UNTERRICHTSBAUSTEIN Orientierungswoche Kompetenzmessung



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Transkript:

Schulversuch Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen von Jugendlichen ohne allgemein bildenden Schulabschluss im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) UNTERRICHTSBAUSTEIN Orientierungswoche Kompetenzmessung

Der Schulversuch Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen von Jugendlichen ohne allgemein bildenden Schulabschluss im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) verfolgt die Zielstellung, Jugendliche und junge Erwachsene den Zugang in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dabei stellen insbesondere die steigenden Anforderungen in den Ausbildungsberufen und eine veränderte Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eine zentrale Herausforderung für alle an beruflicher Bildung beteiligten Akteure dar. Der Schulversuch hat eine Laufzeit vom 01.08.2006 bis 01.07.2010. Impressum Herausgabe und Gestaltung Redakteur Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung von Sachsen-Anhalt (LISA) Riebeckplatz 09 06110 Halle (Saale) M. Spanneberg Layout Druck Auflage/Auflagenhöhe LISA Halle (Saale) 2007 2

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Inhaltsverzeichnis Seite Inhaltsverzeichnis... 3 Vorwort... 5 1 Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch... 6 1.1 Anliegen des Schulversuches... 6 1.2 Inhaltliche Begründung des Schulversuches... 17 1.3 Strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen... 18 2 Beispiele für Lehr- und Lernarrangements als Unterrichtsbausteine (USB)... 26 2.1 Unterrichtsbaustein: Orientierungswoche /Kompetenzmessung... 26 2.1.1 BbS III Dessau-Roßlau/Außenstelle Bitterfeld... 28 2.1.2 BbS Schönebeck... 45 2.1.3 BbS I Stendal... 69 3

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch 4

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Vorwort Ein wesentliches Ziel der Berufsbildung in Sachsen-Anhalt ist es, allen Jugendlichen, die dies wünschen und dazu auch in der Lage sind, ein Angebot auf Ausbildung bzw. Qualifizierung anzubieten. Die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Übergang junger Menschen in Ausbildung und Beruf haben sich allerdings in den letzten Jahren zunehmend schwieriger gestaltet. Jugendliche mit schlechteren Startchancen sind vom Mangel an Ausbildungsplätzen besonders stark betroffen. Für sie müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, um ihnen eine Chance in der Berufs- und Arbeitswelt zu geben. Von zentraler Bedeutung ist deshalb die Verbesserung der Ausbildungsreife, der Berufsorientierung und der Vorbereitung auf Ausbildung und Beruf. Dabei geht es um eine Förderung und Qualifizierung, die an den individuellen Erfordernissen und Kompetenzen der Jugendlichen ansetzt und auf die betriebliche Praxis ausgerichtet ist. Orientiert an diesen Zielsetzungen wurden im Schulversuch zur Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen von Jugendlichen ohne allgemein bildenden Schulabschluss im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) Förder- und Qualifizierungsangebote qualitativ und inhaltlich weiter entwickelt, besser miteinander verknüpft und effektiver und effizienter gestaltet. Die bisherigen Ergebnisse und Erfahrungen zeigen, dass mit dem Schulversuch insbesondere die Berufsvorbereitung strukturell und inhaltlich verbessert werden konnte. Beispiele zeigen sich in der Entwicklung und Erprobung eines spezifischen Curriculums, didaktischmethodisch aufbereiteten Unterrichtsbausteinen sowie dem Auf- und Ausbau von Kooperationsbeziehungen. Die vorliegende Broschüre UNTERRICHTSBAUSTEIN Orientierungswoche/Kompetenzmessung ist ein Ergebnis in der Entwicklung, Erprobung und Evaluation spezifischer Lehrund Lernarrangements für den Unterricht im BVJ. Sie dient als Empfehlung zur Gestaltung des Beginns eines Schuljahres. Weitere Veröffentlichungen in dieser Reihe zum Schulversuch mit den Themen Berufsfeld Projektaufgaben, Betriebspraktikum und Lernstandsdiagnose sind geplant. 5

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch 1 Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch 1.1 Anliegen des Schulversuches Noch immer gibt es in Sachsen-Anhalt eine große Anzahl von Jugendlichen ohne Schulabschluss. Im Schuljahr 2004/2005 1 verließen 11,8 % der Jugendlichen die allgemein bildenden Schulen ohne Abschluss (Vorjahr: 13,8 %). Hinzu kommt, dass dieser Anteil bei den Jungen mit rund 15 % immer noch fast doppelt so hoch ist wie bei den Mädchen (8 %). Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss bei etwa 8,2 % (Mädchen 6,0 %; Jungen 10,2 %). Dieses trotz leichter Verbesserungen anhaltende Problem fehlender schulischer Abschlüsse korrespondiert mit dem Problem vieler Unternehmen und Betriebe durch die stark nachlassende Ausbildungsreife der Jugendlichen Ausbildungsplätze nicht besetzen zu können. Die teilweise erheblichen Defizite der Jugendlichen in Bezug auf Ausbildungsreife und Berufsorientierung werden vermutlich noch einige Jahre beachtliche Probleme bereiten. Allerdings schließt fehlende Ausbildungsreife zu einem gegebenen Zeitpunkt nicht aus, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht doch erreicht werden kann. So ist es Anliegen im Schulversuch, die Verbesserung der Ausbildungsreife und der Berufsorientierung für Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen. Ausbildungsreife Die Diskussion um die hier angesprochene gesunkene Ausbildungsreife der Jugendlichen ist nicht erst vor ein paar Jahren aufgekommen, sondern so alt wie das Ausbilder - Auszubildenden - Verhältnis. Unter Ausbildungsreife wird, so der verbreitete Konsens, die Befähigung von Jugendlichen verstanden, eine Berufsausbildung aufzunehmen und erfolgreich abzuschließen 2. Als Belege für eine mangelhafte Ausbildungsreife werden nicht zuletzt die Ergebnisse der viel beachteten PISA-Studie herangezogen. Bisher fehlen jedoch gesicherte Erkenntnisse darüber, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten den Jugendlichen den Einstieg in eine Lehre und deren erfolgreichen Abschluss ermöglichen. Das Bundesinstitut für Berufsbildung, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wählten deshalb Ausbildungsreife zu einem Schwerpunktthema für ein Expertenmonitoring. 1 Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt, Berufsbildungsbericht 2006 für das Land Sachsen-Anhalt, vorgelegt im Mai 2007. 2 Ebinghaus, M. Erkenntnisse zu den schulischen Leistungsvoraussetzungen Jugendlicher. In J.Rützel, A. Sehrer und S. Ziehm (Hrsg.), Berufseignung und berufliche Anforderungen. Handlungsfelder Berufsvorbereitung und Berufsausbildung. Tagungsdokumentation im Auftrag des Hessischen Landesausschuss für Berufsbildung (Darmstädter Beiträge zur Berufspädagogik, Band 24) (S. 100-109). Alsbach/Bergstraße: Leuchtturmverlag 6

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Die befragten Expertinnen und Experten stammten aus Betrieben, Berufsschulen und überbetrieblichen Bildungsstätten, aber auch aus Kammern, Wirtschaftverbänden, Gewerkschaften, staatlicher Bildungsverwaltung, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Im Rahmen des Ausbildungspakts gelang es, eine einvernehmliche Festlegung darüber zu finden, was von Schulabgängern erwartet wird, bevor sie die Berufsausbildung beginnen. Dazu zählen: Zuverlässigkeit, die Bereitschaft zu lernen, die Bereitschaft, Leistung zu zeigen, Verantwortungsbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Beherrschung der Grundrechenarten, einfaches Kopfrechnen, Sorgfalt, Rücksichtsnahme, Höflichkeit, Toleranz, die Fähigkeit zur Selbstkritik, Konfliktfähigkeit, Anpassungsfähigkeit zu die Bereitschaft, sich in die betriebliche Hierarchie einzuordnen (Abbildung 1). Für den Schulversuch berücksichtigen wir den im Ergebnis des Expertenmonitorings entstandenen Kriterienkatalog 3 als eine Voraussetzung für die Umsetzung des Auftrages, die Schülerinnen und Schüler auf den Übergang in die berufliche Ausbildung, zur beruflichen Orientierung sowie zur Vermittlung grundlegender Kenntnisse über die Berufs- und Arbeitswelt vorzubereiten. Die im Katalog aufgeführten Merkmale und Standards erzeugen Transparenz und geben Orientierungen für spezifische berufliche Anforderungen. Die Lehrkräfte konnten anhand des Kriterienkatalogs mit den ausgewählten Indikatoren nachvollziehen, welche Voraussetzung von den Jugendlichen für eine berufliche Ausbildung mindestens erwartet werden. Die ausgewiesenen Merkmale konnten mit den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen der Jugendlichen in Beziehung gesetzt werden. 3 Bundesagentur für Arbeit: Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs - Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife. Februar 2006. 7

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Die Anwendung und Akzeptanz der am Schulversuch beteiligten Berufsbildenden Schulen für die im Kriterienkatalog zusammengefassten Merkmale und Standards zur Ausbildungsreife bildete die Basis für die Modifizierung der 2004 in Kraft gesetzten Rahmenrichtlinien. Damit wurde eine erste Zielstellung im Schulversuch erfüllt. Schwerpunktmäßig ging es darum, die Vermittlung der elementaren Kulturtechniken zu verbessern, da Kenntnisse in Rechnen, Lesen und Schrieben als elementare Merkmale von Ausbildungsreife verstanden werden. Neben der Verbesserung Abb. 1: Befragung Ausbildungsreife dieser Kenntnisse wurde auch auf die stärkere Ausrichtung zur Vermittlung von betriebswirtschaftlichen und informatischen Zusammenhängen gezielt. Zusätzlich sollten stärkere Realitätsbezüge zu den Berufsfeldern und höhere Aktualität garantiert werden. Mit der Modifizierung der Rahmenrichtlinien wurde auch die Stundentafel zur Gestaltung des Berufsvorbereitungsjahres überarbeitet. Zugunsten der Fächer Deutsch, Mathematik und Informatik wurde eine Erhöhung des Stundenumfangs vereinbart. Die in den Tabellen der Anlage 1 in diesem Kapitel 4 dargestellten Merkmale mit Indikatoren zur Ausbildungsreife aus dem Kriterienkatalog wurden mit Blick auf die Fächer Deutsch, Mathematik und Informatik geprüft. Die Frage war: Erfüllen die vorläufigen Rahmenrichtlinien die Anforderungen, die sich aus dem Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife ergeben? Dazu war analytische Arbeit in vier Kompetenzbereichen zu leisten, die durch Merkmale näher spezifiziert wurden: Schulische Basiskenntnisse Diesem Bereich werden Rechtschreibkenntnisse, die Fähigkeit zu lesen und der Umgang mit Texten und Medien, die mündliche Ausdrucksfähigkeit, mathematische Grundkenntnisse und die Kenntnisse grundlegender wirtschaftlicher Zusammenhänge zugeordnet. 4 Orientierungsrahmen zur Analyse der Rahmenrichtlinien für das BVJ 8

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Allgemeines intellektuelles Leistungsniveau Hierzu werden Konzentrationsfähigkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Merkfähigkeit, Einfallsreichtum, räumliches Vorstellungsvermögen, rechnerisches Denken und Sprachbeherrschung gerechnet. Physische und psychische Belastbarkeit Diesem Bereich werden die körperliche Funktionstüchtigkeit, Voraussetzungen zur Bewältigung eines 8-Stunden-Tages, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz und Stressbewältigung zugeordnet. Soziale und personale Kompetenzen Der vierte Kompetenzbereich setzt sich aus Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft, der Selbstorganisation beziehungsweise Selbstständigkeit, Berufswahlreife, Selbstsicherheit, der Kommunikations-, Konflikt- und Kritikfähigkeit, Teamfähigkeit und den Umgangsformen zusammen. Weil unternehmensinterne Tests und internationale Vergleichsstudien gezeigt haben, dass Jugendliche Schwierigkeiten bei der Beherrschung der Kulturtechniken haben, sollen diese vermehrt geübt werden sowie soziale und persönliche Kompetenzen stärker gefördert werden. Es bleibt die Frage zu beantworten: Wie können Kompetenzen grundsätzlich gemessen werden und welche Formen und Verfahren der Kompetenzmessung existieren? Kompetenzfeststellung In der gesamten beruflichen Bildung gewinnt der Begriff Kompetenz und damit verbunden Kompetenzfeststellung und Kompetenzentwicklung eine zunehmende Bedeutung. Als Kompetenz definiert man innere Voraussetzungen (Dispositionen), die jemand mitbringt, um in einer Situation selbstorganisiert zu handeln 5. Nicht das Wissen selbst, sondern die Anwendung steht im Vordergrund. Daneben umfasst die Kompetenz aber auch Emotionen, Einstellungen, Erfahrungen, Antriebe, Werte und Normen. Im Schulversuch ist die Kompetenzfeststellung konzeptionell verankert und zum festen Bestandteil der Durchführungsphase geworden. Wenn eine Kompetenz bei den Schülerinnen und Schülern gemessen werden soll, so muss man zunächst wissen wofür, d. h. für welche Tätigkeiten bzw. Situationen, Kompetenzen erfasst werden sollen. Dem Jugendlichen soll die Möglichkeit gegeben werden, die eigenen Fähigkeiten festzustellen, die Persönlichkeit zu stärken und somit Chancen für die persönliche und berufliche Integration in die Gesellschaft zu erhalten. Ziel ist es, die Jugendlichen darin zu unterstützen, ihren eigenen Entwicklungs- 5 Erpenbeck, John; Rosenstiel, Lutz von (2003): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen. Praxis. Stuttgart. 9

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch stand zu erkennen und Verantwortung für ihr Lern- und Arbeitsverhalten zu übernehmen. Ein wesentliches Merkmal ist die aktive Beteiligung der Jugendlichen selbst. Es werden Methoden eingesetzt, die handlungsorientierte Aufgaben und systematische Beobachtung vereinen. Für das weitere Verständnis sollen folgende Kompetenzen 6 betrachtete werden: Fachkompetenz: spezifisches Wissen, besondere sensomotorische Fertigkeiten und fachliche Urteilsfähigkeit, mit denen sich Herausforderungen der Arbeits- und Lebensbereiche sachkundig bewältigen lassen Methodische und instrumentelle Kompetenz: Beherrschung von Kulturtechniken, Verständnis im Umgang mit Informationstechnologien sowie kreatives Potenzial für die Problemlösung von Aufgaben, die vom alltäglichen Geschehen abweichen Personale Kompetenz: Befähigung zur adäquaten Einordnung persönlichen Erfahrungswissen, Entwicklung von Selbstbewusstsein und Identität, effektives Selbstmanagement sowie individuelle Dispositionen im Umgang mit Wissen Soziale und kommunikative Kompetenz: Ausdrucksfähigkeit, Teamfähigkeit, Fähigkeit zur situationsgerechten Selbstdarstellung sowie soziale Verantwortung im Sinne von Toleranz und Solidarität Inhaltliches Basiswissen: naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche und ethische Grundkenntnisse aus den Bereichen Geschichte, Literatur, Pädagogik, Politik, Mathematik, Biologie, Technik usw. Die angestrebte Kompetenzentwicklung bedingt eine Veränderung der Rollenverteilung zwischen Lehrenden und Lernenden: Lernende agieren selbstverantwortlich in pädagogisch gestalteten Lernumgebungen, Lehrende wirken als Moderatoren und Lernberater. Damit im Rahmen des Unterrichts Kompetenzen gefördert werden, braucht es Kompetenzdiagnosen, die die Stärken und Schwächen der Lernenden aufzeigen. Im Folgenden wird ein Überblick über mögliche Formen bzw. Verfahren der Kompetenzmessung aus dem Handbuch Kompetenzmessung 7 gegeben: Interviews: Der Durchführungsmodus von Interviews reicht von der völlig freien Gesprächsform über teilstrukturierte bis zu vollstrukturierten Varianten mit standardisierten Ablauf und Fragestellungen. 8 Einflüsse auf den Verlauf und die Ergebnisse von Interviews ergeben sich vor allem aus dem sozialen Aspekt der Interviewsituation und aus dem Grad der Strukturierung. Es empfiehlt sich, Interviews in möglichst strukturierter 6 Tippelt, R./Mandl, H./Straka, G.: Entwicklung und Erfassung von Kompetenz in der Wissensgesellschaft Bildungs- und wissenstheoretische Perspektiven. In: Gogolin, I./Tippellt, R. (Hrsg.): Innovation durch Bildung. Opladen. 2003. 7 Lang-von W ins, T./Kaschube, J./Wittmann, A./Rosenstiel, L. v.: Test zur beruflichen Orientierung und Planung (TOP-Test). In Erpenbeck, J./Rosensiel, L. v. (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart. 2003. 8 Schuler, H./Höft, S.: Diagnose beruflicher Eignung. In: Schuler, H. (hrsg.): Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen. 2004. 10

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Form und unter Einbeziehung von zwei Interviewern/Interviewerinnen durchzuführen. Generell gilt: Je klarer und genauer die formulierten Fragen sind und den zu erfassenden Kompetenzbereich bzw. kritische Bedingungen der Kompetenzausübung erfassen, desto besser sind sie einsetzbar. Man kann aber insgesamt davon ausgehen, dass das Wechselspiel der Anforderungen und die ihnen entsprechenden Kompetenzbereiche innerhalb eines Interviews nur schwer zu erfassen sind. Arbeitsproben: Unter Arbeitsproben werden standardisierte Aufgaben verstanden, die erkennbar äquivalente Stichproben von erfolgsrelevantem beruflichen Verhalten darstellen. 9 Sie zielen auf ein Arbeitsresultat ab, das auf der Grundlage einer Arbeitsanweisung oder Aufgaben- und Problemstellung gefordert wird. Die Abgrenzung gegenüber Leistungstests ist allerdings nicht immer eindeutig. Teilweise wird der Begriff ausschließlich für motorische Aufgaben verwendet. Bei der Realisierung einer Arbeitsprobe muss vorausgesetzt werden, dass bereits Erfahrungen für die durchzuführende Arbeit bestehen. Arbeitsproben sind dazu geeignet einzelne Qualifikationen abzubilden und konkret zu definieren. Seit der Verbreitung von Assessment-Center-Verfahren werden sie nur noch selten angewendet. Testverfahren: Sie stehen für eine große und heterogene Gruppe von Verfahrensweisen, die Unterschiede sowohl in ihrer inhaltlichen Ausrichtung als auch ihrer methodischen Konstruktion aufweisen. Inwieweit anhand von Testverfahren aber wirklich Vorhersagen über die Entwicklung oder die Ausprägung von Kompetenzen getroffen werden können, hängt von der Art des Tests und seinem Einsatz ab. Eine häufig vorkommende Klassifizierung von Testverfahren sind Intelligenztests, Leistungstests und Persönlichkeitstests. Biografieorientierte Methode: Die Grundidee ist es, die in der jeweiligen Vergangenheit erzielten Resultate - also früheres Verhalten und erreichte Ergebnisse für die Prognose künftigen Verhaltens zu verwenden. Dieses Prinzip machen sich unterschiedliche Verfahren zu Nutze, wie z. B. Sichtung von Bewerbungsunterlagen und andere Referenzen, Einstellungsinterviews, biografische Fragebögen. Selbsttests und Selbstbeurteilung: Im beruflichen Kontext wird unter Selbsteinschätzung eine Bewertung der eigenen Leistung verstanden. In Verbindung mit einem standardisieren Fragebogen werden verschiedene Facetten bestimmter Kompetenzen wahrgenommen. Für den Einsatz von Selbsteinschätzungsverfahren steht das Beispiel der Berufswahlberatung. Hier dient die Schärfung der Selbstreflexion und einschätzung hinsichtlich ihrer Neigungen, Interessen und Kompetenzen bzgl. möglicher Berufsfelder, um so Prozesse für die Berufsfindung anuzregen. 9 ebenda 11

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Assessment-Center-Verfahren: Hierbei handelt es sich um ein Verfahren zur qualifizierten Feststellung von Verhaltensleistungen bzw. Verhaltensdefiziten. Mehrere Beobachter/Beobachterinnen führen das Verfahren gleichzeitig mit vorher definierten Anforderungen bei mehreren Teilnehmern/Teilnehmerinnen durch. In einem Assessment Center werden mehrer Verfahren (Interviews, Tests, Arbeitsproben) kombiniert. Es werden insbesondere konkrete situative Übungen, die Verwendung von Gruppenübungen und Verhaltensbeobachtungen betont. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass es das Handeln im Rahmen bestimmter Situationen erschließt und die Kombination unterschiedlicher Techniken ermöglicht. Allerdings ist für diese Verfahren ein vergleichsweise hoher Personal-, Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Trotzdem wurde es als wichtiges Diagnoseverfahren thematisiert. Neben den vorgestellten Verfahren zur Messung von Kompetenzen existieren noch weitere Verfahrengruppen, wie computergestütze Kompetenzbeurteilungen. Die Ergebnisse einer Kompetenzfeststellung werden grundsätzlich in einem Bericht festgehalten. Dieser enthält mindestens die Beobachtungsergebnisse, die Bewertung und Empfehlungen für die weitere Förderung. Jedem Teilnehmer/jeder Teilnehmerin wird über das Ergebnis eine individuelle Rückmeldung gegeben. Das Feedback konzentriert sich auf Merkmale und Verhaltensweisen, die im situativen Kontext der Kompetenzfeststellung auch ersichtlich waren. Die Rückmeldungen verlaufen in einem Klima der Wertschätzung und Achtung. Sie setzen bei den Kompetenzen und Stärken an, schützen die Würde der Schülerinnen und Schüler und sollen tatsächliche Möglichkeiten für die persönliche und berufliche Entwicklung aufzeigen. Die in einer Kompetenzfeststellung gewonnenen Ergebnisse und Anhaltspunkte werden in einer professionellen Form der Bildungsbegleitung aufgegriffen und umgesetzt. Planung und Umsetzung erfolgen in enger Kooperation im Team der beteiligten Lehrkräfte. Pädagogische Ansätze Bei der Entwicklung und Erprobung spezifischer Lehr- und Lernarrangements wurde stets berücksichtigt: Jede Förderung setzt an den vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen der Jugendlichen an, sie zu stärken und zu fördern steht im Zentrum aller Angebote. Dies bedeutet, nicht die Defizite der Jugendlichen waren Ausgangspunkt des pädagogischen Handelns, sondern die Fähigkeiten und Stärken sollten in allen Lernprozessen aufgegriffen werden. Die zu entwickelnden Konzepte wurden stärker auf die beschriebene Zielgruppe auszurichten, entsprachen den individuellen Bedürfnisse der Lernenden und trugen den Bedingungen, unter denen das Lernen stattfand, Rechnung. Dabei war unbedingt zu berücksichtigen, dass 12

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch die genannte Zielgruppe bereits über Fähigkeiten formaler Lerntätigkeiten verfügte, die zu aktivieren waren und wenn möglich, mit nicht-formaler und informeller Lerntätigkeit zu ergänzen. Orientierung auf individuelle Bedürfnisse und Ziele der Lernenden bedeutet, ihre gesamte Lebenswelt in den Mittelpunkt des Lernprozesses zu stellen. Die Lebenswelt der jungen Menschen besteht nicht nur aus den Bereichen Arbeit und Schule. Vielmehr muss die familiäre Situation, die Freizeitgestaltung, die sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen und das soziale Umfeld berücksichtigt werden. In diesem Prozess geht es um die Herausbildung und Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Stärken, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, eigene Ziele, Wünsche und Bedürfnisse zu entwickeln und zu verwirklichen. Daher sind in erster Linien ganzheitliche Lernprozesse angesprochen. Die ganzheitliche Wahrnehmung von Jugendlichen schließt die Feststellung ein, dass Lernen nicht nur ein kognitiver Prozess ist, sondern psychosoziale Aspekte berücksichtigt. Es wurde deshalb über das berufliche Lernen hinaus soziales und personales Lernen im Blick behalten. Elemente der Berufspädagogik wurden mit Elementen der Sozialpädagogik verknüpft. Ein zentraler Aspekt wurde infolgedessen das soziale und personale Lernen. Um den Jugendlichen die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit ihren eigenen Erfahrungen auseinanderzusetzen, wurden individuelle soziale Erfahrungen, Meinungen und Vorstellungen zum inhaltlichen Gegenstand des Lernens gewählt. Lernen und Arbeiten in Gruppen, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, die Fähigkeit zu Kommunikation und die Bereitschaft, sich mit Problemen auseinanderzusetzen sind unverzichtbare Qualifikationen für ein künftiges Berufsleben. So trägt ganzheitliches Lernen gleichzeitig dazu bei, individuelle und kollektive Handlungsweisen zur Durchsetzung von Interessen und Rechten zu entwickeln und die Interessen und Rechte anderer zu akzeptieren. Um diesen ganzheitlichen und lebensweltorientierten Lernprozess zu unterstützen, wurden Projekte entwickelt und aufgebaut. Ein weiteres didaktisches Leitprinzip ist das handlungsorientierte Lernen. Innerhalb dieses Leitprinzips sind verschiedene Methoden zur Realisierung möglich, z. B. Projektmethode, Leittext-Methode, Selbstgesteuertes Erfolgreiches Lernen (SEL), Fallstudien, Lehrgespräch, Diskussion u. A. Als Maßstab für die Auswahl der Methoden dient die Frage, ob sie den Grundsätzen des handlungsorientierten Unterrichts entsprechen: Didaktische Bezugspunkte sind Situationen, die für die Berufsausbildung bedeutsam sind (Lernen für Handeln) Den Ausgangspunkt des Lernens bilden Handlungen, möglichst selbst ausgeführt oder aber gedanklich nachvollzogen (Lernen durch Handeln) Handlungen müssen von den Lernenden möglichst selbstständig geplant, durchgeführt, überprüft ggf. korrigiert und schließlich bewertet werden 13

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Handlungen sollten ein ganzheitliches Erfassen der beruflichen Wirklichkeit fördern, z. B. technische, sicherheitstechnische, ökonomische, rechtliche, ökologische, soziale Aspekte einbeziehen Handlungen müssen in die Erfahrungen der lernenden integriert und in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen reflektiert werden Handlungen sollen auch soziale Prozesse, z. B. der Interessenerklärung oder der Konfliktbewältigung, einbeziehen Die konsequente Zerlegung der Unterrichtsprozesse in die sechs Schritte einer vollständigen Handlung (Abb. 2) regen die Jugendlichen an, möglichst mit allen Sinnen selbstständig zu lernen. Am Beispiel der Leittext-Methode soll dieses Modell der vollständigen Handlung kurz umrissen werden: Die Handlung des Jugendlichen, der selbstständig eine Aufgabe lösen muss, lässt sich in sechs Schritte unterteilen. Diese sechs Stufen beschreiben den Arbeitsablauf, die die Jugendlichen bei der selbstständigen Bearbeitung von Arbeitsaufträgen immer wieder durchlaufen. Sie verfügen damit über ein System, mit dem sie alle neuen Aufgabenstellungen strukturiert bearbeiten können. Mit dieser Methode wird eine weitgehende Verknüpfung von Theorie und Praxis ermöglicht. Bereits vorhandene Kenntnisse werden in der praktischen Arbeit veranschaulicht und prägen sich dadurch besser ein. Praktische Aufgabenstellungen fördern die Bereitschaft, sich theoretische Kenntnisse neu anzueignen bzw. bereits erworbenes Wissen aufzufrischen und zu wiederholen. Schwierigkeiten mit schulischen Lernformen, mit der Konzentrationsfähigkeit im Unterricht und mit dem Einprägen abstrakt vermittelten Theoretischen Wissens treten dann nicht auf, wenn der Anwendungsbezug direkt vor Augen steht und praktische Aufgaben zum Anlass genommen werden, sich mit der Theorie zu befassen. 14

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Was soll getan werden? Leitfragen Was kann ich beim nächsten Mal besser machen? 6. Bewerten 1. Informieren Wie kann ich vorgehen? Arbeitsplan 2. Planen Ist der Auftrag sachgerecht ausgeführt, das Ziel erreicht? 5. Kontrollieren 3. Entscheiden Für welchen Weg entscheide ich mich? Welche Mittel benötige ich? 4. Ausführen Wie setze ich meinen Plan unter den gegebenen Bedingungen um? Abb. 2: Modell der vollständigen Handlung 10 1. Informieren: Mithilfe von Leitfragen verschaffen sich die Jugendlichen eine Orientierung über den Arbeitsauftrag. Als Informationsquellen dienen übliche Ausbildungsmedien wie Fach- und Tabellenbücher, Bedienungsanleitungen, Zeichnungen, Modelle, Videos, Filme. Darüber hinaus informieren sie sich bei den Lehrkräften oder anderen Fachleuten. Leitfragen: beziehen sich auf den Handlungsablauf und die auszuführenden Tätigkeiten zielen auf eine Arbeitsteilung innerhalb der Gruppenarbeit werden konkret formuliert und berücksichtigen die individuellen Voraussetzungen rufen Arbeitssicherheitsvorschriften und Umweltaspekte immer wieder ins Gedächtnis 10 Bundesinstitut für Berufsbildung (BBBB): Leittexte. Ein Weg zu selbständigem Lernen. Teilnehmer-Unterlagen. 2. völlig überarbeitete Auflage. Seminarkonzepte zur Ausbilderförderung. Berlin. 1991. 15

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch 2. Planen: Durch die Leitfragen entwickeln die Lernenden selbstständig in Einzeloder Gruppenarbeit einen Arbeitsplan. Arbeitsschritte und Reihenfolge werden vorgegeben. Der Schwierigkeitsgrad wird kontinuierlich gesteigert. Der Arbeitsplan ist eine gedankliche Vorwegnahme des Arbeitsablaufes. Alle notwendigen Werkzeuge, Maschinen und Werkstoffe werden berücksichtigt. Als Ergebnisse entstehen auch Material- und Werkzeuglisten und Bestellungen. 3. Entscheiden: Die entwickelte Vorgehensweise wird mit der Lehrkraft besprochen. Nach einer gemeinsamen Beratung liegt als Ergebnis ein Arbeitsplan vor, den beide Seiten akzeptieren. Unklarheiten oder Meinungsverschiedenheiten werden besprochen. 4. Ausführen: Die Lernenden führen die Arbeiten weitestgehend selbstständig aus und unterstützen sich gegenseitig. Einzelne Übungen oder Abläufe können durch Vormachen gezeigt werden, allerdings nicht in Form einer Unterweisung, sondern als Ergänzung zu dem, was die Lernenden vorher selbst erarbeitet haben. 5. Kontrollieren: Durch Selbstkontrolle überprüfen die Lernenden, ob die Arbeit fachgerecht und unter Berücksichtigung von Qualitätsstandards ausgeführt wurde. Die Einschätzung des eigenen Lernfortschritts wird erleichtert. Durch andere Lernende kann die Selbstkontrolle ergänzt werden. Dies fördert die Eigenverantwortung der Gruppe. 6. Bewerten: Um eine Übersicht über den Leistungsstand zu erhalten, sollten nicht Noten vergeben werden sondern Prüfungsstücke oder Prüfungsaufgaben gestellt werden. Übliche kenntnisorientierte Fragen werden durch handlungsorientierte Fragen abgelöst, die dann auch nach den in Prüfungen üblichen Kriterien bewertet werden. Die Fragen werden im Team von Lernenden, Lehrenden und ggf. sozialpädagogischen Kräften gemeinsam entwickelt 16

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch 1.2 Inhaltliche Begründung des Schulversuches In Sachsen-Anhalt wurden mit Beginn des Ausbildungsjahres 2004/05 neue Rahmenrichtlinien für das BVJ zur Erprobung an den berufsbildenden Schulen in Kraft gesetzt. Im Zusammenhang mit den auf Bundesebene neu geordneten Rahmenlehrplänen für die duale Berufsausbildung wurden die bis dahin gültigen Rahmenrichtlinien für das BVJ generell überarbeitet. Für die Rahmenrichtlinien wurde ein Ansatz gewählt, der durch unterschiedliche Strukturen in den verschiedenen Lernbereichen gekennzeichnet ist. Der berufsfeldübergreifende Lernbereich mit den Fächern Deutsch/Kommunikation, Sozialkunde, Sport und Religion oder Ethik ist fachsystematisch dargestellt. Der berufsfeldbezogene Lernbereich ist nicht mehr nach fachsystematisch aufgebauten Lerngebieten, sondern nach Lernfeldern strukturiert. Als Wahlpflichtkurse sind die Lernbereiche Mathematik, Grundlagen der Informatik, Berufs-, Arbeits- und Wirtschaftswelt sowie Englisch ausgewiesen. Diese Kurse werden in Abhängigkeit der Vorleistungen der Schülerinnen und Schüler, den Wünschen und Neigungen und den personellen und materiellen Ressourcen eingerichtet. Die inhaltlichen Schwerpunkte für die Gestaltung des Schulversuches werden abgeleitet aus: dem Erfassen vorhandener grundlegender, fachbezogener und fächerübergreifender Kompetenzen zum Ende der Pflichtschulzeit und deren Anschlussfähigkeit für die berufliche Vorbereitung im BVJ (Kompetenzanalyse), dem Entwickeln eines spezifischen Curriculums auf der Grundlage der modifizierten Stundentafel und der Berücksichtigung des Literacy-Konzepts für den berufsfeldübergreifenden Lernbereich, dem Verbessern der Qualität des Lehrens und Lernens zur Ausprägung von Basiskompetenzen durch Entwickeln, Erproben und Evaluieren der Lehr- und Lernkonzepte, dem Erwerben des Hauptschulabschluss bzw. der Ausbildungsreife, dem Entwickeln, Erproben und Evaluieren spezifischer Formen und Themen der Fortbildung von Lehrkräften. 17

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch 1.3 Strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen Der Schulversuch verläuft in mehreren Phasen (Abb. 3). Bestandteil aller drei Phasen ist die prozessbegleitende Evaluation. Durch gezielte Transfermaßnahmen sollen die Verbreitung und strukturelle Verankerung transferwürdiger und transferfähiger Ergebnisse bei der Erprobung der modifizierten Rahmenrichtlinien nebst Stundentafel für das BVJ unterstützt werden. Da die Ergebnisse aus dem bisherigen Verlauf des Schulversuchs allein im Rahmen der Transferphase noch keine strukturverändernden Wirkungen haben können, geht es in erster Linie darum, innovative Ansätze der beruflichen Vorbereitung für eine breitere Nutzung aufzubereiten und zu empfehlen. Durch das LISA werden transferfähige und transferwürdige Ansätze gebündelt und zielgerichtet weiterentwickelt bzw. angepasst. Dadurch wird sichergestellt, dass die Kontinuität des Erfahrungs- und Prozesswissens sowie der Produkte aus der Schulversuchsarbeit sicher erstellt werden und vorhandene Potenziale Transfer gerichtet entwickelt und vorgehalten werden. Das übergeordnete Ziel des Transfervorhabens besteht darin, die positiven Entwicklungserfahrungen und Ergebnisse sowie die entstandenen Materialien zu verbreiten und die angestrebten Strukturverbesserungen der beruflichen Benachteiligtenförderung zu stärken. Zu diesem Zweck werden im Detail die folgenden Teilziele angestrebt: - stufenweise Ausweitung auf weitere Schulen - ab Schuljahr 2007/08 Ausbau auf 12 Schulen, - ab Schuljahr 2008/09 Ausbau um 6 Schulen und - ab Schuljahr 2009/10 werden alle 23 BVJ führenden Schulen am Schulversuch teilnehmen. - Erprobung weiterer Unterrichtsbaustein sowie Strategien und Strukturen zur Stärkung der Schulentwicklung, - Anpassung der neuen Rahmenrichtlinien im berufsfeldbezogenen Lernbereich an die berufliche Vorbereitung, - umfängliche Fortbildung der Lehrkräfte und Integration in die Fortbildung von Schulleiterinnen und Schulleitern. 18

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch P r o z e s s b e g l e i t e n d e E v a l u a t i o n 1. Phase 2. Phase 3. Phase E n t w i c k l u n g Strategien/Analysen/Konzepte Es werden entstehen: angepasste Rahmenrichtlinien mit modifizierter Stundentafel bei systematischer Einbeziehung des Literacy Konzepts verschiedene didaktisch-methodische Konzepte (Module) für ausgewählte Unterrichtssequenzen T r a n s f e r Es werden übertragen: curriculare Neuerungen auf verschiedenen Ebenen nachfrageorientierte Lehrerfortbildung zur Stärkung der Gestaltungskompetenz der Lehrkräfte E r p r o b u n g Es werden erprobt: innovative Lehr- und Lernarrangements und der Einfluss auf die Qualität des Unterrichts didaktisch-methodischen Konzepte mit Blick auf den berufsfeldübergreifenden Lernbereich und ausgewählten Berufsfeldern 2006 Aug./Sept. Abb. 3 : Phasen im Schulversuch 2007 Febr. 2010 Juli 19

Anlage 1: Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Orientierungsrahmen zur Analyse der Rahmenrichtlinien für das BVJ Merkmale Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Schulische Basiskenntnisse ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 1 Sie/er schreibt Texte in lesbarer handschriftlicher Form. 2 Sie/er kennt die Grundregeln der Rechtschreibung und Zeichensetzung und kann sie anwenden. 3 Sie/er kann häufig vorkommende Wörter richtig schreiben. 4 Sie/er kann Texte verständlich und zusammenhängend schreiben. 5 Sie/er kann formalisierte Texte verfassen: z. B. Brief, Lebenslauf, (Recht) Schreiben Lesen Sprechen und Zuhören math. Grundkenntnisse Zahl Bewerbungsanschreiben, Ausfüllen von Formularen. 6 Sie/er gestaltet Texte dem Zweck entsprechend und adressatengerecht, sinnvoll aufgebaut und strukturiert. 7 Sie/er verfügt über grundlegende Lesefertigkeiten 8 Sie/er kann Wortbedeutungen klären 9 Sie/er kann die zentrale Aussage eines Textes erfassen und Informationen zielgerichtet entnehmen. 10 Sie/er kennt und nutzt Verfahren zur Textaufnahme: Stichwörter formulieren, Texte und Textabschnitte zusammenfassen. 11 Sie/er kann Informationsquellen nutzen 12 Sie/er kann sich verständlich in der Standardsprache Deutsch äußern. 13 Sie/er verfügt über einen für das Bewältigen von Alltagssituationen angemessenen Wortschatz. 14 Sie/er kann sich durch gezieltes Fragen notwendige Informationen beschaffen. 15 Sie/er kann Sachverhalte zusammenhängend darstellen: z. B. von einem Praktikum berichten, über einen Arbeitsplatz informieren, eigene Freizeitaktivitäten beschreiben. 16 Sie/er kann Rechengesetze (Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren, Dividieren) anwenden. 17 Sie/er beherrscht Prozent- und Bruchrechnung. 18 Sie/er führt einfache Berechnungen (z. B. Kleines Einmaleins) und Überschlagsrechnungen im Kopf durch. 19 Sie/er kann einfache Textaufgaben lösen. 20 Sie/er beherrscht die Dreisatzrechnung. 21 Sie/er kann Längen, Flächen und Volumina bestimmen. Messen 22 Sie/er wählt Maßeinheiten von Größen situationsgerecht aus (insbesondere für Zeit, Masse, Geld, Länge, Fläche, Volumen und Winkel) und kann sie umwandeln. 23 Sie/er zeichnet und konstruiert geometrische Figuren unter Verwendung angemessener Hilfsmittel, Raum/Form wie Zirkel, Lineal, Geodreieck. 24 Sie/er versteht einfache graphische Darstellungen und Tabellen. Daten wirtsch. Grundkenntnisse 25 Sie/er kennt das wirtschaftliche Ziel unternehmerischen Handelns. 26 Sie/er hat ein Grundverständnis von Pflichten und Rechten aus Verträgen und Geschäften (Ausbildungsvertrag, Kaufvertrag). 27 Sie/er kennt die gängigen Arten des Zahlungsverkehrs. 28 Sie/er kennt die Bedeutung wirtschaftlicher Grundbegriffe (Angebot, Nachfrage, Preis, Umsatz, Gewinn, Steuern). 20

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Merkmale Sprachbeherrschung Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Psychologische Leistungsmerkmale ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 1 Dem psychologischen Leistungsmerkmal Sprachbeherrschung als Vorraussetzung für Ausbildungsreife sind jene Indikatoren/Kriterien zuzuordnen, die für die schulischen Basiskenntnisse (Recht)Schreiben, Lesen sowie Sprechen und Zuhören verlangt werden. Werden Defizite in diesen Kenntnissen und Fertigkeiten festgestellt, ist durch psychologisches Fachpersonal auf der Ebene des Psychologischen Leistungsmerkmals Sprachbeherrschung zu klären, wo die Gründe liegen und in welcher Weise eine Förderung möglich ist. Deshalb werden an dieser Stelle keine eigenen Indikatoren/Kriterien genannt. Rechnerisches Denken Logisches Denken 2 Dem psychologischen Leistungsmerkmal Rechnerisches Denken als Vorraussetzung für Ausbildungsreife sind jene Indikatoren/Kriterien zuzuordnen, die für die schulische Basiskenntnis Mathematische Grundkenntnisse verlangt werden. Werden Defizite in diesen Kenntnissen und Fertigkeiten festgestellt, ist durch psychologisches Fachpersonal auf der Ebene des Psychologischen Leistungsmerkmals Sprachbeherrschung zu klären, wo die Gründe liegen und in welcher Weise eine Förderung möglich ist. Deshalb werden an dieser Stelle keine eigenen Indikatoren/Kriterien genannt. 3 Die Anforderungen an das Psychologische Leistungsmerkmal Logisches Denken als Voraussetzung für Ausbildungsreife betreffen Denk- und Handlungsvorgänge sehr einfacher Art. Ein Defizit bezüglich dieses Merkmals wird bei einer Reihe anderer Merkmale zur Nichterfüllung der jeweiligen Kriterien führen. Deshalb werden an dieser Stelle keine eigenen Indikatoren/Kriterien genannt. Räumliches Vorstellungsvermögen Merkfähigkeit 4 Sie/er kann räumliche Geometrieaufgaben lösen. 5 Sie/er kann sich an Hand von Zeichnungen räumliche Gegenstände vorstellen. 6 Sie/er kann sich an Hand eines Grundrisses das Haus vorstellen. 7 Sie/er kann den Weg von der Wohnung zur Schule/Kirche/zum Kaufhaus nachvollziehbar aufmalen. 8 Sie/er kann sich an Hand von Zeichnungen Bewegungsabläufe vorstellen. 9 Sie/er kann sich in (Land-, Straßen-)Karten mit großem Maßstab orientieren. 10 Sie/er kann Zusammenhänge erkennen, die in einer Graphik mit Pfeilen dargestellt sind 11 Sie/er kann Arbeitsaufträge auch nach längerer Zeit wiederholen 12 Sie/er kann sich an die räumliche Lage von Gegenständen erinnern. 13 Sie/er weiß nach längerer Zeit noch, welches Werkzeug sie/er bei einer bestimmten Aufgabe verwendet hat. 14 Sie/er behält eine Wegbeschreibung beim ersten Mal, obwohl der Weg einige Abbiegungen enthält. 15 Sie/er kann den Inhalt einer Bedienungsanleitung (Montageanleitung) rasch und sicher behalten. 21

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Merkmale Bearbeitungsgeschwindigkeit Befähigung zur Daueraufmerksamkeit Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Psychologische Leistungsmerkmale ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 16 Sie/er kann Aufgaben, die wenig Überlegung fordern, zügig abarbeiten. 17 Sie/er kann Aufgaben, bei denen sich der Arbeitsablauf oft wiederholt, zügig erledigen. 18 Sie/er kann bei Klassenarbeiten/Schulaufgaben meistens alle Aufgaben bearbeiten. 19 Sie/er ist im Werkkundeunterricht so schnell wie die meisten anderen Schüler. 20 Sie/er hat im Praktikum die anfallenden Arbeiten, nach einer entsprechenden Einweisung, zügig erledigt. 21 Sie/er beendet eine gestellte Aufgabe, obwohl die Mitschüler/innen sich (schon) über Freizeitaktivitäten unterhalten. 22 Sie/er kann sich auch in der letzten (6.) Schulstunde noch konzentrieren 23 Sie/er kann sich nach der Schule noch mit Dingen beschäftigen, für die Konzentration benötigt wird. Merkmal Altersgerechter Entwicklungsstand und gesundheitliche Voraussetzungen Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Physische Merkmale ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 1 Sie/er befindet sich in einem für Ausbildungsanfänger/innen typischen Entwicklungsstand und ist gesundheitlich nicht in einem Umfang eingeschränkt, der der Bewältigung eines Acht-Stunden-Tages entgegensteht 2 Sie/er entspricht den Kriterien der Untersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz in dem Maße, dass dauerhaft eine Gefährdung der Gesundheit nicht zu erwarten ist 22

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Merkmale Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz Kommunikationsfähigkeit Konfliktfähigkeit Kritikfähigkeit Leistungsbereitschaft Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Psychologische Leistungsmerkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit 1 Sie/er beendet eine übertragene Aufgabe erst, wenn sie vollständig erfüllt ist. 2 Sie/er erfüllt Aufgaben und Ziele, die einen kontinuierlichen Arbeitseinsatz erfordern. 3 Sie/er verfolgt ein Ziel/eine Aufgabe mit erneuter Anstrengung angemessen weiter, wenn vorübergehende Schwierigkeiten auftauchen oder erste Erfolge ausbleiben. 4 Sie/er kann äußere Schwierigkeiten, Rückschläge und belastende Ereignisse/Erfahrungen erkennen und Lösungsmöglichkeiten entwickeln. 5 Sie/er kann innere Widerstände reflektieren und konstruktiv bewältigen. 6 Sie/er hört aufmerksam zu. 7 Sie/er kann sachgerecht antworten oder nachfragen. 8 Sie/er achtet auf einfache nonverbale Botschaften. 9 Sie/er kann wichtige Informationen unverfälscht weitergeben. Sie/er ist im Umgang mit anderen Menschen offen. 10 Sie/er kann auch in einer Gruppe den eigenen Standpunkt verständlich und überzeugend vertreten. 11 Sie/er kann auf Gesprächsbeiträge sachlich und argumentierend eingehen. 12 Sie/er spricht eigene Bedürfnisse zur rechten Zeit deutlich an. 13 Sie/er lässt auch stark von der eigenen Meinung abweichende Vorstellungen anderer zu. 14 Sie/er kann Interessengegensätze erkennen. 15 Sie/er ist bereit, an einer einvernehmlichen Lösung mitzuwirken. 16 Sie/er kann Beziehungskonflikte wahrnehmen und besprechen. 17 Sie/er kann durch geschicktes Vorgehen das Ausbrechen von Konflikten verhindern und Eskalationsgefahren vorbeugen. 18 Sie/er nimmt Kritik auch an der eigenen Leistung oder am eigenen Verhalten an. 19 Sie/er kann Kritik sachlich begründen. 20 Sie/er zeigt gegenüber Fehlern anderer angemessene Geduld und Toleranz. 21 Sie/er kann Feedback geben und empfangen. 22 Sie/er erkennt Fehler/Mängel/Schwachstellen zutreffend und geht angemessen und konstruktiv damit um. 23 Sie/er widmet sich Aufgaben mit angemessener Intensität. 24 Sie/er strengt sich auch bei unbeliebten Aufgaben an. 25 Sie/er erkennt von sich aus, welche Aufgaben zu erledigen sind, und erledigt diese. 26 Sie/er sucht sich neue Aufgaben und Herausforderungen. 27 Sie/er entwickelt Ideen, setzt sich selbst Ziele und setzt diese um. ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 23

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Merkmale Selbstorganisation und Selbstständigkeit Sorgfalt Teamfähigkeit Umgangsformen Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Psychologische Leistungsmerkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit 28 Sie/er kann den Lebensalltag (Aufstehen, Kleiden, Weg zur Schule/Arbeit) selbstständig bewältigen. 29 Sie/er kann selbstständig Anrufe mit Institutionen, Arbeitsgebern usw. führen (z. B. um Termine zu vereinbaren, sich krank zu melden). 30 Sie/er erledigt Aufgaben aus eigenem Antrieb und beschafft sich die erforderlichen Informationen und Hilfsmittel. 31 Sie/er kann das erreichte Arbeitsergebnis in Bezug zu der gestellten Aufgabe und im Blick auf den verfügbaren Zeitrahmen bewerten. 32 Sie/er kann das gewählte Vorgehen im Verhältnis von Aufwand und Ergebnis bewerten und optimieren. 33 Sie/er überträgt Lösungswege auf andere Aufgabenstellungen. 34 Sie/er geht mit schriftlichen Unterlagen, Dokumenten, Arbeitsmaterialien und Werkzeugen achtsam, pfleglich und sachgerecht um. 35 Sie/er beachtet beim Erfüllen eines Auftrages gewissenhaft sämtliche Hinweise und Vorschriften. 36 Sie/er vergleicht ständig während der Arbeitsschritte der Qualität des eigenen Tuns mit den vorgegebenen Normen/zielen. 37 Sie/er kontrolliert nach Erledigung eines Auftrags abschließend noch einmal kritisch die Ergebnisse, um etwaige Mängel oder Fehler zu korrigieren. 38 Sie/er bringt eigene Erfahrungen und Wissen ein. 39 Sie/er ist bereit und in der Lage, anderen zuzuhören und von anderen zu lernen. 40 Sie/er ist bereit, eigene Interessen zurückzustellen, wenn es die Ziele des Teams erfordern. 41 Sie/er tauscht wichtige Informationen im Team aus. 42 Sie/er macht Vorschläge zur Arbeitsaufteilung. 43 Sie/er erkennt unterschiedliche Ideen an und strebt eine einvernehmliche Lösung an. 44 Sie/er anerkennt Leistungen anderer. 45 Sie/er bittet bei bedarf andere Teammitglieder um Hilfe und bietet Hilfe an. 46 Sie/er stimmt sich regelmäßig/bei Bedarf im Team ab. 47 Sie/er verwendet die Anreden Du und Sie situationsangemessen. 48 Sie/er benutzt eine der Situation angemessene Sprache. 49 Sie/er begrüßt andere Menschen in angemessener Form (persönliche Anrede, Blickkontakt, Händeschütteln, Vorstellen der eigenen Person). 50 Sie/er ist bereit, die gängige Kleiderordnung der beruflichen Bezugsgruppe im beruflichen Zusammenhang für sich zu akzeptieren. 51 Sie/er begegnet anderen Menschen mit Respekt. ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 24

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Schulversuch Merkmale Verantwortungsbewusstsein Zuverlässigkeit Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Psychologische Leistungsmerkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit 52 Sie/er übernimmt Verantwortung für Aufgaben, die vereinbart wurden (in Familie, Schule, Sport, Verein). 53 Sie/er geht verantwortungsvoll mit sich selbst um (Gesundheit, Konsumgewohnheiten). 54 Sie/er vermeidet Gefährdungen der eigenen und anderer Personen. 55 Sie/er übernimmt Verantwortung für anvertraute Materialien, Geräte usw. 56 Sie/er erscheint pünktlich zum vereinbarten Termin (Unterricht, Praktikum, Beratungsgespräch). 57 Sie/er entschuldigt sich rechtzeitig, wenn er/sie eine Vereinbarung nicht einhalten kann. 58 Sie/er erledigt einen Arbeitsauftrag termingerecht. 59 Sie/er ist bereit, dauerhaft übertragene Aufgaben mit gleichmäßiger Leistung zu erfüllen. ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein Merkmale Selbsteinschätzungs- und Informationskompetenz Ausbildungsreife Deutsch Mathematik Informatik Berufswahlreife ja teilweise nein ja teilweise nein ja teilweise nein 60 Sie/er kann eigene berufsbedeutsame Interessen, Vorlieben, Neigungen und Abneigungen benennen. 61 Sie/er benennt eigene Werthaltungen. 62 Sie/er benennt eigene Stärken und Schwächen. 63 Sie/er hat sich über Berufe und ihre Anforderungen informiert. 64 Sie/er benennt Gründe für die eigene Berufswahlentscheidung. 65 Sie/er beschreibt Aufgabenbereiche und Arbeitsformen des Berufes/der Berufe. 66 Sie/er benennt Anforderungen in Betrieb und Berufsschule. 67 Sie/er kann Anforderungen mit den eigenen Fähigkeiten in Beziehung setzen. 25

2 Beispiele für Lehr- und Lernarrangements als Unterrichtsbausteine (USB) Exemplarisch sollen hier spezifische Lehr- und Lernarrangements der beteiligten Schulen vorgestellt werden. Jeder Unterrichtsbaustein bereitet ein Thema in sich geschlossen auf und kann unabhängig von den anderen Unterrichtsbausteinen bzw. weiteren Lehr- und Lernarrangements eingesetzt werden. Die Unterrichtsbausteine ordnen sich in die Schuljahresplanung ein und können jederzeit verändert werden. Die Unterrichtsbausteine bieten vielfältige Anregungen für fächerübergreifenden Unterricht, hier insbesondere mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Informatik. Es werden zusätzlich für jeden Unterrichtsbaustein Möglichkeiten zur Kompetenzfeststellung (Leistungsfeststellung) aufgezeigt. Alle Unterrichtsbausteine enthalten Arbeitsblätter, die den individuellen Bezug zur Schülerin und zum Schüler herstellen. Sie beziehen sich auf den Wissens- und Erfahrungshorizont der Schülerinnen und Schüler im BVJ. In jedem Thema werden Fragen aufgeworfen, die auf die Bedeutung der Veränderungen für die persönliche Berufs- und Lebensbewältigung zielen. Es werden Anlässe geschaffen zum Nachdenken darüber, welchen Stellenwert Arbeit, Leben und auch Lebensstandard für die Jugendlichen selbst haben sollen. Jeder Unterrichtsbaustein bietet für die Lehrkräfte: - Hintergrundinformationen zum Thema - methodisch-didaktische Hinweise mit vielfältigen Anregungen für einen handlungsorientierten Unterricht - thematisch strukturierte Übersichten über Arbeitsblätter mit schülerorientierten Texten, aktuellen Grafiken, Schaubildern und Fotos - Hinweise zur Kompetenzmessung (Leistungsfeststellung) 2.1 Unterrichtsbaustein: Orientierungswoche /Kompetenzmessung Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt zählt zu den wichtigsten biografischen Passagen von Heranwachsenden. Er ist nicht nur mit neuen Herausforderungen verbunden, sondern für schwache Schülerinnen und Schüler oft auch mit persönlichen Unsicherheiten, Enttäuschungen oder Brüchen verbunden. Spätestens im achten Schuljahr sollten sich Jugendliche deshalb intensiv mit ihren beruflichen Perspektiven befassen und ihre Ausbil- 26