Modellbildung und Simulation für die Hybridfahrzeugentwicklung



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Transkript:

Modellbildung und Simulation für die Hybridfahrzeugentwicklung Clemens Gühmann Technische Universität Berlin Kurzfassung Üblicherweise werden in der Konzeptphase für Hybridfahrzeuge zur Abschätzung des zu erwartenden Verbrauches und des Fahrverhaltens Offlinesimulationen durchgeführt. Aussagen bezüglich der Emissionen sind nur mit sehr großen Unsicherheiten möglich. Die genauere Vorhersage der Emissionen und des Verbrauchs eines Hybridfahrzeuges in einer frühen Phase des Entwicklungsprozesses ist durch die Echtzeitsimulation an einem Motorenprüfstand möglich. Es wird in diesem Beitrag ein Prüfstand vorgestellt, in dem der gesamte Antriebsstrang eines Hybridfahrzeugs virtuell als Simulationsmodell integriert ist, so dass Emissionsvorhersagen möglich sind. 1 Einleitung Aktuelle Fahrzeugentwicklungen sind geprägt durch anspruchsvolle Zielstellungen im Hinblick auf niedrige Abgasemissionen (Gesetzgeber), geringen Verbrauch (Gesetzgeber und Kunde) und weiter steigende Komfortansprüche (Kunde). Dies alles führt zu einer ständig steigenden Komplexität der verwendeten Technik. Die optimalen Verbrauchs- und Emissionswerte sowie die hohen Komfortansprüche eines Kraftfahrzeuges lassen sich nur dann erreichen, wenn der gesamte Antriebsstrang, bestehend aus Motor, Kupplung, Getriebe und Fahrzeugdynamik betrachtet, und die betreffenden Steuergeräte gemeinsam abgestimmt werden. Dabei müssen zunehmend in der Entwicklung und Applikation der Steuergeräte des Antriebstrangs dynamische Drehzahl- und Lastverläufe berücksichtigt werden. Zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet der alternativen Antriebe bedingen darüber hinaus noch die Einbeziehung z.b. elektrischer Maschinen und zusätzlicher Energiespeicher, so dass die Festlegung und Auslegung des Fahrzeugkonzeptes sowie die Entwicklung, Optimierung und Applikation neuartiger Fahrzeugbetriebsstrategien notwendig werden. Zur Beherrschung der sich dadurch ergebenen Komplexität in der Konzeptauslegung, der Software- und Funktionsentwicklung und in der Steuergeräteapplikation ist es erforderlich, möglichst in frühen Phasen des Entwicklungsprozesses das Gesamtsystem zu betrachten. Im heutigen Entwicklungsprozess gewinnt daher die Simulation in der Konzeptphase sowie in der Steuergeräteentwicklung und Bedatung immer mehr an Bedeutung [1].

2 Einsatz der Simulation in der Entwicklung für Hybridfahrzeuge Bei der traditionellen Entwicklung der Hybridfahrzeuge werden in der Phase der Systemspezifikation Offlinesimulationen zur Potenzialabschätzung durchgeführt. Das Ergebnis ist die Abstimmung der Bauteile (z.b. Leistung oder Drehmoment) und die grobe Festlegung der verschiedenen Steuerungen. Relevant sind hierbei die Motorund Getriebesteuerung sowie die meist übergeordnete Fahrzeugbetriebsstrategie. Mit dieser Betriebsstrategie wird das Zusammenspiel von Elektro- und Verbrennungsmotor koordiniert. In Abhängigkeit des Fahrzustandes und der Fahraufgabe wird die Gangwahl vorgenommen und eine Drehmomentenaufteilung zwischen der E-Maschine und dem Verbrennungsmotor vorgegeben. In dem sich anschließenden Schritt der Funktionsspezifikationen erfolgt die Detaillierung der Steuerungen und der Betriebsstrategie. Die in diesen frühen Phasen des Entwicklungsprozesses (System- und Funktionsspezifikation) eingesetzten Offlinesimulationen werden auch als Model-in-the-Loop Simulation bezeichnet. Es liegt ein Funktionsmodell der zukünftigen Steuergerätesoftware vor. Zur Modellierung des Fahrzeuges und der Funktionen werden Standardtools wie MATLAB /Simulink oder Modelica eingesetzt. Die folgende Softwareentwicklung wird in den Phasen Modultest, Integrationstest oder Systemtest durch die Software-in-the-Loop-Simulation und die Hardware-in-the- Loop-Simulation begleitet. Diese etablierten Simulationsmethoden dienen der Erhöhung der Testabdeckung. Bei der Software-in-the-Loop-Simulation wird das Simulink- Funktionsmodell des Steuergerätes durch den zu testenden C-Code ersetzt. Dadurch lassen sich Kodierungsfehler unabhängig von der Steuergerätehardware und vom Fahrzeug finden. Eine Überprüfung des Zusammenspiels der einzelnen Module (Integrationstest) und der Systemtest geschehen in den nächsten Schritten. In diesen Phasen des Entwicklungsprozesses liegen die realen Steuergeräte vor, so dass die Tests durch Hardware-in-the-Loop-Simulatoren unterstützt werden können. Nach Abschluss der Softwaretests kann die Applikation, d.h. die Bedatung der Steuergeräte an Prüfständen und im Fahrzeug durchgeführt werden. Erst hier in dieser späten Phase können verlässliche Aussagen bezüglich der Emissionen und des zu erwartenden Verbrauchs getroffen werden. Änderungen in der Funktions- oder sogar Systemspezifikation sind dann zeitaufwändig, teuer und meist nicht mehr möglich. Die genauere Vorhersage der Emissionen und des Verbrauchs eines Hybridfahrzeuges in einer frühen Phase des Entwicklungsprozesses ist durch die Echtzeitsimulation an einem Motorenprüfstand möglich. Hierfür muss jedoch als Voraussetzung der Verbrennungsmotor bereits ausgewählt sein und vorliegen. 3 Motorenprüfstand zur Hybridfahrzeugentwicklung Bei der der Entwicklung von Hybridfahrzeugkonzepten an hochdynamischen Prüfständen [3],[5] wird die elektrische Belastungsmaschine derart angesteuert, dass das Verhalten des Antriebsstranges nachgebildet werden kann. Hierzu sind insbesondere Kupplung, Getriebe, Differenzial, Fahrwiderstand, die elektrischen Komponenten und auch der Fahrer in Echtzeit detailliert zu simulieren. Das Verhalten eines Antriebsstrangs kann durch die Rechnersimulation am Prüfstand abgebildet und einfach variiert werden, jedoch fehlten dann noch die notwendige Optimierungen der Komponenten und Steuergeräteapplikationen.

Aufgrund der hohen Anzahl an Applikationsparametern reicht der Einsatz der Simulation zur Beherrschung der Komplexität allein nicht aus. Vielmehr sind moderne e- benfalls modellgestützte Methoden wie die Statistische Versuchsplanung (DoE) erforderlich, mit denen die Messpunkte optimal ausgewählt werden können und die fernerhin automatisierbar sind. Der Aspekt der Optimierung mit Methoden der der statistischen Versuchsplanung wird eingehender im Abschnitt 4 behandelt. Im Weiteren wird ein Motorprüfstand zur Simulation verschiedener Hybridfahrzeugkonzepte vorgestellt. Dabei liegen die Schwerpunkte bei der Vorstellung des Prüfstandkonzeptes, den echtzeitfähigen Simulationsmodellen sowie den Regel- und Steuerstrategien. Beim verwendeten Prüfstand handelt es sich um ein hochdynamisches Prüfstandssystem der Firma MTS. Die Verbrennungskraftmaschine ( Engine) ist direkt mit dem elektrischen Generator gekoppelt (Bild 1). Die elektrische Bremse ( Dynamometer) wird mit Hilfe eines Umrichters ( Drive) angesteuert. Der Umrichter wiederum erhält seine Regelsignale vom Prüfstandsrechner ( Control system), welcher gleichzeitig für die Datenakquisition und die Steuerung des Verbrennungsmotors ü- ber den Pedalwertgeber ( PVS) verantwortlich ist. Außerdem werden zusätzliche Messsignale (z.b. Drehzahl vom Inkrementalgeber, Drehmoment vom Messflansch, usw.) vom Prüfstandsrechner verarbeitet. Data acquisition Control loops & Limits Physical I/O Virtual I/O Dynamometer Control Speed Torque PVS Engine Dynamometer Drive Schedule Model of vehicle TCP/IP Control System HiL Simulator PC Workstation Bild 1: Schematischer Aufbau des Prüfstandes Da die elektrische Bremse direkt mit dem Verbrennungsmotor gekoppelt ist, müssen außer den Fahrzeugkomponenten des Triebstrangs (wie z.b. Fahrwiderstand, Rollreibung, usw.) auch das Getriebe und die Kupplung in Echtzeit modelliert werden. Hierzu wird ein Standard-PC mit einem QNX -Echtzeitbetriebssystem verwendet ( HiL-Simulator). Die Kommunikation zwischen HiL-Simulator und Prüfstand bzw. zwischen Fahrzeugmodell und Prüfstandssystem wird über eine Gigabit Ethernet-

netzwerkverbindung (UDP/IP) realisiert. Die Verbindung per Ethernet stellt hierbei eine kostengünstige Alternative zur Shared Memory -Verbindung dar. Sollte sich zeigen, dass die Latenzzeiten der UDP/IP-Verbindung zu groß sind, kann immer noch auf eine Shared Memory -Lösung zurückgegriffen werden. Die echtzeitfähigen Modelle der Triebstrangdynamik werden mit Hilfe des auf MATLAB -basierenden Simulationswerkzeugs VeLoDyn der IAV GmbH auf einem Arbeitsplatzrechner ( PC Workstation) erstellt. Unter Verwendung der Software RT- LAB der Firma Opal-RT werden diese Modelle zunächst für die Echtzeitsimulation aufbereitet und dann über eine weitere TCP/IP-Netzwerkverbindung auf den HiL- Simulator übertragen und gestartet. RT-Lab bietet des Weiteren die Möglichkeit, den HiL-Simulator zu überwachen. Das soll heißen, man kann sich Simulations- und Messsignale des HiL-Simulators auf dem Arbeitsplatzrechner anzeigen lassen und neue Sollwerte übergeben. Das alles geschieht in Echtzeit. Außerdem stehen für verschiedene Skriptsprachen (wie z.b. MATLAB oder Python) Schnittstellen zur Verfügung. Daten können wahlweise direkt in Simulink oder z.b. auch mit LabVIEW angezeigt werden. Ein großer Vorteil der Anbindung per Netzwerk ist auch die Möglichkeit der Fernüberwachung eines laufenden HiL-Versuchs. Auch ist es problemlos mögich, im HiL- Simulator aufgezeichnete Messdaten über das Netzwerk (z.b. (S)FTP) zur Verfügung zu stellen. 3.1 Regel- und Steuerstrategien Im Rahmen einer HiL-Simulation am hochdynamischen Motorprüfstand bedarf es eines ausgeklügelten Regelungssystems, um das echtzeitfähige Fahrzeugmodell in den Regelkreis zu integrieren. So ist in der Regelung neben dem Prüfstandsrechner auch der HiL-Echtzeitsimulator eingebunden, auf dem nicht in Hardware vorliegende Fahrzeugkomponenten simuliert werden. Bestandteil des Fahrzeugmodells ist in der Regel auch ein virtueller Fahrer (vlg. Abschnitt 3.2.2). Die als Hardware im Regelkreis vorkommende Komponente ist hier der Motor, der direkt mit einer elektrischen Asynchronmaschine ( ASM) gekoppelt ist. Beim Aufbau des Regelkreises kann zwischen zwei Regelstrategien gewählt werden, wodurch die Stellgrößen festgelegt werden. Beide Strategien sind in Bild 2 und Bild 3 schematisch dargestellt. Fahrzeug- Modell M L (Lastanforderung) ASM n Mess Welle V-Motor α M B M i + M Mess Bild 2: M-α-Regelungsstrategie (M L : Lastmoment; M i : inneres Moment; M B : Beschleunigungsmoment; M Mess: gemessenes Lastmoment, n Mess: gemessene Drehzahl)

Fahrzeug- Modell n (Drehzahlanforderung) ASM n Mess Welle V-Motor α M Mess Bild 3: n-α-regelungsstrategie (n: Drehzahl; M i : inneres Moment; M Mess : gemessenes Lastmoment, n Mess : gemessene Drehzahl) Bei der M-α-Regelungsstrategie wird durch das Fahrzeugmodell das aktuelle Lastmoment berechnet (Lastanforderung), das sich in der Realität aus Fahrwiderständen, Reibwerten und Trägheiten einzelner Fahrzeugkomponenten zusammensetzt, und der Asynchronmaschine zur Verfügung gestellt. Dieses als Sollwert aufzufassende Moment wird von der Asynchronmaschine durch eine interne Regelung an der Kupplung zum Motor eingestellt. Im Gegensatz hierzu verwendet die n-α-regelungsstrategie anstelle eines Lastmomentes eine Drehzahl als Sollwertvorgabe, die als Anforderung an die Asynchronmaschine übertragen wird. In beiden Fällen wird zusätzlich zur Sollgröße, die Gaspedalstellung α vom Fahrzeugmodell zur Verfügung gestellt, die als Wunsch des virtuellen Fahrers aufzufassen ist. Als Rückkopplungsgröße wird in beiden Regelungsarten das aktuelle Lastmoment an der Wellenkupplung gemessen, das im dynamischen Fall ein Beschleunigungsmoment enthält. Aus der Differenzbildung mit dem aktuellen inneren Moment der Bremse wird dieses aktuelle Beschleunigungsmoment berechnet und wieder in das Fahrzeugmodell eingespeist. Die dargestellten Regelkreise können als doppelte Kaskadenregelkreise aufgefasst werden, bei denen der äußere Kreis aus dem Fahrzeugmodell und die inneren Schleifen aus dem ASM-Regler (Drehzahl oder Lastmoment), sowie dem Regler der Fahrpedalstellung am Motor bestehen. Da beide inneren Kreise ein mechanisches System enthalten, liegt die Geschwindigkeit der äußeren Regelschleife in einem moderaten Bereich. Die Verwendung entsprechender Motorprüfstandstechnik stellt diesbezüglich sicher, dass alle mechanischen Komponenten eine schnellstmögliche Reaktionszeit aufweisen. 3.2 Echtzeitfähige Simulationsmodelle Es werden Simulationen eines Antriebstrangs benötigt, die in der Lage sind, den Verlauf von Drehzahlen und Momenten mit einer hinreichend genauen Auflösung über der Zeit zu berechnen. Darüber hinaus ist es wünschenswert, dass die Modelle echtzeitfähig sind und kompiliert für verschiedene Hardwareplattformen zur Verfügung gestellt werden können. Der Triebstrang besteht beispielsweise aus den Modulen Motor, Kupplung, Starter- Generator und Getriebe sowie dem Restfahrzeug. Das Getriebeausgangsmoment wird einem Fahrzeugmodell zugeführt, das die entsprechenden Fahrlasten generiert. Die Kopplung der einzelnen Triebstrangmodule, wie sie mit dem Simulationsprogramm VeLoDyn realisiert ist, zeigt Bild 4.

Darüber hinaus müssen ein Fahr-Regler für das automatisierte Abfahren vorgegebener Zyklen und die relevanten Steuergeräte (Soft-ECUs) modelliert werden. In dem hier dargestellten Blockschaltbild wird ein Fahrzeug mit Kurbelwellenstarter-Generator dargestellt. Es wurde dabei ein Starter-Generator basierend auf einer Asynchronmaschine mit feldorientierter Regelung realisiert, wobei die drei Regelungsarten Drehzahl, Drehmoment und Leistung möglich sind [4]. Im Folgenden wird beispielhaft auf die Teilmodelle Triebstrang und Fahrer eingegangen. 3.2.1 Triebstrangmodell Es wird von einer Drehzahl-/Drehmoment-Kopplung Gebrauch gemacht, wobei die Momentenbilanz auf die einzelnen Blöcke verteilt wird (Bild 4). Diese vorwärtsgerichtete Struktur erlaubt sowohl die Echtzeitsimulation als auch die Integration der Steuergerätemodelle, wie sie im V-Entwicklungsprozess in der Model-in-the-Loop Simulation vorliegen. Bild 4: Drehzahl/Drehmomentenkopplung zur Modularisierung der Systeme Das vom Motor kommende Moment wird sukzessive entlang des Triebstrangs um die Lastmomente der einzelnen Komponenten reduziert. Das letztlich am Fahrzeug anstehende Moment M A wird über die Beziehung dω M F A = J F + M B + M R + M F dt auf das Beschleunigungsmoment des Fahrzeugs J F dω F /dt, dem Bremsmoment M B, die Reibmomente M R und die Fahrwiderstände M F verteilt. Über den dynamischen Reifendurchmesser lässt sich daraus die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit ermitteln. Für die Einbindung des Simulationsmodells in die Umgebung eines Motorprüfstandes eignet sich die oben gezeigte Simulationsstruktur jedoch nur dann, wenn der Motor als Echtteil im n-α-modus betrieben wird. Im M-α-Modus muss das Modell den Fahrpedalwert α und das aktuell auf den Motor wirkende Lastmoment, das der Bremse zugeführt wird, liefern. Die Ermittlung des Lastmoments geschieht dabei entlang des Triebstrangs. Das Bild 5 zeigt, wie sich das Lastmoment prinzipiell in Abhängigkeit des Triebstrangzustands berechnet. Ist der Schalter oben, entspricht das einem ausgekuppelten Zustand des Triebstrangs. Auf den Motor wirkt nur die Last, die aus der offenen bzw. schleifenden Kupplung resultiert. Ist die Kupplung geschlossen, jedoch kein Gang (1)

eingelegt (mittlere Schalterstellung), ergibt sich das Lastmoment aus dem Beschleunigungsmoment der geschlossenen Kupplung und dem Beschleunigungsmoment des Getriebeeingangs. Ist bei geschlossener Kupplung ein Gang eingelegt, wirken zudem die vom Fahrzeug herrührenden Fahrwiderstände. Kupplung offen/schleifend neutral M L Massenträgheit Kupplung geschlossen + Gang + Reibwerte Fahrwiderstände Luftwiderstand Steigung Fahrzeug Bild 5: Prinzipielle Berechnung des Motorlastmoments in Abhängigkeit vom Zustand des Triebstrangs 3.2.2 Fahrermodell Um vorgegebene Geschwindigkeitszyklen mit dem Längsdynamikmodell eines Fahrzeugs abfahren zu können, wird ein Fahrer benötigt, der in der Lage ist, geregelt die Stellgrößen Pedalwertgebersignal und Bremspedalsignal zu betätigen. Für die Betätigung der Kupplung und des Getriebes werden in Abhängigkeit des Antriebstrangs vom Fahrer unabhängig simulierte (Soft-ECU) Steuergeräte verwendet. Die Gang- Sollvorgaben werden dabei von der Sollgeschwindigkeit abhängig an die Getriebe- Steuergeräte weitergegeben. Hauptkriterien des Fahrreglers sind ein asymptotisches Verhalten im stationären Zustand (konstante Geschwindigkeit) und die Einhaltung eines Toleranzbandes um die Sollgeschwindigkeit. Der Fahrer besteht aus den parallel geschalteten Modulen PWG-Regler (PWG: Pedalwertgeber) und Bremsregler. Die Ausgänge werden über einen Prioritätenregler abwechselnd, sich gegenseitig ausschließend aktiviert. Zur Geschwindigkeitsregelung werden für PWG und Bremse adaptive PI-Regler genutzt. Ferner wird neben der aktuellen Geschwindigkeitsvorgabe eine um 3 s in die Zukunft verschobenen Geschwindigkeitsfolge an den Regler geführt, um z.b. ein verzögerungsfreies Anfahren durch rechtzeitiges Lösen der Bremse zu gewährleisten. Durch den Einsatz der adaptiven Regler wird die stark von der Geschwindigkeit und dem eingelegten Gang abhängige Fahrzeugdynamik berücksichtigt. Die Parameter des PWG-Reglers werden abhängig vom Geschwindigkeitsfehler und der Sollbeschleunigung gesetzt (Bild 6). Im Bremsregler wird der Regelfehler der Geschwindigkeitsdifferenz mit einem Gewicht, welches eine Funktion der Sollbeschleunigung ist, multipliziert.

Adaptiver Regler: Geschwindigkeitsabhängige Vorgabe der Reglerparameter Bild 6: Adaptiver PWG-Regler Das Stateflowobjekt Gewicht stellt die Parameter des Reglers ein. Dadurch lässt sich der Regler in einer Umgebung der konstanten Sollgeschwindigkeit sehr träge gestalten. Die Geschwindigkeit strebt zwar sehr langsam gegen den Sollwert, schwingt aber weitaus weniger. Bei Einhaltung des Toleranzbandes stört dies weiter nicht und es wird zusätzlich ein phlegmatischer und somit sparsamer Betrieb des Verbrennungsmotormodells erzielt. 3.3 HiL-Simulation am Prüfstand Die vorgestellten Simulationsmodelle sowie das Regelungskonzept des Motorenprüfstandes konnten bisher an einem Motorenprüfstandssimulator überprüft werden. Das Bild 7 zeigt hierzu den prinzipiellen Einsatz der vorgestellten Modelle in der HiL- Simulation. Die Regelung der Asynchronmaschine erhält vom Modell als Stellgröße das Lastmoment des Antriebsstrangs. Der direkt an die Asynchronmaschine gekoppelte Verbrennungsmotor generiert das Antriebsmoment, das gemessen und anschließend in das Model des Antriebsstrangs zurückgeführt wird. T T T prop n n Clutch Engine (T ) Transmission (T ) T load ASM α Bild 7: Prinzipieller Aufbau der HiL-Simulation am Prüfstand Zur Überprüfung der UDP-Kommunikation wurde der im Bild 8 dargestellte Testlauf durchgeführt. Hierzu kommunizierte der HiL-Simulator über den UPD-Link mit einem PC, auf dem ein Verbrennungsmotor in Echtzeit simuliert wurde. In diesem Test betrug die Übertragungsgeschwindigkeit der Daten 10 Hz. Ein Teil des NEDC (New European Driving Cycle) ist im Bild 8 dargestellt.

50 Vehicle Speed [km/h] 40 30 20 10 2000 124 126 128 130 132 134 136 138 140 Engine Speed [rpm] via UDP@10Hz a) 1500 1000 300 124 126 128 130 132 134 136 138 140 Engine Torque [Nm] via UDP@10Hz b) 200 100 0 100 1 0 124 126 128 130 132 134 136 138 140 Clutch State; 0=open, 1=closed 124 126 128 130 132 134 136 138 140 time [sec] c) d) Bild 8: Testlauf an einem Motorenprüfstandssimulator: Ausschnitt eines simulierten NEDC a) Fahrzeuggeschwindigkeit b) Motorendrehzahl mit UDP übertragen c) Motordrehmoment d) Kupplungssignal In dem dargestellten Ausschnitt wird das Fahrzeug beschleunigt und zweimal ein Gang gewechselt. Während des Gangwechsels öffnet die Kupplung, das Fahrzeug verliert an Geschwindigkeit, der Gang wird eingelegt und das Fahrzeug wird anschließend wieder beschleunigt. Trotz der gering eingestellten Übertragungsrate von 10 Hz konnte eine stabile Simulation erreicht werden Für die spätere reale Prüfstandsanbindung des HiL-Simulationssystems werden Übertragungsraten von 100 bis 1 khz eingesetzt. 4 Design of Experiments in der Simulation Die beschriebene Offlinesimulationen und Simulationen am Prüfstand stellen einen enormen Fortschritt bei der Auslegung der Komponenten und der Optimierung der Steuergrätealgorithmen dar. Sie können zudem effizient mit der Methode DoE 1 genutzt werden [6]. DoE erlaubt die drastische Reduzierung des Simulations- und Messaufwandes bei gleich bleibender bzw. verbesserter Güte der Optimierungsergebnisse. Bild 9 zeigt den so genannten Z-Prozess dieser Methode. 1 Design of Experiments: Statistische Versuchsplanung

Bild 9: Z-Prozess der DoE-Methode in der Simulation (Quelle: IAV GmbH) Nachdem die Verstell- und Zielgrößen problemabhängig definiert worden sind, wird für die Eingangsgrößen ein Versuchsplan erstellt. Die Messungen anhand dieses Planes erfolgen nun statisch bzw. dynamisch am oben beschriebenen Prüfstand oder an einem Offlinemodell. Die akquirierten Daten werden im Anschluss dazu benutzt, statische oder dynamische Modelle anzupassen, welche im nächsten Schritt auf die Einflüsse der Eingangsgrößen hin analysiert werden. Es können so beispielsweise die Einflüsse bestimmter Parameter einer Betriebsstrategie untersucht werden [2], woran sich eine Optimierung hinsichtlich einer bestimmten Zielvorgabe anschließt. Der letzte Schritt umfasst den Export eines mit Hilfe des Modells erstellten Kennfeldes, das für die Applikation herangezogen werden kann. 5 Zusammenfassung und Ausblick Es wurden die Einsatzmöglichkeiten der Simulation in der Hybridfahrzeugentwicklung beschrieben. Insbesondere für die Hardware-in-the-Loop-Simulation an einem hochdynamischen Prüfstand wurden die dafür notwendigen echtzeitfähigen Triebstrangmodelle beispielhaft vorgestellt. Diese enthalten Modelle für die Kupplung, das Getriebe, Fahrzeugumgebung sowie den Fahrer. Dabei wurde gezeigt, dass die Art der Prüfstandsregelung (M-α bzw. n-α) einen wichtigen Einfluss auf die Struktur der Simulationsmodelle besitzt. Da sich der hochdynamische Prüfstand durch entsprechende Schnittstellen automatisiert betreiben lässt und sich Steuergeräte sowohl simulieren als auch als Echtteil integrieren lassen, kann der Entwicklungs- und Applikationsprozess enorm auch unter Einsatz von DoE-Versuchsplänen und -Modellen verkürzt werden. Mit dem vorgestellten Prüfstandssystem können zukünftig Hybridfahrzeugkonzepte auch bezüglich der Emissionen frühzeitig bewertet und Steuergeräte sowohl für den stationären als den dynamischen Betrieb appliziert werden.

6 Literatur [1] Gühmann, C.: Model-Based Testing of Automotive Electronic Control Units. Test 2005 Conference, May 2005, Nürnberg [2] Ploumen, S; Kok, D. Nessler, A.; Gühmann, C.: Layout and Optimisation of the Powertrain and the Operating Strategy for a Motor Vehicle with Start-Generator Unit. Röpke, K. (Hrsg.): Design of Experiments (DoE) in der Motorenentwicklung. expert verlag, Renningen, 2003, S. 167 ff. [3] Winkler, D.; Gühmann, C.; Barzantny, B.; Lindemann, M.: Model Based Calibration of ECUs Using a Highly Dynamic HiL Test Bench System. Röpke, K. (Hrsg.): Design of Experiments (DoE) in der Motorenentwicklung. expert verlag, Renningen, 2005 [4] Heidrich, I.: Simulation und Optimierung eines Kurbelwellenstartergenaratorantriebsstrang mit Motor- und Getriebekupplung. Diplomarbeit, TU Berlin, 2004. [5] Hagemann, G.; Heins; H.; Kirchner, A.-R; Ladentin, T.; Noodt, M.; Schuck, N.: Universelle Prüfumgebung für die Untersuchung des Antriebsstrangs. ATZ 2, 2003 [6] Röpke, K.; Gaitzsch, R.; Haukap; C.; Knaak, M.; Knobel, C.; Neßler, A.; Schaum, S.; Schoop, U.; Tahl, S.: DoE Design of Experiments. Methoden und Anwendungen in der Motorenentwicklung. Verlag Moderne Industrie, 2005