elearning - eine neue Chance für die Pädagogik? IWP-HSG Überblick 1. Wer pusht elearning? 2. Welche pädagogischen Potentiale hat elearning? 3. Welche Gestaltungsaktivitäten erfordert elearning? Während die Technologie mit Siebenmeilenstiefeln voranschreitet, hinkt die Pädagogik hinten nach! Die Pädagogen über allerdings zu bald und zu sehr das Feld den Informatikern. Auch hier muss in jedem Fall gefragt werden: WER? WO? WANN? WOZU? WARUM? Lässt sich mit elearning eine Bildungsferne und Unlust zu Informationsaufnahme befördern? Und ist Informationsaufnahme schon bildend im Sinne eines in die eigene Erfahrung integrierten Wissens, das dem Individuum neue (physische, seelische, geistige) Möglichkeiten verschafft? Ganz unterschiedliche Organisationen und Institutionen besetzen den elearning-markt: 1
Akteure des elearning-marktes Unternehmen Universitäten Verbände Kammern Infrastrukturleister Öffentliche Schulen Private Bildungsinstitutionen Bildungsbroker / Verlage Unternehmen möchten mit elearning Kosten sparen und führen u.a. interne Fortbildung und Kundenberatung online durch In den USA gibt es bereits eine reine elearning-universität in Phoenix, mit ca. 80'000 Studierenden. Der Export ganzer Lehrgänge ist in England und den USA bereits zu einem expandierenden Markt geworden Als Bildungsbroker betätigt sich seit kurzem auch der Klett-Verlag, der in gefragten Wissensbereichen computerbasierte Nachhilfekurse anbietet Die Angebote von Infrastruktur-Leistern sind sehr im Fluss, und viele sind bereits konkursit gegangen Alles in allem ist elearning in hohem Masse ökonomisch besetzt! Wie ist das pädagogischenpotenzial von elearning zu beurteilen? elearning zwischen Erwartungen und Befürchtungen Anschaulichkeit Interaktivität Individualisierung PÄDAGOGIK Erwartungen Leerzeit -> Lehrzeit just-in-time Qualif. Kostenreduzierung EDU-Commerce ÖKONOMIE Demotivierte Lernende Frontalunterricht -> Frontalsoftware Quick-and-Dirty-Pädagogik Befürchtungen unkontrollierbare Kosten keine Amortisation bildungstechnologischer Friedhof Die Kriterien Anschaulichkeit, Interaktivität und Individualisierung bestechen, sind aber auf verschiedenen Altersstufen unterschiedlich realisierbar und wirksam: Zu bedenken wären 2
etwa der Einfluss der emotionalen Beziehung Lernender/Lehrer oder die Dimensionen bei echtem, partnerschaftlichem und ad personam et ad momentum abgestimmtem Agieren gegenüber digitalen ja-nein -Sequenzen u.a.m. So befürchten Pädagogen eine technische Perfektion des Frontalunterrichts durch Frontalsoftware (in bestimmten Fällen allerdings durchaus legitim und effizient!) oder ein Überhandnehmen von Quick-and-Dirty-Pädagogik. Wünschenswert wäre ein engagiertes Handeln von Pädagogen: Statt Mauern gegen den technologischeh Wind zu erreichten, könnten Windmühlen errichtet und der Passat des technologischen Stroms besonnen und clever genutzt werden! Aus wirtschaftlicher Sicht hofft man, dass Leer-Zeit zu Lehr-Zeit umgemünzt werden könnte und dass sich an unzähligen Arbeitsplätzen grosse Kosten einsparen liessen durch firmeneigenes Lernmaterial und immer aktualisierbare just-in-time-qualifikation. Befürchtet werden aber auch unkontrollierbare Kosten und die erfahrungsgemäss rasche Verfallzeit auch von Bildungstechnologie! Die folgenden Folien zeigt die verschiedenen methodisch-didaktischen Möglichkeiten des elearning in Opposition zu den traditionellen sozial-kommunikativen Lehrformen, etwa dem mäeutischen Dialog à la Sokrates und den reformpädagogischen didaktischen Neuerungen. Aus pädagogischer Sicht sei immerhin festgehalten, dass schon vor Jahrzehnten der böhmische Bischof Johann Amos COMENIUS (1592-1670), schon 1658 mit seinem Lehrbuch Orbis sensualium pictus Anschaulichkeit forderte und als Didaktiker die Grundsätze des selber Erfahren, selber Entdecken, selber Machen! propagierte! Wir die Folien für sich selbst sprechen und halten nur einige Aussagen und Überlegungen fest: Sozialformen Lernumgebung e e elearning bietet sichtbare Vorteile: Eingebaute Bilder, auch ganze animierte Abläufe, erhöhen die Anschaulichkeit und (allerdings vor allem, aber nicht nur kognitive) Begreifbarkeit (Phänomen des Staunens ist nicht zu unterschätzen!) Der etutor ist geduldig und unermüdlich (wobei auch die ungeduldige Reaktion des Lehrers lernförderlich sein kann!) Die Selbststeuerung des Lernens (ja durchaus ein pädagogisches Ziel!) kann nach und nach verstärkt werden Das übliche Präsenzlernen kann von elementaren Komponenten befreit werden und schafft dadurch Gelegenheit (und Zeit und Geld) für anspruchsvolle (soziale) Erarbeitungsformen 3
elearning erleichtert neue Möglichkeiten des schul- und länderübergreifenden Lernens! u.a.m. Sozialformen synchrones Teleteaching e e Sozialformen Tele-unterstütztes e e. 4
Sozialformen Lernen in Communities / CSCL e e Entwicklungsrichtungen Neue als Addition zu bestehenden Komponenten des Lehr-Lernprozesses Neue als Auslöser für die Entwicklung neuer Lehrveranstaltungskonzepte Neue als Auslöser für die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Lehrens und Lernens in einer Bildungsinstitution Gestaltungsschwerpunkte Lernumgebungen Kulturen / Strukturen 5
Gestaltung einer integrierten Lernumgebung Kick-off - Kennenlernen (persönl. / Netz) - Gruppenbildung / Namensgebung - Einführung Gruppenregeln Evaluations- Chat Abschluss- Workshop Fallsituation - Arbeitsaufträge - unterschiedliche Aufgabentypen Lernressourcen - Instruktionale Anleitung - Inhaltliche Grundlagen (Lit., Navigationstexte, Links etc.) Problemorientiertes Lernen im Team Fall-Lösung - Dokumentation - Präsentation Ggf. mehrere Zyklen / Variation Aufgabentypen / Transferorientierung Teletutoring Seminarleitung Diskussionsforum FAQ Feedback durch Seminarleitung - individuell - Vergleichslösung Am Beispiel der technischen Entwicklung des Autos wurde kommentarlos die beeindruckende Lernfähigkeit des Menschen gezeigt; solche Fortschritte ergaben und ergeben sich auch in Zukunft dank einer zielgerichteten Offenheit (und gelegentlich auch zu-fälligen Gunst des Augenblicks!) für alle Lernmöglichkeiten: Anwendung von Technik - ein Entwicklungsprozess! Chancen einer neuen Lernkultur Neue bewirken eine neue Lernumgebung und schaffen (mit von Lernort zu Lernort unterschiedlichen) Verzögerungen auch eine neue Lernkultur. Dies ist auch für den akademischen Lernbetrieb durchaus vorteilhaft: Die Studenten werden aktiver, steuern ihr Lernen selbst und benötigen angepasste Unterstützung durch die Dozenten. Solche Prozesse erfordern Zeit! An der Hochschule St. Gallen verläuft die Entwicklung dieser neuen Lernkultur insgesamt positiv. Zu beachten bleiben Gruppenarbeits-Geschädigte, die kaum mehr allein arbeiten können. In der abschliessenden Fragerunde wird auf die Schwerfälligkeit des Hochschulwesens hingewiesen, aber dazu bemerkt, dass die entstandene Aufbruchstimmung durchaus positiv verlaufe. Das System des Tutoring (eine in England und den USA selbstverständliche Tradi- 6
tion) hat sich bestens bewährt, ist aber (wie bereits der Unterricht auf vorangehenden Stufen) immer auch eine Frage der Fachkompetenz und der menschlichen Qualitäten der Lehrenden/Tutoren. Sie können mehr oder weniger aktiv herausfordern, anregen, als Katalysatoren und Animatoren wirken. Letztlich, so ein Fazit der Abschlussrunde, ist elearning nach wie vor nur eine von vielen möglichen Lernformen. Die soziale, direkte Kommunikation ist unersetzlich und sollte Element einer Lernkultur bleiben. Mit einer gewissen Dosis Schrot-Schuss-Pädagogik, also einem methodisch-didaktisch nicht eng fokussierten Zielen auf den Lernenden sind gute Wirkungen wahrscheinlich und möglich. Das wichtigste Medium ist und bleibt in allem Lernen der Mensch Die vorliegende Fassung hat Prof. Euler eingesehen und gebilligt. 29. 11. 2002, Leonhard Jost 7