Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in Deutschland Stand und offene Fragen

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Transkript:

Thomas Bunge, Berlin Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in Deutschland Stand und offene Fragen Referat im Rahmen der Tagung Rechtsschutz im Umweltrecht in der Praxis am 9. und 10. Juli 2015 in Berlin Kurzfassung 1. Einleitung Die deutschen Regelungen über die gerichtliche Kontrolle von Behördenentscheidungen in Umweltangelegenheiten gehen zum großen Teil auf Art. 9 der Aarhus-Konvention und die Vorschriften der EU zu seiner Umsetzung zurück. In der Praxis spielen vor allem die Normen eine Rolle, mit denen Art. 9 Abs. 2 der Konvention implementiert wird, die also Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsentscheidungen betreffen, für die ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben ist. In erster Linie lässt sich hier das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz nennen. Auch mehr als acht Jahre nach seinem Inkrafttreten ist allerdings nicht abschließend geklärt, ob seine Vorschriften durchweg mit der Aarhus-Konvention und dem Unionsrecht in Einklang stehen. Unabhängig hiervon wird seit einiger Zeit immer deutlicher, dass eine weitere Bestimmung der Konvention über den Zugang zu Gerichten Art. 9 Abs. 3 weder auf EU-Ebene noch in Deutschland ausreichend umgesetzt ist. Sie hat Rechtsbehelfe gegen die Verletzung des innerstaatlichen (objektiven) Umweltrechts zum Gegenstand und verfolgt einen neuen, hierzulande bisher eher ungewöhnlichen Ansatz. Im Folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungslinien seit 2011 und die zur Zeit aktuellen Fragen im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 und 3 der Konvention gegeben werden. 1 Dabei empfiehlt es sich aus systematischen Gründen, zwischen diesen beiden Normen zu differenzieren, weil sie jeweils verschiedene Gegenstände betreffen und das EU- ebenso wie das innerstaatliche Recht in unterschiedlichem Maß an ihre Vorgaben angepasst sind. 2. Zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 der Konvention Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz hat die Klagemöglichkeiten anerkannter Umweltverbände deutlich verbessert, sowohl was den Kreis der Vereinigungen angeht, die Rechtsbehelfe einlegen können, als auch im Hinblick auf die anfechtbaren Behördenentscheidungen. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass es in einer Reihe von Punkten nicht mit den völker- und unionsrechtlichen Anforderungen übereinstimmt oder doch umstritten ist, ob das deutsche Recht sich im Rahmen dieser Vorgaben hält. 1 Die Umsetzung des Art. 9 Abs. 1 der Konvention (Rechtsschutz im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen) wird hier nicht näher behandelt.

2 2.1 Zu 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG (Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs eines anerkannten Umweltverbands) Der Gerichtshof der EU erklärte im Trianel-Urteil vom 12. Mai 2011 2 die damals geltende Beschränkung, dass Verbände nur die Verletzung von drittschützenden Vorschriften beanstanden konnten ( 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG a. F.), für EU-rechtswidrig. Er sah darin einen Widerspruch zu den völker- und unionsrechtlichen Vorgaben, nach denen die Gründe nicht beschränkt werden dürften, auf die ein Rechtsbehelf gestützt werden könne, und die einen weiten Zugang zu Gerichten ermöglichen sollten. Außerdem lasse sich die deutsche Norm nicht mit dem EU-rechtlichen Effektivitätsprinzip vereinbaren. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz wurde daraufhin am 21. Januar 2013 novelliert. 3 Die fünfte Tagung der Aarhus-Vertragsparteien stellte im Juli 2014 fest, dass die Vorgabe des 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG, nach der Verbände allein die Verletzung von Umweltschutzvorschriften rügen können, der Regelung des Art. 9 Abs. 2 der Konvention widerspreche. 4 Damit übernahm sie die abschließende Empfehlung des Aarhus Convention Compliance Committee im Beschwerdeverfahren ACCC/C/2008/31. Das Committee hatte ebenfalls darauf hingewiesen, dass Art. 9 Abs. 2 es nicht erlaube, die Gründe für einen Rechtsbehelf zu beschränken. Der Beschluss der Tagung besitzt hohe politische Bedeutung und macht es erforderlich, 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG auch in diesem Punkt zu ändern. 2.2 Zu 2 Abs. 3 UmwRG (Präklusion) Seit 2006 wird gleichfalls kontrovers diskutiert, ob sich die Präklusionsvorschrift des 2 Abs. 3 UmwRG im Rahmen der völker- und unionsrechtlichen Vorgaben hält. Praktische Relevanz hat die Frage vor allem auch, weil die Rechtsprechung zu dieser Norm die Anforderungen an Inhalt und Detaillierungsgrad von Einwendungen anerkannter Umweltverbände sehr hoch schraubt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht die Vorschrift mit dem EU-Recht im Einklang. Sie diene der Rechtssicherheit, die auch aus Sicht des Gerichtshofs der EU grundlegende Bedeutung besitze, und genüge den unionsrechtlichen Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsprinzips. 5 Die Europäische Kommission hat 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, in dem sie unter anderem diese Norm und 73 Abs. 4 VwVfG als unionsrechtswidrig beanstandet (Rs. C-137/14). 6 Der Generalanwalt M. Wathelet hat sich dieser Ansicht in seinen Schlussanträgen vom 21. Mai 2015 angeschlossen: 7 (Auch) die Präklusionsvorschrift beschränke die Gründe, auf die ein Verband einen Rechtsbehelf stützen könne; sie lasse sich nicht mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit rechtfertigen, da bereits die Klagefristen hierfür genügten. Der weite Zugang zu Gerichten (Art. 11 Abs. 1 der UVP-Richtlinie) besitze Vorrang gegenüber dem Ziel, das Verwaltungsverfahren effizient auszugestalten. Sofern der Gerichtshof der EU die Beurteilung des Generalanwalts übernimmt, muss das deutsche Recht entsprechend angepasst werden. In diesem Zusammenhang dürfte es sich dann ebenfalls empfehlen, die Regelung des 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG aufzuheben, nach der 2 Rs. C-115/09, ECLI:EU:C:2011:89. 3 BGBl. I S. 95. 4 Entscheidung V/9h, Dok. ECE/MP.PP/2014/CRP.4 vom 14.10.2014. 5 Vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 29.9.2011 27 C 21.09, NVwZ 2012, 176, Rn. 31 ff. 6 Wegen dieses Verfahrens stützt das BVerwG Entscheidungen zur Zeit nicht auf 2 Abs. 3 UmwRG, sondern geht auch auf verspätet vorgebrachte Einwendungen eines Umweltverbands in der Sache ein (vgl. etwa Beschluss vom 16.10.2014 7 VR 2.14 u.a., juris, Rn. 13; Beschluss vom 29.10.2014 7 VR 4.13, juris, Rn. 8). 7 Rs. C-137/14, Schlussanträge, Rn. 35 ff. (im Internet erhältlich über http://eur-lex.europa.eu; aufgerufen am 21.5.2015).

3 der klagende Verband schon im Verwaltungsverfahren zur Beteiligung berechtigt gewesen sein und sich zur Sache geäußert haben muss. 2.3 Zu 2 Abs. 5 UmwRG (Begründetheit eines Rechtsbehelfs eines anerkannten Umweltverbands) Die Voraussetzungen für die Begründetheit eines Verbands-Rechtsbehelfs ( 2 Abs. 5 UmwRG) korrespondieren mit denen, die für seine Zulässigkeit gelten ( 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG). Wegen des Trianel-Urteils des Europäischen Gerichtshofs musste deshalb zugleich die Beschränkung aufgehoben werden, nach der ein Verbands-Rechtsbehelf nur begründet war, wenn die angegriffene Behördenentscheidung drittschützende Vorschriften verletzt hatte. Eine entsprechende Folgerung ergibt sich nun auch aus dem erwähnten Beschluss der Tagung der Aarhus-Vertragsparteien, dass 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG insofern nicht mit der Aarhus-Konvention übereinstimmt, als der klagende Verband allein die Verletzung von Umweltschutzvorschriften beanstanden kann: Dieser Befund wirkt sich ebenso auf 2 Abs. 5 UmwRG aus. Ein Verbands-Rechtsbehelf muss daher künftig auch dann Erfolg haben, wenn die angefochtene Entscheidung sich zwar im Rahmen der einschlägigen Umweltschutzregelungen hält, aber anderen Normen widerspricht. 2.4 Zu 4 UmwRG (Fehler im Zusammenhang mit Umweltverträglichkeitsprüfungen) Umstritten sind des Weiteren die Rechtsfolgen von Mängeln bei der Umweltverträglichkeitsprüfung. Hier dürfte seit dem Altrip-Urteil des Gerichtshofs der EU vom 7. November 2013 8 zwar Einigkeit bestehen, dass 4 UmwRG zwar nur die beiden dort genannten schweren Fehler (das gänzliche Unterbleiben der Umweltverträglichkeits- oder der Vorprüfung des Einzelfalls) betrifft und bei anderen Defiziten nicht entsprechend angewandt werden kann, für solche anderen Mängel jedoch das schon zuvor maßgebliche Recht weitergilt ( 46 VwVfG: Kausalzusammenhang zwischen Fehler und abschließender Behördenentscheidung; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO: Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers). Wegen dieser letzteren Vorschriften hat ein Rechtsbehelf in der Praxis allerdings nur selten Erfolg, wenn er auf Rechtsverletzungen bei der Umweltverträglichkeits- oder Vorprüfung gestützt wird, die nicht von 4 Abs. 1 UmwRG umfasst werden. Ob die Anwendung des 46 VwVfG und des 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit den völker- und unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht, ist umstritten. Der Gerichtshof der EU hält es in solchen Fällen für EU-rechtskonform, 46 VwVfG zugrundezulegen, wenn das Gericht eine Feststellung über den Kausalzusammenhang treffen kann, ohne dass der Kläger hierfür die Beweislast trägt, und es sich nicht um einen schweren Fehler handelt. 9 8 Rs. C-72/12, ECLI:EU:C:2013:712. 9 Urteil vom 7.11.2013 (Rs. C-72/12, Altrip), ECLI:EU:C:2013:712, Rn. 49 ff. Die Begründung ist in diesem Punkt nicht ganz klar formuliert: Ihr zufolge muss das Gericht bei der Klärung, ob die Entscheidung der Behörde ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, u. a. der Grad der Schwere des geltend gemachten Fehlers berücksichtigen und dabei insbesondere prüfen, ob dieser Fehler der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen hat, die ihr im Einklang mit den Zielen der UVP- Richtlinie den Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess ermöglichen sollen (Rn. 54 des Urteils).

4 Zum Erfordernis Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers hat er im Altrip-Urteil nicht Stellung genommen. Im Vertragsverletzungsverfahren C-137/14 beanstandet nun auch die Kommission die Anwendung des 46 VwVfG und des 113 Abs. 1 Satz 1VwGO bei Fehlern, die nicht unter 4 UmwRG fallen. Der Generalanwalt schließt sich in seinen Schlussanträgen dieser Sichtweise an. Der Gerichtshof der EU wird sich deshalb voraussichtlich erneut mit der Thematik befassen und dabei wohl auch auf die Anforderung des 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Verletzung eines subjektiven Rechts des Klägers) eingehen. 2.5 Zu 5 UmwRG (Übergangsvorschriften) Im Altrip-Urteil kam der Gerichtshof der EU zu dem Ergebnis, dass 5 Abs. 1, Halbs. 1 UmwRG (keine Anwendung des Gesetzes auf Verfahren, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist am 25. Juni 2005 eingeleitet wurden oder hätten eingeleitet werden müssen) ebenfalls nicht mit dem Unionsrecht übereinstimme. 10 Er führte aus, grundsätzlich müssten unionsrechtliche Vorgaben in Richtlinien unmittelbar nach Ablauf der Umsetzungsfrist angewandt werden; eine Ausnahme, wie sie bei komplexen und aufwendigen neuen Anforderungen angebracht sein könne, komme hier nicht in Betracht. Im laufenden Vertragsverletzungsverfahren C-137/14 stuft die Europäische Kommission zudem die Übergangsregelungen des 5 Abs. 1, Halbs. 2 UmwRG (Ausschluss von Entscheidungen, die am 15. Dezember 2006 bereits bestandskräftig waren) und des 5 Abs. 4 UmwRG (keine Anwendung des 2013 neugefassten für die Verbände günstigeren 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG auf Verfahren, die am 29. Januar 2013 schon rechtskräftig abgeschlossen waren) als EU-rechtswidrig ein. Die Schlussanträge des Generalanwalts in diesem Verfahren kommen zum selben Ergebnis. 3. Zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 der Konvention 3.1 Stand der Umsetzung Das Unionsrecht ist bisher kaum an Art. 9 Abs. 3 der Konvention angepasst worden. Eine Umsetzungsregelung findet sich allein in Art. 13 der Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG). Die Europäische Kommission hatte allerdings bereits 2003 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Implementation des Art. 9 Abs. 3 der Konvention vorgelegt. Sie hat diesen Entwurf jedoch Ende 2013 zurückgezogen, weil er bis dahin nicht verabschiedet worden war. Inzwischen arbeitet sie an einem neuen Vorschlag. In Deutschland hielt man bisher wohl überwiegend die allgemeinen prozessualen Vorschriften im Grundsatz für ausreichend, um den Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 nachzukommen. Lediglich zur Umsetzung des Art. 13 der Umwelthaftungsrichtlinie ist 2007 eine eigene Norm ins Umweltschadensgesetz aufgenommen worden; sie findet sich heute in 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG. Im Übrigen gibt es auch hier keine speziellen Umsetzungsnormen. 3.2 Rechtsprechung Der Gerichtshof der EU hat im Braunbären-Urteil vom 11. März 2008 betont, dass Art. 9 Abs. 3 der Konvention im Unionsrecht nicht unmittelbar wirke. Das innerstaatliche Prozessrecht müsse jedoch 10 Urteil vom 7.11.2013 (Rs. C-72/12, Altrip), ECLI:EU:C:2013:712, Rn. 22 ff.

5 so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte ausgelegt werden, um es einer Umweltschutzorganisation [ ] zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten. 11 Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat anerkannten Umweltverbänden deswegen mit Urteil vom 5. September 2013 (Luftreinhalteplan Darmstadt) eine Klagebefugnis aufgrund des 42 Abs. 2, 2. Halbs. VwGO eingeräumt, um umweltrechtliche Entscheidungen von Behörden anzufechten: Sie besäßen eine prokuratorische Rechtsstellung, die es ihnen erlaube, auch den öffentlichen Belang des Umweltschutzes wahrzunehmen. Wende eine Behörde Umweltschutzvorschriften, die auf EU-Recht zurückgingen, nicht oder falsch an, könne eine Verbandsklage mithin auf diese Norm gestützt werden. 12 Die eben skizzierte weite Interpretation des 42 Abs. 2 VwGO wird ihrerseits freilich unterschiedlich verstanden. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist der Ansicht, anerkannte Umweltverbände könnten aufgrund dieser Norm nur die Verletzung drittschützender Vorschriften beanstanden. 13 3.3 Fünfte Tagung der Aarhus-Vertragsparteien Die fünfte Tagung der Aarhus-Vertragsparteien stellte im oben erwähnten Beschluss ebenfalls fest, dass Deutschland die Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 der Konvention nicht ausreichend umgesetzt habe. Das Aarhus Convention Compliance Committee hatte in seiner zugrundeliegenden Empfehlung darauf hingewiesen, dass das deutsche Verwaltungsprozessrecht prinzipiell nur Klagen erlaube, mit denen die Verletzung eines subjektiven Rechts der Klägerin/des Klägers geltend gemacht werde. Ausnahmen gebe es lediglich für Verbandsklagen aufgrund des Bundesnaturschutz-, des Umwelt-Rechtsbehelfs- und des Umweltschadensgesetzes. Der Beschluss der Tagung legt es ebenso wie das Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 nochmals nahe, eigene innerstaatliche Rechtsvorschriften über den Themenkomplex zu entwickeln. 4. Fazit Die meisten eben angesprochenen Entwicklungen machen es nötig, das deutsche Verwaltungsprozessrecht erneut anzugleichen, soweit es um die Themenbereiche des Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 der Aarhus-Konvention geht. Unter Umständen kommen mit dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-137/14 noch weitere Novellierungspunkte hinzu. 4.1 Zur Anpassung an Art. 9 Abs. 2 der Konvention Dabei ist es rechtlich wenn auch nicht politisch relativ einfach, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz völker- und unionskonform auszugestalten, weil die einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der EU und der fünften Tagung der Aarhus-Vertragsparteien hier jeweils auf einzelne konkrete Defizite hinweisen, die sich durch Streichung der betreffenden innerstaatlichen Vorgaben beseitigen lassen. Sofern der Gerichtshof der EU sich den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rechtssache C-137/14 anschließt, müssen allerdings auch andere Gesetze geändert werden, was zu weiterreichenden und ebenfalls umstrittenen Neuerungen führen könnte. 11 Rs. C-240/09 (Lesoochranárske zoskupenie VLK), ECLI:EU:C:2011:125, Rn. 52. 12 7 C 21.12, BVerwGE 147, 312, Rn. 38 ff. 13 Urteile vom 12. November 2014 4 C 34.13, NVwZ 2015, 596, Rn. 23 f., und vom 18. Dezember 2014 4 C 35.13, NVwZ 2015, 656, Rn. 57 f.

6 4.2 Zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 der Konvention Komplexer dürfte die Aufgabe sein, Vorschriften zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 der Konvention zu entwickeln. 14 Diese völkerrechtliche Norm soll sowohl Einzelpersonen als auch Umweltverbänden die Möglichkeit geben, mit Hilfe der Gerichte die Einhaltung des innerstaatlichen Umweltrechts kontrollieren zu lassen. Sie dient nicht allein dem Schutz subjektiver Rechtspositionen, sondern maßgeblich auch der Durchsetzung des (objektiven) Rechts 15 und damit öffentlichen Zwecken. Sie verfolgt mithin ein grundsätzlich anderes Ziel als Individualklagen aufgrund des 42 Abs. 2 VwGO. In diesem Zusammenhang stellt sich wohl vor allem die Frage, wie der Kreis der Klageberechtigten definiert werden kann: Art. 9 Abs. 3 der Konvention erlaubt es den Staaten, die Rechtsbehelfsbefugnis von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Freilich dürfte es der Intention dieser Bestimmung widersprechen, wenn die in 42 Abs. 2 VwGO für Einzelpersonen normierten Anforderungen auch im hier interessierenden Zusammenhang unverändert beibehalten würden. Was Verbandsklagen betrifft, lässt sich dagegen mit dem Bundesverwaltungsgericht an die Anerkennungsvoraussetzungen des 3 UmwRG anknüpfen. Hier wird man im Übrigen keine strengeren Anforderungen festlegen können, als sie für Verbandsrechtsbehelfe gemäß Art. 9 Abs. 2 der Konvention gelten. 16 Geklärt werden muss auch, wie sich solche neuen Vorschriften zu den bestehenden Regelungen über die Verbandsklage verhalten sollen. Die Absätze 2 und 3 des Art. 9 der Konvention überschneiden sich in ihrem Anwendungsbereich teilweise; das legt es nahe, die Rechtsbehelfsbefugnis von Verbänden (und die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Verbandsrechtsbehelfe) in beiden Fällen einheitlich zu regeln, um Widersprüche zu vermeiden. Insgesamt empfiehlt es sich, die neuen Bestimmungen nicht zu eng zu fassen. Zum einen hat nämlich auch die Einführung der Verbandsklage in Deutschland seit den 1980er Jahren keineswegs zu einer Klageflut geführt, wie man sie damals teilweise befürchtet hatte: Schon das Prozesskostenrisiko zwingt die Umweltverbände ja immer, die Erfolgschancen eines Rechtsbehelfs sorgfältig zu prüfen. Zum anderen liegt der umweltpolitische Nutzen dieser Rechtsbehelfsmöglichkeiten ganz generell wohl in erster Linie in ihrer Rückwirkung auf die Verwaltungspraxis also darin, dass sie immer zur Effektivität und besseren Anwendung des Umweltrechts beitragen, unabhängig davon, ob ein Verband im Einzelfall Klage erhebt oder nicht. Gerade wegen der erheblichen Komplexität vieler umweltrelevanter Vorschriften sollte man diese positive Wirkung nicht unterschätzen. 14 Hier dürfte wohl davon abzuraten sein, erst den Erlass einer entsprechenden EU-Richtlinie abzuwarten, weil unklar ist, ob und ggf. wann eine solche Regelung verabschiedet wird. 15 Vgl. United Nations Economic Commission for Europe: The Aarhus Convention: An Implementation Guide, 2 nd ed., 2014,197. 16 Art. 9 Abs. 2 statuiert eine ähnliche Einschränkung für Verbände (Unterabs. 2 Satz 3 i. V. m. Art. 2 Nr. 5 der Konvention).