Der Nutzen von SAP NetWeaver Oder Wie sag ich s meinem Chef Erschienen in der E3 04/2006 Von Dr. Carl Winter, REALTECH AG Viele SAP-Kunden stehen heute vor der Entscheidung, ob sie einen technologischen Upgrade auf mysap ERP 2005 realisieren oder ob sie in die SAP NetWeaver-Technologie einsteigen sollen. Damit verbunden sind die Fragen: wann ist der geeignete Zeitpunkt für den Einstieg und wie rechnen sich die damit verbundenen Investitionen? Diese sind vor den Entscheidungsträgern im eigenen Haus zu rechtfertigen. Dafür ist es notwendig, den Nutzen dieser neuen Technologie transparent darzustellen. Die flexible Abbildung von Geschäftsabläufen ist der wesentliche Nutzen, den Unternehmen aus SAP NetWeaver ziehen. Für IT-Verantwortliche ist es notwendig zu verstehen, welcher konkrete Nutzen für das Geschäft daraus resultiert und welche Vorraussetzungen innerhalb der Organisation zu schaffen sind. Mit diesem Wissen ist es möglich, SAP NetWeaver optimal zu nutzen und Investitionen in die neuen Technologien der SAP zu verantworten. Integration als Argumentationsgrundlage Mit SAP NetWeaver hat sich auch die Herangehensweise an IT-Projekte geändert. Früher entschied sich ein Kunde aufgrund des Leistungsumfangs für ein bestimmtes SAP- oder Non-SAP-Produkt. Nach der Installation erfolgten das Einrichten des Systems und das Customizing. Meist wurden zusätzliche kundenspezifische Eigenentwicklungen im SAP-System vorgenommen, um eine bessere Abbildung der Geschäftsprozesse und der für das Unternehmen spezifischen Anforderungen zu gewährleisten. Mit SAP NetWeaver steht heute die Integration im Vordergrund. Business drives technology Erfahrungen aus Kundenprojekten der REALTECH AG zeigen, dass die Identifikation von SAP NetWeaveroptimierten Business Cases der wesentliche Punkt für eine erfolgreiche Nutzung von SAP NetWeaver ist. Diese werden identifiziert, indem man sich im ersten Schritt die neuen Möglichkeiten von SAP NetWeaver vor Augen führt. Mit diesen Erkenntnissen gilt es bereits etablierte Geschäftsprozesse zu analysieren und Teilprozesse mit Optimierungspotenzial zu identifizieren. Im nächsten Schritt ist zu bewerten ob dieses Optimierungspotenzial mit den neuen Möglichkeiten von SAP NetWeaver umgesetzt werden kann. Daraus abgeleitet ergeben sich SAP NetWeaver-optimierte Business Cases. Der Geschäftsprozess bestimmt somit, welche SAP NetWeaver-Komponenten erforderlich sind. Nur wer sich zunächst auf die Geschäftsabläufe konzentriert, wird den Nutzen von SAP NetWeaver auf Entscheiderebene darstellen können. Die technologische Grundlage für die Abbildung der Geschäftsprozesse innerhalb der SAP-Landschaft bilden SAP NetWeaver und die SAP NetWeaver-Komponenten. Der mit der Einführung von SAP NetWeaver einhergehende grundlegende Architekturwechsel führt dazu, dass sich das Herangehen an 1 -
SAP-Projekte in einem beträchtlichen Rahmen ändert. Diese Änderungen sind nicht erst für eine Umstellung der gesamten IT auf SAP NetWeaver oder eine SAP Enterprise Services Architecture relevant, sondern sollten bereits beim ersten SAP NetWeaver-Projekt Berücksichtigung finden. Ein gutes Beispiel für die Umsetzung eines SAP NetWeaver-optimierten Business Cases ist die Einbindung eines optimierten Lieferantenmanagements in die Geschäftsprozesse. Im ersten Schritt ist hierbei zu klären, in welcher Form die Lieferanten in die Geschäftsprozesse einzubinden sind. Ein umfangreicher Fragenkatalog hilft, zu klären, welche Informationen ein Lieferant im Detail benötigt und auf welche Lieferantendaten mein Unternehmen Zugriff haben sollte. Weiter ist zu untersuchen, über welche Technologien und Übertragungswege der Datenaustausch erfolgen kann und wie sich Lieferanten in Prozesse überhaupt einbinden lassen. Sinnvoll kann es auch sein, den Lieferanten mit Bewertungen zur gelieferten Qualität von Produkten und Rohstoffen zu versorgen. Dies kann auch in Form von Statistiken erfolgen, die die Qualität der gelieferten Waren vergleichbar macht. Das Supply Chain Portal von SAP bietet den gewünschten Funktionsumfang und ist ein möglicher Lösungsweg, um auf Basis von SAP NetWeaver Lieferanten flexibel in die eigenen Prozesse einzubinden. Nach Definition der Anforderungen erfolgt an dieser Stelle die Bewertung des konkreten Nutzens für das Unternehmen. Im genannten Beispiel kann ein Unternehmen beispielsweise von einer vereinfachten und standardisierten Kommunikation mit seinen Lieferanten profitieren. Durch die Konsolidierung von Schnittstellen werden Abläufe automatisiert und können jetzt End-to-End überwacht werden. Der Beschaffungsprozess insgesamt wird somit optimiert. Vereinfachte und standardisierte Kommunikation Die zentrale Kommunikationsplattform stellt das SAP Enterprise Portal (SAP EP) in Form einer Web- Oberfläche bereit. Lieferanten erhalten über einen Standard-Web-Browser Zugriff auf alle bereitgestellten Informationen. Abhängig vom implementierten Berechtigungskonzept ist sogar ein aktives Arbeiten im System möglich, so dass sich Prozesslaufzeiten drastisch verringern. Die so erlangte Standardisierung der Kommunikation erlaubt eine schnelle Einbindung von neuen bzw. den unkomplizierten Austausch bestehender Lieferanten. Durch den Wegfall von Medienbrüchen und die erhöhte Automation wird der Beschaffungsprozess sowohl zeitoptimiert als auch kostengünstiger. Schnittstellen-Konsolidierung Selbst bei anscheinend technologisch-orientierten Themen wie beispielsweise der Konsolidierung von Schnittstellen mit SAP Exchange Infrastructure (SAP XI) sind die Unternehmensprozesse der Schlüssel zum erfolgreichen Projekt. Dabei gilt es sicherzustellen, dass Geschäftsprozesse über Unternehmens- und Systemgrenzen hinweg verfügbar sind. So konnten in einem Kundenprojekt bei REALTECH, in dem die Lieferanten die benötigten Informationen ursprünglich zum Download bereitstellten, durch einen SAP NetWeaver-optimierten Business Case die Prozesse deutlich optimiert werden. Im alten System traten oftmals Datenverluste bei der Übertragung auf, da kein durchgehendes Monitoring erfolgte. Heute liest die 2 -
SAP NetWeaver-Komponente SAP XI die Daten konsistent in das ERP-System ein. Dadurch ist es möglich, den Prozess durchgängig von der Ablage auf einem FTP-Server bis zum Einlesen in das ERP- System umzusetzen. Dies führte zu einer deutlichen Steigerung der Prozessqualität und -verfügbarkeit. Unternehmen sollten zuerst einzelne und abgegrenzte Business Cases innerhalb bereits etablierter Geschäftsprozesse identifizieren, die sich mit SAP NetWeaver besser umsetzen lassen als mit den bisher im Haus verfügbaren SAP-Technologien. Daraus resultieren überschaubare Projekte mit überschaubaren Kosten. Dass dies zentrale Themen sind, bestätigen auch Kunden von REALTECH. Der Controller eines Unternehmens der Automobilbranche grenzt seine Entscheidungskriterien wie folgt ein: Es ist alles erlaubt, was den Prozess schneller und einfacher macht. Nach Identifikation der Business Cases lassen sich diese auf Basis von SAP NetWeaver umsetzen und optimieren. Bei der Realisierung eines Business Cases greift das System auf unterschiedliche Enterprise Services zurück, die ein Enterprise Services Repository vorhält. Dabei nutzen die Web-Services Funktionen verschiedenster SAP und Non-SAP-Komponenten. Dies bedeutet auch, dass Business Cases über die ganze IT-Landschaft hinweg zu betrachten sind, um den Nutzen von SAP NetWeaver für das Unternehmen sicherzustellen. Neue Technologien mit neuen Herausforderungen Die neue Herangehensweise aus Sicht der Prozesse erfordert beim Kunden und den SAP- Beratungshäusern ein Umdenken. Gefordert ist eine neue Beraterkompetenz, bei der die SAP NetWeaverzentrierte Umsetzung im Mittelpunkt steht. Es sind nicht mehr die Spezialisten gefragt, sondern Generalisten. Die Berater sollten sich in Richtung Integrationskompetenz neu orientieren und breites Wissen aufbauen. Technische Kenntnisse gewinnen auch im klassischen betriebswirtschaftlich getriebenen SAP-Beratungsmarkt zunehmend an Gewicht. Bei potenziellen Kunden, wird die unternehmensweite Zusammenarbeit zu einem zentralen Element, um Business Cases sicher identifizieren zu können. Künftig arbeitet die IT-Abteilung und der jeweilige Fachbereich eng zusammen. Ausgehend von den Anforderungen an den Geschäftsprozess, sind die zur Realisierung benötigten Software-Komponenten zu betrachten und die damit verbundene SAP NetWeaver- Architektur zu definieren. Der konkrete Nutzen von SAP NetWeaver ergibt sich aus der Summe der Optimierungsmöglichkeiten und dient als Grundlage für weitergehende Investitionsentscheidungen. Bisher ist der Bereich innerhalb der IT, der für die SAP-Systeme zuständig ist, in drei Bereiche aufgeteilt: Anwendungsentwicklung, SAP-Basis und Betriebsorganisation. Mit SAP NetWeaver lassen sich diese Grenzen nicht mehr in dieser Eindeutigkeit definieren. In Zukunft werden Projekte nur dann die erwarteten Ergebnisse bringen, wenn alle drei Bereiche gemeinsam an Lösungen arbeiten. Dies erfordert ein Umdenken bei jedem Mitarbeiter und entsprechende organisatorische Maßnahmen. 3 -
Vom Geschäftsprozess zur Architekturplattform Wer SAP NetWeaver als Plattform für die Abbildung von Unternehmensprozessen betrachtet, wird die damit verbundene Komplexität und die veränderten Erfolgsfaktoren gegenüber bisherigen SAP Migrationsund Upgrade-Projekten verstehen. Fachabteilungen, Anwendungsentwicklung und IT-Spezialisten analysieren künftig gemeinsam die Business-Anforderungen, modellieren die Geschäftsprozesse und formulieren die technologischen Anforderungen. In einer serviceorientierten Architektur mit SAP NetWeaver haben Kunden erstmals die Möglichkeit, über die SAP NetWeaver-Komponenten Geschäftsprozesse systemübergreifend abzubilden. SAP NetWeaver ist dabei die Integrationsplattform, über die sich die Benutzer, die sich in ihren Geschäftsprozessen bewegen, auf die Anwendungs-Systeme zugreifen. Die zentrale Herausforderung in den Projekten liegt in der bestmöglichen Abbildung des Geschäftsprozesses auf die IT-Landschaft. Wesentlicher Bestandteil für den Einstieg in SAP NetWeaver ist die frühzeitige Bewertung von Optimierungs- und Konsolidierungspotenzialen innerhalb einer IT-Landschaft. Außerdem ist die ganzheitliche Betrachtung von IT-Architektur und Technologie, Qualifikation der Mitarbeiter, IT-Organisation und IT-Prozesse sowie IT-Strategie von entscheidender Bedeutung für den Projekterfolg. Damit ändern sich auch die Anforderungen an Berater und Systemarchitekten, die die Implementierung von Geschäftsprozessen in der SAP-Landschaft und den übrigen IT-Systemen übernehmen. Bisher wurden die Prozesse vergleichsweise unabhängig von der Systemumgebung definiert. Aus der zielgerichteten Implementierung von SAP NetWeaver-optimierten Business Cases ergeben sich neue, weitreichende Möglichkeiten, Kosten einzusparen, flexibler auf neue Business-Anforderungen reagieren zu können und dem Wettbewerb einen kleinen Schritt voraus zu sein. Unternehmen haben somit die Möglichkeit, die IT als Wettbewerbsvorteil nutzen zu können. IT-Verantwortliche sollten sich Gedanken machen, ob sie diesen bereits heute nutzen oder in drei bis vier Jahren mit dem dann allgemeinen Trend mitgehen wollen. Das Risiko bleibt gering, dank des überschaubaren Projekt-Aufwands und kalkulierbarer Kosten. Fazit Den Geschäftsprozess im Fokus, bietet SAP NetWeaver ungeahnte Möglichkeiten Prozesse zu optimieren. Abgegrenzte Business Cases versetzen Unternehmen in die Lage, sich Schritt für Schritt der neuen SAP- Technologie zu nähern. Werden heute noch Themen wie neue Funktionen und reduzierte Wartungskosten mit SAP NetWeaver in Verbindung gebracht, so sind diese künftig um die Punkte firmenübergreifende Zusammenarbeit und Prozessoptimierung zu ergänzen. Dabei sollten Unternehmen immer das Ziel vor Augen haben, Geschäftsprozesse mit der neuen SAP-Technologie besser, einfach, flexibler und auch kostengünstiger umsetzen zu können, als es mit den bisherigen Technologien möglich war. 4 -
Der Mehrwert, der daraus für das Unternehmen entsteht, ist der messbare und darstellbare Business- Nutzen, der als Grundlage für Investitionsentscheidungen dient, die auch vom Management verstanden und mitgetragen werden. 5 -