Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland



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Transkript:

Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland I. Die nationale Verteidigungsindustrie in einem veränderten außen-, sicherheits- und europapolitischen Umfeld Deutschlands sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit hängt von seiner Einbettung in europäische und transatlantische Strukturen ab. Eine Stärkung der Nordatlantischen Allianz und eine Kräftigung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) sind das erklärte Ziel der Bundesregierung. Diese Intention hat angesichts der gravierenden weltweiten politischen Veränderungen zusätzliches Gewicht erhalten. Wir müssen auf die aktuellen Herausforderungen passende Antworten finden. Ein Baustein für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheitsund Verteidigungspolitik (GSVP) ist eine verstärkte Europäisierung der Verteidigungsindustrie. Die wachsende Zahl schwerer Krisen und immer raschere Veränderungen in unserem sicherheitspolitischen Umfeld, die zunehmende Globalisierung und die gleichzeitig zunehmende Zahl fragiler Staaten, neue Machtkonstellationen wie auch die Infragestellung bewährter Ordnungsprinzipien und alter Gewissheiten das sind die derzeitig akuten Herausforderungen für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Dabei sieht sich Deutschland schon aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und seiner Rolle in Europa zusehends höheren Erwartungen ausgesetzt. Die Bundesregierung stellt sich diesen Herausforderungen und nimmt ihre Verantwortung wahr, ob in der Ukraine-Krise, im Mittleren und Nahen Osten oder in Afrika. Als verlässlicher Partner in NATO und EU hat Deutschland nicht nur das Interesse an Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa im Blick, sondern auch die Sicherheitsbedürfnisse seiner Verbündeten und Partner, die Bedeutung von Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie die Achtung der Menschenrechte weltweit. Unser bewährtes Koordinatensystem basiert auf europäischer Integration, transatlantischer Partnerschaft und einer aktiven Rolle bei der Gestaltung einer globalen Friedensordnung in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen. Der Europäische Rat hat im Dezember 2013 und im Juni 2015 substanzielle Akzente zur Entwicklung der europäischen Verteidigungsindustrie gesetzt. Erklärtes Ziel der

Staats- und Regierungschefs Europas ist es, den bisher stark fragmentierten europäischen Verteidigungsmarkt neu zu gestalten und die wehrtechnische industrielle Basis Europas zu stärken. Die noch stark national orientierten wehrtechnischen Industrien in Europa stehen aufgrund überwiegend sinkender Verteidigungshaushalte, des verstärkten internationalen Wettbewerbs und der Tendenz zu global agierenden Systemhäusern vor steigenden Herausforderungen. Europa braucht eine eigene und leistungsfähige Verteidigungsindustrie, wenn wir die gemeinsame sicherheitspolitische Verantwortung ernstnehmen. Dafür ist ein tieferes gemeinsames Verständnis einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vonnöten. Die Ausarbeitung einer darauf bezogenen Strategie kann dazu beitragen. Dafür setzt sich die Bundesregierung ein. Darauf aufbauend bedarf es konkreter Vorgaben für eine europäische Zusammenarbeit gerade im Bereich europäischer Verteidigung. Der Koalitionsvertrag betont die Bedeutung einer verstärkten europäischen und transatlantischen Rüstungszusammenarbeit. Deutschland mit seinen wettbewerbsfähigen Unternehmen und seinen Streitkräften hat hier viel einzubringen. Der Koalitionsvertrag unterstreicht das nationale Interesse an der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie aus wirtschaftlicher, technologiepolitischer und sicherheitspolitischer Sicht. Verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien und Arbeitsplätze sollen erhalten, Technologien und Fähigkeiten weiterentwickelt werden. II. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung folgendes Zehn-Punkte- Programm zur Stärkung der nationalen Verteidigungsindustrie beschlossen. Die gleichermaßen erforderliche Stärkung der zivilen Sicherheitsindustrie wird aufgrund ihrer erheblichen Bedeutung in einer gesonderten Strategie von der Bundesregierung adressiert werden. 1. Stärkung des europäischen Rahmens für die Verteidigungsindustrie Der Europäische Rat hat mit seinen Beschlüssen vom Dezember 2013 zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) wichtige Weichenstel-

lungen in Richtung auf eine Europäisierung der Verteidigungsindustrie vorgenommen. Gemeinsam mit der EU-Kommission, der Europäischen Verteidigungsagentur und den wichtigsten Partnern in der EU werden wir auf Grundlage der Beschlüsse des Europäischen Rates vom Juni 2015 diesen Prozess intensivieren. Schwerpunkte werden dabei die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsförderungen, die Themen Standardisierung und Zertifizierung sowie die Stärkung des europäischen Mittelstandes sein. Eine stärker europäisch ausgerichtete Verteidigungsindustrie braucht klare Standards in der Exportpolitik. Die Bundesregierung setzt sich entsprechend den Festlegungen im Koalitionsvertrag für eine Weiterentwicklung europäischer Konvergenz ein, wie sie im Gemeinsamen Standpunkt von 2008 schon angelegt ist. Im Kern geht es neben der Verbesserung der spezifischen Rahmenbedingungen für die Verteidigungsindustrie darum, die Anwendung des Gemeinsamen Standpunktes der EU betreffend gemeinsamer Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern innerhalb der EU weiter anzugleichen, ohne die Standards der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000 in Frage zu stellen. Zusammen mit unseren fünf Letter of Intent -Partnern 1 und weiteren Mitgliedstaaten mit relevanter Sicherheits- und Verteidigungsindustrie wollen wir neue Initiativen starten, um auf europäischer Ebene die erforderlichen Rahmenbedingungen für verstärkte europäische Kooperationen im Bereich der Verteidigungsindustrie zu schaffen. Eine substantielle Europäisierung der Verteidigungsindustrie bedeutete nicht nur den Abbau von Überkapazitäten, sie wäre auch ein kraftvoller und willkommener Schub zur Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. 1 Rahmenabkommen zwischen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden und Spanien über Maßnahmen zur Erleichterung der Umstrukturierung und der Tätigkeit der Europäischen Rüstungsindustrie vom 27. Juli 2000.

2. Verstärkte internationale Kooperation und Integration im Bereich der militärischen Fähigkeiten Die Bundesregierung setzt auf verstärkte europäische und euroatlantische Rüstungskooperationen, die Ausrüstungs- und Beschaffungsvorhaben gemeinsam für alle Partnernationen umsetzen. Militärische Fähigkeiten gemeinsam zu planen, zu entwickeln, zu beschaffen und bereitzustellen sowie die Interoperabilität der Streitkräfte in Europa zu erhöhen, wird die Handlungsfähigkeit Europas weiter verbessern. Es ist unser erklärtes Ziel, zukünftig neue Beschaffungsprogramme zunehmend gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union durchzuführen. Aufbauend auf den Erfahrungen der Vergangenheit sollten zukünftige europäische Programme insbesondere auf gemeinsamen Spezifikationen beruhen, sowie einen an den Projektinhalten ausgerichteten industriellen Workshare beinhalten. Mehr gemeinsame, möglichst standardisierte Entwicklung und Beschaffung wird mittel- bis langfristig zu mehr Zusammenarbeit und darüber hinaus auch zur Konsolidierung in der Verteidigungsindustrie in Europa führen. Auf dem Weg der stärkeren Europäisierung der Streitkräfte soll es dabei jenseits von reiner Rüstungskooperation um eine echte und tiefe Integration von militärischen Fähigkeiten gehen. Als Rahmennation will Deutschland so strategische Kooperationen mit anderen Streitkräften eingehen, die dann auch durch Rüstung unterlegt sind. 3. Konsolidierung der deutschen und europäischen Verteidigungsindustrie Die Verteidigungsindustrie in der EU ist nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert. Europa leistet sich den Luxus zahlreicher Programme für gepanzerte Fahrzeuge, einen intensiven Wettstreit zwischen drei Kampfflugzeugprogrammen und eine starke Konkurrenz im Überwasser- und Unterwasserbereich. Folgen dieser Situation sind unbefriedigende Kostenstrukturen in den Programmen, Nachteile im internationalen Wettbewerb und damit höhere Belastungen für

die nationalen Verteidigungshaushalte. Dies kann zudem zu einer mangelnden Interoperabilität der Streitkräfte in Europa bei gemeinsamen Einsätzen führen. Zum Erhalt notwendiger verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien im nationalen und europäischen Rahmen auf längerfristiger wirtschaftlicher Basis brauchen wir eine verstärkte industrielle Konsolidierung und Wettbewerbsfähigkeit in der nationalen und europäischen Verteidigungswirtschaft. Hier sind in erster Linie die Unternehmen gefordert. Die Bundesregierung bekennt sich zu ihrer Verantwortung, erforderliche Prozesse im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu begleiten und zu flankieren. Die Bundesregierung setzt verstärkt auf eine europäische Zusammenarbeit bis hin zum Zusammengehen von in einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen unter Wahrnehmung der nationalen Interessen. Die Bündelung technologischer Stärken wird die wirtschaftliche Bedeutung europäischer Projekte im internationalen Wettbewerb entscheidend erhöhen. 4. Festlegung von nationalen verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien Die Bundesregierung bekennt sich im Rahmen der wachsenden Europäisierung der Verteidigungsindustrie zum Erhalt nationaler verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien. Es gilt, die erforderlichen militärischen Fähigkeiten und die Versorgungssicherheit der Bundeswehr sowie die Rolle Deutschlands als zuverlässigem Kooperations- und Bündnispartner technologisch und wirtschaftlich sicherzustellen, insbesondere im Rahmen auch zunehmend globalisierter Lieferketten. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien identifiziert, deren Verfügbarkeit aus nationalem Sicherheitsinteresse zu gewährleisten ist, gegebenenfalls auch in Abstimmung und Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern. 2 Diese Schlüsseltechnologien 2 Die Verfügbarkeit von identifizierten verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien kann auch im Rahmen von europäischen/transatlantischen Kooperationen und diesbezüglichen bi- und multilateralen Vereinbarungen sichergestellt werden.

leiten sich aus dem militärischen Bedarf der Bundeswehr, den außen-, sicherheits- und europapolitischen Interessen, unseren Bündnisverpflichtungen sowie der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland ab. Wie in der nachfolgenden Übersicht dargestellt, wurden nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologiefelder schwerpunktmäßig entlang folgender Bereiche (Fähigkeitsdomänen) identifiziert: Führung (vor allem Kryptotechnologie), Aufklärung (vor allem Sensorik), Wirkung (vor allem Technologien in den Bereichen gepanzerte Plattformen sowie Unterwassereinheiten), Unterstützung (vor allem Schutztechnologien), wobei querschnittlich der Aspekt Systemfähigkeit zu berücksichtigen ist. Gesamtdarstellung Schüsseltechnologien1 National Ziel: deutsche Schlüsseltechnologie Europäisch Sicherung der Technologie in Kooperation mit europ. Partnern Global Rückgriff auf global verfügbare Technologien Erbringungsdimension Land See Luft/Weltraum Cyber Fähigkeitsdomäne Führung Aufklärung Wirkung Unterstützung Sensorik Flugkörper / Luftverteidigung Vernetzte Operationsführung / Verschlüsselung (Krypto) Unterwassereinheiten Handfeuerwaffen geschützt/gepanzerte Fahrzeuge un-/geschützte Plattformen Schutz Vernetzte Operationsführung / Verschlüsselung (Krypto) Hardware (bspw. Cloud Technologie, Funk) Plattformsysteme Überwassereinheiten ABC-Abwehr Drehund Starrflügler 1 Querschnittlichist auch die Systemfähigkeit zu berücksichtigen. Diese Liste verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien muss regelmäßig überprüft werden. Zu deren Erhalt bzw. ihrer Förderung verfügt die Bundesregierung über folgende Instrumente: ressortübergreifende Abstimmung und Priorisie-

rung von Forschungs- und Technologie (F&T)- Maßnahmen, gezielte Industriepolitik, Exportunterstützung (im Rahmen der Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der Politischen Grundsätze der Bundesregierung) sowie die Auftragsvergabe durch das Bundesministerium der Verteidigung. Bei der Abwägung außen-, europa-, und verteidigungspolitischer Interessen im Rahmen von Beschaffungsentscheidungen wird der Erhalt ausgewählter verteidigungsindustrieller Schüsseltechnologien berücksichtigt. 5. Verbesserung des Rüstungsmanagements und der Transparenz bei Beschaffungen des BMVg Auf nationaler Ebene verfolgt die umfassende Agenda Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung das Ziel, das Rüstungswesen transparenter, effektiver und moderner zu gestalten. Dazu wurden rüstungspolitische Prioritäten erarbeitet, an denen sich alle Rüstungsprojekte ausrichten. Hierzu zählen klare rüstungspolitische Zielsetzungen, der Erhalt von verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien zur Sicherstellung des Bedarfs der Streitkräfte sowie die Stärkung der multinationalen Kooperation und Integration in Fähigkeitsentwicklung, Beschaffung und Nutzung. Der strukturierte Dialog des BMVg mit der Industrie bindet diese eng in den Modernisierungsprozess ein. Alle Maßnahmen ordnen sich dem Einsatz unter. Deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz müssen sich auf eine zuverlässige, zweckmäßige Ausrüstung verlassen können, die sie befähigt, ihren Auftrag erfolgreich durchzuführen, und ihnen optimalen Schutz vor Gefahren bietet. Dies ist die bestimmende Größe für die Agenda Rüstung. Das Projekt Rüstungsmanagement ist als Teil der umfassenden Agenda Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einem transparenten, effektiveren und moderneren Rüstungswesen. 6. Ausbau der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsförderung Wesentlicher Eckstein einer zielgerichteten technologischen Weiterentwicklung

der Verteidigungsindustrie sind verstärkte Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation. Hier sind auch die Unternehmen gefordert. Die Bundesregierung wird zugleich ihre Anstrengungen zur Förderung verteidigungsrelevanter Technologien auf nationaler und europäischer Ebene erhöhen. Die Bundesregierung setzt dabei vor allem auf folgende Elemente: Zur Sicherung der europäischen Basis im Bereich der Verteidigungstechnologien und zum Erhalt der Beitragsfähigkeit Deutschlands im internationalen Rahmen ist die Sicherung der industriellen wehrtechnischen Basis Deutschlands notwendig. Sicherheit und Unabhängigkeit durch Kompetenz im Bereich kritischer verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien ist für Deutschland als führende Industrienation und für Europa von zentraler Bedeutung. Investitionen in die Verteidigungsforschung und Dual-Use-Forschung bilden die Basis zur Erreichung dieser Ziele. Grundlegende, spezifisch wehrtechnische Technologien benötigen dabei eigene Forschungsschwerpunkte (in Anlehnung an die identifizierten verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien). Nationale militärische Forschung: Das BMVg strebt eine bedarfsbezogene Erhöhung der Finanzmittel für ausgewählte F&T-Bereiche unter Beachtung von Synergien im Bereich Dual-Use an. Die Bundesregierung wird sich mit ihren Partnern in der EU für die Entwicklung und Stärkung der verteidigungsorientierten Forschung durch die EU- Kommission und die Europäische Verteidigungsagentur einsetzen. 7. Exportpolitische Flankierung der Verteidigungsindustrie Die Bundesregierung bekennt sich zu einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik auf der Grundlage der Politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000. Auf dieser Basis wird die Bundesregierung daran festhalten, die Verteidigungsindustrie bei ihren Aktivitäten insbesondere in EU-, NATO- und der NATO gleichgestellten Ländern zu unterstützen. Diese Flankierung kann auch auf so genannte Drittstaaten ausgedehnt werden, wenn im Einzelfall für den Export von Kriegswaffen besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen sprechen oder für den

Export sonstiger Rüstungsgüter im Rahmen des Außenwirtschaftsrechts zu schützende Belange des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder der auswärtigen Beziehungen nicht gefährdet sind. Die Bundesregierung wird Exportaktivitäten nach Einzelfallprüfung mit dem außenwirtschaftlichen und sonstigen Instrumentarium flankieren und dabei auch speziell verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien berücksichtigen. Das BMVg wird seine besondere Fachexpertise in Entwicklung, Beschaffung, Ausbildung und Nutzung zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung wird mit Partnerstaaten bilaterale Ressort- oder Regierungsvereinbarungen abschließen, wenn dadurch die Chancen deutscher Unternehmen bei großen ausländischen Beschaffungsvorhaben verbessert werden können und dies den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesregierung entspricht. 8. Chancen der Diversifizierung nutzen Die Märkte für Sicherheitstechnologien und -dienstleistungen haben im letzten Jahrzehnt weltweit stark an Bedeutung gewonnen. Deutsche Unternehmen, deren Haupttätigkeit im Verteidigungsbereich liegt, nehmen in zahlreichen Segmenten weltweit eine führende Position ein. Die Bundesregierung appelliert an die Verteidigungsindustrie, die Chancen dieser neuen Absatzmärkte aktiv zu nutzen. Sie ist bereit, die Verteidigungsindustrie an einem umfassenden Konzept der industriellen Diversifizierung zu beteiligen. 9. Stärkere Unterstützung für den Mittelstand Der wehrtechnische Mittelstand ist Rückgrat und wichtiger Innovationsmotor der deutschen Verteidigungswirtschaft. Mittelständische Unternehmen leisten sowohl eigenständig als auch im Verbund mit anderen Mittelständlern und als Partner der Systemhäuser unverzichtbare Beiträge. Ihre Bedeutung für die nationale Verteidigungsindustrie ist in Deutschland weitaus größer als in anderen Staaten.

Deshalb betont der aktuelle Koalitionsvertrag ausdrücklich die besondere Rolle des Mittelstandes für eine innovative, leistungs- und wettbewerbsfähige nationale Verteidigungsindustrie. Wir werden daher im Rahmen dieses Programms auf die speziellen Interessenlagen des Mittelstandes in besonderem Maße eingehen. Das BMWi wird sich für eine stärkere Integration von kleinen und mittleren Unternehmen in das KfW-Mittelstandsprogramm einsetzen. Wir werden uns für einen erleichterten Zugang von mittelständischen Unternehmen zu internationalen Wertschöpfungsketten engagieren. In diesem Rahmen ist auch die Exportabhängigkeit des Mittelstandes zu berücksichtigen. In der Forschungs- und Technologieförderung brauchen wir national und europäisch weniger bürokratische Verfahren und vor allem eine aktivere Informationspolitik über die jeweiligen relevanten Fördermaßnahmen. 10. Gesellschaftlicher Dialog zur Bedeutung einer nationalen Verteidigungsindustrie Die Perspektiven der nationalen Verteidigungsindustrie hängen nicht nur von nationalen Beschaffungsprogrammen, Exportaufträgen, einer Verbesserung der spezifischen nationalen und europäischen Rahmenbedingungen und ihren eigenen Strukturanpassungsprozessen ab, sie werden auch maßgeblich von der gesellschaftspolitischen Diskussion über die Bedeutung dieser Branche für die nationale und europäische Außen- und Sicherheitspolitik geprägt. Teile unserer Gesellschaft stehen der Verteidigungsindustrie und speziell ihren Exportaktivitäten kritisch gegenüber. Diese Einstellung schließt häufig die Rüstungsexportkontrollpolitik der Bundesregierung mit ein. Die Bundesregierung ist angesichts der aktuellen internationalen Herausforderungen der Auffassung, dass wir eine offene Debatte in der Gesellschaft brauchen,

um mit einer breiten Öffentlichkeit über die Rolle der Verteidigungsindustrie für die Sicherheitsvorsorge in Deutschland, Europa und darüber hinaus zu diskutieren. Damit die Bürgerinnen und Bürger sich besser über die Rüstungsexportthematik informieren können, hat die Bundesregierung die Transparenz in diesem Bereich deutlich erhöht: Die Rüstungsexportberichte werden seit 2014 bereits vor der Sommerpause vorgelegt (bisher Spätherbst). Die Bundesregierung entsprach damit Wünschen des Bundestages und der Öffentlichkeit. Eine weitere wichtige Maßnahme zur Transparenzerhöhung war die Entscheidung, jeweils im Herbst eines Jahres einen Zwischenbericht zu den Rüstungsexporten des jeweiligen ersten Halbjahres vorzulegen. Nach der neuen Transparenzinitiative werden außerdem die abschließenden Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates (BSR) offengelegt. Das Parlament wird darüber zeitnah informiert. Unterrichtungen des Bundestages über abschließende Genehmigungsentscheidungen im BSR sind bereits laufend erfolgt. Das BMVg schafft im Rahmen der Agenda Rüstung mit den Berichten an das Parlament zu Rüstungsangelegenheiten und zum Dialog mit der Industrie Transparenz über das Beschaffungswesen. Die Bundesregierung wird zur verbesserten Endverbleibssicherung ein System von Vor-Ort-Kontrollen (Post-Shipment-Kontrollen) einführen. Das BMWi hat mit zwei Branchendialogen im September 2014 und im März 2015 einen umfassenden Meinungsaustausch mit der Verteidigungswirtschaft, Betriebsräten und der IG Metall aufgenommen. Kernziele sind die frühzeitige Diskussion über Planungen des BMWi im Bereich der Verteidigungswirtschaft sowie die Erörterung von Themen mit grundsätzlicher Bedeutung aus Sicht der Unternehmen und der Arbeitnehmerschaft. Das BMVg führt den strukturierten Dialog mit der Verteidigungsindustrie zur Verbesserung von Rüstungswesen und Einsatzbereitschaft und für Innovation und Zukunftsfähigkeit fort.