Konstruktionssystematik



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Transkript:

Konstruktionssystematik Konstruktionslehre Studiengang Mechatronik 1. Semester Prof. Dr.-Ing. M. Reichle

Inhaltsverzeichnis - I - Inhaltsverzeichnis 1 Grundlage des systematischen Konstruierens... 1 1.1 Einführung... 1 1.2 Der methodische Konstruktionsprozess... 6 1.2.1 Konstruktionsmethodik... 7 1.2.2 Konstruktionsarten... 8 1.2.3 Systematische Methoden... 12 1.2.4 Arbeitsschritte bei einer systematischen Vorgehensweise... 13 2 Konstruktionsphasen... 15 2.1 Planen... 16 2.1.1 Analysieren der Markt-, Unternehmens- und Umfeldsituation... 16 2.1.2 Finden und Auswählen von Produktideen... 16 2.1.3 Formulierung eines Produktvorschlags... 17 2.1.4 Klären der Aufgabe... 17 2.1.5 Erarbeiten der Anforderungsliste... 17 2.2 Konzipieren... 20 2.2.1 Abstrahieren zum Erkennen des wesentlichen Problems... 20 2.2.2 Aufstellen von Funktionsstrukturen... 21 2.2.3 Suche nach Lösungsprinzipien... 23 2.2.3.1 Allgemeine Einteilung 24 2.2.3.2 Konventionelle Methoden 25 2.2.3.2.1 Erfahrungsschatz 25 2.2.3.2.2 Literaturrecherche 25 2.2.3.2.3 Analyse natürlicher Systeme 25 2.2.3.2.4 Analyse bekannter technischer Systeme 25 2.2.3.2.5 Analogiebetrachtung 26 2.2.3.3 Intuitive Methoden 26 2.2.3.3.1 Brainstorming 26 2.2.3.3.2 Methode 635 27

Inhaltsverzeichnis - II - 2.2.3.3.3 Delphi -Methode 29 2.2.3.3.4 Galeriemethode: 29 2.2.3.3.5 Synektik: 29 2.2.3.4 Diskursive Methoden 30 2.2.3.4.1 Systematische Untersuchung des physikalischen Geschehens 30 2.2.3.4.2 Systematische Suche mit Hilfe von Ordnungsschematas 30 2.2.3.4.3 Verwendung von Konstruktionskatalogen 32 2.2.3.4.4 Morphologie 34 2.2.4 Kombination von Lösungsprinzipien... 35 2.2.5 Auswählen geeigneter Kombinationen... 36 2.2.6 Konkretisieren zu prinzipiellen Lösungsvarianten... 38 2.2.7 Bewerten nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien... 38 2.3 Entwerfen... 41 2.4 Ausarbeiten... 43 3 Gestaltungsprinzipien... 45 3.1 Prinzip der Kraftleitung... 45 3.1.1 Prinzip des konstanten Kraftflusses... 45 3.1.2 Prinzip der direkten und kurzen Kraftleitung... 46 3.1.3 Prinzip der abgestimmten Verformungen... 46 3.1.4 Prinzip des Kraftausgleichs... 47 3.2 Prinzip der Aufgabenteilung... 47 3.3 Prinzip der Selbsthilfe... 49 3.3.1 Selbstverstärkende Lösung... 49 3.3.2 Selbstausgleichende Lösung... 50 3.3.3 Selbstschützende Lösung... 51 4 Allgemeine Gestaltungsregeln... 51 4.1 Beanspruchungsgerechtes Konstruieren... 52 4.1.1 Zugbeanspruchung... 52

Inhaltsverzeichnis - III - 4.1.2 Druckbeanspruchung... 52 4.1.3 Biegebeanspruchung... 53 4.1.4 Schubbeanspruchung... 54 4.1.5 Torsionsbeanspruchung... 55 4.1.6 Zusammenfassung... 56 4.2 Werkstoffgerechtes Konstruieren... 56 4.3 Fertigungsgerechtes Konstruieren... 57 4.4 Montagegerechtes Konstruieren... 60 4.5 Formgebungsgerechtes Konstruieren... 62 4.6 Eindeutigkeit der Konstruktion... 65 4.7 Sicherheitsgerechtes Konstruieren... 67 4.8 Ergonomiegerechtes Konstruieren... 70 4.9 Gebrauchs- und Instandhaltungsgerechtes Konstruieren... 71 4.10 Recyclinggerechtes Konstruieren... 72 4.11 Normgerechtes Konstruieren... 74 5 Bewertung des Innovationsgrades von Produktideen und Produkten... 74 5.1 Übersicht... 74 5.2 Problemstellung und Zielsetzung... 75 5.3 Stand der Forschung... 77 5.4 Konkretisierung und Eingrenzung der Aufgabenstellung... 77 5.5 Lösungsansatz... 78 5.6 Bewertungsmethode... 82 5.6.1 QFD-Produktaufnahme... 82 5.6.1.1 Eingabe der Produktkenngrößen 82 5.6.1.2 Zusammenhang zwischen Kunden- und Produktanforderungen. 84 5.6.1.3 Berechnung der Technischen Bedeutung 84 5.6.2 Einflussgrößen auf den Produkterfolg... 85 5.7 Berechnung: Erfolgspotenzials und Innovationsgrad... 87 5.7.1 Berechnung der Einfluss-Wertigkeiten... 87

Inhaltsverzeichnis - IV - 5.7.2 Ermittlung des Erfolgspotenzials... 88 5.7.3 Ermittlung des Maximalwertes des Erfolgspotenzials... 89 5.7.4 Ermittelung des Innovationsgrades... 89 5.8 Erprobung (Evaluation) des Bewertungsverfahrens... 91 5.9 Zusammenfassung und Ausblick... 94 Literatur... 97

Grundlage des systematischen Konstruierens - 1-1 Grundlage des systematischen Konstruierens 1.1 Einführung Konstruktionslehre ist die Lehre vom Konstruieren. Ist Konstruieren lehr- oder lernbar? Konstruktionslehre gehört schon seit vielen Jahren zur Jngenieursausbildung, da aus Erfahrung bekannt ist, dass ca. 50 % der Ingenieure in konstruktiven Bereichen tätig sind. Das Bild 1.1 zeigt Fähigkeiten und Neigungen, die für das Konstruieren die Basis bilden. Gewisse Lücken können durch Lernen geschlossen werden. Darüber hinaus können in den einzelnen Phasen des Konstruktionsprozesses eine Vielzahl von Methoden eingesetzt werden, weshalb meist von Methodischem Konstruieren gesprochen wird. Hierbei handelt es sich um eine systematische Vorgehensweise, die in weiten Bereichen erlernbar ist, bei Anwendung zu guten Lösungen führt und bei guten, erfahrenen Konstrukteuren zu genialen Lösungen führen kann. Bild 1.1: Wissensbasis für das Konstruieren Die Grundlagen des Methodischen Konstruierens wurden maßgeblich von Pahl/Beitz, Koller, Rodenacker u. a. erarbeitet und sind in verschiedenen VDI- Richtlinien eingeflossen: VDI-Richtlinie 2221 Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte sowie VDI-Richtlinie 2222 Methodisches Entwickeln von Lösungsprinzipien.

Grundlage des systematischen Konstruierens - 2 - Bild 1.2: Generelles Vorgehen zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte nach VDI 2221 Sowohl innerhalb der Konstruktionsphasen als auch dazwischen sind Entscheidungshilfen vorgesehen, die bei unzulänglichen Ergebnissen einen Rücksprung in eine vorausgegangene Phase bzw. Arbeitsschritt ermöglichen. Neben den Kenntnissen und Erfahrungen des systematischen Vorgehens sind weitere Kenntnisse und Erfahrungen aus den vorrangigen Gebieten Fertigungstechnik und Werkstofftechnik, sowie der Automatisierungstechnik notwendig. Tabelle 1.1 zeigt die Phasen des Konstruktionsprozesses.

Grundlage des systematischen Konstruierens - 3 - Tabelle 1.1: Konstruktionsphasen Zusammenfassend und nach eigenen Erfahrungen beim Lösen einfacher Konstruktionsaufgaben ergeben sich folgende Erkenntnisse bei kritischer Betrachtung: - nicht nur nach Beispielen arbeiten, - ein Problem hat mehrere Lösungen, - Fachwissen ist erforderlich, - nach Regeln arbeiten ist sinnvoll, - Auswahlentscheidungen sind sinnvoll, - Informationen müssen beschafft und umgesetzt werden. Folgendes Beispiel soll die Problematik verdeutlichen. Beispiel: Es ist ein Hebel zu konstruieren, wobei die erforderlichen Formelemente vorgegeben sind: Kugel SØ20, Büchse mit Bohrung 12H8, Büchse mit Bohrung 20. Um die Drehachse A sollen Schwenkbewegungen ± 5 ohne Berührung der skizzierten Gehäusewände möglich sein (Bild 1.3). Die Bewegungseinleitung erfolgt an der Kugel links oder der Büchse rechts. Die wirkenden Kräfte sind sehr ge-

Grundlage des systematischen Konstruierens - 4 - ring, daher ist keine Festigkeitsberechnung erforderlich. Wegen hoher Stückzahlen ist auf eine kostengünstige Lösung bei absoluter Funktionssicherheit zu achten. Bild 1.3: Beispiel: Skizze mit den geometrischen Bedingungen Der Kern der Aufgabe ist, dass die drei Formelemente und ihre gegenseitige Lage gegeben sind (Bild 1.4). Durch eine feste Verbindung dieser Elemente soll eine Bewegungsübertragung möglich werden. Bild 1.4: Schematische Skizze zur Lösungsfindung Durch die Dreiecksform ergeben sich 5 Möglichkeiten der Verbindung (Bild 1.5).

Grundlage des systematischen Konstruierens - 5 - Bild 1.5: Fünf mögliche Bauformen Diese Aufgabe wurde mehreren Konstrukteuren aus verschiedenen Maschinenbaubereichen vorgelegt. Bild 1.6 zeigt die Ergebnisse. Bild 1.6: Drei Entwürfe mit unterschiedlichen Schwerpunkten Werden die Entwürfe verglichen, so ist zu erkennen, dass alle Entwürfe der Bauform 2 (siehe Bild 1.5) entsprechen. Mögliche Gründe ergeben sich aus der Formulierung der Aufgabe und aus der Wahl der Konstrukteure. Eine systematische Untersuchung der Lösungsalternativen unter Beachtung einer einfachen Gestalt, der Werkstoffart, der Fertigung, der Herstellkosten, der Werkzeuge und Vorrichtungen führt zu einer Lösung aus Kunststoff (Bild 1.7) mit der Struktur nach Bauform 5 (siehe Bild 1.5). Bild 1.7: Lösungsskizze als Kunststoffteil

Grundlage des systematischen Konstruierens - 6 - Aus den Erfahrungen beim Lösen konstruktiver Aufgaben in den verschiedenen Aufgaben des Maschinenbaus wurden viele Erkenntnisse und Vorgehensweisen so aufbereitet, dass diese für neue Konstruktionsaufgaben sinnvoll nutzbar sind. Bild 1.8 zeigt zusammengefasst Erfahrungen des systematischen Arbeitens als Wissensbasis. Bild 1.8: Wissensbasis für die Erfahrungen beim Methodischen Konstruieren 1.2 Der methodische Konstruktionsprozess Die Anwendung der Konstruktionsmethodik hat sich besonders bei anspruchsvollen oder bei komplexen Aufgabenstellungen bewährt, wie z. B.: - Entwicklung von Serienprodukten, - Verbesserung von nicht mehr marktgerechten Produkten (Kosten, Wettbewerb, Stand der Technik), - Entwicklung von wirtschaftlichen Ausweichprodukten geschützter Lösungen,

Grundlage des systematischen Konstruierens - 7 - - Entwicklung von Lösungen für Abläufe und Verfahren in der Produktion mit Automatisierung (Backwaren, Verpackungen, usw.), - Bearbeitung von Projekten im Studium mit fachlich noch nicht ausgereiften Kenntnissen. Aus diesen Überlegungen lassen sich die wichtigsten Aufgaben der Konstruktionslehre ableiten, die zu erarbeiten sind: Die Konstruktion benötigt Methoden und Hilfsmittel - zum Beschaffen von Informationen, - zum Speichern von Informationen, - zum systematischen Anwenden von Kenntnissen, - zum methodischen Entwickeln von Lösungen, - zum Bewerten von Lösungen, - zum Gestalten von Produkten. Eine Methode beschreibt das allgemeine, geplante, gleichartige und schrittweise Vorgehen bei der Lösung einer Klasse von Problemen. Hilfsmittel sind aufbereitete Unterlagen, die das methodische Konstruieren unterstützen, wie z. B. Lösungssammlungen, Gestaltungsregeln, Daten oder Arbeitsblätter. 1.2.1 Konstruktionsmethodik Nach Pahl/Beitz soll eine Konstruktionsmethodik bestimmte Anforderungen erfüllen, die in Bild 1.9 dargestellt sind. Eine Konstruktionsmethodik muss prinzipiell bei jeder konstruktiven Tätigkeit unabhängig von Produkten anwendbar sein. das Finden optimaler Lösungen ermöglichen und erleichtern sowie mit Begriffen, Methoden und Erkenntnissen anderer Disziplinen verträglich sein. Konstruktionsmethodik umfasst die Vorgehensweise beim Entwickeln und Konstruieren nach Ablaufplänen mit Arbeitsschritten und Konstruktionsphasen unter Beachtung von Richtlinien und Methoden sowie technischen und organisatorischen Hilfsmitteln. Dabei werden die Erkenntnisse der Konstruktionswissenschaft und der Denkpsychologie, aber auch insbesondere die Erfahrungen bei den verschiedenen Anwendungen in der Konstruktionspraxis eingesetzt.

Grundlage des systematischen Konstruierens - 8 - Bild 1.9: Wissensbasis: Anforderungen an das Methodischen Konstruieren 1.2.2 Konstruktionsarten Im Allgemeinen werden drei Konstruktionsarten unterschieden. Hierbei sind in der Praxis die Übergänge meist fließend, so dass eine exakte Einteilung in diese drei Kategorien oft schwierig ist. Anpassungskonstruktion: Es erfolgt in der Hauptsache eine Anpassung eines vorhandenen Systems an neu geforderten Bedingungen. Das Konzept, die Struktur, die Gestalt und die Hauptabmessungen liegen fest. Etwa 55 % aller Konstruktionen lassen sich hierunter einordnen. Variantenkonstruktion: Hierbei wird die Größe sowie evtl. die Anordnung eines vorhandenen Systems geändert. Das Konzept bleibt erhalten, die Gestalt und die Hauptabmessungen werden variiert. Im Durchschnitt sind etwa 20 % Variantenkonstruktionen. Neukonstruktion: Bei dieser Konstruktion wird von Grund auf ein neues Lösungskonzept entwickelt. Der Konstrukteur hat bei dieser Art von Konstruktion die größten Freiheiten. Es sind etwa 25 % aller Konstruktionen Neukonstruktionen.

Grundlage des systematischen Konstruierens - 9 - Als Beispiel für die Konstruktionsarten ist im jeweils ein einfaches Einzelteil dargestellt, wie es heute mit 3D-CAD-Systemen konstruiert wird. Bild 1.10: Konstruktionsarten mit Beispielen Die Definition der Konstruktionsarten können nach den erforderlichen Arbeitsschritten und nach den Produktarten, wie in Tabelle 1.2 allgemein formuliert werden. Tabelle 1.2: Konstruktionsarten: Kennzeichen und Ergebnisse Für die Konstruktionsarten werden beim methodischen Konstruieren die Arbeitsschritte festgelegt, die als zu bearbeitende Konstruktionsphasen unterschiedlichen Umfang haben.

Grundlage des systematischen Konstruierens - 10 - Die Zuordnung der Konstruktionsphasen zu den Konstruktionsarten zeigt Bild 1.11. Bild 1.11: Zuordnung: Konstruktionsphasen zu den Konstruktionsarten Die Zeitanteile (Bild 1.12) für die einzelnen Konstruktionsphasen sind schon allein für die Planung und für die Bewertung von besonderem Interesse, wie Firmenbefragungen ergaben. Bild 1.12: Konstruktionstätigkeiten mit Zeitanteilen

Grundlage des systematischen Konstruierens - 11 - Die kreativen Tätigkeiten werden besonders in den ersten Phasen des Konstruierens eingesetzt, wenn das Konzept erarbeitet wird (Bild 1.13). Bild 1.13: Zeitaufwand für Konstruktionsphasen In Unternehmen ist die Konstruktion häufig in Gruppen, d. h. in Konstruktionsbereiche untergliedert (Tabelle 1.3). Diese Spezialisierung ist insbesondere in größeren Unternehmen und bei komplexen Produkten anzutreffen. Tabelle 1.3: Konstruktionsbereiche: Abteilungen und Kennzeichen

Grundlage des systematischen Konstruierens - 12-1.2.3 Systematische Methoden Ungeschultes Denken verläuft intuitiv. Es ist ein teils bewusstes, teils unbewusstes Denken, das kaum nachvollziehbar ist. Die so gewonnene Erkenntnis ist mehr oder weniger systematisch, vom Zeitpunkt her kaum beeinfluss- oder steuerbar, stark von der Erfahrung, Veranlagung und dem fachlichen Horizont des Bearbeiters abhängig. Durch Intuition wurden schon und werden noch sehr gute Lösungen gefunden. Im Hinblick auf ein zielorientiertes, terminorientiertes, systematisches Arbeiten ist diese Denkweise nicht verlässlich. Es ist deshalb ein bewusstes Vorgehen anzustreben, mit dem ein zu lösendes Problem schrittweise bearbeitet wird. Beim diskursiven Denken verlaufen die Denkvorgänge bewusst, geplant, beeinflussbar und in Arbeitsschritten ab. Die so erhaltenen Ideen können dann systematisch analysiert, variiert und kombiniert werden. Es muss ausdrücklich daraufhin gewiesen werden, dass intuitives und diskursives Denken keine Gegensätze sind oder sich gegenseitig ausschließen. So sind komplexe Aufgaben z. B. durch diskursives Denken in sinnvolle Einzelprobleme zu zergliedern, die dann ohne weiteres durch Intuition gelöst werden können. Eine weitere Eigenart des Menschen ist darin zu sehen, dass er nicht unfehlbar ist, d. h. Denkfehler sind unvermeidbar. Solche Fehler sind demnach von vorne herein zu berücksichtigen. Das kann z. B. dadurch geschehen, dass man nur solche Lösungen durchlässt, die erkannte Fehlermöglichkeiten berücksichtigen. Die Wissenschaft der Systemtechnik bietet hier ein Hilfsmittel an, um diese Denkvorgänge durch ein vorgegebenes Schema zu lenken. Diese Vorgehensschritte sollen verhindern, dass z. B. Arbeitsschritte ausgelassen werden und somit Lösungsmöglichkeiten verloren gehen oder nicht intensiv genug bearbeitet werden. Bei dieser Arbeitsweise erreicht man nach den einzelnen Arbeitsschritten nicht unbedingt das Ziel. Sehr häufig führt erst ein iteratives Vorgehen, d. h. mehrmaliges Durchlaufen des Schemas, zu der am Besten geeigneten Lösung. Die eingebauten Entscheidungsstufen erleichtern hierbei den Optimierungsprozess.

Grundlage des systematischen Konstruierens - 13-1.2.4 Arbeitsschritte bei einer systematischen Vorgehensweise Das Flussdiagramm (Bild 1.14) zeigt die Vorgehensschritte der Systemtechnik bei der Lösung eines Problems. Problemanalyse: Das Vorgehen beginnt bei der Analyse des zu lösenden Problems. Es werden Informationen über das Problem durch z. B. Systemstudien, Marktanalysen, Trendstudien oder bereits bestehende Aufgabenstellungen gesammelt. Das Ziel dieses Schrittes ist eine klare Formulierung des zu lösenden Problems. Bild 1.14: Vorgehensweise der Systemtechnik Problemformulierung: Diese anschließende Formulierung und Präzisierung des zu lösenden Problems aufgrund des vollständigen Informationsstandes erleichtert die Lösungssuche. Dadurch sind der Wesenskern der Aufgabe und die zu beachtenden Anforde-

Grundlage des systematischen Konstruierens - 14 - rungen, d. h. die Zielsetzung ohne Vorfixierung auf Lösungen für die spätere Bewertung der Lösungsvarianten im Zuge einer optimalen Lösungsfindung erkennbar. Systemsynthese: Beim Suchen nach Lösungen in dieser besonders schöpferischen Phase des Problemlösungsprozesses werden Lösungsideen oder schon konkrete Lösungen erarbeitet und kombiniert. Wesentliches Merkmal dieser Phase ist das Entwickeln bzw. Erkennen nicht nur einer Lösung, sondern alternativer Lösungen. Systemanalyse: In diesem anschließenden Schritt wird dann dieses Lösungsfeld hinsichtlich der Eigenschaften seiner Lösungen analysiert, um so die für die Lösungsauswahl erforderlichen Informationen zu gewinnen. Bewertung: Hierbei erfolgt die Beurteilung der Lösungseigenschaften in bezug auf die gestellten Anforderungen. Diese Bewertung ermöglicht dann das Herausfinden einer relativ optimalen Lösung. Entscheidung: Dieser Schritt dient der Entscheidung, ob eine bevorzugte und zur Weiterführung geeignete Lösung gefunden wurde, oder die Entwicklung abgebrochen werden soll. Erst eine zweckmäßige Verbindung dieser Schritte führt zu einer Vorgehensstrategie oder einem Vorgehensplan. Wichtig und üblich sind hierbei Wiederholungszyklen, bei denen die Vorgehensschritte mehrmals durchlaufen werden. Dieses iterative Vorgehen führt zum Anheben des Informationsniveaus für einen erneut zu durchlaufenden Schritt entsprechend einem Lernprozess. Diese systematische Vorgehensweise sollte möglichst abstrakt gehalten werden, um keine Lösungsvorschläge vorweg zu nehmen und dem Konstrukteur somit eine möglichst große Freiheit zur Lösungssuche zu geben. Grenzen ergeben sich dort, wo der Konstrukteur z. B. an Fertigungsstätten gebunden ist, physikalische oder chemische Vorgänge vorgegeben sind oder bestimmte Stoffe oder Energieformen zu verwenden sind.

Konstruktionsphasen - 15-2 Konstruktionsphasen Die Arbeitschritte beim Planen und Konstruieren in den 4 Konstruktionsphasen zeigt Bild 2.1. Bild 2.1: Arbeitsschritte beim Planen und Konstruieren

Konstruktionsphasen - 16-2.1 Planen In der Planungsphase wird das Produkt geplant und die Aufgabe geklärt. Die Produktplanung kann sowohl extern wie auch intern initiiert sein, d. h. entweder regt ein Kunde durch eine Anfrage ein von ihm gewünschtes Produkt an, oder im Betrieb wird eine Produktidee zur Bearbeitung freigegeben. Produktideen können in allen Geschäftsbereichen eines Unternehmens oder auch durch das betriebliche Vorschlagswesen entstehen. Die Freigabe zur Bearbeitung erfolgt in der Regel durch die Unternehmensleitung oder ein von ihr autorisiertes Gremium. 2.1.1 Analysieren der Markt-, Unternehmens- und Umfeldsituation Zur Planung von Produkten werden meist Markt- und Wettbewerbsanalysen, Kundenbefragungen sowie Studien über neue Forschungsergebnisse oder Technologietrends eingesetzt. Die Auswertung von Kundenreklamationen, interne Qualitätsuntersuchungen, die Einführung neuer Fertigungsmöglichkeiten oder Kostendruck seitens des Marktes können die Planung eines neuen Produktes anstoßen. 2.1.2 Finden und Auswählen von Produktideen Das Finden von Produktideen geschieht meist durch Analyse der Bedürfnisse des Marktes und Erkennen allgemeiner Trends. Ausgangspunkte neuer Produkte können sein: - neue Produktfunktionen, - andere Wirkprinzipien, - neuartige Gestaltungen. Für die Auswahl weiter zu verfolgender Produktideen gibt es zahlreiche Methoden (siehe Kap. 2.2.3 und Kap. 5). Folgende Kriterien können angewendet werden: - Unternehmensziele, - hoher Umsatz/Gewinn, - hoher Marktanteil, - Funktionsvorteile für den Anwender.

Konstruktionsphasen - 17-2.1.3 Formulierung eines Produktvorschlags Die Produktidee ist in einem Produktvorschlag zu konkretisieren und zu präzisieren. Dabei werden die beabsichtigten Anforderungen allgemein beschrieben, d h. ohne zukünftige Lösungen vorwegzunehmen. 2.1.4 Klären der Aufgabe Jede Aufgabenstellung muss zu Beginn möglichst umfassend und vollständig geklärt werden, damit Ergänzungen und Änderungen auf das Notwendigste beschränkt werden, um Zeit, Kapazitäten und schließlich Kosten zu sparen. Die Konstruktion erhält die Aufgabenstellung in der Regel als internen oder externen Entwicklungsauftrag oder als Kundenauftrag. Meist enthält der Auftrag nicht alle notwendigen Informationen, so dass eine Phase der Informationsgewinnung/Abstimmung mit dem Auftraggeber notwendig ist. 2.1.5 Erarbeiten der Anforderungsliste Die Anforderungsliste dient der systematischen Zusammenstellung der wichtigsten Anforderungen an das neue Produkt und ist daher einer der wichtigsten Arbeitsschritte im methodischen Konstruieren. Dabei ist zu unterscheiden in: - Forderungen: müssen unter allen Umständen eingehalten werden, ohne deren Erfüllung eine Lösung nicht akzeptabel ist, - Wünsche: sollen nach Möglichkeit erfüllt werden, wobei ein begrenzter Mehraufwand zulässig ist. Die Forderungen und Wünsche sind mit Quantitäts- und Qualitätsaspekten zu formulieren: - Quantität: Anzahl, Stückzahl, Losgröße, Menge usw., oft auch pro Zeiteinheit wie Leistung, Durchsatz, Volumenstrom, usw. - Qualität: zulässige Abweichungen, besondere Anforderungen wie tropenfest, korrosionsbeständig, schocksicher usw.

Konstruktionsphasen - 18 - Die Anforderungsliste ist die verbindliche Arbeitsgrundlage für das gesamte Unternehmen und zwingt den Auftraggeber zur klaren Stellungnahme. Sie ist stets auf den neuesten Stand zu halten. Die Anforderungsliste werden meist mittels Formblätter erstellt (siehe Bild 2.2). Bild 2.2: Arbeitsschritte beim Planen und Konstruieren Bei komplexen Produkten empfiehlt es sich, die Anforderungsliste nach Teilsytemen, Funktionsgruppen oder Baugruppen zu gliedern. Die Anforderungen können nach Bild 2.3 in vier Gruppen unterteilt werden: - technische Anforderungen, - Fertigungsanforderungen, - wirtschaftliche Anforderungen, - Mensch-Produkt-Anforderungen. Bild 2.3: Umsetzen von Produktanforderungen in ein Produkt Zur Erfassung der Anforderungen sind in Tabelle 2.1 Leitlinien mit Hauptmerkmalen dargestellt.

Konstruktionsphasen - 19 - Tabelle 2.1: Leitlinien mit Hauptmerkmalen zum Aufstellen eine Anforderungsliste

Konstruktionsphasen - 20-2.2 Konzipieren Unter Konzipieren wird ein Konzept erarbeitet, das für die notwendigen Funktionen physikalische Prinzipien festlegt. Ausgehend von der Anforderungsliste ist durch Abstrahieren das wesentliche Problem zu formulieren und daraus die Gesamtfunktion abzuleiten. Meist ist dies sehr komplex und muss daher in Teilfunktion aufgegliedert werden, d. h. es wird eine Funktionsstruktur erstellt. Für die Teilfunktion können zunächst Lösungsprinzipien gesucht werden, die anschließend zu Prinzipkombinationen verknüpft werden. Dia am aussichtsreichsten erscheinenden Varianten werden ausgewählt und zu prinzipiellen Lösungsvarianten (Konzeptvarianten) konkretisiert. Den Abschluss der Konzeptphase bildet eine Bewertung nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien, die in der Festlegung der prinzipiellen Lösung (Konzept) und damit der Freigabe zum Entwerfen endet. 2.2.1 Abstrahieren zum Erkennen des wesentlichen Problems Die Anforderungsliste ist auf die geforderte Funktion und auf wesentliche Bedingungen hin zu analysieren, damit das wesentliche Problem hervortritt. Dabei empfiehlt sich das folgende schrittweise Vorgehen: 1. Gedankliche Wünsche weglassen. 2. Nur Forderungen berücksichtigen, die die Funktionen und wesentliche Bedingungen unmittelbar erfüllen. 3. Quantitative Angaben in qualitative umsetzen und dabei auf wesentliche Aussagen reduzieren. 4. Erkanntes sinnvoll erweitern. 5. Problem lösungsneutral formulieren. Bild 2.4: Abstrahieren und Formulieren des wesentlichen Problems am Beispiel eines Flaschenöffners

Konstruktionsphasen - 21 - Weitere Beispiele für eine zweckmäßige Abstraktion und Problemformulierung sind: - Entwerfe kein Garagentor, sondern suche einen Garagenabschluss, der es gestattet, einen Wagen diebstahlsicher und witterungsgeschützt abzustellen. - Konstruiere keine Passfederverbindung, sondern suche die zweckmäßigste Weise, Nabe und Welle zur Drehmomentübertragung formschlüssig zu verbinden. - Projektiere keine Verpackungsmaschine, sondern suche die beste Art, das Produkt geschützt zu versenden oder bei eingeschränkter Betrachtung, das Produkt schützend, raumsparend und automatisch zu verpacken. 2.2.2 Aufstellen von Funktionsstrukturen Für die Erstellung von Funktionsstrukturen ist es zweckmäßig, das Produkt, die Maschine usw. als technisches System mit einer Systemgrenze zu betrachten und die Ein- und Ausgangsgrößen des Systems zu analysieren. Technische Systeme dienen einem technischen Prozess, in dem Energien, Stoffe und Signale stets durch Energie-, Stoff- und/oder Signalflüsse mit den entsprechenden Quantitäts- und Qualitätsangaben beschrieben werden: - Energie: o Mechanische, thermische, elektrische, chemische, optische Energie, Kernenergie aber auch o Kraft, Drehmoment, Strom, Wärme Aber auch - Stoff: o Gas, Flüssigkeit, feste Körper, Staub, aber auch o Rohprodukt, Material, Prüfgegenstand, Behandlungsobjekt, Endprodukt, Bauteil, geprüfter oder behandelter Gegenstand - Signal: o Messgröße, Anzeige, Steuerimpuls, Daten, Information

Konstruktionsphasen - 22 - In der Regel ist der Fluss von besonderer Bedeutung. Dieser wird als Hauptfluss ausgewählt und dafür die Gesamtfunktion formuliert (Bild 2.5). Bild 2.5: Grundfunktion für das Beispiel Flaschenöffner Damit die anschließende Lösungssuche vereinfacht werden kann, wird die meist komplexe Gesamtfunktion in Teilfunktionen untergliedert (Bild 2.6). Bild 2.6: Aufgliedern in Teilfunktion Die Teilfunktionen können als aufgabenspezifische Funktionen, allgemein anwendbare oder logische Funktionen formuliert werden. Die sich an allgemeinen Merkmalen orientieren (Bild 2.7). Bild 2.7: Allgemein anwendbare Funktionen

Konstruktionsphasen - 23 - Die Tabelle 2.2 zeigt Beispiele für allgemein anwendbare Funktionen Tabelle 2.2: Beispiele für allgemein anwendbare Funktionen Sind die Teilfunktionen gefunden, werden sie durch eine Synthese zur Funktionsstruktur verknüpft. Dabei ist es hilfreich, mit dem Hauptfluss zu beginnen und zeitliche und/oder logische Zusammenhänge zu suchen. Anschließend werden die Nebenflüsse ergänzt (Bild 2.8). Bild 2.8: Funktionsstruktur für das Beispiel Flaschenöffner 2.2.3 Suche nach Lösungsprinzipien Für die in der Funktionsstruktur ermittelten Teil- und Einzellösungen sind nun die entsprechenden Wirkprinzipien zu erstellen, d. h. für jede Teillösung werden

Konstruktionsphasen - 24 - mögliche physikalische Effekte ermittelt (wie z. B. Hebelgesetz, Coulomsche Reibung, Auftrieb usw.), die das Problem prinzipiell lösen könnten. Ziel einer methodischen, systematischen Lösungsfindung ist es bekanntlich, früher einmal gemachte Beobachtungen systematisch zu aktivieren und zu Lösungsideen zu verknüpfen. Diese Vorgehensweise fordert vor allem die Kreativität des Konstrukteurs. Dieses schöpferische Denken ist jedoch von sehr vielen Unsicherheiten begleitet, d. h. es lässt sich nur sehr schwer vorhersagen, ob eine so gewonnene Lösung tatsächlich das gesteckte Ziel erreicht. Um zumindest die Wahrscheinlichkeit kreative Einfälle in genügend großer Zahl zu erhalten, wurden eine Reihe von Methoden zur ldeenfindung und Problemlösung entwickelt. 2.2.3.1 Allgemeine Einteilung Aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen lassen sich die einzelnen Methoden in drei Gruppen einteilen: Konventionelle Methoden: - Erfahrungsschatz - Literaturrecherche - Analyse natürlicher Systeme - Analyse bekannter technischer Systeme - Analogiebetrachtung Intuitive Methoden: - Brainstorming - Methode 635 - Delphi - Galerie - Synektik Diskursive oder systematische Methoden: - Systematische Untersuchung des physikalischen Geschehens - Systematische Suche mit Hilfe von Ordnungsschematas - Verwendung von Konstruktionskatalogen - Morphologie

Konstruktionsphasen - 25-2.2.3.2 Konventionelle Methoden Sie sind die von nicht in der systematischen Methode der Problemlösung geschulten Konstrukteuren angewandten Verfahren zur Ideenfindung. Der Nachteil liegt hauptsächlich in der mehr oder weniger zufälligen Lösungsfindung. Als Ergänzung oder Vorbereitung zu einer systematischen Betrachtungsweise sind sie aber durchaus geeignet. 2.2.3.2.1 Erfahrungsschatz Er beinhaltet alle im bisherigen Leben gesammelten und erlebten Erfahrungen des Konstrukteurs. Die so gefundene Lösung ist mehr oder weniger zufällig. 2.2.3.2.2 Literaturrecherche Der durch Studium von Fachbüchern, Fachzeitschriften, Patentliteratur, Werbeprospekte der Konkurrenz und zunehmend Datenbanken gewonnene Stand der Technik ermöglicht einen Überblick über bereits realisierte Lösungsprinzipien. Eine grundlegend neue Lösungsvariante ist hierdurch kaum zu erwarten. 2.2.3.2.3 Analyse natürlicher Systeme Das Studium von Strukturen, Organismen und Vorgängen aus der Natur brachten bereits einige neuartige technische Lösungen zustande. So profitierte z. B. die Leichtbauweise sehr stark von den Vorbildern aus der Natur (z. B. Dachkonstruktion des Olympiastadions in München). 2.2.3.2.4 Analyse bekannter technischer Systeme Eine solche Analyse besteht In einer gedanklichen oder realen Zerlegung bereits ausgeführter Produkte. Es ist damit eine Strukturanalyse, die nach dem logischen, physikalischen und gestalterischen Vorgehen bei der Herstellung einer bereits gefertigten Lösung sucht.

Konstruktionsphasen - 26-2.2.3.2.5 Analogiebetrachtung Durch Analogiebetrachtungen können Simulationsmodelle oder Modelle, die das gesuchte Systemverhalten aufweisen, untersucht werden. Eine Unterstützung hierbei bilden die bekannten Ähnlichkeitsgesetze. 2.2.3.3 Intuitive Methoden Wenn zur Lösungsfindung die Intuition herangezogen wird, sollte durch eine möglichst große Anzahl von Intuitionen" eine gewisse Inspiration für eine neuartige Lösung beim Konstrukteur erzeugt werden. Dies wird durch Einschalten von einer Gruppe gegenüber einer Einzelperson erreicht. Diese Problemlösungstechniken in der Gruppe sollten den einzelnen dazu zwingen, die Abschnitte des schöpferischen Denkprozesses bewusst zu durchlaufen. Hierdurch ist es möglich, die durch logisches und systematisches Denken aufgebauten Schranken zu durchbrechen. 2.2.3.3.1 Brainstorming Brainstorming (Gehirnsturm) ist die bekannteste und am häufigsten angewandte Problernlösungstechnik. Es handelt sich um eine Form des gemeinsamen Nachdenkens und der Ideenfindung über ein vorgegebenes Problem unter Leitung eines Diskussionsmoderators. Dabei gelten für die Teilnehmer folgende Regeln: - Keine Kritik - Quantität vor Qualität - Spinnen" erwünscht - Fortführen fremder Ideen jederzeit erlaubt und für den Moderator: - Überwacht die Regeleinhaltung - Dokumentiert die Ideen bzw. veranlasst es - Aktiviert die Teilnehmer bei Flauten - stellt Fragen - schafft Verbindungen zu früheren Ideen - äußert eigene Ideen

Konstruktionsphasen - 27 - Bild 2.9: Brainstorming Vorgehen und Ablauf Die Ergebnisse werden dann von den zuständigen Fachleuten auf mögliche Lösungsideen hin untersucht. Diese Lösungen sollten dann noch einmal in der Gruppe diskutiert werden, um so Missverständnisse zu vermeiden. 2.2.3.3.2 Methode 635 Diese Methode wurde aus dem Brainstorming entwickelt. Die Ideen werden hierbei nicht akustisch zum Ausdruck gebracht, sondern vom einzelnen Teilnehmer schriftlich festgehalten. Jedes Mitglied der aus 6 Teilnehmern bestehenden Gruppe schreibt 3 Ideen auf ein Blatt Papier, das in einer vorgegebenen Reihenfolge 5-mal weitergereicht wird. Aufbauend auf den vorliegenden Gedanken sollen dabei die Teilnehmer jedes Blatt um drei weitere Ideen zur Problemlösung ergänzen. Die Antworten der Teilnehmer sollen sich möglichst an die aufgezeichneten Ideen anlehnen und diese weiterentwickeln. Ein logischer Aufbau ist hierzu nicht unbedingt erforderlich. Es genügt, wenn nach genauer

Konstruktionsphasen - 28 - Durchsicht der bereits produzierten Ideen drei neue Gedanken zum gegebenen Problem entwickelt wurden. Bild 2.10: Methode 635 Vorgehen und Ablauf Bild 2.11: Methode 635 Vorteile und Nachteile

Konstruktionsphasen - 29-2.2.3.3.3 Delphi -Methode Bei dieser Methode werden entsprechend dem gleichnamigen Orakel für die Problemlösung kompetente Fachleute schriftlich befragt. Bei der ersten Runde wird nach einer spontanen Lösungsidee für das dargelegte Problem gefragt. In der zweiten Runde erhalten diese eine Liste der nun ausgearbeiteten Ideen zur kritischen Ergänzung. In der letzten Runde erhalten sie eine Endauswertung der beiden Ideenrunden, um eine Wertung dieser Lösungsvorschläge durchzuführen. 2.2.3.3.4 Galeriemethode: Sie bildet eine Kombination von Brainstorming und Delphi -Methode. In einer Einführungsphase wird durch den Gruppenleiter das Problem erläutert. Während der anschließenden 1. Ideenbildungsphase skizzieren die Gruppenmitglieder ihre Lösungsvorschläge. In der anschließenden Assoziationsphase werden diese Vorschläge in einer Art Bildergalerie allen Teilnehmern zur Diskussion vorgestellt. In der 2. Ideenbildungsphase werden die nun neu gewonnenen Vorschläge und Verbesserungen festgehalten. In der abschließenden Selektionsphase werden aus den so entstandenen Ideen erfolgsversprechende Lösungsansätze ausgewählt. 2.2.3.3.5 Synektik: Die Synektik (= Zusammenfügen) ist eine Verflechtungstechnik, die versucht, unterbewusst ablaufende Denkprozesse zu simulieren. Der entscheidende Aspekt dabei ist die Verfremdung des Problems. Dabei laufen folgende Arbeitsschritte ab: - Problemdefinition und Analyse - Spontane Lösungsvorschläge - Neuformulierung des Problems durch die Gruppe - Bildung direkter, persönlicher, symbolischer Analogien - Analyse der ausgewählten Analogien - Übertragung auf das Problem - Lösungsansätze

Konstruktionsphasen - 30-2.2.3.4 Diskursive Methoden Bei dieser systematischen Vorgehensweise werden die einzelnen Lösungsschritte bewusst, nachvollziehbar und steuerbar erarbeitet. Diese Methoden eignen sich vor allem für die endgültige Ausarbeitung der zuvor gefundenen Lösungsideen. 2.2.3.4.1 Systematische Untersuchung des physikalischen Geschehens Diese Methode kann dann angewendet werden, wenn für die Lösung bereits ein physikalischer Effekt bzw. die hierfür charakteristische physikalische Gleichung gegeben ist. Durch gezieltes Variieren der Einflussgrößen lassen sich dann verschiedene Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. 2.2.3.4.2 Systematische Suche mit Hilfe von Ordnungsschematas Vielfach lassen sich elementare Lösungen nach bestimmten Grundsätzen ordnen. Aus diesen Auflistungen lassen sich dann z. B. geeignete physikalische Prinzipien herauslesen. So stellte Koller u. a. das aufgeführte Schema für die physikalischen Effekte zusammen, die alle die Grundfunktion wandeln und vergrößern ermöglichen. Tabelle 2.3: Ordnende Gesichtspunkte: Energiearten, physikalische Effekte und Erscheinungsformen

Konstruktionsphasen - 31 - Tabelle 2.4: Ordnende Gesichtspunkte: Wirkfläche, Wirkbewegung, prinzipielle Stoffeigenschaften Bild 2.12: Allgemeiner Aufbau von Ordnungsschemata

Konstruktionsphasen - 32 - Bild 2.13: Ordnungsschema Wirkflächen von Wellen-Naben-Verbindungen 2.2.3.4.3 Verwendung von Konstruktionskatalogen Kataloge sind eine Sammlung von Lösungsmöglichkeiten für ein bestimmtes konstruktives Problem. So gibt es z. B. Konstruktionskataloge über Welle -Nabe -Verbindungen, Schraubenverbindungen usw. Die seit langem gebrauchten Wälzlagerkataloge der Hersteller fallen ebenfalls darunter. Als Beispiel sei hier ein Katalog für die konstruktive Aufgabe Kraft erzeugen" aufgeführt (Bild 2.14).

Konstruktionsphasen - 33 - Bild 2.14: Konstruktionskatalog - Kraftverstärkungen

Konstruktionsphasen - 34-2.2.3.4.4 Morphologie Sie soll durch systematische Ordnung die möglichst vollständige Erfassung aller möglichen Lösungsprinzipien bei komplexen Aufgaben ermöglichen. Das Hauptanwendungsgebiet liegt aber bei der systematischen Kombination von gefundenen Wirkprinzipien zu einer geschlossenen Wirkstruktur. Bild 2.15: Methode Morphologischer Kasten

Konstruktionsphasen - 35 - Bild 2.16: Morphologischer Kasten für Armbanduhren 2.2.4 Kombination von Lösungsprinzipien Bei der Vorlage genügender Lösungsprinzipien können einzelne Teilfunktionen gefunden werden, ihre sinnvolle Kombination ergibt die Gesamtlösung entsprechend der Funktionsstruktur. Die Prinzipkombinationen lassen sich ebenfalls in einem Ordnungsschema (auch Morphologischer Kasten genannt) übersichtlich durchführen (Bild 2.17 und Bild 2.18). Bild 2.17: Kombination von Lösungsprinzipien zu Gesamtlösungen (Prinzipkombinationen)

Konstruktionsphasen - 36 - Bild 2.18: Auszug eines Morphologischen Kastens für das Beispiel Flaschenöffner 2.2.5 Auswählen geeigneter Kombinationen Durch die systematische Kombination kann eine große Zahl von Gesamtlösungen erzeugt werden, die aber durch Unverträglichkeit eingeschränkt wird. In einem weiteren Schritt müssen die am Erfolg versprechendste Kombination ausgewählt werden. Dabei kann nach folgenden Kriterien verfahren werden: 1. Lösungen mit der Aufgabe und untereinander vertraglich (Kriterium A). 2. Forderungen der Anforderungsliste erfüllt (Kriterium B). 3. Realisierung mit ausreichender Wirkungshöhe, Größe, notwendiger Anordnung usw. möglich (Kriterium C). 4. Zulässiger Aufwand wird nicht überschritten (Kriterium D). 5. Unmittelbare Sicherheitstechnik gegeben (Kriterium E). 6. Lösungsart im eigenen Bereich bevorzugt (Kriterium F). Die Beurteilung erfolgt zweckmäßiger Weise mit einer Auswahlliste (Bild 2.19).

Konstruktionsphasen - 37 - Bild 2.19: Ausschnitt einer Auswahlliste zum methodischen Auswählen Bei der Erstellung der Auswahlliste ist folgendermaßen vorzugehen: 1. Lösungsvarianten eintragen (Nummer, Merkmal). 2. Jede Varianteeinzeln nach den Auswahlkriterien überprüfen: (+) ja (-) nein (?) Informationsmangel (!) Anforderungsliste überprüfen Bei Aussage nein nicht weiter beurteilen. 3. Beurteilung hinsichtlich entscheidender Kriterien als Bemerkung näher kennzeichnen. 4. Entscheidung fällen und in Entscheidungsspalte eintragen: (+) Lösung weiter verfolgen (-) Lösung scheidet aus (?) Informationen beschaffen, Lösung erneut beurteilen (!) Anforderungsliste auf Änderung überprüfen Um unnütze Arbeit zu ersparen, sollten im Entwicklungsprozess möglichst früh unbrauchbare Lösungen ausgeschieden werden.

Konstruktionsphasen - 38-2.2.6 Konkretisieren zu prinzipiellen Lösungsvarianten Die ausgewählten Prinzipvarianten sind in der Regel zu wenig konkret, um detaillierte Beurteilungen durchzuführen und damit eine Entscheidung über die Festlegung des Konzepts treffen zu können. Sie müssen daher zu prinzipiellen Lösungsvarianten (Konzeptvarianten) weiter konkretisiert werden. Eine Variante ist allerdings nur dann beurteilungsfähig, wenn sie nicht nur über qualitative Merkmale definiert ist, sondern auch über qualitative, z. B. Raumbedarf, Gewicht, Herstellungskosten usw. Dazu sind oft detailliertere Skizzen oder grobe Entwurfszeichnungen, orientierende Berechnungen, Grundversuche im Labor sowie Kosten-Schätzungen bzw. Kalkulationen notwendig. Vorgehensweise: 1. Anforderungsliste analysieren, Forderungen und Wünsche auch quantitativ beachten. 2. Prüfen, ob ein vorläufiges Aufstellen von Bewertungskriterien nützlich ist. 3. Prinzipielle Lösungen so weit konkretisieren, dass sie zu beurteilen sind. Beurteilungslücken vermeiden. 2.2.7 Bewerten nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien Die Lösungsvarianten, die ausreichend und auf vergleichbarem Niveau konkretisiert wurden, können nach technischen und Wirtschaftlichen Kriterien bewertet werden. Vorgehensweise: 1. Erkennen der entscheidungsrelevanten Eigenschaften: o Wichtige technische Eigenschaften sowie Mindestanforderungen und Wünsche aus der Anforderungsliste. o Mindestens ein Bewertungskriterium aus jeder Hauptmerkmalsgruppe anstreben. 2. Prüfen der Bedeutung (Gewicht) für den Gesamtwert der Lösung: o Nur Gleichgewichtiges Vergleichen oder bei stark unterschiedlicher Bedeutung Gewichtungsfaktoren festlegen. 3. Eigenschaften möglichst in quantitativen Kenngrößen beschreiben: o z. B. Leistung, Verbrauch, Anzahl usw.

Konstruktionsphasen - 39-4. Beurteilen der verschiedenen Varianten nach festzulegenden Wertvorstellungen: o Punktebewertung der Eigenschaften, z. B. 0 bis 4 Punkte. 5. Bestimmen des Gesamtwertes für jede Variante: o Ermittlung der technischen Wertigkeit durch Summenbildung unter Bezug auf den Idealwert. o Gegebenenfalls auch wirtschaftliche Wertigkeit 6. Vergleich der Varianten: o z. B. in technische/wirtschaftliche Wertigkeit W t /W W -Diagramm 7. Abschätzen der Beurteilungsunsicherheiten: o gegebenenfalls Korrektur vornehmen oder nahezu gleichwertige Varianten erneut mit verbessertem Informationsstand beurteilen. 8. Schwachstellenanalyse zur Verbesserung der favorisierten Variante(n): o Kennzeichen: Eigenschaften mit geringer Punktzahl. o Varianten mit gleichmäßiger Punktbewertung meist günstiger als solche mit stark unterschiedlichen. Vorgehensweise zur Bestimmung der technischen Wertigkeit W t : - Voneinander unabhängige Bewertungskriterien angeben (keine Doppelbewertung). - Möglichst gleiche Gewichtung anstreben. - Varianten neutral bezeichnen. - Stets Vorzüge als Bewertungsgrundlage wählen (z. B. geräuscharm, hoher Wirkungsgrad) - Punktebewertung: 4 Punkte: sehr gut, ideal 3 Punkte: gut 2 Punkte: ausreichend 1 Punkt: gerade noch tragbar 0 Punkte: unbefriedigend - Technische Wertigkeit: W P K ΣP P + P +... + P k 1 2 n t = = ( 2.1 ) ΣPid n * Pmax = Punktzahl für die jeweils bewertete Eigenschaft P max = maximal zu erzielende Eigenschaft n = Anzahl der bewerteten Eigenschaften

Konstruktionsphasen - 40 - Falls notwendig, Gewichtung der Eigenschaften vornehmen: W g K Σg P g P + g P +... + g P K k 1 1 2 2 n n t = = ( 2.2 ) ΣPid (g1 + g2 +... + gn ) n Pmax = Gewichtungsfaktor für die jeweils bewertete Eigenschaft - Beurteilung: W t > 0,8 recht gute Lösung W t 0,8 gute Lösung, aber punktuell verbessern W t < 0,6 unbefriedigende Lösung, auf jeden Fall verbessern Vorgehensweise zur Bestimmung der wirtschaftlichen Wertigkeit W w : - alleiniger Maßstab: Herstellkosten - Herstellkosten einer Variante H Variante werden auf Vergleichskosten H bezogen: W w = H 0 /H Variante mit H 0 = 0,7 H zulässig oder H 0 = 0,7 H Minimum der billigsten Variante. Wertigkeitsdiagramm (Stärkediagramm) VDI 2225 schlägt vor, beide Wertigkeiten in einem Wertigkeitsdiagramm darzustellen: auf der Abszisse wird die Technische Wertigkeit W t, auf der Ordinate die wirtschaftliche Wertigkeit W w aufgetragen (Bild 2.20). Bild 2.20: Wertigkeitsdiagramm nach VDI 2225

Konstruktionsphasen - 41-2.3 Entwerfen Die Konstruktionsphase Entwerfen erfolgt die konkrete Gestaltung, d. h. es werden Hauptabmessungen sowie Werkstoff und Fertigungsverfahren festgelegt, geometrische Verträglichkeit überprüft, Dimensionierungen vorgenommen, Teillösungen für Nebenfunktionen gesucht, Herstellkosten ermittelt usw. Im Einzelnen werden folgende Schritte durchlaufen (siehe Bild 2.1): - Grobgestalten: Form geben, Werkstoff wählen, berechnen - Auswählen geeigneter Grobentwürfe - Feingestaltung des vorläufigen Entwurfs - Bewerten nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien - Festlegung des vorläufigen Entwurfs, Freigabe zum abschließenden Gestalten - Beseitigung von Schwachstellen - Kontrollieren auf Fehler - Störgrößeneinfluss und Kostendeckung - Erstellen einer vorläufigen Stückliste - Fertigungs- und Montageanweisungen - Festlegen des endgültigen Entwurfs, Freigabe zum Ausarbeiten Bei dem Entwerfen werden im Vergleich zum Konzipieren mehr korrektive Arbeitsschritte getätigt, da sich Analyse- und Synthese-Vorgänge abwechseln und ergänzen. Durch die Komplexität dieser Phase müssen viele Tätigkeiten zeitlich parallel und iterativ durchgeführt werden. Ein strenger Ablauf lässt sich daher nicht allgemeingültig aufstellen, das Vorgehen ist dem Problem und dem Konkretisierungsniveau anzupassen. Grundsätzlich wird vorgegangen: - vom Qualitativen zum Quantitativen, - vom Abstrakten zum Konkreten, - von einer Grobgestaltung zu einer Feingestaltung.

Konstruktionsphasen - 42 - Bild 2.21: Arbeitsschritte beim Entwerfen

Konstruktionsphasen - 43 - Die notwendigen Überprüfungs- und Korrekturschritte sind in der Leitlinie mit Hauptmerkmalen beim Gestalten in Form einer Checkliste sehr hilfreich (Tabelle 2.5). Tabelle 2.5: Leitlinien mit Hauptmerkmalen beim Gestalten 2.4 Ausarbeiten In der der letzten Konstruktionsphase werden alle Unterlagen erstellt, die für die Herstellung, Montage, Vertrieb, Transport und Betrieb des Erzeugnisses benötigt werden.

Konstruktionsphasen - 44 - Dies sind im Einzelnen: - Gesamt- und Gruppenzeichnungen - Fertigungsgerechte Einzelteil- und Fertigungszeichnungen - Zusammenbauzeichnungen, Explosionszeichnungen - Stücklisten - Funktionsbeschreibungen - Montageanleitungen - Transporthinweise - Inbetriebnahmeanleitungen - Betriebsanleitungen, Bedienungsanleitungen - Wartungspläne, Wartungsvorschriften - Stromlaufpläne, Schaltpläne - Pläne für Kabel, Leitungen, Rohre, usw. Bild 2.22: Arbeitsschritte beim Ausarbeiten Diese Produktdokumentation ist von großer Bedeutung bei zertifizierten Qualitätsmanagementsystemen. Die Produktdokumentation ist unter Beachtung aller relevanter Normen und Richtlinien zu erstellen und stets aktuell zu halten.

Gestaltungsprinzipien - 45-3 Gestaltungsprinzipien Die übergreifenden Grundprinzipien für die Konstruktion stellen Strategien dar, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zweckmäßig und nicht immer in ihrer vollen Breite anwendbar sind. Es ist die Aufgabe des Konstrukteurs, das für seinen speziellen Anwendungsfall am Besten geeignete Gestaltungsprinzip auszuwählen. 3.1 Prinzip der Kraftleitung Bei den Aufgaben im Maschinenbau handelt es sich fast immer um die Erzeugung von Kräften sowie Bewegungen und deren Verknüpfungen. Das Grundprinzip ist hierbei die Eindeutigkeit der Funktion. Die Eindeutigkeit beinhaltet unter anderem die Forderungen nach statischer Bestimmtheit, Vermeidung von Doppelpassungen usw. Allgemein soll sie zu einer exakten Voraussage der Funktion und des Betriebsverhaltens der Maschine beitragen. 3.1.1 Prinzip des konstanten Kraftflusses Es wird auch als Prinzip der gleichen Gestaltfestigkeit bezeichnet. Ziel ist die gleiche beanspruchungsgerechte Auslegung der ganzen Konstruktion, was auch zu einer wirtschaftlichen Lösung führt. Bild 3.1: Vergleich Träger unterschiedlicher Querschnitte und gleichem Widerstandsmoment bei gleicher Belastung

Gestaltungsprinzipien - 46-3.1.2 Prinzip der direkten und kurzen Kraftleitung Um eine Kraft oder ein Moment von einer Stelle zu einer anderen zu leiten, ist der direkte und kürzeste Kraftleitungsweg der zweckmäßigste. Hierbei werden nur wenige Zonen belastet und der Werkstoffaufwand klein gehalten. Bild 3.2: Beispiel für die Krafteinleitung in das Fundament 3.1.3 Prinzip der abgestimmten Verformungen Bei Beanspruchung sollte die gegenseitige Abstützung durch jeweils gleichgerichtete Verformungen bei gleichzeitig möglichst geringer Relativverformung erfolgen. Bild 3.3: Beispiel der Kraftleitung in einer Schrumpfverbindung

Gestaltungsprinzipien - 47-3.1.4 Prinzip des Kraftausgleichs In der Konstruktion zusätzlich auftretende innere Kräfte sollten durch Ausgleichselemente oder symmetrische Anordnung auf möglichst kleine Zonen beschränkt werden. Dadurch werden Bauaufwand und Verluste gering gehalten. Bild 3.4: Kraftausgleich am Beispiel einer Strömungsmaschine, eines Getriebes und einer Kupplung 3.2 Prinzip der Aufgabenteilung Es bringt wirtschaftliche Vorteile, wenn mehrere Teilfunktionen durch den gleichen Funktionsträger erfüllt werden. So dient z. B. eine Getriebewelle zur Aufnahme der Lagerkräfte und Biegemomente, zur Übertragung des Drehmomentes und evtl. zur Abdichtung oder als Ritzelwelle, gleichzeitig als Zahnrad. Es ist jedoch immer darauf zu achten, dass die Lösungen für die einzelnen Teilfunktionen trotzdem einfach zu realisieren sind, sonst sind mehrere Funktionsträger oftmals wirtschaftlicher. Dieses oft auch als Einfachheit bezeichnete Prinzip zielt auf eine wirtschaftliche Lösung durch einfach herzustellende wenige Teile und eine einfache Gestaltung.

Gestaltungsprinzipien - 48 - Bild 3.5: Querschnitt durch einen Keilriemen Bild 3.6: Beispiel für Anordnung der Verzweigungsräder. Lastausgleich mittels Torsionswelle Bild 3.7: Planetengetriebe mit Leistungsverzweigung: Ritzel frei einstellbar

Gestaltungsprinzipien - 49-3.3 Prinzip der Selbsthilfe Der Sinn hierbei liegt in einer möglichst geschickten Auswahl der Lösungselemente und deren Anordnung. Die einzelnen Elemente sollen sich möglichst gegenseitig in Ihrer Wirkung unterstützen und somit die geforderte Funktion besser erfüllen. Dieses Prinzip lässt sich in drei Unterarten gliedern: 3.3.1 Selbstverstärkende Lösung Hierbei tritt bereits unter normalen Betriebsbedingungen die Hilfswirkung auf. Im Allgemeinen besteht eine feste Zuordnung zwischen der Hauptfunktion oder - belastung und der dadurch unterstützten Hilfswirkung. Der Vorteil liegt darin, dass die gerade wirkende Belastung auf die Bauteile proportional zum angreifenden Lastzustand ist. Bild 3.8: Selbstverstärkende reibschlüssige Schraubenverbindungen

Gestaltungsprinzipien - 50 - Bild 3.9: Selbstverstärkende Beispiele 3.3.2 Selbstausgleichende Lösung Die mit der Hauptgröße in fester Zuordnung stehende Nebengröße wirkt dieser entgegen. Das Ziel ist es, dass sich die Kräfte und Momente mit ihren resultierenden Beanspruchungen möglichst einander weitgehend aufheben. Durch diese definierte Zuordnung wird ein Ausgleich erreicht, der insgesamt zur Leistungssteigerung dient. Bild 3.10: Anordnung von Turbinenschaufeln auf dem Rotor