Deutscher Bundestag. Ausarbeitung. Nachbarlicher Rechtsschutz gegen Biogasanlagen. Wissenschaftliche Dienste. 2009 Deutscher Bundestag WD 7 148/09



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Transkript:

Deutscher Bundestag Nachbarlicher Rechtsschutz gegen Biogasanlagen 2009 Deutscher Bundestag

Seite 2 Nachbarlicher Rechtsschutz gegen Biogasanlagen Verfasser: : Abschluss der Arbeit: 5. Oktober 2009 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: en und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.

Seite 3 - Zusammenfassung - Nachbarlicher Rechtsschutz gegen Biogasanlagen ist grundsätzlich möglich. Der betroffene Nachbar kann entweder bei der Genehmigungsbehörde Drittwiderspruch gegen die erteilte Genehmigung einlegen oder bei den Verwaltungsgerichten Klage erheben bzw. einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechts behaupten kann. Ob die jeweiligen Rechtsbehelfe erfolgreich sind, kann allerdings nicht pauschal beurteilt werden, sondern bedarf immer einer Einzelfallprüfung.

Seite 4 Inhaltsverzeichnis 1. Erforderlichkeit einer Genehmigung 5 2. Nachbarlicher Rechtsschutz 6 2.1. Baugenehmigung 6 2.2. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung 7 3. Überblick über die Rechtsprechung 8

Seite 5 1. Erforderlichkeit einer Genehmigung Eine Biogasanlage stellt ein sog. privilegiertes Vorhaben nach 35 Abs. 1 Nr. 6 des Baugesetzbuches (BauGB 1 ) dar und darf deshalb im sog. Außenbereich errichtet werden. Außenbereich sind diejenigen Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans i.s.d. 30 Abs. 1 oder 2 BauGB, noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ( 34 BauGB) liegen. 2 Um solche Anlagen errichten zu können, bedarf es jedoch einer behördlichen Genehmigung. Dabei hängt es von der konkreten Ausgestaltung der Biogasanlage ab, ob eine Baugenehmigung nach den Landesbauordnungen 3 oder eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach 4 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG 4 ) erforderlich ist. Letztere wäre dann zu beantragen, wenn die Grenzwerte der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV 5 ) überschritten sind. Gemäß 13 BImSchG schlösse diese Genehmigung andere die Anlage betreffende Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen wie die Baugenehmigung. 6 Findet die 4. BImSchV jedoch keine Anwendung, richtet sich die Zulässigkeit der Biogasanlage nach dem Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes. In Bayern beispielsweise wäre Art. 55 Abs. 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO 7 ) einschlägig, welcher besagt, dass die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung bedürfen. 1 2 3 4 5 6 7 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585). Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 11. Auflage 2009, 35 Rn. 2. Die Bauordnungen der einzelnen Bundesländer enthalten weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen; vgl. beispielsweise Art. 55 Abs. 1 BayBO, 60 Abs. 1 BauO Bln, 60 Abs. 1 LBO SL. Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU)vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2723). Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I S. 504), zuletzt geändert durch Art. 13 RGU (s.o. Fußnote 4) vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2723). Jarass, BImSchG, 7. Auflage 2007, 13 Rn. 5. Bayerische Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl S. 588), zuletzt geändert durch 1 des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung, des Baukammerngesetzes und des Denkmalschutzgesetzes vom 27. Juli 2009 (GVBl S. 385).

Seite 6 2. Nachbarlicher Rechtsschutz Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Nachbarn hängen von der Art der Genehmigung ab. Beiden Fällen ist zunächst gemeinsam, dass der Nachbar eine Verletzung drittschützender Normen geltend machen muss. Auf der Grundlage der herrschenden Schutznormtheorie vermitteln nur solche Vorschriften einen Drittschutz, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen. 8 Zu nennen wäre beispielsweise das Rücksichtnahmegebot des 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, des 35 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB 9 oder des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG 10. 2.1. Baugenehmigung Liegt nur eine Baugenehmigung vor, kann der betroffene Nachbar einen sog. Drittwiderspruch einlegen. Daneben wird regelmäßig ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO 11 ) beim Verwaltungsgericht (VG) gestellt werden, da Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben. Würde ein solcher Antrag nicht gestellt, müsste die Entscheidung der Behörde über den Widerspruch abgewartet werden, bevor Klage beim VG gegen die Genehmigung erhoben werden könnte. Der Bauherr dürfte in diesem Fall bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch das Gericht in diesem sog. Hauptverfahren weiterbauen, was sich über einen relativ langen Zeitraum erstrecken kann. Bei seiner Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz hat das Gericht die Interessen des betroffenen Nachbarn ( Aussetzungsinteresse ) mit den Interessen des Bauherrn ( Vollziehungsinteresse ) gegeneinander abzuwägen und dabei insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. 12 Sind die Erfolgsaussichten der Klage offen, ist zu beachten, dass der Gesetzgeber im Baurecht einen grundsätzlichen Vorrang des Voll- 8 9 10 11 12 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 30. März 1995, Az. 3 C 8/94, BVerwGE 98, 118; Urteil vom 17. Juni 1993, Az. 3 C 3/89, BVerwGE 92, 313; Urteil vom 16. März 1989, Az. 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr (s.o. Fußnote 2), 31 Rn. 78 f. Jarass (s.o. Fußnote 6), 5 Rn. 120. Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze vom 21. August 2009 (BGBl. I S. 2870). VG Augsburg, Beschluss vom 24. März 2009, Az. Au 5 S 09.32.

Seite 7 ziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. 13 Ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erfolgreich, ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit der Folge an, dass der Bauherr seine Arbeiten einstweilen einstellen muss. Dieser hat dann die Möglichkeit, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) bzw. Verwaltungsgerichtshof (VGH) gemäß 146 Abs. 1 VwGO einzulegen. Wenn dagegen wie beispielsweise in Bayern 14 das Widerspruchsverfahren abgeschafft ist, kann der Nachbar direkt Klage gegen die Baugenehmigung erheben. Auch in diesem Fall besteht wiederum die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz nach 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO beim VG zu beantragen. Rein formal ist dieser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtet. Ist er erfolgreich, darf der Bauherr seine Arbeiten einstweilen nicht fortsetzen; er kann aber den Beschluss des VG mit einer Beschwerde nach 146 Abs. 1 VwGO anfechten. Insoweit ergeben sich faktisch keine Unterschiede zu den vorgenannten Fällen, in denen ein Widerspruchverfahren durchgeführt werden muss. 2.2. Immissionsschutzrechtliche Genehmigung Wurde eine Genehmigung hingegen gemäß 4 BImSchG erteilt, kann ebenfalls Drittwiderspruch bzw. Klage gegen die Genehmigung eingelegt bzw. erhoben werden. Diese Rechtsbehelfe haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung, d.h. sie bewirken die sofortige Außervollzugsetzung der Genehmigung, da eine 212a Abs. 1 BauGB vergleichbare Regelung im BImSchG fehlt. Allerdings wird es regelmäßig der Fall sein, dass die Behörde von der Möglichkeit Gebrauch macht, die sofortige Vollziehung der Genehmigung gemäß 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO anzuordnen. Insofern entfiele die aufschiebende Wirkung von Widerspruch bzw. Klage, mit der Folge, dass in der Regel einstweiliger Rechtsschutz nach 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO beantragt wird. 13 14 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. Oktober 2003, Az. 1 BvR 2025/03, NVwZ 2004, 93. Bayern hat die Pflicht zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gemäß 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) abgeschafft und für bestimmte, in Abs. 1 genannte Fälle, die fakultative Einlegung eines Widerspruchs zugelassen. Daraus folgt, dass gegen bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen direkt Klage erhoben werden muss. Einen Überblick über die Situation in anderen Bundesländern gibt Hüttenbrink, in Posser/Wolff, Beck'scher Online-Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung (BeckOK VwGO), 68 Rn. 22.

Seite 8 Die teilweise Abschaffung des Widerspruchsverfahrens ist auch im Rahmen des Rechtsschutzes gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu beachten. Es erbeben sich jedoch in verfahrensrechtlicher Hinsicht keine Unterschiede zu dem obengenannten Fall, sodass auf die Ausführungen unter 2.1 verwiesen werden kann. 3. Überblick über die Rechtsprechung In letzter Zeit hatten die Gerichte vermehrt über Nachbarrechtsbehelfe gegen Biogasanlagen zu entscheiden, wobei die unterschiedlichsten Rechtsbeeinträchtigungen gerügt wurden. 15 Das VG Augsburg 16 hatte z.b. noch im März diesen Jahres einen Fall zu beurteilen, in dem von dem Nachbarn vorgetragen worden ist, der Schallpegel, der von der Biogasanlage ausgehe, überschreite die Höchstgrenzen der TA Lärm 17 Das Gericht gab dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statt, da in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufgrund unterschiedlicher Gutachten nicht abschließend festgestellt werden konnte, ob tatsächlich eine Überschreitung der zulässigen Höchstgrenzen eintreten werde. Anfang 2009 beschloss der Bayerische VGH 18, dass die TA Luft 19 selbst festlege, dass sie nicht den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen, sondern lediglich die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsemissionen regele und in erster Linie für die Beurteilung von Anlagen konzipiert worden sei, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig sind. Er lehnte damit die Beschwerde gegen eine Baugenehmigung ab, bei der der Nachbar vorgetragen hatte, seine angebauten Speisekartoffeln würden durch den Geruch der Biogasanlage stark beeinträchtigt und damit unverkäuflich. Das Niedersächsische OVG 20 entschied 2007, dass regelmäßig kein Recht auf Erhaltung der unveränderten bzw. freien Aussicht bestehe. Damit könnten von der in der Nachbarschaft geneh- 15 16 17 18 19 20 Vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31. Juli 2008, Az. 1 LA 39/08; Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. März 2007, Az. 1 CS 06.3035; OVG für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8. August 2006, Az. 1 MB 18/06; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Mai 2005, Az. 2 L 535/03. VG Augsburg (s.o. Fußnote 12). Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503). Bayerischer VGH, Beschluss vom 19. Januar 2009, Az. 15 CS 08.2980. Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511). Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20. Juli 2007, Az. 12 ME 210/07, NVwZ 2007, S. 1210; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 1983, Az. 4 B 224/82.

Seite 9 migten Biogasanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen, die die Antragsteller in ihrem Recht aus 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verletzten. Ferner stellten das Niedersächsische OVG 21 2007 und der VGH Baden-Württemberg 22 2006 fest, dass es keine festen Abstandsregeln für die Verträglichkeit von Biogasanlagen zu benachbarter Wohnbebauung gebe. Zudem seien Nachbarn, deren Grundstücke im Dorfgebiet liegen, in verstärktem Umfang verpflichtet, Gerüche hinzunehmen, die mit dem Betrieb von Biogasanlagen verbunden sind. 21 22 Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14. März 2007, Az. 1 ME 222/06. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Mai 2006, Az. 3 S 771/06.