Sekundärer renaler Hyperparathyreoidismus - chirurgischer Part Dr. med. J. Rose
Definition Hyperparathyreoidismus ist kontinuierliche Mehrsekretion von Parathormon 1. Primärer Hyperparathyreoidismus - solitäres NSD-Adenom (80%) - Mehrdrüsenerkrankung( sporadisch, familiär, MEN) - NSD-Karzinom (0,4%) 2. Sekundärer Hyperparathyreoidismus - Niereninsuffizienz
gesunder Regelkreis
Ursachen chron. Niereninsuffizienz terminale Niereninsuffizienz Nierentransplantation Malabsorptionssyndrom (Mb. Crohn, Sprue) Vit.-D-Resistenz Vit.-D-Mangel Hohe Plasma-Phosphat-Konzentration
Pathophysiologie PTH Sekretion wird durch 3 Faktoren beinflusst: 1. Kalzium ( Erniedrigung steigert die PTH-Sekretion ) 2. Posphat ( Erhöhung steigert die PTH-Sekretion ) 3. Vitamin D³ ( Erniedrigung steigert die PTH-Sekretion ) Chronische Niereninsuffizienz: - Hypokalzämie, Hyperphosphatämie, Vitamin D³-Mangel Stimulation der PTH-Sekretion Mobilisierung der Kalziumspeicher ( Knochen )
pathologischer Regelkreis
Symptome renale Osteopathie Knochenschmerzen (Fersen, der BWS und der Schulter) Osteofibrose Osteomalazie Osteoporose Myopathie Kalziphylaxie (ischämische Hautnekrosen durch Gefäßverkalkung) Kalziumphosphatablagerung Myokard, Lunge Niere, Gefäße periartikulär
Diagnose Parathormon 1-100x erhöht Serum-Kalzium normal bis erhöht Serum-Phosphat erhöht alkalische Phosphatase erhöht Röntgen des Skelett (subperiostale Resorptionszonen) Knochenbiopsie (Fibroosteoklasie, Osteoidose) Calzitriol erniedrigt
Stadien-Einteilung Stadium 1 keine OP-Indikation Ca 2+ (2,1 2,6 mmol/l) < 2,6 Alka. Phosphatase (50 80 U/l) < 300 Röntgen normal Stadium 2 relative OP-Indikation (Klinik) Ca 2+ (2,1 2,6 mmol/l) < 2,6 Alka. Phosphatase (50 80 U/l) > 300 Röntgen subperiostale Resorption Stadium 3 absolute OP-Indikation Ca 2+ (2,1 2,6 mmol/l) > 2,6 Alka. Phosphatase (50 80 U/l) normal/ erhöht Röntgen normal/ subperiostale Resorption
Konservative Therapie Beschränkte diätetische Phosphatzufuhr Gabe von Phosphatbindern Kalzium-Substitution Vit.-D-Substitution Kalzimimetika Ca. 15 20 % aller Dialysepatienten müssen sich einer Parathyreoidektomie unterziehen. Die Notwendigkeit der OP steigt mit Dialysedauer. (nach 15 Jahren Dialyse um den Faktor 18 höher als in den ersten 5 Jahren)
OP Indikation kein PTH-Abfall trotz Vit.-D-Gabe PTH > 10-fach angestiegen Parathyreoideamasse > 1 g / > 500 mm³ Serum-Kalziumwert > 2,8 mmol/l persistierende Hyperkalzämie nach Nierentransplantation schwere Hyperphosphatämie Auftreten von Nierensteinen Biomechanische Probleme ( Frakturen, Sehnenabrisse ) Weichteilverkalkung Kalziphylaxie (ischämische Hautnekrosen durch Gefäßverkalkung) unstillbarer Pruritus, Knochenschmerzen, Spontanfrakturen,
Lokalisationsdiagnostik Die Exploration durch den erfahrenen Operateur führt in über 95 % zum Erfolg und ist damit der gesamten präoperativen Lokalisationsdiagnostik überlegen. Lokalisationsdiagnostik nur von Bedeutung im Rahmen von Rezidiveingriffen.
Lokalisationsdiagnostik (Erfolgsrate) Sonographie (25-75%) Nebenschilddrüsen-Szintigraphie (< 75%) (Sesta-Mibi-Szintigraphie) CT (< 50%) MRT (< 80%) CT-MIBI-SPECT Bildfusion (Single Photon Emission CT) virtuelle Halsexploration
SPECT-CT
Anatomie 1 meistens 4 Nebenschilddrüsen (NSD) 15% der Menschen > als 4 NSD (meist 5 oder 6) sehr selten nur 3 NSD NSD etwa 30-70mg schwer, 5x3x1mm groß. Gefäßversorgung überwiegend aus Ästen der A.thyreoidea inf., selten A. thyreoidea sup. NSD in Fettkapsel eingebettet Farbe: graugelb bei Kindern, später rötlich-braun, im Alter gelblich Schwimm -Test: Fett schwimmt in NaCl, NSD nicht
Anatomie 2 Obere NSD: aus 4. Schlundtasche hinter oberer SD (Nähe Eintritt N.recurrens in Memb. cricothyreoidea) meist kranial A.thyreoidea inf. und dorsal N.recurrens Lagevariabilität selten Untere NSD: aus 3. Schlundtasche ("überholen" obere NSD in Embryogenese) hinter unterer SD, in Nähe unterer SD-Pol oder in Bindegewebe zwischen SD und Thymus (Lig.thyreothymicum) meist kaudal A.thyreoidea inf. und ventral N.recurrens Ausgeprägte Lagevariabilität (oft im Thymus, da ebenfalls aus 3. Schlundtasche)
Operation erste erfolgreiche Operation 30.07.1925 durch Dr. F. Mandl in Wien ab 60er Jahre Standard -OP nach Stanbury und Fordham seit 90er Jahre Nebenschilddrüsenchirurgie minimal-invasiv
Technik Kocher-Kragenschnitt Präparation N.recurrens + A.thyroidea inf. Darstellung aller 4 NSD SD nach medial ziehen und dorsalen Raum + retropharyngeal + retrooesophageal darstellen (Präparation mit Babcock oder Ellis) zuerst obere NSD (geringe Lagevariabilität) dann kaudal: Kreuzung A.thyreoidea + N.recurrens Lig. thyreothymicum (häufig ektope Lokalisation) Thymushorn prätracheal, retrosternal (digital stumpfe Präparation)
Technik Kocher-Kragenschnitt Präparation N.recurrens + A.thyroidea inf. Darstellung aller 4 NSD SD nach medial ziehen und dorsalen Raum + retropharyngeal + retrooesophageal darstellen (Präparation mit Babcock oder Ellis) Überzählige Drüsen bei 15 % transcervikale Thymektomie + zentrale Halsdissektion nötig
Operationsverfahren totale Parathyreoidektomie (tptx) ( mit Autotransplantation ) subtotale Parathyreoidektomie (sptx)
totale NSD-Resektion tptx mit transcervicaler Thymektomie und Autotransplantation: Entfernung aller 4 NSD + Thymektomie normalste NSD in Kochsalz über Eis lagern (+4 C) Trennung in Milimeterstücke Transplantation 20 Gewebs-Stücke in M. brachioradialis Funktionsaufnahme nach 3-6 Monaten bei Niereninsuffiziens, Kalziphylaxie Vorteil: Rezidiveingriffe mit geringer Morbidität Gewebeauswahl mgl. Nachteil: längere p.o. Hypokalzämie Seeding intramuskulär bei Rezidiv Lokalisation schwierig (zervikal? mediastinal? Autotransplantat?)
Subtotale NSD-Resektion sptx (8/7) mit transcervicaler Thymektomie: Auswahl der kleinsten NSD Halbierung mit Klipp über (!) Gefäß, Rest als Biopsie zur histo. Untersuchung danach Entfernung aller übrigen NSD + Thymektomie bei nierentransplantierten Patienten Vorteil: kaum Hypokalzämie bei Rezidiv leichte Lokalisation verbliebene Rest kann normale FKT aufnehmen u. keine Rezidivgefahr bei guter Tranplantatfunktion Nachteil: Keine Gewebeauswahl Seeding zervikal bei zervikalem Rezidiv höhere Morbidität
Kryokonservierung Die Kältekonservierung von NSD-Gewebe ist eine Sicherheitsmaßnahme in der Chirurgie des shpt, die den Patienten vor einer lebenslangen notwendigen Substitution mit Kalzium und Vitamin D bewahren kann. Indikation zur Replantation : > 6 Monate substitutions bedürftige Hypokalzämie
Kryokonservierung Technik: entnommene Epithelkörperchen wird in 1x1x3mm Partikel geteilt Je 10 dieser Fragmente pro Röhrchen Insgesamt ca. 10 Röhrchen Aufbewahrung in flüss. Stickstoff (-196 C) Auftauvorgang im Wasserbad bei 37 C Retransplantation von ca. 30 Partikeln 66% erfolgreiche Funktionsaufnahme des Transplantates
Rezidiv-OP Rezidiv-OP nach beiden Verfahren technisch schwierig!! bei sptx lateraler Halsschnitt (medial der Gefäße, lateral des Sternocleidomastoideus ) Bei tptx OP in Sternotomiebereitschaft (ektope NSD) Entfernung des Autotransplantat: Entfernung in Lokalanästhesie, häufig infiltratives Wachstum des Transplantates Seeding schwierige Quantifizierung des zu belassenden Restes
OP Komplikationen Schluckbeschwerden, Heiserkeit, Atemprobleme, Nackenschmerzen (kurzfristig) Verletzung benachbarter anatomischer Strukturen (Ösophagus, Trachea, Gefäße) Nervenläsionen mit Taubheitsgefühl, Lähmungen, insbesondere Recurrensparese (<1% länger 6 Monate) - Einseitige Schädigung: Atem- und Schluckproblemen - Beidseitige Schädigung: Atemwegsverengung oder verschluss (Tracheotomie erforderlich) Blutungen und Nachblutungen Hypokalzämie (Hypoparathyreoidismus) - Sensibilitätsstörungen, Krämpfen Therapie mit Kalzium 3-4g/d und Vit. D3 (Rocaltrol ) bis zu 0,75 µg/d Allergien, Infektionen, Wundheilungsstg., Narben HPT-Persistenz (<5% bei >50% NSD nicht gefunden)
postoperativ Stunden p.o. - klinische Herz-Kreislauf-Überwachung - Laboruntersuchung mit Kalziumwert - Kontrolle von Verband und Wunddrainagen 1. Tag p.o. Entfernung der Wunddrainagen 2. Tag p.o. HNO-Untersuchung zur Stimmbandfunktion 3. - 4. Tag p.o. Entfernung des Hautfaden Vor Entlassung Besprechung des Befundes (Histologie) und Festlegen des weiteren Vorgehens in Koordination mit Hausarzt, Nephrologen und Endokrinologen.
Nachsorge Kalzium-Kontrolle mit ggf. Substitution Behandlung renaler Osteopathie mit Calzitriol PTH-Kontrolle ersten p.o. Tage 70% Besserung der Knochenschmerzen 90% Besserung der Allgemein-Symptomatik (Juckreiz, Muskelschwäche) innerhalb weniger Wochen Keine Rezidiv-Nephrolithiasis
persistierender shpt u. Rezidiv 1. Ein persistierender shpt liegt dann vor, wenn nach einer vorübergehenden Besserung innerhalb der ersten 6 Mo. Nach Erst-OP erneut typische Symptome oder Laborparameter auftreten. 2. Eine spätere neuerliche Manifestation gilt als Rezidiv. Ursachen: 1. belassener Drüsenrest zu groß 2. zurückgelassene überzählige Drüse 3. selten Überfunktion des Autotransplantats! Lokalisationsdiagnostik vor Reoperation!! Reoperation ist nach beiden Verfahren technisch schwierig!
Vielen Dank!