Proteinnachweis in der Urinmikroskopie einmal näher betrachtet



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Transkript:

Teststreifen haben den Vorteil, dass sie grob orientierend wichtige Informationen über renale Erkrankungen liefern können. Sie sind jedoch zur frühzeitigen Diagnostik von Nierenerkrankungen zu unempfindlich. Ungeachtet dessen haben sie sich im Laboralltag etabliert, und ein positives Proteinergebnis ist in der Regel eines der Ergebnisse, das am meisten Aufmerksamkeit erfährt, da so häufig eine Nierenerkrankung entdeckt wird. In der Laborpraxis wird ein positives Ergebnis für Protein im Urin so auch häufiger als Anlass genommen, den Urin im Mikroskop näher anzusehen oder auch weiterführende Tests wie die Proteinurie-Differenzierung durchzuführen. In der Regel wird in den meisten Laboratorien erst einmal ein Blick in das Mikroskop geworfen. Nicht immer finden sich dann Zylinder als Hinweis auf eine renale Erkrankung. Und mitunter finden sich Zylinder im Urin, ohne dass vorher der Teststreifen Protein angezeigt hat. Hinter den scheinbar widersprüchlichen Aussagen der Teststreifendiagnostik und Mikroskopie finden sich ganz plausible Erklärungen, ohne dass man gleich von möglichen falsch positiven oder negativen Ergebnissen bei beiden Untersuchungsmethoden ausgehen muss. Mögliche Proteine im Urin Gesunde Personen scheiden täglich bis zu 150 mg Protein aus. Bei dieser physiologischen Proteinurie kommen etwa 2/3 der Proteine aus dem Serum. Es handelt sich vorwiegend um Albumin und Mikroglobuline sowie wenige Immunglobuline und Immunglobulinfragmente. 1/3 der ausgeschiedenen Proteine stammt aus dem Urogenitaltrakt. Unter ihnen ist das Tamm-Horsfall-Protein quantitativ dominierend vorzufinden. Die Serumproteine gelangen nach der Passage des Glomerulums in den Primärharn, und sofern sie nicht im proximalen Tubulussystem rückresorbiert werden, auch in den Endharn. Die Passage durch das Glomerulum ist von der Molekülgröße und elektrischen Ladung abhängig, da die Membran im Glomerulum gleichzeitig als mechanischer und auch als elektrischer Filter funktioniert. Betrachtet man das Molekulargewicht der ausgeschiedenen Proteine im Urin gesunder Personen, findet man 20 % mit einem niedrigen Molekulargewicht und 40 % mit einem höheren Molekulargewicht. 40 % der Proteinfraktion besteht aus Tamm-Horsfall-Protein. 1/7

Beim Albumin handelt es sich um ein Serumprotein, das in der Leber synthetisiert wird. Die Produktionsmenge beläuft sich auf ca. 0,2 g/kg Körpergewicht. Es besteht aus 584 bis 590 Aminosäuren, wobei ein Großteil von ihnen schwefelhaltig ist, und es hat ein Molekulargewicht von 66 kdalton. Albumin ist wasserlöslich durch die polaren und geladenen Gruppen an der Oberfläche seiner Molekülstruktur, die mit den Wassermolekülen interagieren und Wasserstoffbrücken bilden. Die Bindungskapazität für Wasser beträgt 18 ml/g. Als Transportprotein im Organismus kann es Anionen und Kationen reversibel binden. 40 % des Humanalbumins fungieren als Transportprotein in den Blutgefäßen. Der Abbau des Albumins erfolgt in der Leber und die Ausscheidung findet über Niere und Gastrointestinaltrakt statt. Die Produktionsstätte für das Tamm-Horsfall-Protein (THP) liegt dagegen im Tubulus des Nephrons, der kleinsten Funktionseinheit der Niere. Im Schnitt werden ca. 50 mg pro Tag ausgeschieden. Damit ist es auch im Urin von Gesunden vorhanden, auch wenn es nicht unbedingt in Form von Zylindern im Sediment sichtbar vorzufinden ist. Die Aufgabe des THP ist letztendlich nicht bewiesen, doch sprechen einige Studien für die Vermutung, dass es vor Nierensteinen und Harnwegsinfekten schützt. Es besitzt immunmodulierende Eigenschaften, bindet sich an Interleukine und Komplement, kann neutrophile Granulozyten und Monozyten aktivieren und aktiviert über TLR4 dendritische Zellen. Die Synthese von THP erfolgt im distalen Tubulus. Es besteht aus 590 Aminosäuren und hat ein Molekulargewicht von 64 kdalton. Nach seiner Synthese wird es mittels Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol (GPI) an die luminale Zellmembran transportiert, wo es proteolytisch gespalten und in das Lumen des Nierentubulus abgegeben wird. Dort hat es im Normalfall keine aggregierte Form, da in der intratubulären Flüssigkeit im distalen Tubulus hypoosmotone Salzkonzentrationen herrschen, was die THP-Polymerisierung hemmt. Steigen die Elektronenkonzentration, so dass zum Beispiel isoosmotische Salzkonzentrationen herrschen, oder die Konzentration an Wasserstoffionen, fördert das die Aggregation von THP. [1] Aspekte der Proteinanalytik im Urin Das Tamm-Horsfall-Protein kann im Urin eine nicht gelöste Proteinmatrix bilden, die dann im Mikroskop als Zylinder sichtbar wird. Das Lumen des Tubulus gibt dabei die Form vor, so dass die Zylinder während des Aggregationsprozesses ihre typische längliche, stanzenförmige Form erhalten. Befinden sich andere Zellen aufgrund krankhafter Veränderungen im Urin, dann werden sie während des Aggregationsprozesses in die Proteinmatrix der Zylinder mit eingeschlossen und zeigen sich im Mikroskop als pathologische Zylinder. Ist die THP-Ausscheidung im distalen Tubulus dagegen vermindert, dann ist das ein recht zuverlässiges Zeichen für eine Schädigung der dortigen produzierenden Epithelzellen. Doch selbst bei erhöhtem THP im Urin können bei alkalischem ph-wert oder bei verdünntem Urin oft keine Zylinder nachgewiesen werden, da sich die Proteinmatrix bei diesen Bedingungen wieder auflöst. 2/7

Der labordiagnostische Nachweis von THP im Urin ist eher in Forschungslaboratorien angesiedelt, wo mittels RIA, radialer Immundiffusion, Nephelometrie und ELISA-Techniken das Mucoprotein nachgewiesen werden kann. Zum Einsatz kommen hier spezielle Antikörper gegen das Tamm-Horsfall-Protein. Diese Nachweistechniken erfordern eine spezielle Aufbereitung des Probenmaterials und damit mehrere manuelle Verarbeitungsschritte, erlauben aber den Nachweis von Tamm-Horsfall-Protein in gelöster Form. In der Routinediagnostik am Mikroskop findet man das ausgefallene THP dagegen nur, wenn es sichtbar in Form von Zylindern vorliegt. Wie bereits erwähnt, ist der mikroskopische Nachweis sehr schwierig, wenn im Urin ein basisches Milieu oder hypoosmolare Verhältnisse herrschen. Den Nachweis beeinträchtigen auch das geringe im Sediment angeschaute Volumen und die bekannten Nachteile der Zentrifugation, die die Anzahl der vorzufindenden Partikel im Sediment reduzieren können. [2], [3] Die in der Routine üblicherweise eingesetzten Teststreifen erfassen das Tamm-Horsfall-Protein kaum, da es fast gar nicht mit dem Teststreifenreaktionsfeld für Protein reagiert. Das Reaktionsfeld erfasst vor allem Albumin, dann mit abnehmender Sensitivität Immunglobuline, kaum kleinmolekulare Proteine wie Bence-Jones-Proteine, und Hämoglobin. Die Bezeichnung»Protein«für das Teststreifenfeld ist so gesehen im Prinzip eher verwirrend, aber in der Labordiagnos- Krea µmol/l 60 70 83 111 200 600 600 GFR µalbuminurie Proteinurie tik für die Teststreifenanalytik ml/min fest etabliert. Die gängigen, oft 125 100 hier als Multiparametertyp benutzten 75 50 25 Beginn 5 10 15 20 25 Jahre 3 g 300 mg Alb/d 30 mg = normal Teststreifen dienen mehr der Erkennung von manifesten Albuminurien. Die Nachweisgrenze der Teststreifen liegt bei etwa 150-300 mg/l. Für das rechtzeitige Erkennen einer sich entwickelnden diabetischen Nephropathie oder eines tubulären Nierenschadens ist das zu hoch, wie aus der Abbildung zu ersehen ist. Das Reaktionsfeld für Protein basiert auf einer simplen chemischen Reaktion, auch bekannt als ph-indikatorfehler. Es zeigt einen Farbumschlag, bei dem die Aminogruppen des Albumins mit dem Indikator reagieren. Der Indikator gibt dabei Wasserstoffionen an die freien Aminogruppen des Albuminmoleküls ab. Die Reaktion erfolgt kaum mit Immunglobulinen. Urämie 3/7

Menschen, die sich einer körperlichen Anstrengung, Orthostase, emotionalem Stress oder einem Temperaturstress (Hitze/Kälte) aussetzen, weisen interindividuelle Schwankungen der Albuminkonzentration auf. Aber auch Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Blutzuckerentgleisungen oder selbst operative Eingriffe können zu einer reversiblen Albuminurie führen. Ein Fünftel aller Frauen zeigt während der Schwangerschaft Werte einer benignen Albuminurie, bei denen es sich um passagere Ergebnisse handelt und eine Konzentration von 300 mg/l normalerweise nicht überschritten wird. [4] Weitere Ursachen einer flüchtigen Albuminurie können entzündliche Erkrankungen, wie Harnwegsinfekte oder akut fieberhafte Erkrankungen, sein. Sofern kein aufgestiegener Harnwegsinfekt mit Nierenbeteiligung vorliegt, finden sich in den genannten Beispielen in der Regel keine pathologischen Zylinder, so dass die Albuminurie und damit ein positives Teststreifenergebnis für das Protein auch durchaus isoliert zu finden sind. Ergebnisse früherer Studien zeigen anschaulich, dass man bei dem Screening mit Teststreifen bei ca. 17 % der Proben ein positives Ergebnis für Protein erhält. Bei lediglich 2 % dieser Patienten war jedoch eine ernst zu nehmende Erkrankung im Harntrakt zu finden. [5] Damit hat die Teststreifenmethode zum einen den bereits erwähnten Nachteil, dass erst relativ hohe Albuminkonzentrationen ein positives Teststreifenergebnis zeigen. Sie ist damit zur frühzeitigen Erkennung von beginnenden Nierenschäden, zum Beispiel bei Diabetikern, ungeeignet. Zum anderen findet man nur in einem geringen Prozentsatz der Patienten mit positivem Teststreifenergebnis auch tatsächlich pathologische Zylinder. Etwa 50 % der frühen Stadien von Nierenschädigungen werden weder mit dem Teststreifen noch mit der Sedimentmikroskopie erfasst. Neben den tubulären Nierenschädigungen handelt es sich hauptsächlich um Mikroalbuminurien, die unentdeckt bleiben, weil die analytische Sensitivität der Teststreifen bei 150-300 mg/l liegt. Auch ist die GFR (glomeruläre Filtrationsrate) bei gut behandelbaren Diabetes-Frühformen deutlich erhöht und nicht erniedrigt. Hier muss die Mikroalbuminurie mit sensitiveren Methoden nachgewiesen werden, denn auch im Sediment werden bei weniger als 20 % der Proben mit nachgewiesener Proteinurie tatsächlich auch pathologische Partikel im Urin entdeckt. [6] 4/7

Doch auch umgekehrt kann es vorkommen, dass das Proteinergebnis auf dem Teststreifen negativ ausfällt, sich aber pathologische Zylinder im Sediment finden, wie zum Beispiel bei der tubulären interstitiellen Nierenschädigung, bei der kleinmolekulare Proteine vermehrt in das Tubuluslumen abgegeben werden. Diese tubulären Proteinurien werden von den Teststreifen nicht erfasst und machen etwa die Hälfte aller Nierenerkrankungen aus. Labordiagnostisch können sie durch den Nachweis des α1-mikroglobulins und β2-mikroglobulins nachgewiesen werden, da diese kleinmolekularen Proteine in diesen Fällen vermindert im Tubulus rückresorbiert werden. Durch die tubuläre Schädigung wird auch mehr Tamm-Horsfall-Protein im aggregierten Zustand ausgeschieden. Damit können bei den interstitiellen und tubulären Erkankungen durchaus pathologische Zylinder, wie Leukozytenzylinder, vorkommen; der Proteinnachweis, sei es mittels Teststreifen oder bei der Bestimmung des Gesamtproteins, zeigt dabei in der Regel Ergebnisse im Normalbereich. Ein weiteres Beispiel ist das akute Nierenversagen, bei dem es ebenfalls zur Ausschwemmung von pathologischen Zylindern kommt, ohne Nachweis von Protein im Teststreifen. Proteinanalytik im Rahmen der Routine-Urinanalytik Dieses Vorgehen, wie Urin in der Routine auf pathologische Bestandteile überprüft wird, ist medizinisch etabliert, jedoch seit Jahrzehnten weder hinterfragt noch verändert worden. Zunächst werden die Proben mit Teststreifen analysiert. Ein Urinsediment wird häufig nur dann durchgeführt, wenn einer der Parameter wie Protein, Leukozyten oder Erythrozyten positiv reagiert (»Teststreifensieb«). Das folgende manuelle Sediment verpasst aufgrund der methodischen Fehler (Zentrifugation, manuellem Abgießen des Überstandes und manueller Beurteilung) höchstwahrscheinlich zahlreiche pathologische Sedimente. [2], [7] Das Fortschreiten einer frühzeitig detektierten, z. B. durch einen Diabetes bedingten, glomerulären Nephropathie kann aber durchaus verhindert werden. Der Nachweis einer Mikroalbuminurie mit Hilfe von monoklonalen Antikörpern ist zur Früherkennung geeignet, aber die Methode ist teurer als die Teststreifen [8]. Gerade weil auch die Anzahl der chronischen Nierenerkrankungen weltweit ansteigt, wird man sich wahrscheinlich immer mehr die Frage nach einem anderen, wenn auch teureren, Screeningansatz stellen müssen. So können nicht nur die Gesundheit und eine bessere Lebensqualität der Betroffenen erhalten werden, sondern auch die langfristig abzusehenden sozioökonomischen Kosten, verursacht durch die chronischen Nierenerkrankungen, reduziert werden. 5/7

Die Teststreifendiagnostik hat sich wegen ihrer einfachen Handhabung, der preisgünstigen Testmöglichkeit und der schnellen Verfügbarkeit des Testergebnisses im Rahmen des Screenings etabliert. Häufig wird der Urin-Teststreifen mit der automatisierten, nasschemischen Proteinbestimmung (z. B. Pyrogallolrot-Methode oder Benzethoniumchlorid) ergänzt, die eine verbesserte analytische Sensitivität (bis 40 mg/l) hat, so dass mögliche Nierenschädigungen eher erfasst werden können. Speziell für Patienten mit höherem Risiko, eine Nierenschädigung zu entwickeln, können Albumin und α1-mikroglobulin automatisiert (Nephelometrie, Turbidimetrie) gemessen werden. Gerade Risikopatienten, zum Beispiel solche mit bekannter Hypertonie oder Diabetes in der Familienanamnese, haben ein höheres Risiko, eine renale Schädigung zu entwickeln. Wird dies rechtzeitig erkannt, kann auch rechtzeitiger und erfolgreicher therapiert werden. [9] Ein Gerät, das exakte Leukozyten- und Erythrozytenzahlen ermittelt, kann auf Seiten der Mikroskopie als weitere Säule der Routine-Urindiagnostik nicht nur den Arbeitsaufwand im Labor verringern, sondern auch die klinische Aussage verbessern. Die Urin-Durchflusszytometer sysmex uf-1000i und uf-500i klassifizieren bis zu 65.000 Partikel im Nativurin bei vollständiger Standardisierung der sonst üblichen manuellen ersten Analysenschritte. Die bekannten Fehlerquellen durch Zentrifugation des Urins und die statistische Ungenauigkeit des Zählergebnisses durch die ungleichmäßige Verteilung der Partikel im Mikroskop-Präparat wurden eliminiert, indem die Partikel im nicht zentrifugierten Urin nach spezieller Anfärbung hydrodynamisch fokussiert und mit hoher Geschwindigkeit klassifiziert werden. Ungeachtet des realisierten Arbeitsablaufes in der Routine ist die Urinanalytik bis heute eine Kombination mehrerer labordiagnostischer Methoden. Jede Methode detektiert andere Bestandteile und hat damit ihre Berechtigung. Es ist zu bedenken, dass wie auch bei anderen Laborergebnissen nie ein Ergebnis allein und für sich interpretiert wird (hier bezogen auf das detektierte Protein), sondern als Bestandteil einer Ergebniskombination, mit speziellem Augenmerk auf die angeführte, aber manchmal vergessene Hintergrundinformation. Wir danken Dr. Axel Regeniter für die fachliche Beratung bei der Erstellung dieses Artikels. 6/7

Literatur [1] K. Kobayashi and S. Fukuoka. Conditions for Solubilization of Tamm-Horsfall Protein/Uromodulin in Human Urine and Establishment of a Sensitive and Accurate Enzyme-Linked Immunosorbent Assay (ELISA) Method. Archives of Biochemistry and Biophysics, Vol. 388, No. 1. 113-120, 2001 [2] Tsuyoshi Ishii, Takako Hara, Atsushi Nakayama, Hideaki Matsumoto. Examination of Remaining Cells by uf-100, Fully Automated Urine Cell Analyser in the Supernatant after Centrifugation. sysmex Journal International, Vol. 13, 53 59, 2003 [3] T. Kouri, A. Gyory, R. M. Rowan. ISLH Recommended Reference Procedure for the Enumeration of Particles in Urine. Laboratory Hematology 9: 58-63, 2003 [4] Scherberich, J. Nichtinvasive Diagnostik von Nierenerkrankungen: Differentielle klinische Bewertung der Proteinurieformen. Der Bayerische Internist 18: 80-88, 1998 [5] Woolhandler S, Pels RJ, Bor DH, Himmelstein DU, Lawrence RS. Dipstick urinalysis screening of asymptomatic adults for urinary tract disorders: I. hematuria and proteinuria. JAMA; 262:1214-9, 1989 [6] Cornelia Ottiger, Andreas R. Huber. Verbesserte Sensitivität bei Nieren- und Harnwegserkrankungen durch Kombination von Teststreifen, automatisiertem bzw. standardisiertem Urinsediment und differenzierter Proteinbestimmung im Urin. Therapeutische Umschau, Band 65, Heft 9, pp. 503-511, 2008 Hyperlink: DOI:10.1024/0040-5930.65.9.503 [7] Kurt Hannemann-Pohl and Sieghard Carsten Kampf. Automation of Urine Sediment Examination: a Comparison of the Sysmex UF-100 Automated Flow Cytometer with Routine Manual Diagnosis (Microscopy, Test Strips, and Bacterial Culture). Clin Chem Lab Med, 37 (7): 753 764, 1999 [8] C. E. Mogensen. Microalbuminuria and hypertension with focus on type 1 and type 2 diabetes. Journal of Internal Medicine 2003; 254: 45 66 [9] Axel Regeniter, Heike Freidank, Michael Dickenmann, Wolf H. Boesken, Werner H. Siede. Evaluation of proteinuria and GFR to diagnose and classify kidney disease: Systematic review and proof of concept. European Journal of Internal Medicine, Veröffentlichung steht an, ISSN 0953-6205, verfügbar online seit 10. April 2009, Hyperlink: DOI: 10.1016/j.ejim.2009.03.006. 7/7 Sysmex Digitana AG Tödistrasse 50, ch-8810 Horgen Phone +41 (0)44 7183838 Fax +41 (0)44 7183839 info@sysmex.ch www.sysmex.ch