewalt ist der Endpunkt einer krisenhaften Entwicklung. Diese Entwicklung ist erkennbar: Leaking bietet spezifische Hinweise! Schüler und andere Personen mit Hinweisen auf krisenhafte Entwicklung = hilfebedürftig Wichtig: Frühzeitige Prävention und Intervention Verhinderung weiterer negativer Entwicklungen Verhinderung von Stigmatisierung und Hysterie Flexible und angemessene Reaktion im Einzelfall Intervention im absoluten Ernstfall (Tatumsetzung)
Ziele Globalziele: Schutz von Schülern und Schulpersonal vor schwerer zielgerichteter Schulgewalt, Verbesserung des Umgangs mit Androhungen und Bedrohungen an und damit Verbesserung der Sicherheitslage an deutschen NETWASS-Programm Frühe Identifizierung und zuverlässige Bewertung krisenhafter Entwicklungsverläufe bei Schülern Weitere Forschung und Modellbildung zu Leaking, Risikofaktoren und Schutzfaktoren 1. Einführung eines strukturierten Krisenpräventionsverfahrens an 2. Sensibilisierung des Schulpersonals durch Schulungen 3. Initiierung und Ausbau interdisziplinärer Netzwerke im regionalen Umfeld der Schule 4. Einführung eines anonymen Beratungstelefons In welcher Häufigkeit und unter welchen Bedingungen treten so genannte Leakingphänomene als mögliche Hinweise auf schwere Formen von zielgerichteter Gewalt an auf? Unter welchen Bedingungen werden diese Hinweise von Personen im Schulumfeld überhaupt erkannt?
Zentrale Projektbestandteile Soziales Netzwerk Schule Professionelle Netzwerke Schüler Eltern Schulmitarbeiter Ansprechpartner Krisenprävention Krisenpräventionsteam Polizei / Schulpsychologie / Jugendamt Niedrigschwelliges Beratungstelefon Evaluation
Forschungsdesign Vorgelagerte Pilotstudie an 3 Berliner Hauptevaluation an max. 120 in drei Bundesländern: Berlin (städt.), Brandenburg (ländl.), Baden-Württemberg (Flächenl.), Ost/West Erhebung aller relevanten Leakingphänome innerhalb eines Zeitraums von 9 Monaten an den teilnehmenden Qualitative Nachbefragung der beteiligten und diagnostische Behandlung der jeweiligen Schüler
NETWASS-Gesamtprojekt Freie Universität Berlin Institut für angewandte Sicherheitsforschung Brandenburg (InaS) Berlin Baden-Württemberg Brandenburg Aufbau und Evaluation professioneller Netzwerke (Leaking- Telefon, Interven-tionsund Verteilernetzwerk) Schulung durch Schul- Onlineschulung Polizei Schul- Onlineschulung Schulungen: Projekt- Infobroschürlogischürlogimitpsycho- Unterschiedliche Projekt- Vermittlungsebenen/-formen Polizei psycho- Projekt- Infobro- Infobroschürmitarbeitearbeitemitarbeiter Schulung durch Schulung durch t1: prä (Baseline vor Schulung) t2: post (nach Schulung) t3: follow-up (6-9 Mon. nach Schulung) t1: prä (Baseline vor Schulung) t2: post (nach Schulung) t3: follow-up (6-9 Mon. nach Schulung) t1: prä (Baseline vor Schulung) t2: post (nach Schulung) t3: follow-up (6-9 Mon. nach Schulung) Weiterentwicklung und flächendeckende Einführung der evaluierten Schulungskonzepte
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit Oktober 2009 für drei Jahre Kooperationspartner:
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! www.netwass-projekt.de Dipl. Soz. / Dipl. Sozpäd. Vincenz Leuschner Arbeitsbereich Entwicklungswissenschaft & Angewandte Entwicklungspsychologie Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie Freie Universität Berlin Habelschwerdter Allee 45 D-14195 Berlin Telefon ++49 (0) 30 838-5 55 93 Email vincenz.leuschner@fu-berlin.de