Bildungsarbeit am Erinnerungsort Topf & Söhne Die Ofenbauer von Auschwitz Handreichung für Lehrkräfte und Multiplikator/inn/en



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Transkript:

Bildungsarbeit am Erinnerungsort Topf & Söhne Die Ofenbauer von Auschwitz Handreichung für Lehrkräfte und Multiplikator/inn/en

DIE FIRMENGESCHICHTE DIE AUSSTELLUNG 1878 gründete der Braumeister Johannes Andreas Topf in Erfurt ein feuerungstechnisches Baugeschäft. Seine Söhne machten daraus ein Unternehmen, das international Brauerei- und Mälzereianlagen sowie industrielle Feuerungen lieferte. Auch das Geschäft mit Krematoriumsöfen, in das die Firma 1914 einstieg, war erfolgreich diese Öfen ermöglichten eine besonders pietätvolle Einäscherung. Als die SS ab 1939 Öfen verlangte, mit denen die Leichen der Ermordeten in den Konzentrationslagern beseitigt werden sollten, entwickelte und baute Topf & Söhne auch diese Öfen: kostengünstig, brennstoffsparend, nach dem Prinzip der Kadaververnichtung. In Auschwitz stattete das Erfurter Unternehmen die Gaskammern mit Lüftungstechnik aus. Bei Tötung und Leichenbeseitigung war die SS auf zivile Experten angewiesen, die keine Skrupel hatten, sich in die praktischen Probleme der Vernichtung hineinzudenken und entsprechende Lösungen zu entwickeln. Die Erfurter Firma hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Die vorbehaltlose Zusammenarbeit von Topf & Söhne mit der SS beunruhigt in besonderer Weise. Denn weder die Firmeninhaber noch die beteiligten Mitarbeiter entsprechen dem Bild fanatischer Nationalsozialisten oder radikaler Antisemiten. Sie handelten auch nicht auf Befehl oder unter Zwang und sie wussten genau, wozu die von ihnen entwickelte Technik diente. Die Geschäftsbeziehung zur SS hätte ohne gravierende Konsequenzen abgebrochen oder eingeschränkt werden können. Die Ausstellung zeigt Schlüsseldokumente zum Holocaust aus dem Betriebsarchiv, aus Auschwitz und Moskau. Fotos und Sachzeugnisse dokumentieren die Firmengeschichte. Berichte von Häftlingen bezeugen, was den Menschen in Auschwitz angetan wurde. In Buchenwald 1997 geborgene Aschekapseln und die zu Lumpen zerschlissene letzte Habe von Häftlingen auf den Todesmärschen von Auschwitz-Birkenau nach Buchenwald werden als stumme Zeugnisse gezeigt. Auch die Nachgeschichte der Leugnung, Verdrängung und Strafverschonung sowie die späte und erkämpfte Erinnerung bis zur Eröffnung des Hauses werden thematisiert. Das ehemalige Verwaltungsgebäude, selbst ein Exponat, wurde behutsam und in Abstimmung mit der städtischen Denkmalpflege saniert. Im Haus sowie auf dem Vorplatz wurden historische Spuren sichtbar gemacht, ein gusseisernes Modell im Maßstab 1:50 zeigt das Firmengelände 1944/45. Auf dem Gelände des hinter dem Verwaltungsgebäude neu errichteten Fachmarktzentrums berichten Stelen von den Produktionsorten der KZ-Öfen und der Lüftungstechnik mitten im heutigen Geschäftsalltag, so wie auch damals die Verbrechensbeteiligung im betrieblichen Alltag geschah. Die Ausstellung in den historischen Zeichensälen, 2011 2 3

DER ERINNERUNGSORT ALS LERNORT GRUNDSÄTZE DER BILDUNGSARBEIT Der Erinnerungsort ist die einzige historische Stätte in Europa, an der an einem ehemaligen Firmensitz die Mittäterschaft der privaten Wirtschaft am Massenmord in den nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagern gezeigt und belegt werden kann. Die Geschichte des Unternehmens wirft Fragen nach der Mitwisser- und Mittäterschaft im Alltag des Nationalsozialismus auf: Von wem und wie wurden die NS-Verbrechen ermöglicht und umgesetzt? Eine Schulklasse in der Ausstellung Als historischer Lernort ist Topf & Söhne einzigartig und unersetzbar, weil er die unbequeme und so wichtige Frage nach der Verantwortung jedes und jeder Einzelnen in seinem/ihrem gewöhnlichen beruflichen Alltag stellt. Der außerschulische Lernort steht für Jugendliche ab dem neunten Schuljahr offen. Unser besonderes Anliegen sind Angebote für die in Gedenkstätten unterrepräsentierte Zielgruppe der Berufsschüler/innen. Jugendliche in Berufsausbildung und -vorbereitung haben eigene Erfahrungen mit Unternehmenspraktiken und betrieblichen Abläufen, wie sie auch die Dokumente in der Ausstellung widerspiegeln. Während des pädagogischen Prozesses gelten das dialogische Prinzip und das Verbot der Indoktrination. Der Bildungsprozess wird offen und demokratisch gestaltet, den Teilnehmenden wird ein höchstmögliches Maß an freiwilliger und eigenständiger Arbeit ermöglicht. Ziel ist die Förderung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins, also die Anregung zur persönlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte und die Ermutigung zu eigener Urteilsfindung. Die angeleitete Beschäftigung mit historischen Quellen und das forschende Lernen sind zentrale Arbeitsmethoden. Die verschiedenen Bildungsangebote wahren die Balance zwischen inhaltsund prozessorientiertem Arbeiten, das die einzelnen Teilnehmenden und die Gruppendynamik im Blick behält. Die begleitende pädagogische Fachkraft versteht sich im Bildungsprozess als Vermittler/in zwischen dem Inhalt und den Schüler/innen. Vor allem die mehrtägigen Programme sind projektorientiert und befähigen die Teilnehmenden, eigene Produkte zu erstellen, durch die sowohl die Reflexions- als auch die Sozial- und Präsentationskompetenz gefördert werden. 4 5

ANGEBOTSFORMATE Die Programme werden auf den Kenntnisstand der Teilnehmer/innen, ihr Alter und die Gruppengröße abgestimmt. Dafür stehen verschiedene inhaltliche und methodische Bausteine zur Verfügung, die in Absprache mit der Gruppe ausgewählt und eingesetzt werden. Führung und selbstständige Erkundung (2 Stunden) Während der Betreuung erfolgt zunächst eine Führung durch die Außen- und Innenausstellung. Diesem Überblick schließt sich eine selbstständige Arbeitsphase in der Ausstellung an. Den Abschluss bildet eine angeleitete Diskussionsrunde über Fragen nach Mitwisser- und Mittäterschaft und die Verantwortung der einzelnen Akteure. Halbtagesprojekt (ab 3,5 Stunden) Hier werden zusätzlich zur Führung ergänzende Seminarbausteine eingesetzt, die das eigenständige Arbeiten in der Ausstellung erhöhen. So ist es möglich, in Kleingruppen mit Arbeitsblättern zu arbeiten. Die Teilnehmenden begeben sich damit auf Spurensuche in die Ausstellung und befragen quellenkritisch zentrale Dokumente. An einer konkreten Person erforschen die Teilnehmer/innen die Motive, Handlungen und Handlungsoptionen. Tagesprojekt (ab 6 Stunden) Während des Tagesprojekts vertiefen die Teilnehmenden nach der Führung und der Arbeit in Kleingruppen mit den Arbeitsblättern deren Themen in der Bibliothek und Mediothek. Es wird sowohl die Arbeit mit Biografien erweitert als auch die auf das Heute zielenden Fragen nach Arbeit und Verantwortung in dafür geeigneten Fragenkomplexen bearbeitet. Mehrtagesprojekt (ab 1,5 Tagen) Die Mehrtagesprojekte führen wir gemeinsam mit Partnern durch. Weitere Informationen dazu auf den folgenden Seiten und auf www.topfundsoehne.de. Radioprojekt in Kooperation mit Radio F.R.E.I. (5 Tage) Im Radioprojekt Arbeit und Verantwortung geht es, ausgehend vom historischen Beispiel Topf & Söhne, um die Fragen nach Verantwortung im beruflichen Alltag und ethischem Unternehmerhandeln. Warum ist der und die Einzelne gefordert, für die Konsequenzen seines/ihres beruflichen Handelns einzustehen? EIne Schulklasse in der Außenausstellung Die Teilnehmenden produzieren eigenständig Beiträge für eine einstündige sendefähige Radiosendung. Inhaltlich können dabei biografische, technische, lokale oder auch andere Zugänge zum Thema gefunden werden, das in seiner historischen und aktuellen Dimension reflektiert, journalistisch aufgearbeitet und in das akustische Medium umgesetzt wird. Als Grundlage können Interviews mit Expert/inn/en, Zeitzeug/ inn/en und Entscheider/innen sowie Straßenumfragen, die Arbeit mit historischen Quellen und die persönliche Auseinandersetzung dienen. Arbeit mit historischen Quellen 6 7

Seminar in Kooperation mit der Gedenkstätte Buchenwald (2 Tage) Das Seminar Arbeit und Verantwortung mit der Gedenkstätte Buchenwald verbindet zwei historische Orte, deren authentische Überreste in besonderer Weise Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpfen und die historische Vorstellungskraft anregen. Am ehemaligen Firmensitz in Erfurt wird erfahrbar, wie die Arbeit für die Verbrechen in den Alltag der Gesellschaft integriert war. Zugleich sieht man vom damaligen Arbeitsplatz des verantwortlichen Ingenieurs Kurt Prüfer direkt auf den bei Weimar liegenden Ettersberg, auf dem sich Die Öfen von Topf & Söhne im Krematorium des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald, 2004 das KZ Buchenwald befand. Die Verbrennungsöfen von Topf & Söhne im dortigen Krematorium sind erhalten: Sie sind heute sowohl Sachbeweis der Verbrechen als auch Grabdenkmal für die Ermordeten. Zusammen mit den anderen Lagerüberresten verdeutlichen sie die Folgen der Arbeit von Topf & Söhne für die SS. Die Teilnehmenden setzen sich kritisch mit den Biografien der Firmenchefs, Ingenieure, Kaufleute und Monteure auseinander. Diese Auseinandersetzung mit ihren Entscheidungen und Handlungen ermöglicht ein Nachdenken darüber, wann und wie Menschen zu Mittätern werden können. Projekt Deutsch-jüdische Geschichte und Gegenwart in Erfurt in Zusammenarbeit mit der Alten Synagoge (1 oder 2 Tage) Im Zentrum des Projekts steht die Spurensuche an historischen Orten und originalen Objekten, die Zeugnis von der wechselvollen Geschichte der Jüdinnen und Juden in Erfurt ablegen. Durch den Blick auf die jüdische Geschichte der Stadt wird eine Reduktion der jüdischen Bürger/innen auf ihre Opferrolle im Nationalsozialismus vermieden. In der Alten Synagoge lernen die Besucher/innen die Anfänge jüdischen Lebens in Erfurt kennen und erfahren vom nachbarschaftlichen Miteinander, das über Jahrzehnte Juden und Christen in Erfurt vereint zu haben scheint. Das Pogrom von 1349, das die jüdische Gemeinde vernichtete, macht jedoch den Antijudaismus des Mittelalters sowie die Feindbild-Konstruktion der christlichen Mehrheitsgesellschaft sichtbar. Eine Stadtführung spannt den Bogen von der zweiten jüdischen Gemeinde im 15. Jahrhundert bis zum beginnenden rassistischen Antisemitismus und dessen Auswirkungen auf die Erfurter Gesellschaft im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Im Erinnerungsort Topf & Söhne wird die Ermordung der Juden aus der Perspektive der Mittäter, Mitwisser und Dulder beleuchtet. Der Spannungsbogen einer 700-jährigen deutsch-jüdischen Geschichte zwischen kulturellem Reichtum und den tiefsten Abgründen gewollter, geplanter und technisch umgesetzter Vernichtung regt zum Nachdenken darüber an, wie eine menschliche und demokratische Kultur gefördert und erhalten werden kann. 8 9

VORBEREITUNG DES BESUCHS Vor dem Besuch des Erinnerungsortes Topf & Söhne sollten den Schülerinnen und Schülern die Grundzüge des Nationalsozialismus sowie das System der Konzentrationslager bekannt sein. Die Thematik Topf & Söhne sollte im Unterrichtsgespräch umrissen werden, daraus sollten die Schüler/innen eigene Forschungsfragen für den Besuch entwickeln. Der zur Ausstellung produzierte Dokumentarfilm Stets gern für Sie beschäftigt, Menschheitsverbrechen und Berufsalltag zeichnet die Geschichte der Firma Topf & Söhne von der Gründung 1878 bis zum Kriegsende 1945 nach. Er fragt, auf welche Weise die für pietätvolle Feuerbestattungsöfen bekannte Firma ab 1939 mit der SS zusammenarbeiten konnte. Zugleich hat der Regisseur Aldo Gugolz das ehemalige Firmen areal vor Abbruch und Neubebauung dokumentiert. Dokumente, die die Mitwisser- und Mittäterschaft von Topf & Söhne belegen, werden an den verfallenen historischen Arbeitsplätzen, den Büros, Konstruktionssälen und Produktionsstätten, vorgestellt. Zur Vorbereitung eines Besuchs im Erinnerungsort regen wir an, die ersten drei Minuten des Films (bis Min. 2:54) zu zeigen. In dieser kurzen Sequenz werden die Gründung des Unternehmens, der Aufstieg zu einer Firma mit Weltruhm, die Marktführerschaft im Bereich der städtischen Krematorien und der Eintritt der Brüder Topf in die NSDAP thematisiert. Dieser Film liegt in jeder Thüringer Schule vor und kann im Erinnerungsort erworben werden. Nach dem Filmausschnitt können die Schüler/innen in Einzelarbeit ihre Erwartungen an den Besuch und die Fragen, auf die sie im Erinnerungsort Antworten suchen wollen, formulieren. Zur vertiefenden Vorbereitung empfehlen wir ergänzend, den Geschäftsbrief von Topf & Söhne an die SS-Bauleitung in Auschwitz vom 2. Februar 1943 als historische Quelle zu bearbeiten. Eine Kopiervorlage mit Fragen finden Sie auf den folgenden Seiten. Die Firmenleitung beim Aufmarsch am 1. Mai 1937, Ausschnitt aus historischem Filmmaterial Das verfallene Firmenareal, 2001 10 11

Fragen zum Geschäftsbrief von Topf & Söhne an die SS-Bauleitung in Auschwitz vom 2. Februar 1943 1. Wie ist das Schreiben aufgebaut? 2. Welche Forderungen hat die SS an die Firma J. A. Topf & Söhne gerichtet und wie sind sie zu interpretieren? 3. Wie lautet die Antwort von Topf & Söhne und wie ist sie zu interpretieren? 4. Wie ist die Schlussformel im letzten Satz zu interpretieren? 5. Wie kann das Verhältnis zwischen der SS und Topf & Söhne anhand des Briefes charakterisiert werden? 6. Wie passen die Antworten auf die bisherigen Fragen zu den Erwartungen, die nach dem Anschauen des Films formuliert wurden? Geschäftsbrief von Topf & Söhne an die SS-Bauleitung in Auschwitz vom 2. Februar 1943 Russisches Staatliches Militärarchiv, Abteilung Sonderarchiv, 502k-1-313l Unterzeichnet von Fritz Sander und Paul Erdmann, Verantwortliche für den Feuerungsbau. Rückdrahten bedeutet telegrafieren. 13

NACHBEREITUNG ORGANISATORISCHES Um die während des Besuchs gesammelten Eindrücke und Informationen zu vertiefen, zu kontextualisieren und zu reflektieren, empfehlen wir eine Nachbereitung. Dafür eignet sich der Dokumentarfilm Stets gern für Sie beschäftigt,... Menschheitsverbrechen und Berufsalltag in voller Länge (30 Min.). Ebenso können historische Dokumente, die während des Besuchs im Erinnerungsort zum Einsatz kommen, auch in der Nachbereitung genutzt werden. Sie können zum Beispiel als Argumentationsgrundlage für einen Blick in die Ausstellung. Aschekapseln, geborgen im Krematorium des ehemaligen KZ Buchenwald, 2011 Artikel in der Schülerzeitung eingesetzt werden. Diese Quellen sind auf den Arbeitsblättern, die vom Erinnerungsort beim Besuch zur Verfügung gestellt werden, abgedruckt. Sie sind auf der Homepage abrufbar und liegen in jeder Thüringer Schule als Ansichtsexemplar vor. Weitere Anregungen zur Vor- und Nachbereitung finden Sie auf unserer Homepage www.topfundsoehne.de. Seminar- und Veranstaltungsraum Seminarraum mit Platz für bis zu 150 Personen, variable Bestuhlung, Ausstattung: Beamer, Laptop, Beschallungsanlage und Flipchart Mediothek Zugang zum digitalen Archiv und zum Verzeichnis des Bibliotheksbestandes, fünf Computerarbeitsplätze mit Internetzugang zur Erstellung eigener Präsentationen wie Zeitungen, Plakate, Audio- und Videodokumente Bibliothek Wissenschaftliche Präsenzbibliothek mit einschlägiger Literatur Anfahrt Der Erinnerungsort liegt an der B7 stadtauswärts Richtung Weimar. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist er mit der Buslinie 9 Richtung Daberstedt (Zustieg am Hauptbahnhof, Ausstieg Spielbergtor) gut zu erreichen. Kontakt Die Bildungsarbeit am Erinnerungsort Topf & Söhne Die Ofenbauer von Auschwitz wird durch eine/n pädagogische/n Mitarbeiter/in begleitet. Wir beraten Sie gerne im Vorfeld über Umfang, Inhalte und zur Verfügung stehende Methoden. Tel.: 03 61/ 6 55 16 82 E-Mail: lernort.topfundsoehne@erfurt.de www.topfundsoehne.de Verpflegung Voraussichtlich 2012 besteht im Café des Erinnerungsortes die Möglichkeit der Mittagsverpflegung nach vorheriger Anmeldung. Zuvor ist eine Verpflegung über Catering möglich. Die Angebote des Erinnerungsortes sind kostenfrei. Um eine Spende wird gebeten. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr 14 15

Impressum Stadtverwaltung Erfurt Erinnerungsort Topf & Söhne Die Ofenbauer von Auschwitz Sorbenweg 7, 99099 Erfurt Redaktion: Rebekka Schubert, Dr. Annegret Schüle, Sophie Eckenstaler Fotos: Kastner Pichler Architekten, Katharina Brand, Peter Hansen, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Gesamtherstellung: Werbeagentur Kleine Arche GmbH gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier