Arbeitsblatt 5 Wirkungsweise und Funktionen von Vorurteilen



Ähnliche Dokumente
Arbeitsblatt 7 Was ist eigentlich Rassismus?

Arbeitsblatt 2 Behindert sein? Behindert werden!

Konfliktlotsen im Schulhaus Wankdorf

Rassismus in der Mitte

Selbstbestimmung. Unsere Frage am Anfang war: Was gehört zur Selbstbestimmung? Wie wo wann wie oft wünsche ich etwas? Wer und was hilft mir dabei?

Gerhard F. Schadler. Konzentration im Alltag.! 1 Wie man den Alltag zur Verbesserung der eigenen Hirnleistung nutzt

Individuelle Hilfeplanung Rheinland-Pfalz. Bogen 2 (Bogen II) Das mache ich gerne! Das kann ich gut! Das kann ich noch nicht so gut!

Mama/Papa hat Krebs. Ein Projekt der Krebshilfe Wien

Das Deutschlandlabor Folge 10: Migration Manuskript

Wie kannst du UNIFEELING für dich nutzen?

Die folgenden Leitfragen sollen Ihnen bei Ihrer Spurensuche dabei helfen:

I. BEWERTUNG DER KOMMUNIKATIVEN KOMPETENZ (30 Punkte) Lesen Sie den Text und lösen Sie die folgenden Aufgaben: Eine Schulklasse, viele Sprachen In

Das Wibs Kursheft. Das Kursheft ist in Leichter Sprache.

Aber manchmal fühlt es sich ganz anders an! Das hört sich gut an! Sam, 17 Jahre

Partizipation von Kindern Freiräume aktiv mitgestalten

MA Stellungnahme barrierefreies Wahlrecht

DIESE VERÄNDERUNG HAT VERHEERENDE KONSEQUENZEN FÜR DIE OFFLINE WELT.

Informationen für pflegende Angehörige. - Demenz -

GRUNDSTEIN MEDIEN. Nr. 1233

Im Rahmen eines unserer Gottesdienste erhielten wir von einem Boten Gottes eine neue Version des Vater Unser übermittelt.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Die Anti-Diskrimi nierungs-stelle des Bundes

zu der begründeten Vermutung, dass dies auch bei einer beliebig größeren Anzahl von "Bausteinen"

5 Schritte zur Umsetzung Think big, start small! Change with a smile!. Partizipation

Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was Du Dir vertraut gemacht hast. Du bist für Deine Rose verantwortlich (A.


Oder eine Mutter, die ihre erwachsene Tochter nicht ausziehen lässt.

Josef-Kentenich-Schule - Evaluation Fragebogen Schüler, Schuljahr 2014/15

Umfrage - Selbstbestimmtes Leben Befragte ab 14 Jahre, Deutschland TNS emnid für HVD 2014

1) Checkliste zur Vor- und Nachbereitung schwieriger Gespräche. TeilnehmerInnen des Gesprächs:

Warum gibt es Kinderrechte? Wofür sind Kinderrechte wichtig? Und für wen eigentlich?

Teil 1: Selbstwert Ich bin anderen egal Ich bin der Welt hilflos ausgeliefert Ich bin dick Ich bin dumm Ich bin ein Opfer der Ungerechtigkeit Ich bin

Fragebogen für Schüler im Projekt Praxisberater. Klasse 8

Über einer Höhe von ca. 40 Punkten können sich Antreiber aufgrund der damit verbundenen Stressbelastung sogar gesundheitsgefährdend auswirken.

"G tt und die Sternzeichen":

Keine Widerrede!!! Adultismus in der Sprache zwischen Kindern und Erwachsenen. ManuEla Ritz 3. Baustelle Inklusion

Wir erklären. Mehrfach-Zugehörigkeit. und Mehrfach-Benachteiligung. Text in Leichter Sprache. Geschrieben von LesMigraS,

Das Zusammenleben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus dem Blickwinkel von

Die Arbeitslosen von Marienthal Die berühmte Studie zur Weltwirtschaftskrise 1929.

Antidiskriminierungs padagogik

Notfallbriefe für Kinder psychisch kranker Eltern

Wege zur Verankerung Globalen Lernens in der Vorbereitung von Präsentationsprüfungen am Beispiel des Flughafens BER

Heimat und Identität in der Einwanderungsgesellschaft

So wird s überzeugend! Debattieren im Deutschunterricht Wie man verständlich formuliert und schlüssig argumentiert

Arbeitsblatt 4»Ist doch so! Tatsache Meinung Vorurteil Diskriminierung?«

Medienleitfaden Transsexualität, Transidentität und transgender für Journalistinnen und Journalisten. Transsexualität, Transidentität, transgender

Ich glaube auch, weil ich gedacht habe, dem gehört die Kirche.

Nr Donnerstag, 17. März 2016 DAS IST VIELFALT

Informationen und Fragen zur Aufnahme eines ausländischen Kindes

Arbeitsfelder, Zielgruppen und. Arbeitsfelder, Zielgruppen und Organisationen der Sozialen Arbeit. Vorlesung Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl

Kafka und Ödipus. Der Mythos vom König Ödipus in Das Urteil

ARBEITSBLATT 1. VORSTADTKROKODILE Eine Geschichte vom Aufpassen

Fragebogen für die Weiterbildung im Schulversuch Ethik/ Philosophie

Wie Sie Entscheidungsfallen umschiffen und Entscheidungen möglichst optimal vorbereiten können

Wie ist mein Sprach-Bewusstsein? Was ist mein Selbst-Verständnis?

Was könnten diese Personen sagen? Schreiben Sie! Verwenden Sie die Satzanfänge aus der Box!

Zukunft der Beratungsausbildung

Wir sollen erarbeiten, wie man mit Hilfe der Mondentfernung die Entfernung zur Sonne bestimmen kann.

Das liebe Geld Der Test

Jeder Mensch ist individuell

Video-Thema Begleitmaterialien

I NE ERL DAS SCHRECKLICHE LEBEN? KOPF TEIL 5: ROLLSTUHL FÜR BERNHARD MEYER

Gleiche Chancen. Immer. Leichte Sprache. Themenjahr gegen Rassismus

Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg zur Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele 2024

Mehr Unabhängigkeit und Lebensqualität durch Hilfe auf vier Pfoten

Ubuntu4Africa; Hout Bay, Kapstadt Südafrika Katja. Fakultät 13, Bachelor Rehabilitationspädagogik, 3. Fachsemester

Arbeitspaket für den Unterricht zum Thema Rassismus und Vorurteile. Inhaltsübersicht. Ab der 6./7. Schulstufe

Respekt. 1. Kapitel: Warum Respekt?

Elterninformationen zum Thema Hausaufgaben

Argumentationstraining gegen Stammtischparolen

Betriebsvereinbarung. der S-Bahn Berlin GmbH

Vergleich der Teilnehmendenbefragungen

das ist ein bestimmter Artikel der Begleiter

Rassismus in der Mitte der Gesellschaft Herausforderung für die Praxis der Sozialen Arbeit

Informationen und Fragen. zur Aufnahme eines. unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings

der diskriminierenden Person ist ɀɀ wollen wir unsere Ruhe haben, weil wir schlecht drauf sind oder gerade nicht die Welt retten wollen

Übung: Was denken Sie als?

Verbale und Nonverbale Kommunikation. Einführung in die Psychologie der Kommunikation in der Hausarztpraxis

Themenbereich: Positionierung; Nachdenken über Kultur und deren vielfältige Bedeutungen

Vision Unternehmensziele Philosophie Führungsleitlinien Unser Umgang miteinander. Unser Leitbild

Führungsprobleme UNIVERSITÄT ROSTOCK

Ist die Funktion f : R R injektiv, hat den Definitionsbereich D und den Wertebereich W, so ist f : D W bijektiv. Dann heißt

Teilbarkeitsregeln 3, 6 und 9

Die Umwelt ist aktiv. Die Umwelt ist passiv. Das Kind ist aktiv. Das Kind ist passiv. Interaktionistische Theorien: Selbstgestaltungstheorien:

Die Beratung von Angehörigen

Schutz vor Mobbing und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Schulmaterial Seepferdchen

Beispiel einer Einstiegs - Einheit* eines Klimaschutzprojektes im Kindergarten:

Boris Hürlimann Studentenmesse 07 Workshop Soft Skills

Herr Kennedy Frau Nolte, welche Inhalte werden in Ihrem Elterntraining bearbeitet?

Kommunikation in der Schule: miteinander arbeiten und sprechen

Akademie Führung und Persönlichkeit - Bergtour ins Ich 1

YouGov OmnibusQualitative. Ergebnisbericht zur Grippebefragung vom

Mit Respekt Veränderungen begleiten

Lernblatt: Lagebeziehungen

Die Familie leidet mit! Zur Rolle der Angehörigen

Lieber Herr Dr. Abdallah, liebe mitbetroffene Frauen, liebe Gäste

Fragebogen zur Einleitung einer ambulanten Psychotherapie

Transkript:

Arbeitsblatt 5 Wirkungsweise und Funktionen von Vorurteilen Vorurteil: Pauschales Urteil über Menschen oder Gruppen, das auf stereotypen Zuschreibungen beruht und verallgemeinert.»frauen können besser zuhören und schlechter einparken.«ist das Bewertungsbedürfnis kollektiv und stark und wird damit auch definiert, wer Freund und wer Feind ist, sprechen wir statt von einem Vorurteil von einem Feindbild.»Muslime sind gefährlich, sie lehnen unsere Werteordnung ab.«in einer modernen Gesellschaft sind wir alle unterschiedlich, trotzdem verunsichert es manche, dass Menschen anders sind als sie selbst. Vorurteile, die wir von klein auf gelernt haben, sind eine schnelle aber nicht unbedingt hilfreiche Möglichkeit, sich die Welt zu erklären. Ein Vorurteil» ist gar nicht so leicht zu bemerken und zu entkräften.«ɀɀ weil es uns oft nicht bewusst ist ɀɀ weil Vorurteile uns nur sehen lassen, was wir sehen wollen ɀɀ weil sie sich selbst bestätigen: widersprechende Informationen, die nicht ins vorgefasste Schema passen, werden umgedeutet, ignoriert oder kleingeredet:»ausnahmen bestätigen die Regel! kommt selten allein.«ɀɀ Oft wirken Nationalismus, Rassismus, Homophobie oder Sexismus, Schwarz-Weiß-Denken und Ideen von»oben-unten«und»gut-böse«zusammen.» macht es einigen leichter auf Kosten von Anderen.«ɀɀ Vorurteile ermöglichen es uns, uns ein Bild von einer Person zu machen, ohne dass wir sie kennen müssen. ɀɀ Sie helfen, die verwirrende Vielfalt unserer Gesellschaft in»schubladen«einzuordnen und machen die Welt für die Einzelnen einfacher und weniger bedrohlich. Stereotype Bilder bestätigen uns, dass wir Bescheid wissen, wir fühlen uns dadurch sicherer. ɀɀ Indem ich festlege, in welche Schublade/zu welcher Gruppe der/die andere gehört, lege ich gleichzeitig fest, wer ich selber (nicht) bin. Gleichzeitig stärkt die Abwertung von Anderen bis hin zum Feindbild das eigene Selbstwertgefühl oder das Zusammengehörigkeitsgefühl in Gruppen auf Kosten von Anderen. ɀɀ Vorurteile und Feindbilder helfen, einen Sündenbock für persönliche oder gesellschaftliche Probleme zu finden. Wenn wir die Fehler bei den Anderen suchen, können wir von eigener Verantwortung oder der eigenen Ohnmacht, ungerechte Verhältnisse zu ändern ablenken. Wenn man gegen Sündenböcke aktiv wird, entsteht das gute Gefühl, Probleme erklären und 1

lösen zu können, ohne dass man wirklich etwas ändern muss, sich z. B. mit Mächtigeren anlegen muss oder Privilegien teilen muss. Ein aktuelles Beispiel ist die Debatte um Armut. Da gibt es einerseits das Vorurteil, Hartz 4 Empfänger/innen seien an ihrer Situation selbst schuld. Andererseits wird z. B. einzelnen Manager/innen oder»den Banken«die Schuld an komplexen ökonomischen Krisenerscheinungen im Kapitalismus zugeschriebenɀɀ Eigenschaften, Wünsche und Gefühle, die wir nicht an uns selbst akzep- tieren können, werden stellvertretend auf andere projiziert und bekämpft. Menschen, denen es schwer fällt, offen über Sexualität zu reden und ihre Gefühle zuzulassen, bilden dann z. B. Feindbilder gegen Schwule, Lesben oder Bisexuelle, die sie in ihrer engen Moral bestätigen.» ist der Anfang jeder Diskriminierung.«ɀɀ Vorurteile ermöglichen, legitimieren und verfestigen Diskriminierung. ɀɀ Die Übergänge zu diskriminierendem Verhalten sind oft fließend: ein ausgesprochenes Vorurteil kann eine diskriminierende Wirkung auf die angesprochene Person haben. ɀɀ Vorurteile helfen, dass eigenes ungerechtes Verhalten als vernünftig erklärt wird. Die»Anderen«sind dann selbst schuld daran, wenn sie schlecht behandelt werden, weil sie z. B. nicht anders wollen oder können. ɀɀ Wenn Ungleichbehandlung richtig ist, muss man auch nicht dagegen vorgehen. Machtstrukturen, gesellschaftliche Ungleichbehandlung, Unterschiede in Bezug auf Einflussmöglichkeiten, Lebensperspektiven etc. werden durch die Verbreitung und Aufrechterhaltung von Vorurteilen und Feindbildern immer wieder gestützt Jeder Mensch hat Vorurteile. Problematisch wird s erst, wenn man sie nicht in Frage stellen kann und einfach danach handelt oft ohne es selbst zu merken! Um im Alltag Diskriminierung zu erkennen und dagegen anzugehen, ist es also notwendig, einen schärferen Blick gegenüber Vorurteilen zu entwickeln und auf die eigenen unbedachten Äußerungen und die der anderen zu achten. 2

Wissen ohne Erfahrungen: Vorurteile basieren auf einem»wissen«über Personen, dass unabhängig von eigenen Erfahrungen existieren kann. Woher kommt dieses Vorwissen? Zum großen Teil aus unserem sozialen Umfeld: Es sind die Verhaltensweisen und Meinungen von Eltern, FreundInnen und Bekannten. In sämtlichen Lebensbereichen, in denen wir uns bewegen vom Kindergarten bis zur Schule, am Arbeitsplatz und im Sportverein, beim Fernsehen und beim Surfen im Internet wird Vorwissen vermittelt. Ein Beispiel: Wenn eine Polizeikontrolle am Flughafen nur Menschen mit dunkler Hautfarbe kontrolliert,»weiße«fluggäste aber weitgehend unbehelligt lässt, kann von ZeugInnen dieser Szenerie das Vorurteil»verstanden«werden, dass»ausländerinnen«besonders kriminell seien. Unbeteiligte ZuschauerInnen können denken, dass die Polizei nicht ohne Grund gerade»diese Leute«kontrolliert. Ähnlich funktioniert die unpersönliche Vermittlung von Vorurteilen in Zeitungen bei der Berichterstattung über Kriminalitätsfälle immer nur dann die Herkunft oder Hautfarbe von Tatverdächtigen erwähnen, wenn es sich nicht um (Weiße) Deutsche handelt, deren Vorfahren schon seit mehreren Generationen als StaatsbürgerInnen anerkannt sind. Fragen zur Diskussion: ɀɀ Was denken Sie, wenn Sie so eine Situation beobachten? ɀɀ Welche verschiedenen Vorurteile bestehen gegenüber der kontrollierten Person? ɀɀ Versuchen Sie die oben genannten Punkte auf das Beispiel anzuwenden. ɀɀ Fallen Ihnen andere Beispiele für die oben genannten Punkte ein? ɀɀ Woher nehmen Sie Ihr»Vorwissen«über andere Menschen? 3

ADB Sachen / Betty Pabst ɀɀ Was sehen Sie auf dem Plakat? ɀɀ Stimmt etwas nicht? Was? ɀɀ Wie sieht man aus, wenn man»deutsch«aussieht? ɀɀ Welche Vorurteile sind damit verbunden? ɀɀ Wie könnte sich das Bild vom typischen»deutschen«ändern? 4

http://www.springer.com/978-3-531-16784-8