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Transkript:

533 Judith Wettengel «Auf, nach Ägypte Das «Land der Wunder» durch d Selbst nachdem die Kultur Motiv auf dem Altägyptens Kopf steht. Auf diese gen Schrecken ein, der wohl so manchen längst in Hellenismus, Weise Christentum kann das Bild, stark vergrößert und das Fürchten und den «rechten Glauben» Islam aufgegangen war, und aufrecht, konnte auf die sich gegenüberliegende keine lehrte. In dieser Tradition entsetzten noch Epoche der folgenden Fläche Jahrhunderte projiziert werden. ihrer am Ende des 18. Jhs. geniale Unterhaltungskünstler mit «Phantasmagorien» die Faszination entziehen. Auch im Jahr Die Jesuiten wußten die technische 1798, als die Orientarmee Napoleons Neuerung aufbrach, das Land am Nil zu erobern, mußte nutzen: Im Dienste der Gegenreformation steren Grüften führten sie ihrem Pub- bald nach deren Erfindung aufgeklärte zu Pariser Bevölkerung: In fin- das Interesse an der «Wiege der Wissenschaften und Künste» längst nicht rer mehr Predigten mit grauenhaften Bildern versteckten Apparates den «leibhaftigen» jagten sie den unwissenden Zuhörern likum ih- durch geschicktes Bewegen des geweckt werden. Die französische Expedition löste jedoch eine neue Welle der von Hölle, Tod und Teufel einen gehöri- Tod vor Augen und erweckten Tote «zum Ägyptomanie aus, die das ganze 19. Jh. hindurch andauern sollte. Ereignisse und Umstände verschiedenster Art rückten Ägypten immer wieder in das Blickfeld Europas.1 Die Laterna-Magica - Vorläufer der Dia- und Filmprojektoren Zur gleichen Zeit erreichte ein frühes Massenmedium den Gipfel seiner Beliebtheit: die Laterna Magica - Vorläufer unserer heutigen Dia- und Filmprojektoren (Abb. I).2 Die Geschichte der Zauberlaterne ist in erstaunlicher Weise mit dem. Phänomen der Ägyptomanie verbunden. Ausgerechnet der deutsche Universalgelehrte Athanasius Kircher (1602-1680), dessen Interesse an Altägypten zur ersten koptischen Grammatik und Deutungen der Hieroglyphen geführt hatte3, beschreibt 1671 in seinem Werk über die Projektion von Bildern mit Hilfe einer Lichtquelle, «Ars magna lucis et umbrae», als einer der ersten Funktion und Wirkung der Laterna Magica (Abb. 2).4 Ihr Prinzip ist so einfach wie wirkungsvoll: In einen dunklen Kasten wird eine künstliche Lichtquelle gestellt, deren Strahlen durch einen Hohlspiegel reflektiert und gerichtet werden. Das Licht fällt durch eine runde, mit justierbaren Sammellinsen versehene Öffnung nach draußen. Zwischen Lichtquelle und Linse wird ein Glasbild geschoben, dessen Abb. 1 Die Laterna Magica, ein dreistrah - liger Nebelbildapparat um 1885, mit dem Günther Holzhey (im Bild) und Ruth Baumer als «Musica Magica» vom Museum «Augenblick» in Nördlingen Vorstellungen nach altem Vorbild veranstalten.

534 Judith Wettengel tung, deren Anziehungskraft in Kino und Fernsehen bis heute ungebrochen ist. Der Zauber Ägyptens durch die Laterna Magica in neues Licht gerückt Das lehrreiche und zugleich magische «Spiel der bunten Schatten» scheint in besonderem Maße geeignet gewesen zu sein, einem staunenden Publikum den Zauber Ägyptens zu vermitteln, denn ägyptische Motive auf Laternbildern sind verblüffend zahlreich. In der Tat hat die Laterna Magica besondere Eigenheiten, die ihrer großen Affinität zum Thema «Ägypten» zugrunde liegen: Schon vor der Zeit der Phantasmagorien wurde die unheimliche Zauberlaterne wie kein zweites Medium mit der jenseitigen Welt, dem Reich der Magie und des Todes, in Verbindung gebracht. Gleiches gilt für Ägypten, dem einzigartigen Symbol der Überwindung von Tod und Zeit, das man als Ursprungsland allen magischen Wissens ansah. Monumentalität, Glanz und Exotik verlangte der Besucher einer Bilderschau über das Land der Pyramiden zu sehen; eine Erwartung, die allein die Projektion befriedigen konnte, denn nur sie zeigte die Monumente in enormer Größe und leuchtender Farbigkeit. In den Augen des Betrachters scheint die Laterna Magica, während sie den abgedunkelten Vorführraum mit den projizierten Geheimnissen Ägyptens erhellte, zugleich «Licht» in die Dunkelheit einer mystischen und unbekannten Welt gebracht zu haben. Die Laterna Magica war das ideale Instrument, die Wunder eines rätselhaften Landes zu präsentieren. Der Laternist mußte darüber hinaus jedoch diejenigen Motive auswählen, mit denen die unterschiedlichsten Bedürfnisse seiner Zuschauer zu befriedigen waren. Die Laternbilder Kir- geben daher Einblicke in die Leben», indem sie deren Porträts auf Der einfache Apparat Athanasius wabernden Rauch projizierten (Abb. 3). chers hatte sich längst zum Mehrfachprojektionsgerät mit bis zu drei unabhängig Zeit und spiegeln die Vorstellungen des kulturhistorischen Zusammenhänge ihrer Die Projektion mit der Laterna Magica erschöpfte sich jedoch nicht im effektheischenden Illusionsspektakel auf Fried- entwickelt, das dank aufwendiger Über- wider, seine Erwartungen und Sehnsüchte voneinander zu bedienenden Laternen damaligen Betrachters von Ägypten höfen und Jahrmärkten. Nachdem im blendtechniken, den «Nebelbildern», in diebezug auf ein fremdes, exotisches Laufe des 19. Jhs. durch Entwicklungen Projektionskunst mit beeindruckenden Land. im optischen System der Apparate sowie dramatischen Effekten bereicherte. Auch Die Laternbildersammlung Baumer/ die Einführung eines leistungsfähigen die Illusion der Bewegung hatte bereits Holzhey des Museums «Augenblick» für Gaslichtes Lichtstärke und Bildschärfe Einzug in die Bilderschauen gehalten, optische und akustische Attraktionen in wesentlich hatten verbessert werden können, war ein größeres Publikum zu errei-mechanik ausgestattet werden konnten Ausstellung «Ägypten durch die Laterna nachdem die Laternbilder mit komplexernördlingen, die derzeit für eine geplante chen. Bald befriedigten öffentliche Lichtbildvorträge das Informationsbedürfnis sogenannte Professoren, bedienten sich wird, zeigt Möglichkeiten und Grenzen (Abb. 4). Hauptberufliche Laternisten, Magica» wissenschaftlich bearbeitet des gebildeten Bürgertums, und am Ende dieser technischen Errungenschaften, einer Untersuchung. Wie die meisten des Jahrhunderts war die ehemalige verbanden optischen Genuß mit rhe-sammlungetorisch und dramatisch ausgefeilten Vor-aus Einzelbildern unterschiedlichster besteht sie im wesentlichen «Schreckenslaterne» zum unentbehrlichen wissenschaftlichen Hilfsgerät trägen an und schufen so jene fesselndeherkunft. Aufschlußreiche, geschlossen Universitäten und Schulen geworden. Mischung aus Information und Unterhal-erhaltene Bilderserien einer Vorführung,

«Auf, nach Ägypten...!» 535 welche die Laternbilder Laternisten Ägypten in ihr Repertoire senschaftlichen in größerem Publikationen und Reiseberichten, Zeichnungen und sind Gemälden Zusammenhang aufnahmen, wird zeigen sich demnach anhand könnten, äußerst selten erhalten. der Glasbilder selbst kaum mehr feststellen lassen. Die Untersuchung beschäfschäftigung mit Ägypten hinterlassen zurückgreifen, den Jahrhunderte der Betigt sich daher vorwiegend mit den Vorlagen der Motive, deren Bearbeitungen fungen sind daher äußerst selten. Die hatten. Vollkommen unabhängige Schöp- Frühe handgemalte Laternbilder und deren Quellen und Interpretationen. Originale, von unterschiedlichster Größe Auf der Suche nach ägyptischen Motiven konnten die Hersteller der Laternbilliegend, mußten in Transparentmalerei und in allen denkbaren Techniken vor- Die genaue Datierung der Einzelbilder ist oft nicht mehr möglich. Handgemalte der auf einen bereits vorhandenen, riesi-augen Fundus von Illustrationen aus wis-durchmesser übertragen werden. Die Glasplatten von durchschnittlich 8 cm Laternbilder wurden von den Laternisten selbst erarbeitet oder bei Spezialisten, meist Hersteller von optischen Geräten, in Auftrag gegeben. Die Holzrahmen, in denen die Glasscheiben fixiert sind, tragen nur selten Werkstattzeichen, die Rückschlüsse auf den Zeitraum der Herstellung erlauben würden. Ab wann die Abb. 2 Die Projektion mit der Laterna Magica nach Athanasius Kircher, aus : Ars magna lucis et umbrae, Rom 1671, fol. 769. Abb. 3 Phantasmagorische Vorstellung im Jahre 1798, aus : F. J. Pisko, Licht und Farbe. Eine gemeinfaßliche Darstellung der Optik, München 1869, 156, Fig. 72. Abb. 4 An den Pyramiden von Giza segelt ein Schiff vorüber...; dank einer zweiten bemalten Glasplatte, die über ein feststehendes Glasbild mit Hintergrundmalerei gezogen wird. Abb. 5a.b Dem Laternbild «Der südliche Sternenhimmel nach den Ägyptern» liegt eine Abbildung aus dem wesentlich älteren Oedipus Aegyptiacus von Athanasius Kircher zugrunde. (Abb. 5b Photo Bayerische Staatsbibliothek München, Res. 2 Graph. 13a, fol. 207)

536 Judith Wettengel Künstler diese bleiben Möglichkeiten. Als unerschöpfliche meist Pittoreske Darstellungen unerw von Ruinen eines der Quellen Glasbilder, dienten die großen archäologischen und Einheimischen oft in lyrischer Natur han regelrechte Atlanten der Zeit, allen voran sowie dierekonstruktionen des Kuns altägyp- dabei um signiert. Frühe handgemalte Laternbilder des «Description de l'egypte», ein Monumentalwerk mit etwa 3000 Illustrationen, Sujets. Um diesem Bedarf gerecht zu tischen Alltags waren die beliebtesten beginnenden 19. Jhs. zeigen nicht selten in dem von 1809 bis 1828 die Zeichnungen werden, wurden Vorlagen entsprechend Motive, die aus wesentlich älteren Quellen stammen, und sich daher auf sehr der französischen Expedition von 1798 veröffentlicht wurden.6 phantasievolle Art und Weise mit der altägyptischen Kultur auseinandersetzen (Abb. 5a.b). Sobald im Laufe des 18. und Die Abbildungen dieser Werke stellen die Schönheit und Originalität der ägyptischen Kunst überzeugend dar, doch 19. Jhs. der engere Kontakt zu Ägypten meist in schwarzweißer Wiedergabe. und die zunehmende Genauigkeit der Dies konnte einem Medium nicht gerecht Forscher, Sammler, Reisenden und werden, dessen Spezialität prachtvolles, Künstler zu wirklichkeitsgetreueren und durch Licht belebtes Farbenspiel war. detaillierteren Zeichnungen führte5, nutzten Folglich übernahm man die ausgewählten auch die Hersteller für Laternbilder Motive stets üppig koloriert (Abb. 6). umgearbeitet oder ergänzt. Im Fall der «Vermessung der Sphinx von Giza»7 von Dominique- Vivant Denon (1747-1825), der als Zeichner an der napoleonischen Expedition teilgenommen hatte, konnte eine Gruppe bunt gekleideter Orientalen im Vordergrund offensichtlich mehr begeistern als die französischen Wissenschaftler des Originals (Abb. 7a.b). Die romantischen Aquarelle von David Roberts (1796-1864) dagegen entsprachen den Erwartungen des Publikums einer Laterna-Magica-Schau voll und ganz. Wenige Jahre nachdem der bis heute berühmte Band mit Lithographien dieser Arbeiten erschienen war8, wurden sie von einer englischen Firma für optischen Bedarf als Serie sehr hochwertiger handgemalter Laternbilder herausgebracht. (Abb. 8a.b) Sicherlich waren die Aquarelle einem gebildeten Publikum zu diesem Zeitpunkt bereits hinlänglich bekannt. Ihre Umsetzung in Miniaturmalerei auf Glas und die Projektion mit der Laterna Magica ließen sie jedoch «in neuem Licht» erscheinen. Nicht allein seine Aura des Altehrwürdigen, Geheimnisvollen oder Malerischen machte Ägypten zum beliebten Thema vieler Vorführungen; insbesondere mit aktuellem Geschehen zog das Land im letzten Jahrhundert immer wieder die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit Europas auf sich. Die junge Ägyptologie meldete neueste wissenschaftliche Ergebnisse und archäologische Sensationen. Der Entzifferung der Hieroglyphen, den Abbildungen von Wandmalereien und Reliefs jüngst entdeckter Gräber und Tempel brachte auch das potentielle Publikum einer Laterna- Magica-Schau großes Interesse entgegen. Die Laternisten mußten ihr Programm

«Auf, nach Ägypten...!» 537 schnell den wechselnden Diskussionsthemen der Öffentlichkeit anpassen, und so wurden die Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 und der spektakuläre Transport der «Nadel Kleopatras», einem Obelisken ThuthmosisTII., nach London in den Jahren 1877/78 zum Mittelpunkt einer Schau. Mit Erfindung der photographischen Diapositive im Jahr 1 85 1 traten neben die meist weniger der Wirklichkeit entsprechenden, zeichnerischen Vorlagen für Laternbilder exakte photographische Aufnahmen, die in großen Mengen preisgünstig hergestellt werden konnten. Sie sind von hohem wissenschaftlichem Wert, wenn sie den Zustand der Denkmäler im letzten Jahrhundert oder ethnographische Zeugnisse aus dem damals modernen Ägypten dokumentieren. Auch dem Wunsch des damaligen Betrachters nach Authentizität kamen diese Hylatopien entgegen. Nachdem in der 2. Hälfte des 19. Jhs. im Zuge des rasch anwachsenden organisierten Tourismus Reisen nach Ägypten zum beliebten Zeitvertreib der Wohlhabenden geworden waren9, folgten die Bilderschauen nun dem Verlauf der klassischen Ägyptenreise von Alexandrien nach Nubien nilaufwärts. Alle damals zugänglichen Sehenswürdigkeiten konnten dank der Diapositive vollständig und zuverlässig vorgeführt werden. Der Sehnsucht nach dem Romantischen und Pittoresken konnten die schwarzweißen Hylatopien offensichtlich jedoch nicht gerecht werden. Sie wurden zumindest mehr oder weniger gekonnt koloriert und darüber hinaus oft malerisch ergänzt. Der Projektionskünstler Paul Hoff- Abb. 6 In bunten Farben erstrahlt der «Blick in den Tempel von Dendera» nach einem Kupferstich aus der «Description de l'egypte», vol. IV, pl. 30. Abb. 7a.b Von einer Kopie kann kaum mehr die Rede sein, wenn Vorlagen in einem Ausmaß wie im Fall der «Vermessung der Sphinx» (b) umgearbeitet und neu interpretiert worden sind. Abb. 8a.b Bei ihrer Ausführung in Transparentmalerei im Format der Laternbilder mann (1829-1888) zeigte 1872 in seiner Oppel, ein Werk «für Gebildete aller als Reisebericht konzipierten Vorstellung Stände, namentlich auch für die Jugend»11, das im deutschsprachigen Raum mußten die Vorlagen stilistisch vereinfacht «Aegypten und das Nilthal vor 4000 Jahren wiedergegeben werden. Zugunsten des runden Bildformates wurde die Kompositon des und jetzt» vorwiegend photographische das Ägyptenbild des 19. und frühen 20. Aufnahmen zum Nachweis seiner dokumentarischen Zuverlässigkeit.10 In demgroßen Nachfrage immer wieder neu auf- Originals oft geändert. Beides verleiht hier Jhs. maßgeblich prägte, aufgrund der (b) David Roberts «Erinnerung an die Wüste bei aufziehendem Sandsturm» einen neuen begleitenden Vortrag zitierte er «Das alte gelegt wurde und allgemein als wissenschaftlich fundiert galt. Hoffmann Reiz. Wunderland der Pyramiden» von Dr. Karl sah

538 Judith Wettengel sich jedoch kunstvoll veranlaßt, deckungen handgem und wissenschaftliche seine Erkenntnisse Laternbild bis heute nicht gestillt hat V mit handgemalten weiterhin die Sehnsucht nach dem Malerischen beliebten und Geheimnisvollen befrie- werden können. Nilbildern Diesen Stellenwert nach den rellisten digen, Carl die sich nach Jahrhunderten Werner Ägyptens des im europäischen ( 1 Denken 808 belegt hoher Qualität Träumens immer noch auf das «Land hatte der die Geschichte anfertig der Projektionskunst mit (Abb. 9a.b) Wunder» konzentrierte zu und durch technische Fortschritte, archäologische der Ent-Die Sehnsucht Photograp nach «Ägyptischem» hat ergänzen. der Laterna Magica in besonderer Weise. In Vorherrschaft eine unüberschaubare Vielfalt unterschiedlichster Werke hinterlassen, welche die Zeugnisse Altägyptens und Elemente seiner Kultur beschreiben, kopieren oder neu interpretieren. Die Laternbilder stellen einen kleinen, bislang wenig beachteten Teil davon dar und sind daher nicht allein für die Medien- und Bildungswissenschaften von Bedeutung, sondern darüber hinaus für das Phänomen «Ägyptomanie» und die Geschichte der Ägyptologie. Das frühe Massenmedium Laterna Magica hat sicherlich zur Ägyptenbegeisterung der breiten Öffentlichkeit im 19 Jh. beigetragen. Anmerkungen 1 Ägyptomanie - Ägypten in der europäischen Kunst 1730-1930, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien (1994). 2 Zur Geschichte der Laterna Magica siehe: F. P. Liesegang, Zahlen und Quellen zur Geschichte der Projektionskunst und Kinomatographie (1926); Detlev Hoffmann / Almut Junker, Laterna Magica - Lichtbilder aus Menschenwelt und Götterwelt (1982).

«Auf, nach Ägypten...!» 539 3 A. Kircher, Prodromus 5 P. A. coptus Clayton, sive W. The Seitz, Aegyptiacus erläuternder Rediscovery Text von A. E. Brehm / o (1636); Lingua Aegyptiaca Egypt. Artists restituía and Johannes Travellers Dümichen, (1643); o. J; das in Vorwort the datiert19t Oedipus Aegyptiacus (1982). ( 1 652^-). 1871. 4 A. Kircher, Ars 6 magna Description lucis et de umbrae l'egypte (1671) (1809-28). 768 f. 7 D. -V. Denon, Voyage dans la Basse e Egypte pendant les Bildnachweise campagnes du Géné parte (1802). 8 D. Roberts, Egypt and Nubia ( 1 846-50). Abb. 9a: Photo Historisches Museum Frankfurt 9 J. Buzard, The beaten track: European tourism, Abb. 9a.b «Lagerfeuer bei den a. M; 5b, Memnonskolossen im Mondschein». 10 Der komplette Nachlaß Paul Hoffmanns befin- Auf nahezu 9b: Photos Bayerische Staatsbibliothek literature and ways to culture 1800-1918 (1993). München, Res. 2 H. afr. 9, fol. 23, Res. 2 Graph. 13a, fol. 207; Alle übrigen Photos Günther Holzhey. impressionistische det sich heute im Art Historischen Museum gibt Frankfurt a. M.; Hoffmann / Paul Junker, a. O. (Anm. Hoffmann 2) angegeben, aus der Sammlung Baumer/Holzhey. ein das Alle Laternbilder Laternbild stammen, wenn nicht anders aus der Sammlung 96-107. Aquarell von Carl Werner (b) wieder. (Abb. 11 Otto Spamer' s Jugend- und Hausbibliothek, 9a: Photo Historisches Dritte Serie, Sechster Band, Museum Erzählungen aus Frankfurt a. M; 9b: Photo dem Bayerische Alterthum oder Vor tausend und Staatsbibliothek abertausend H. Jahren, afr. I. Das alte Wunderland 9, fol. der Pyrami- Adresse 23) der Autorin München, Res. 2 den von Dr. Karl Oppel ( 1 863). 12 C. Werner, Nilbilder auf seiner Reise durch Judith Wettengel, M. A. Abb. 10 «Götter Ägyptens» in einer anschaulichen Zusammenstellung. Facsimiles aus der Artistischen Anstalt von G. 86720 Egypten nach der Natur aufgenommen, Aquarell- Vordere Gerbergasse 37 Nördlingen