NEUE REGELUNG DES ZUGEWINNAUSGLEICHES BEI DER SCHEIDUNG AB 01.09.2009



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Transkript:

NEUE REGELUNG DES ZUGEWINNAUSGLEICHES BEI DER SCHEIDUNG AB 01.09.2009 Ab dem 01.09.2009 ändert sich nicht nur das Recht des Versorgungsausgleiches bei der Scheidung, also die Aufteilung der Altersversorgung, sondern auch das Recht des Zugewinnausgleiches, d. h. der Vermögensauseinandersetzung im Falle der Scheidung. 1. Was passiert beim Zugewinnausgleich? a) Güterstand Ein Zugewinnausgleich wird im Falle der Scheidung nur dann durchgeführt, wenn die Ehegatten im sog. gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Diesen Güterstand haben sie automatisch durch die Eheschließung, wenn sie nicht durch notariellen Ehevertrag einen anderen Güterstand wählen - so z. B. die Gütertrennung oder die heute selten gewordene Gütergemeinschaft. b) Grundprinzip des Zugewinnausgleichs Der Zugewinnausgleich geht von folgender Überlegung aus: nach der Vorstellung des Gesetzgebers beruht das Vermögen, das ein Ehegatte während der Ehezeit auf seinen eigenen Namen ansammelt, stets auch auf der Leistung des anderen Ehegatten. Ist z. B. die Aufgabenverteilung in der Ehe so gestaltet, dass der Ehemann erwerbstätig ist und die Ehefrau sich dem Haushalt und der Familie widmet, aber kein Arbeitseinkommen erzielt, so ist das Vermögen, das der Ehemann auf seinen Namen bei der Bank anspart auch das Ergebnis der Arbeitsleistung der Ehefrau und soll deshalb im Falle der Scheidung geteilt werden. Der nicht erwerbstätige Ehegatte soll keinen Nachteil daraus erleiden, dass ihm die Chance zum Aufbau eigenen Vermögens fehlt. Geteilt wird aber nur der erwirtschaftete Zugewinn, nicht das bei der Scheidung vorhandene Vermögen:

Hatte z. B. die Ehefrau zum Zeitpunkt der Heirat ein Vermögen von 10.000,00 Euro, der Ehemann ein Vermögen von 5.000,00 Euro und hat die Ehefrau im Zeitpunkt der Scheidung ein Vermögen von 20.000,00 Euro und der Ehemann ein Vermögen von 55.000,00 Euro, so wird zunächst für jeden Ehegatten getrennt errechnet, dass die Ehefrau einen Zugewinn von 10.000,00 Euro und der Ehemann einen Zugewinn von 50.000,00 erzielte, die Differenz also 40.000,00 Euro beträgt. Der Ehemann muss einen Zugewinnausgleich in Höhe der Hälfte dieses Betrages, also in Höhe von 20.000,00 Euro, an die Ehefrau bezahlen. Diese Rechnung ist vereinfacht dargestellt: die wirtschaftlichen Auswirkungen der Inflation werden bei einer Zugewinnausgleichsberechnung berücksichtigt, d. h. die Zahlen werden inflationsbereinigt entsprechend den Daten des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. An diesem Grundprinzip des Zugewinnausgleiches hat sich durch die Reform zum 01.09.2009 nichts geändert. 2. Änderungen ab 01.09.2009 Die Änderungen beziehen sich im Wesentlichen auf folgende Punkte: Schulden im Zeitpunkt der Heirat Vermögensminderungen zum Nachteil des anderen Ehegatten Erweite Auskunfts- und Belegansprüche Vorzeitige Klage auf Zahlung des Zugewinns a) Schulden im Zeitpunkt der Heirat Nach altem Recht wurde das Vermögen im Zeitpunkt der Heirat niemals niedriger als Null angesetzt. Hatte z. B. der Ehemann im Zeitpunkt der Heirat Schulden in Höhe von 20.000,00 Euro, so wurde in die Zugewinnsausgleichsberechnung für ihn ein Anfangsvermögen mit Null eingesetzt. Betrug sein Vermögen dann im Zeitpunkt der Scheidung 50.000,00 Euro, so hatte er einen Zugewinn in Höhe von 50.000,00 Euro erwirtschaftet, obwohl der von ihm

erlangte finanzielle Vorteil im Laufe der Ehezeit aus dem Abbau der Schulden in Höhe von 20.000,00 Euro und dem Hinzugewinnen von 50.000,00 Euro, wirtschaftlich also aus 70.000,00 Euro bestand. Das alte System führte dann zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen, wenn die Ehefrau sich durch ihren Beitrag zum Familieneinkommen am Abbau der Schulden beteiligt hatte, ihm also zu einem wirtschaftlichen Vermögenszuwachs von 70.000,00 Euro verhalf, im Rahmen des Zugewinnausgleiches aber lediglich die 50.000,00 Euro in die Bewertung einflossen. Die Neuerung zum 01.09.2009 besteht darin, dass auch ein sog. negatives Anfangsvermögen in die Berechnung eingestellt wird. Der Ehemann würde hier also mit - 20.000,00 Euro die Zugewinnausgleichsberechnung beginnen. b) Vermögensminderungen zum Nachteil des anderen Ehegatten Eine Ehe kann grundsätzlich nur dann geschieden werden, wenn die Ehegatten zuvor ein Jahr getrennt gelebt haben. Der maßgebliche Stichtag für die Berechnung des Zugewinnausgleiches ist der Beginn des Scheidungsprozesses, nicht der Beginn des Getrenntlebens. Daher ist der Anreiz groß, spätestens während der Trennungszeit Vermögenswerte verschwinden zu lassen, um sie nicht im Rahmen des Zugewinnausgleiches mit dem anderen Ehegatten teilen zu müssen. Konnte eine solche Vermögensminderung zum Nachteil des anderen Ehegatten nachgewiesen werden, so galt auch schon nach altem Recht, dass die Berechnung so zu führen war, als sei diese Vermögensposition noch vorhanden. Die Schwierigkeit bestand in der Praxis aber regelmäßig darin, dass der geschädigte Ehegatte zwar eine vage Vorstellung davon hatte, dass der Schädiger während der Ehe und zum Beginn der Trennungszeit über höhere Vermögenswerte verfügt haben müsse, dies aber nicht exakt nachweisen konnte. Das neue Recht gibt jedem Ehegatten nun einen Anspruch auf genaue Auskunftserteilung über den Stand des Vermögens schon während der Trennungszeit. Wird dieser Anspruch zu Beginn der Trennungsphase geltend gemacht und stellt sich später heraus,

dass der andere Ehegatte zu Beginn des Scheidungsprozesses über weniger Vermögen verfügt, so muss er dem Richter plausibel darlegen, weshalb sich das Vermögen vermindert hat. Kann er nicht erklärten, dass die Vermögensminderung ihn schuldlos traf (z. B. aufgrund gesunkener Wertpapierkurse oder weil er Bankvermögen auflösen musste zur Finanzierung einer dringend notwendigen Dachreparatur etc.), so wird das verschwundene Vermögen so behandelt, als sei es noch beim Schädiger vorhanden und er muss folglich einen höheren Zugewinn an den anderen Ehegatten zahlen. Nach altem Recht war der zu zahlende Zugewinn ferner begrenzt auf die Höhe des Vermögens, das beim Zahlungspflichtigen am Ende des Scheidungsprozesses noch vorhanden war. Jetzt liegt die Kappungsgrenze höher: das am Ende des Scheidungsprozesses noch vorhandene Vermögen erhöht sich um die Summe der Vermögenspositionen, die dem Schädiger aufgrund illoyaler Vermögensverschiebungen zugerechnet werden. Im Extremfall muss der Zugewinnausgleichsgläubiger also sein gesamtes noch vorhandenes Vermögen zuzüglich einer weiteren, nur durch Kredit finanzierbaren Summe an den zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten auszahlen. Zweck dieser Regelung ist vor allem, Vermögensverschiebungen zum Nachteil des anderen Ehegatten von vornherein unattraktiv zu machen. c) Erweiterte Auskunfts- und Belegansprüche Zum Schutz des zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten wurden ferner die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Belegvorlage hinsichtlich des Vermögens deutlich erweitert. d) Vorzeitige Klage auf Zahlung des Zugewinns Die Reform erweitert schließlich die Möglichkeiten, nach Ablauf einer dreijährigen Trennungszeit oder bei illoyalem Verhalten des anderen Ehegatten vorzeitig, d. h. unabhängig

von einer Scheidung, auf Zahlung des Zugewinnausgleiches zu klagen und den Zahlungsanspruch abzusichern. 3. Perspektive für die Praxis mit dem neuen Recht Das neue Recht erweitert also die Schutzmöglichkeiten für den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Wirklich effektiv kann dieser seine Rechtspositionen aber auch in der Zukunft nur dann durchsetzen, wenn er über möglichst umfassende Informationen zur finanziellen Situation beider Ehegatten verfügt. Wichtig ist hier vor allem ein offenes Gespräch und eine schriftliche Fixierung der finanziellen Ausgangsposition beider Ehegatten bei der Heirat. Auch die neue Fassung des Gesetzes kann nur den Grundfall gestalten und führt deshalb nicht für jede Ehe zu einem fairen Ergebnis. Nach wie vor möglich sind Eheverträge mit sehr differenzierten Lösungen, die die Vermögens-, Einkommens- und Erbsituation jedes Ehegatten individuell berücksichtigen und die gesetzlichen Regeln entsprechend den Bedürfnissen dieses Einzelfalles modifizieren. Die Chance für eine solche rechtliche Regelung, die für den Einzelfall faire Ergebnisse herbeiführt, sollte von jedem Ehepaar genutzt werden. Rechtsanwältin Christiane Winckelmann Fachanwältin für Familienrecht