Stellungnahme zur 68. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am 24. Februar 2016

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Transkript:

Hochschule Magdeburg- Prof. Dr. Raimund Geene MPH raimund.geene@hs-magdeburg.de Stendal, den 20. Februar 2016 Stellungnahme zur 68. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am 24. Februar 2016 Drucksache 18/7042 Antrag vom 15.12.2015 In ihrem o.a. Antrag Patientenberatung unabhängig und gemeinnützig ausgestalten konstatiert die Faktion DIE LINKE, dass mit der Neuvergabe der Unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung an die Sanvartis ggmbh eine Fehlentscheidung bei der Neuvergabe der Mittel für die Durchführung der Unabhängigen Verbraucherund Patientenberatung in Deutschland auf Basis des 65b Sozialgesetzbuch V (SGB V) getroffen worden sei. Diese Einschätzung deckt sich mit der von mir und weiteren Mitgliedern des Beirats vertretenen Auffassung. Der von Staatssekretär Laumann unterstützten Entscheidung, für die Aufgabe der Unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung einen privaten Call-Center- Anbieter zu beauftragten, liegt von Ergebnis wie Verfahren eine überaus problematische Situation zu Grunde. Ohne die aufgetragene Verschwiegenheitsverpflichtung zu verletzen, möchte ich an dieser Stelle zum Hintergrund die Entwicklung des Vergabeprozesses beschreiben. Nach 65b SGB V ist es die Aufgabe der Mitglieder des Beirats, bei der Vergabe der Fördermittel und während der Förderphase beratend tätig zu sein. Hier konnten wir in den vergangenen fünf Jahren feststellen, dass sich die unabhängigen und neutralen Patientenberatungsstellen in Deutschland (UPD) hervorragend konsolidieren und entwickeln konnten. Die entsprechenden Evaluationen durch das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung Berlin (IGES) ergaben hohe Nutzerzufriedenheit,

zunehmende Erreichbarkeit und eine kontinuierliche Verbreitung der Bekanntheit. Auch hinsichtlich Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und Evidenzbasierung konnte den per Hidden-Client-Verfahren überprüften Beratungen Bestnoten ausgestellt werden. Wir haben diese Entwicklung als Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Patientenorganisationen kritisch und konstruktiv begleitet und konnten mit Zufriedenheit feststellen, dass unsere Anregungen von Seiten der Patientenberatungsstellen zügig und gut aufgegriffen und umgesetzt wurden. Mit dem jährlichen Patienten-Monitor ist es der UPD zudem gelungen, substanzielle Hintergrundinformationen zusammen zu tragen und auf Basis der sorgfältigen und umfangreichen Beratungsdokumentation Mängeln und Ärgernissen von Patienten Ausdruck zu geben. Dies betraf in nicht unerheblichen Umfang auch Schwierigkeiten von Beratenden mit ihren Krankenkassen. Von Seiten der GKV wurde die Arbeit der UPD in der Vergangenheit kritisiert, ohne dass jedoch stichhaltige Belege über ein fehlerhaftes Verhalten seitens der UPD erbracht werden konnten. Der Deutsche Bundestag hat 2014 per Gesetzesänderung eine Verlängerung der Laufzeit und eine Erhöhung des Fördervolumens für die Unabhängige Patientenberatung von 5 auf 9 Mio. pro Jahr beschlossen, die Erhöhung der Fördermittel ja durchaus mit der Intention, so die Erreichbarkeit und Sichtbarkeit der Unabhängigen Patientenberatung in Deutschland weiter zu fördern. Zudem wurde neu geregelt, dass der Vorsitz des Beirats nunmehr nicht mehr bei der GKV liegt, sondern auf den Patientenbeauftragten der Bundesregierung übergeht, dessen gesetzlicher Auftrag vorrangig darin besteht, den Rechten von Patientinnen und Patienten auf umfassende und unabhängige Beratung und objektive Information Geltung zu verschaffen. Erstaunlicherweise hat Staatssekretär Laumann als Patientenbeauftragter und Vorsitzender des Beirats die sehr gute Arbeit der UPD in der Vergangenheit nicht hinreichend gewürdigt, sondern unter anderem den aus seiner Sicht mangelnden Bekanntheitsgrad der UPD immer wieder hervorgehoben, u.a. darauf verweisend, er selber habe als Gesundheitsminister in NRW die UPD nicht einmal gekannt. Gegen erhebliche Bedenken aus dem Beirat setzte Herr Laumann bei der Neuausschreibung entsprechend durch, dass die Erhöhung der Mittel nicht zum notwendigen Ausbau der Beratungsstellen vor Ort eingesetzt werden sollten, sondern überwiegend in die Telefonberatung fließen soll. Ein Dissens ergab sich auch bei der Entscheidung bezüglich der Gewichtung der Anforderungskriterien an die zukünftigen Betreiber der unabhängigen Patientenberatung. Bei der zentralen Anforderung Unabhängigkeit und Neutralität wies er die Forderung aus dem Beirat, dieses Kriterium müsse mit mindestens 50% in eine Gesamtbewertung einfließen, zurück. Lediglich nach Protest erfolgte eine minimale Erhöhung der initial festgelegten 10% auf 15% der gesamten Bewertung. Unberücksichtigt blieben auch die dringenden Hinweise darauf, dass die Ausschreibung eine starke Vernetzung insbesondere mit der Selbsthilfe vorsehen solle. Aus dem Beirat wurde schon bei der Ausschreibung angemahnt, dass die Patientenberatung keinesfalls zum Callcenter degradiert werden dürfe und eine qualitätsgesicherte Beratung nicht quick-and-dirty, sondern nach den entwickelten Standards unabhängiger und neutraler Verbraucher- und Patienteninformation durchgeführt werden müsse. Diese substanziellen Kriterien aus dem Bereich der Prozess- und Strukturqualität wurden zwar in die Ausschreibung aufgenommen, 2

fanden jedoch in der Bewertung durch die GKV und den Patientenbeauftragten keine ausreichende Berücksichtigung. Nach der Ausschreibung war der Beirat an einer Bieter-Präsentation am 26. März 2015 beteiligt. Im Ergebnis wurde deutlich, dass nur einer der drei geladenen Anbieter nämlich die bestehende Bietergemeinschaft UPD die Anforderungen an Neutralität und Unabhängigkeit sowie Qualitätssicherung überhaupt erfüllen kann. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt von gewerblichen Anbietern z.t. höhere Beratungszahlen in Aussicht gestellt wurden, waren deren Ausführungen sowohl fachlich inakzeptabel als auch in ihrer quantitativen Darstellung weder substanziell belegt noch plausibel erläutert. Zudem musste bereits zu diesem Zeitpunkt wegen diverser Interessenkollisionen die Frage der Unabhängigkeit und Neutralität seitens der gewerblichen Anbieter klar verneint werden. Umso überraschender war es für den Beirat, dass Staatssekretär Laumann auf der nächsten, insgesamt drei Mal terminlich verlegten Beiratssitzung, die schließlich am 15. Juni 2015 stattfand, mitteilte, er wolle der Sanvartis ggmbh den Zuschlag erteilen. Die Nachfragen hinsichtlich der umfassenden Bedenken, die aus dem Beirat bereits im März vorgetragen worden waren, wurden von den mit der Vergabeentscheidung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des GKV- Spitzenverbandes überwiegend mit Hinweis auf formale Bezugspunkte zurückgewiesen, oder mit unklaren, z.t. widersprüchlichen und z.t., wie sich später herausgestellt hat, unrichtigen Angaben beantwortet. Der eindringliche Hinweis des Beirats, dass der im 65b SGB V gesetzlich geregelte Beratungsauftrag des Beirats bei der Vergabe damit unterlaufen wird, führte dazu, dass für den 29. Juni 2015 eine weitere Beiratssitzung angesetzt wurde. Mit Schreiben vom 16. Juni 2015 wurde daraufhin angemahnt, dass dem Beirat zur weiteren Beratung nunmehr die finalen Angebote zur Kenntnis gegeben werden müssten. Dies wurde mit Schreiben vom 18. Juni 2015 durch den GKV-Spitzenverband zurück gewiesen. Es wurde lediglich die Einsichtnahme in die Beratungsunterlagen in den Räumen des GKV-Spitzenverbandes in Aussicht gestellt. Als ich dieses Angebot am 19. Juni 2015 vorangemeldet wahrnehmen wollte, wurde mir dies jedoch mit Verweis auf die Krankheit der zuständigen Mitarbeiterin verwehrt. So bekam der Beirat erst während der Sitzung am 29. Juni 2015 Gelegenheit, die mehrere hundert Seiten umfassenden Angebote der Bieter einzusehen. Dabei zeigte schon diese kurze Durchsicht des Budgets des vom GKV Spitzenverband und dem Patientenbeauftragten favorisierten Bieters, dass nicht nur, wie zuvor mündlich informiert, wenige, sondern vielmehr umfassende und substanzielle Änderungen in den Geboten erfolgt waren. Details kann ich leider nicht ausführen, sie schüren allerdings erhebliche Zweifel. Bis heute (!) wird dem Beirat verweigert, das nunmehr vertraglich vereinbarte Budget einzusehen. Hier fanden sich zudem zahlreiche Hinweise, die die grundsätzlichen Bedenken zu einer Unabhängigkeit und Neutralität sowie hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Fachlichkeit sowie Regionalität des nunmehr von der GKV und dem Patientenbeauftragten ausgewählten Bieters nicht milderten, sondern vielmehr noch bestärkten. Die entsprechenden Nachfragen und Vorbehalte wurden wiederum von Seiten des GKV- Spitzenverbands umstandslos abgewehrt. Auch die von Beiratsmitgliedern schriftlich eingereichten Bedenken (Schreiben vom 06. und 09. Juli 2015) fanden weder Würdigung noch Berücksichtigung. Im Ergebnis muss ich feststellen, dass die Vergabekriterien mit der vom GKV- Spitzenverband und dem Patientenbeauftragten getroffenen Entscheidung entgegen Empfehlungen aus dem Beirat massiv gebeugt wurden und der Grundsatz der 3

Unabhängigkeit und Neutralität bei der begünstigten Sanvartis ggmbh nicht gegeben ist. Schließlich wurde der Beirat nicht in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Form beteiligt. Dies verweist auf einen Verfahrensfehler. Insgesamt lässt sich die unsachgemäße Vergabe der Unabhängigen Patientenberatung an die Sanvartis ggmbh als Systemfehler betrachten, der einer gesetzgeberischen Nachsteuerung bedarf. Die hier dringend notwendigen Klärungen betreffen auch die weitere Arbeit des Beirats. Im Vergabeverfahren hat sich die Verschiebung des Beirat-Vorsitzes an den Patientenbeauftragten als nicht günstig erwiesen. So wurden z.t. nicht einmal Protokolle über die einzelnen Sitzungen verfasst. Auch Besetzung und Besetzungsverfahren des Beirates ist weiterhin ungeklärt, wie die jüngste Nachbenennung belegt. Weiterhin ungeklärt ist die Teilnahme der Vertreter/innen der GKV, die im Gesetz nicht als Mitglieder benannt sind, tatsächlich aber die deutlich größte Teilnehmerzahl stellen. Bereits erwähnt wurde die mangelnde Beteiligungs- und Beratungsmöglichkeit des Beirats hinsichtlich der neuen Gesellschafter, von denen uns, wie erwähnt, nicht einmal Einblick in den Haushalt gewährt wird. Die positive Bewertung des Angebots der Sanvartis GmbH hinsichtlich ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit und Neutralität gegen Voten von Mitgliedern des Beirats wurde im Wesentlichen begründet mit der Einrichtung eines Auditors/ Auditorin, die ausschließlich dem Beirat verpflichtet sein solle. Heute zeigt sich, dass diese institutionelle Struktur eine reine Luftnummer ist, für die es bislang kein Konzept gibt. Die diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarungen Details sind nicht bekannt hängen in der Luft, weil der Beirat keine Entscheidungsstrukturen hat. Als maßgebliches Argument für die Regionalisierung wurde angegeben, die Sanvartis habe mit dem Bundesverband der Volkshochschulen eine Vereinbarung getroffen zur bundesweiten Bereitstellung entsprechender Angebotsstrukturen. Der seinerzeit im Beirat erbetene Letter of Intent für eine solche Zusammenarbeit wurde von Seiten des GKV-Spitzenverbandes als unüblich zurückgewiesen. Heute erweist sich, dass die Volkshochschulen nicht bereit sind, in der angekündigten Weise zusammen zu arbeiten, und die angekündigte Regionalisierung nicht realisiert werden kann. Trotz dieses Notstandes wurde der Vorschlag, Räumlichkeiten und Personal der alten UPD in die zukünftige Arbeit zu integrieren, vom GKV-Spitzenverband sowie dem neuen UPD-Geschäftsführer als verfrüht zurück gewiesen. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern und verweist insgesamt darauf, dass ein nicht geeignetes Angebot von Sanvartis ausgewählt wurde, während die bewährte und überaus erfolgreiche Struktur der bisherigen UPD nunmehr aufgelöst wird. Dies ist im Sinne der unabhängigen und neutralen Patientenberatung bedauerlich und nährt den Verdacht, dass eben dieses das tatsächliche Ziel der ansonsten weder fachlich noch politisch nachvollziehbaren Neuvergabe darstellt. Eine gesetzgeberische Nachsteuerung erscheint demnach dringend geboten und sollte vor allem folgende Essentials enthalten: - Unabhängigkeit der Patientenberatung sollte als substanzielle Grundlage nicht etwaiger Angebote, sondern der Anbieter gewertet werden. - Insofern sollte sichergestellt werden, dass die Patientenbeteiligungsverordnung gemäß 140f. die Voraussetzung bildet. 4

- Hier empfiehlt sich eine Institutionalisierung, etwa über die Initiierung eines Dachverbandes der maßgeblichen Organisationen. - Im Rahmen der Nachjustierung sollte die Rolle des GKV-Spitzenverbandes sowie der Einzelkassen neu definiert werden. Während eine angemessene Beteiligung im Beirat sinnvoll erscheint, sollte sie von fachlichen und sachlichen Steuerungsfragen befreit werden, sinnvoll erscheint hier eher eine Finanzabwicklung über den Gesundheitsfond/ Bundesverwaltungsamt und/ oder eine auszugründende Stiftung. - Zur Frage einer Finanzierung durch GKV-/ PKV- und/ oder Steuermittel sei darauf hingewiesen, dass die Finanzierungsverpflichtung für die unabhängige Patientenberatung keinesfalls eine versicherungsfremde Leistung darstellt, sondern vielmehr eine Kernaufgabe im Bereich der gesundheitlichen Versorgung, die durch den 140 Jahre alten sozialpolitischen Steuerungs- und Gestaltungsauftrag der GKV zugeordnet ist. - Zur Frage einer Abschaffung des Amtes des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, um es durch ein Amt des Parlamentes zu ersetzen, muss eingeräumt werden, dass die Rolle des Patientenbeauftragten bei der Vergabeentscheidung entsprechende Vorbehalte gut begründen kann. Andererseits haben sich die Amtsvorgänger Zöller und Kühn-Mengel grundsätzlich anders positioniert. Möglicherweise liegt ein wichtiger Zwischenschritt darin, dass die Aufgabe des Patientenbeauftragten eine exklusive Aufgabe zu sein hat und keinesfalls mit weiteren Aufgaben wie der eines Pflegebeauftragten gekoppelt sein sollte. Stendal, den 20. Februar 2016 5