Telekommunikationsrecht von Netzneutralität bis Vorratsdatenspeicherung Dr. Lukas Feiler, SSCP Associate, Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 1
Telekommunikation 101 Verwaltungsrecht Datenschutzrecht & VDS Konsumentenschutzrecht Wettbewerbsregulierung E-Commerce/Haftungs-Recht & kino.to Netzneutralität Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 2
Was ist Telekommunikation? Kommunikationsdienst isd 3 Z 9 TKG 2003 gewerbliche Dienstleistung, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze besteht, einschließlich [ ] Übertragungsdienste in Rundfunknetzen ausgenommen Dienste, die Inhalte über Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben Telekommunikationsdienst isd 3 Z 21 TKG 2003 Kommunikationsdienst mit Ausnahme von Rundfunk Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 3
Ein Telekommunikationsdienst isd TKG 2003? Privates offenes WLAN? Keine gewerbliche Dienstleistung Ein Mail-Service (zb Gmail)? Besteht nicht überwiegend in der Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 4
Ein Telekommunikationsdienst isd TKG 2003? Eine Nachrichten-Website (zb nytimes.com)? Dienste, die Inhalte anbieten oder redaktionelle Kontrolle ausüben sind ausgenommen Voice over IP (VoIP)-Dienst? Nur wenn Gespräche vom od. zum öffentlichen Telefonnetz möglich sind Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 5
Das Telekommunikationsrecht als Querschnittmaterie Klassisches Verwaltungsrecht Datenschutzrecht Kommunikationsgeheimnis, Vorratsdatenspeicherung, Auskunftspflichten, Konsumentenschutzrecht Vorab-Kontrolle von AGB ( 25 TKG 2003) Nachträgliche AGB-Kontrolle durch die Gerichte Wettbewerbsregulierungs-Recht E-Commerce-Recht Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 6
Verwaltungsrecht Behörden Telekom-Control-Kommission (TKK; 116 ff TKG 2003) Grds für den Bereich Telekommunikation zuständig ( 117 TKG 2003) weisungsfreie Kollegialbehörde richterlichen Einschlags (Art 20 Abs 2 B-VG) besteht aus drei von der Bundesregierung zu ernennenden Mitgliedern Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) Rundfunk (vgl 2 KommAustria-Gesetz; 120 TKG 2003) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 7
Verwaltungsrecht Behörden #2 Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) Beliehene Gesellschaft im Eigentum des Bundes ( 16 KommAustria-Gesetz) Fachbereiche: Rundfunk/Medien: Unterliegt Weisungen der KommAustria ( 17 Abs 1 KommAustria-Gesetz) Telekommunikation: Unterliegt Weisungen der TKK ( 17 Abs 2 KommAustria-Gesetz; 116 Abs 2 TKG 2003) Fernmeldebüros als untergeordnete Fernmeldebehörden ( 112 ff TKG 2003; unterstehen BMVIT) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 8
Verwaltungsrecht Zuständigkeiten Insbesondere: RTR-GmbH ( 115 TKG 2003) Betrieb einer Schlichtungsstelle, insb. für Zahlungsstreitigkeiten ( 122 TKG 2003) Verordnungsermächtigung betreffend Mehrwertdienste (KEM-V) TKK ( 117 TKG 2003) Marktdefinition- und analyseverfahren nach 36 TKG 2003 Auferlegung spezifischer Verpflichtungen für Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht ( 37, 38-47a TKG 2003) Zuteilung beschränkter Lizenzen gem 54 Abs 3 TKG 2003 Fernmeldebüros: zb 107 TKG 2003 Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 9
Datenschutzrecht Das Kommunikationsgeheimnis Normiert in 93 TKG 2003 Ist von allen Betreibern zu wahren Gilt für Inhaltsdaten: Inhalt der Kommunikation Verkehrsdaten: Daten, die zur Weiterleitung oder Fakturierung des Vorgangs verarbeitet werden ( 92 Abs 3 Z 4 TKG 2003) Standortdaten: Daten, die geografischen Standort des Endgeräts des Nutzers angeben ( 92 Abs 3 Z 6 TKG 2003) Nicht: Stammdaten (Daten, die für Abwicklung der Rechtsbeziehung zwischen Benutzer und Betreiber od. für Teilnehmerverzeichnisse erforderlich sind) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 10
Sind IP-Adressen Stammdaten oder Verkehrsdaten? Verkehrsdaten nach 99 Abs 1 TKG 2003 nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen Unterliegen strengeren Anforderungen bei Beauskunftungen Differenzierung: Dynamische IP-Adressen Neu-Zuteilung bei Herstellung der Internet-Verbindung Daher Verkehrsdatum (OGH 4 Ob 41/09x, LSG/Tele2) Statische IP-Adresse Vertraglich vereinbart daher für Vertragsabwicklung erforderlich und somit Stammdatum Dauerhaft zugewiesene dynamische IP-Adressen: ungeklärt Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 11
Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis Zustimmung grundsätzlich erforderlich Jederzeit widerruflich ( 96 Abs 2 TKG 2003) Sachkundig und in freier Entscheidung (ErwGr 17 eprivacy Directive) Rechtsfolge der Verletzung des Kommunikationsgeheimnisses 108 TKG 2003: gerichtliche Strafdrohung von bis zu 3 Monaten 119, 119a StGB DSG 2000 Vertragsrechtliche Folgen Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 12
Vorratsdatenspeicherung (VDS) Zurückgehend auf VDS-RL (2006/24/EG) Grundsätzliche Idee: auf Vorrat für 6 Monate zu speichern, wer wann mit wem von wo aus kommuniziert Timeline VDS-RL am 15.3.2006 beschlossen Umzusetzen in nationales Recht bis 15.9.2007, in Bezug auf Internet-Verkehrsdaten bis 15.3.2009 Am 29.7.2010 wird Österreich vom EuGH wegen Nicht- Umsetzung verurteilt (C-189/09) Im April 2011 wird die Umsetzung im Nationalrat beschlossen Am 1.4.2012 trat die VDS in Kraft Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 13
VDS: Wer ist Speicherpflichtig? Betreiber öffentlicher Kommunikationsdienste, insoweit sie einen Internet-Zugangsdienst; öffentlichen Telefondienst; oder E-Mail-Dienst anbieten Internet-Zugangsdienst : Zugang zum öffentlichen Internet öffentlicher Telefondienst : Gespräche von oder zum PSTN E-Mail-Dienst : Versand und Zustellung von E-Mails auf Basis des Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 14
VDS: Wer ist Speicherpflichtig? #2 Ausnahme von der Speicherpflicht Kleine Betreiber, die keinen Finanzierungsbeitrag an die KommAustria zu zahlen haben, sind nicht speicherpflichtig Wird jedes Jahr auf Grundlage von Umsatzprognosen der einzelnen Betreiber ermittelt Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 15
VDS: Wer ist Speicherpflichtig? #3 Ein privater WLAN-Hotspot? Nein, da nicht gewerblich Gmail, Hotmail, GMX, Facebook? Nein, da kein öffentlicher Kommunikationsdienst smtp.chello.at Ja pop.chello.at? Nein, da nicht per SMTP übertragen Ein Unternehmen, das zu Geschäftszwecken seinen eigenen Mail- Server betreibt? Nein, da kein öffentlicher Dienst Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 16
VDS: Was ist zu speichern? Öffentlicher Telefondienst (PSTN, SMS, VoIP-to-PSTN) Name, Anschrift & Tel.Nr. beider Teilnehmer Datum, Uhrzeit & Dauer der Kommunikation Bei Mobil-Funk zusätzlich IMSI der SIM-Card IMEI des Mobiltelefons Cell-ID (Funkzelle) bei Beginn der Verbindung Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 17
VDS: Was ist zu speichern? #2 Internet-Zugangsdienst Name & Anschrift des Users, dem öffentliche IP zugewiesen wurde Wann und wie lange öffentliche IP zugewiesen wurde Rufnummer bei Dial-Up Anschluss-Kennung NICHT: URLs oder Inhaltsdaten Was ist zu speichern, wenn nur private IPs zugewiesen werden (NAT/PAT)? Nur die Anschluss-Kennung (z.b. MAC-Adresse bei anonymen WLAN-Dienst) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 18
VDS: Was ist zu speichern? #3 E-Mail-Dienst Name & Anschrift des Users, dem E-Mail-Adresse zugewiesen wurde beim Versenden: E-Mail-Adresse und die öffentliche IP des Absenders E-Mail-Adresse jedes Empfängers beim Empfangen E-Mail-Adresse des Absenders E-Mail-Adresse des Empfängers öffentliche IP der letztübermittelnden Netzeinrichtung bei An- und Abmeldung beim E-Mail-Dienst: Datum, Uhrzeit, Teilnehmerkennung, öffentliche IP Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 19
VDS: Auskunftspflichten Auf Anordnung des Staatsanwalts ( 76a StPO) Wem eine IP-Adresse od. E-Mail-Adresse zugewiesen war unabhängig von Strafdrohung Auf Anordnung der Sicherheitspolizei ( 53 Abs 3a SPG) IP-Adresse zu einer bestimmten Nachricht Name und Anschrift zu einer IP-Adresse Name und Anschrift des Teilnehmers, der ein bestimmtes Telefongespräch geführt hat Unabhängig von Strafdrohung Mit Gerichtsbeschluss: Alle Daten, die Aufklärung einer Straftat fördern Grds wenn Strafdrohung mehr als 1 Jahr Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 20
VDS: Auskunftspflichten #2 Keine Auskunftspflicht besteht: Bei sog. Privatanklage-Delikten, wie insbesondere Urheberrechtsverletzungen hier ist der Staatsanwalt nicht zuständig In zivilgerichtlichen Verfahren Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 21
VDS: Umgehungsmaßnahmen Öffentlicher Telefondienst Pre-Paid Mobiltelefon Internet-Zugangsdienst Verwendung eines offenen Internet-Zugangs (öffentliches WLAN), allenfalls mit ge-spoofter MAC-Adresse Onion-Routing (zb Tor) E-Mail-Dienst Mail-Services nicht beim Access-Provider beziehen (z.b. Gmail etc oder selbst einen SMTP-Server betreiben) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 22
VDS: Quo Vadis? Das Land Kärnten hat einen Antrag auf Prüfung des Gesetzes beim VfGH eingebracht Der AK Vorrat organisiert eine Individualbeschwerde von unmittelbar in ihren Rechten verletzten Personen Problem an der Bekämpfung der nationalen Umsetzung: soweit die Umsetzung durch die VDS-RL zwingend vorgegeben ist, kann die Verfassungsmäßigkeit nicht geprüft werden VfGH könnte allenfalls die Frage der Grundrechtskonformität dem EuGH vorlegen Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 23
Telekommunikation & Konsumentenschutzrecht Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eines Betreibers werden auf Rechtmäßigkeit geprüft von Telekom-Control-Kommission: AGB sind dieser vor Verwendung anzuzeigen Den Gerichten: insb. der VKI kann eine Verbandsklage zur Überprüfung von AGB einbringen Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 24
Konsumentenschutzrecht AGB #1 Beispiele Papierrechnung nur gegen Entgelt Gesetzwidrig ( 100 TKG 2003) Recht des Betreibers auf einseitige Entgelterhöhung Nichtig ( 6 Abs 1 Z 5 KSchG) Recht des Betreibers auf einseitige Änderung der Telefon-Nr. Nichtig, da nicht im Einzelnen ausverhandelt ( 6 Abs 2 Z 3 KSchG) Sperre des Internetzugangs unter Fortbestand der Zahlungsverpflichtung bei wichtigem Grund Nichtig, da intransparent ( 6 Abs 3 KSchG) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 25
Konsumentenschutzrecht AGB #2 Einseitiges Vertragsänderungsrecht durch Betreiber ( 25 Abs 3 TKG 2003) Benachteiligende AGB-Änderungen sind dem Teilnehmer ein Monat vor In-Kraft-Treten nur anzuzeigen Im Gegenzug: Teilnehmer haben ein außerordentliches Kündigungsrecht Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 26
Wettbewerbsregulierung Klassisches Kartellrecht im Allgemeinen Kartelle (Abgestimmte Verhaltensweisen) Fusionskontrolle Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung Rechtsfolgen treten erst bei Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung ein Ex-ante Wettbewerbsregulierung im Telekommunikationsrecht Beträchtliche Marktmacht alleine begründet Rechtsfolgen, die einen Missbrauch ex ante verhindern sollen Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 27
Ex-ante Wettbewerbsregulierung Wenn Betreiber beträchtliche Marktmacht hat: TKK muss dem Betreiber geeignete spezifische Verpflichtungen auferlegen ( 37 Abs 2 TKG 2003); zb: Getrennte Buchführung (zb Infrastruktur und Dienst) ( 40) Gewährung von Zugang zu Netzkomponenten ( 41) Regelung von Entgelten bei Netzzugang durch andere Betreiber ( 42) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 28
E-Commerce-Recht Haftungsfragen 13 ECG: Access-Provider haftet nicht für übermittelte Inhalte, sofern er die Übermittlung nicht veranlasst; den Empfänger der übermittelten Informationen nicht auswählt & die übermittelten Informationen weder auswählt noch verändert. Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 29
Das Verhältnis zwischen 13 ECG und Unterlassungsansprüchen 19 Abs 1 ECG Die 13 bis 18 lassen gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Diensteanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt. Die Haftungsprivilegien des ECG gelten nicht für Unterlassungsansprüche Klarstellung in 6 Ob 178/04a ( Online-Gästebuch ) OLG Wien, 14. 11. 2011, 1 R 153/11v (kino.to) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 30
Website-Sperren & Kino.to Rechtsgrundlage Art 8 Abs 3 der Info-RL der EU: Die Mitgliedstaatenstellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. 81 Abs 1a UrhG Bedient sich derjenige, der eine [Urheberrechtsverletzung] begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann auch dieser auf Unterlassung [ ] geklagt werden. Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 31
Website-Sperren & Kino.to Streitfragen Sind Access-Provider Vermittler? EuGH, C-557/07 (LSG/Tele2): Ja! Wer bedient sich des Dienstes des Access-Providers? Der User/Kunde des Access-Providers: Ja Verletzt dieser aber das Urheberrecht? Zulässige Vervielfältigung zum privaten Gebrauch? ( 42 Abs 4 UrhG) Alte Streitfrage: muss Vorlage rechtmäßig sein? Der Betreiber der Website? strittig Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 32
Website-Sperren Verhältnismäßigkeit & techn. Umsetzung Im wesentlichen 3 Umsetzungsmöglichkeiten DNS-Sperre IP-Sperre Zwangs-Proxy Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 33
Website-Sperren: technische Umsetzung DNS-Sperre DNS-Server des Acess- Providers muss rekonfiguriert werden Umgehungsmöglichkeiten: für User: anderer DNS-Server /etc/hosts für Website andere Domain Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 34
Website-Sperren: technische Umsetzung IP-Sperre IP-Sperre mittels Remote-Triggered Black Hole Filtering 1. Static Route zu Null0 Interface auf allen Edge Routers (zb für 192.0.2.0/24) 2. Am Triggering Router zb 192.0.2.1 als next hop für die zu sperrende IP konfigurieren 3. Verteilung der Route per ibgp an alle Edge Router Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 35
Website-Sperren: technische Umsetzung IP-Sperre #2 Kosten für Access-Provider Einmalig: Konfiguration der Edge-Router (sofern nicht schon erfolgt) Hinzufügen einer Route am Triggering Router Umgehungsmöglichkeiten Für User: Proxy, der über anderen Access Provider angebunden ist Für Website: Änderung der IP-Adresse Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 36
Website-Sperren: technische Umsetzung Zwangs-Proxy (Ein Teil des) IP-Traffic wird über Proxy-Server geleitet Dieser kann URL- od. Content-basiert filtern Problem: SSL Kosten für Access- Provider sehr groß Umgehungsmöglichkeiten Für User ähnlich, wie bei IP-Filtering Web-Server Edge-Router User Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 37
Website-Sperren Verhältnismäßigkeit & techn. Umsetzung Verhältnismäßigkeit der Sperre zu dem Eingriff in die Erwerbsfreiheit des Providers Kosten vs. Nutzen Bei IP- und DNS-Sperre ja, bei URL-Sperre eher nein dem Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz Bei IP- und DNS-Sperre ja, bei URL-Sperre uu nicht dem Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit ja, da kein Recht, Urheberrechtsverletzungen zu betrachten Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 38
Website-Sperren: Quo Vadis? EuGH, C 70/10 (Scarlet Extended/SABAM): Filterung des gesamten Internet-Traffics wäre unverhältnismäßig Der OGH wird demnächst in der Sache kino.to endgültig entscheiden Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 39
Netzneutralität Was ist Netzneutralität? Das in der Praxis weitgehend geübte Prinzip der unterschiedslosen Datenübertragung durch Internet-Access- Provider, mit gleicher Geschwindigkeit ohne Unterscheidung nach Inhalt, Absender oder Empfänger. Nicht erfasst: Verrechnung unterschiedliche Tarife für unterschiedlich schnelle Internetzugänge (keine Diskriminierung von Inhalten, sondern von Nutzern) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 40
Netzneutralität Mögliche Einschränkungen Peer-to-Peer-Downloads werden verlangsamt Access-Provider sperrt Dienste, die mit seinen eigenen konkurrieren z.b. VoIP am Handy VoIP wird priorisiert, um Gesprächsqualität sicher zu stellen Access-Provider lässt nur eine Art von Content-Provider zu: zb nur einen Anbieter für Video-on-Demand-Filme Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 41
Netzneutralität Mögliche Geschäftsmodelle Preisdifferenzierung gegenüber Content-Providern (Variante #1) Schnellere Datenübertragung zu Kunden des Access-Providers nur gegen erhöhtes Entgelt Datenübertragung an Kunden des Access-Providers nur gegen Entgelt (Variante: Exklusiv-Vereinbarung) Preisdifferenzierung gegenüber Kunden (Variante #2) Nur wer mehr bezahlt, erhält Zugang zu allen Diensten/Websites Wer weniger bezahlt, erhält zb keinen Zugang zu Social Networking Websites Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 42
Ist Netzneutralität wichtig? Das ökonomische Argument: Netzneutralität für Innovation erforderlich (End-to-End-Prinzip) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 43
Ist Netzneutralität wichtig? Das politische Argument: Netzneutralität fördert die dezentralisierte, nicht ökonomischen Zwängen unterworfenen Produktion von Inhalten Inhalte-Produzenten Access-Provider Inhalte-Konsumenten Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 44
Rechtlicher Rahmen der NN Kartellrecht Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art 102 AEUV / 5 KartG 2005) Betreibern, die marktbeherrschende Stellung haben, ist es insb. verboten, Handelspartner zu diskriminieren Verboten wäre daher, wenn derartige Betreiber Ohne sachliche Rechtfertigung konkurrierenden Content- Providern unterschiedliche Preise für die priorisierte Datenübertragung verrechnen Content-Provider/Dienste (zb Skype) blockieren, um eigene Angebote zu fördern (zb eigenes Mobiltelefonie-Angebot) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 45
Rechtlicher Rahmen der NN Vertragsrecht Beschleunigung/Verlangsamung bestimmten Datenverkehrs ohne vertragliche Grundlage zulässig? Gewährleistung: Preisminderung & allenfalls Vertragsaufhebung ( Wandlung ) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 46
Rechtlicher Rahmen der NN Transparenz Transparenter Markt als Voraussetzung für Konkurrenz Informationspflichten nach 25 Abs 4 TKG 2003 Offenlegung von Maßnahmen zur Messung und Kontrolle von Datenverkehr ( measure and shape traffic ) Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 47
Rechtlicher Rahmen der NN Verlust des Haftungsprivilegs? 13 ECG: Access-Provider haftet nicht für übermittelte Inhalte, sofern er die Übermittlung nicht veranlasst; den Empfänger der übermittelten Informationen nicht auswählt & die übermittelten Informationen weder auswählt noch verändert. Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 48
Rechtlicher Rahmen der NN Verlust des Haftungsprivilegs Ausschluss-Tatbestand Auswahl des Empfängers Wählt der Betreiber aus, wenn er bestimmte Content-Anbieter blockiert (Black-Listing)? Er wählt nur die nicht übertragenen Inhalte aus, für die er ohnedies nicht haftet Wählt der Betreiber aus, wenn er nur bestimmte Content- Anbieter zulässt (White-Listing)? schon eher! Rechtsfolge: kein Haftungsprivileg für Informationen, deren Empfänger er ausgewählt hat dh für Informationen, die von den Nutzern an den (ausgewählten) Content-Anbieter übermittelt werden Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 49
Rechtlicher Rahmen der NN Verlust des Haftungsprivilegs Ausschluss-Tatbestand Auswahl der Informationen Wann kann ein solcher Fall vorliegen? wenn der Access-Provider weiß, dass der ausgewählte Content-Provider nur bestimmte Inhalte anbietet (zb kino.to wird auf eine White-List gesetzt) Rechtsfolge: kein Haftungsprivileg für Informationen, die vom Content-Provider angeboten werden Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 50
Danke für die Aufmerksamkeit! Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 51
KONTAKTADRESSE Dr. Lukas Feiler, SSCP Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Schubertring 6, 1010 Wien Tel: (+ 43 1) 515 10 5090 Fax: (+ 43 1) 515 10 665090 e-mail: lukas.feiler@wolftheiss.com www.wolftheiss.com Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 52
Literatur-Empfehlungen Vorratsdatenspeicherung Feiler/Stahov, Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich, Medien und Recht 3/2011, S. 111 Feiler, The Legality of the Data Retention Directive in Light of the Fundamental Rights to Privacy and Data Protection, European Journal of Law and Technology, Vol. 1, No. 3 (2010), http://ejlt.org/article/view/29/75 Netzneutralität Lawrence Lessig, The Future of Ideas (2001) S. 26-48 Yochai Benkler, The Wealth of Networks: How Social Production Transforms Markets and Freedom (2006) S. 99-106, 460-473 Feiler/Stahov, Rechtliche Aspekte der Netzneutralität und ihrer Einschränkung, Medien und Recht 5/2011, S. 287 Website-Sperren Steinhofer/Feiler, Urheberrechtliche Ansprüche auf die Sperrung von Websites durch Access-Provider, Medien und Recht 6/2010, S. 322 Feiler, Website Blocking Injunctions under EU and U.S. Copyright Law (2012), TTLF Working Paper No. 13, http://ttlf.stanford.edu Europäisches Technologierecht, 20. April 2012 53