Die Diagnostik einer Schwerhörigkeit hinsichtlich einer



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Transkript:

Wissenschaft und Praxis Jan Löhler HNO 1/2012 19 Der APHAB * -Fragebogen (Deutsche Version): Qualitätssicherung bei der Hörgeräteversorgung Jan Löhler, WIAHNO HNO-Mitt. (2012) 62:19-24 Die Diagnostik einer Schwerhörigkeit hinsichtlich einer Hörgeräteversorgung ist bisher geprägt durch das Tonaudiogramm und den Freiburger Sprachhörtest. Mit diesen Verfahren werden Messungen unter Laborbedingungen durchgeführt aber keine Angaben aus dem alltäglichen Leben des Patienten gewonnen. Bisher wurde versucht, den Erfolg einer Hörgeräteversorgung nicht nur im Rahmen der sprachaudiometrischen Kontrolle zu überprüfen sondern die Versorgungsqualität mit psychometrischen Mitteln in Form von Fragebögen zu evaluieren. Fragebogeninventare Um das subjektive Empfinden des Patienten besser bewerten zu können, werden in der Medizin international in den letzten Jahren zunehmend Inventare eingesetzt. Sie eignen sich in der täglichen klinischen Praxis zur standardisierten Bewertung von Beeinträchtigungen, wie z.b. Schwindel (Dizziness Handicap Inventory [1]) und Tinnitus (Tinnitusfragebogen nach Göbel und Hiller [2]) aber auch zur Bewertung des Hörvermögens im Alltag (z.b. Oldenburger Inventar [3], APHAB [4, 5, 6]). Mit Fragebogeninventaren zum Hörvermögen können verschiedene Aspekte erfasst werden: Der wahrscheinliche Nutzen einer Hörgeräteversorgung, die persönliche Zufriedenheit eines Patienten mit seinen Hörgeräten, die Verminderung seines Behinderungsgrades und die Akzeptanz der Hörgeräte. Inventare stellen eine Basis für eine qualitätsgestützte Versorgung mit Hörgeräten dar. Internationale Leitlinien sehen daher auch die Verwendung solcher Frageninventare ausdrücklich vor [7, 8, 9], weil sie das tägliche Hörerleben aus der Sicht der Betroffenen untersuchen [10]. Inventare im Rahmen der Hörgeräteversorgung Schon seit vielen Jahrzehnten wird die Forderung erhoben, Informationen während der initialen Erprobungsphase von Hörgeräten aus der Patientenperspektive zu gewinnen [11, 12]. Es ist bekannt, dass Sprachdiskriminationstests bei Hörgeräteträgern nicht vorhersagen können, in welchem Maße Hörgeräte für Patienten in alltäglichen Sprachsitutationen tatsächlich einen Nutzen vorhersagen können [13]. Fragebögen bewerten bestimmte, standardisierte Alltagssituationen vor und nach einer Hörgeräteversorgung aus der Sicht des Patienten. Dabei kann man Inventare unterscheiden, die den Gewinn (benefit) einer Hörgeräteversorgung für den Patienten untersuchen, solche, die seine Zufriedenheit (satisfaction) mit der Anpassung abbilden, andere, die die Akzeptanz von Hörgeräten messen und schließlich Inventare, die die Reduktion der Hörbehinderung erfassen [14, 15, 16]. Es gibt drei Gründe, warum solche Fragebögen eingesetzt werden[10]: Erstens wird die Versorgung mit Hörgeräten zunehmend durch den Patienten gesteuert: Er entscheidet, welche Art von Hörsystem er bevorzugt und wann eine Eingliederung abgeschlossen ist. Fragebogeninventare können dem Patienten direkt vor Augen führen, welchen Nutzen er durch den Gebrauch von bestimmten Hörsystemen in alltäglichen Hörsituationen hat. Ein Fragebogeninventar stellt also einen empathischen Service im Rahmen einer Hörgeräteeingliederung dar, der direkt die Sicht des Patienten einnimmt. Zweitens bilde die Sprachaudiometrie aus den bereits genannten Gründen nicht das tatsächliche Hörerleben ab, sondern stelle einen (mehr oder weniger sterilen) Test unter Laborbedingungen dar, anhand dessen eine virtuelle Verstehensquote errechnet wird. Drittens können selbst aufwändige Verfahren, die das reale Hören simulieren, wie z. B. die in-situ-messungen, nicht vollständig das tatsächliche Empfinden des Patienten abbilden. Schließlich fordert aber nicht nur die ISO 9001, sondern auch ein Paradigma jeglicher evidenz-basierter Behandlung, dass der tatsächliche Nutzen einer Therapie, so auch einer Hörgeräteeingliederung, unter realen Bedingungen zu erfolgen hat. Somit haben Fragenbogeninventare das Potential, zu einem weiteren Goldstandard zu werden, die den Nutzen einer Hörgeräteeingliederung nachweisen. Fragebogeninventare im deutschsprachigen Raum Seit einer der ersten Fragebögen (Scale of Self-Assessment of Hearing Handicap [17])publiziert wurde, sind einige solcher Fragebögen * Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit

Abbildung 1: APHAB-Fragebogen (Übersicht)

Wissenschaft und Praxis Jan Löhler HNO 1/2012 21 Abbildung 2: Beispiel für eine Kontingenztabelle (alle Fragen der BN- Skala kumuliert) auch im deutschsprachigen Raum entwickelt worden, z. B. das Oldenburger Inventar [3]. Der grundsätzliche Nutzen dieser Bögen im Einzelfall ist unstrittig [18]. Den meisten gemeinsam ist jedoch, dass es keine veröffentlichte Evaluation einer großen Anzahl ausgefüllter Bögen gibt, die einen Standard definiert, vor dessen Hintergrund das Ergebnis eines einzelnen Bogens bewertet werden kann. Somit ist der tatsächliche wissenschaftliche und praktische Nutzen dieser Fragebögen im statistischen Vergleich kritikwürdig. Bevor eine Ergebnisqualität in der Hörgeräteversorgung mit den genannten Bögen gemessen werden könnte, müsste also erst einmal ein Standard anhand großer Patientenzahlen erarbeitet werden. Der Nachteil jeder auf den deutschsprachigen Raum begrenzten Neuentwicklung liegt auf der Hand: Er wird in seiner Anwendung immer auf den deutschen Sprachraum begrenzt bleiben, internationale Vergleiche werden so von vornherein unmöglich gemacht. Diesen Nachteil teilen regional gebundene Fragenbogeninventare natürlich auch mit allen klassischen sprachaudiometrischen Untersuchungsmethoden. Im Idealfall sollte also ein deutschsprachiger Fragebogen auch in anderen Sprachen verfügbar sein (oder umgekehrt ein international gebräuchlicher Fragebogen auch in deutscher Sprache vorliegen). Anhand objektiver Kriterien, wie dem Audiogramm, könnten so tatsächlich die Ergebnisse von Fragebogeninventaren über alle Sprachgrenzen hinweg verglichen werden. Idealerweise sollte sich aus dem Ergebnis eines Fragebogeninventars eine Anpass-Strategie ableiten lassen, d. h. dem Arzt und Hörgeräteakustiker möglichst schon vor Beginn einer Eingliederung aufzeigen, in welchen Hörsituationen der Patient besondere Hörprobleme hat, bzw. in welchen Hörbereichen vermutlich bei einer Eingliederung mit besonderen Problemen zu rechnen ist. Mittelfristig ließe sich so vermutlich der Anteil an sog. Schubladengeräten und damit einer weiteren Quelle von Ressourcenverschwendung im Gesundheitswesen begegnen. International gebräuchliche Fragebogeninventare Primär können offene und geschlossene Fragebogeninventare sowie Mischformen aus beiden unterschieden werden. Abbildung 3: www.quihz.de Während bei der offenen Formulierung der Patient die Möglichkeit hat, seine eigenen Gebiete einer möglichen Hörverbesserung zu definieren, wird bei den geschlossenen Verfahren eine abschließende Liste mit bestimmten alltagsrelevanten Hörsituationen vorgegeben, die vom Patienten ohne und mit Hörgerät zu bewerten sind. Mit speziellen Frageninventaren soll der Patient verschiedene Hörsituationen vor und nach einer Hörgeräteversorgung individuell bewerten. Hierdurch können, je nach Fragebogen, verschiedene Aspekte erfasst werden: Der wahrscheinliche Nutzen(benefit) einer Hörgeräteversorgung, die persönliche Zufriedenheit (satisfaction) eines Patienten mit seinen Hörgeräten, die Verminderung seines Behinderungsgrades und die Akzeptanz der Hörgeräte. Durch den Einsatz von Fragebogeninventaren im Rahmen einer Hörgeräteversorgung werden die (objektiven) ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen um subjektive Bewertungen des Hörvermögens in verschiedenen Hörsituationen ergänzt. APHAB Der seit langem in den USA gebräuchliche APHAB (Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit) wurde 1995 vom Hearing Aid Research Laboratory (HARL), Memphis, Tennessee, entwickelt und ist seit 2005 auch für digitale Hörgeräte normiert [4, 5, 6]. Er ist in den meisten Sprachen verfügbar und wurde anhand von 224 deutschen Patienten evaluiert und auf seine Verwendbarkeit im deutschsprachigen Raum untersucht, nennenswerte Unterschiede zum US-amerikanischen Vorbild traten dabei nicht zu Tage [19]. Durch weitere Untersuchungen ließ sich nachweisen, dass sich unter der Kenntnis des Antwortverhaltens des Patienten vor einer Hörgeräteversorgung eine gewisse Vorhersage treffen lässt, wie der Patient nach einer Hörgeräteversorgung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit antworten wird. Dem APHAB-Score vor einer Hörgeräteversorgung kommt also ein bestimmter prädiktiver Wert zu, man kann in bestimmten

22 Wissenschaft und Praxis Jan Löhler HNO 1/2012 Abbildung 4: Einschätzung der Schwierigkeiten vor einer Hörgeräteversorgung Grenzen abschätzen, ob die Hörgeräteversorgung generell einfach, problematisch oder hochkompliziert sein wird und in welchen Hörsituationen besondere Schwierigkeiten auftreten werden [20]. Dieses ist sowohl für die Beratung des Patienten als auch für die Kommunikation zwischen HNO-Arzt und Hörgeräteakustiker, die ja eine neue, eigene EBM-Ziffer darstellt, ein für die Zukunft wichtiger Punkt. Aufbau und Gliederung des APHAB Der APHAB untersucht mit je sechs Fragen vier verschiedene, standardisierte Hörsituationen vor und nach einer Hörgeräteversorgung eines Patienten: EC-Skala: einfache Hörsituationen, Dialog in ruhiger Umgebung (Ease of Communication) BN-Skala: Hören mit Störgeräusch, Unterhaltung mit Nebengeräuschen (Background Noise) RV-Skala: Hören von Sprache in Räumen mit Hall/Echo (Reverberation) AV-Skala: Unbehaglichkeit durch Lärm (Aversiveness of Sounds) Bewertung der Fragen durch den Patienten Der APHAB-Fragebogen (Abbildung 1) umfasst daher 24 Fragen zu alltäglichen Hörsituationen, die vor und nach einer Hörgeräteversorgung vom Patienten auf einer siebenstufigen Skala von A bis G zu beantworten sind. A bedeutet, die in der Frage beschriebene Situation belästigt den Patienten zu 99%, G bedeutet, dass der Patient zu 99% in der Lage keine Probleme hat. Einige Fragen sind invers formuliert, diese müssen vor der Auswertung entsprechend konvertiert werden. Ist die in einer Frage geschilderte Situation zu Beginn, vor der Versorgung mit Hörgeräten, für den Schwerhörigen zu 99% belästigend (Antwort A) und wird der beschriebene Umstand in der gleichen Frage nach der Versorgung mit Hörgerät nur noch zu 1% (Antwort G) als störend eingestuft, dann ergibt sich als Differenz ein Gewinn (also ein Nutzen durch die Hörgeräteversorgung) von 98 auf der so definierten APHAB-Skala. Die Antwort kann auch im negativen Extrem sein: Vorher war das Urteil G oder 1%, mit Hörgerät A (99%). Die Differenz der APHAB-Ergebnisse vor und nach einer Hörgeräteversorgung wäre nun 1 99 = 98 auf der APHAB-Skala. Insgesamt werden zu allen Fragen die zugehörigen Differenzen gebildet (Achtung, die inversen Fragen 1, 9, 11, 16, 19 und 21 Abbildung 5: Auswertung und Nutzenberechnung nach einer Hörgeräteversorgung müssen vorher konvertiert werden!). Dann kann schließlich für jede Kategorie (EC, BN, RV, AV) ein Mittelwert vor und nach der Hörgeräteversorgung errechnet werden. Fehlermöglichkeiten Sinnvollerweise sollten die Fragebögen vor und nach einer Hörgeräteversorgung farblich unterschiedlich sein, damit es im Praxisalltag zu keinen Verwechslungen kommen kann. Falls einzelne Fragen nicht auf den Patientenalltag zutreffen, dann sollten analoge Situationen gewählt werden (Beispiel: Der Gottesdienst wird nicht besucht, dafür aber die genauso hallende Umgebung des Speisesaales im Altenheim). Pro Kategorie müssen mindestens vier Fragenpaare vor und nach einer Hörgeräteversorgung beantwortet werden, damit der APHAB seine Validität behält. Auswertung Die kategorialen Antworten A bis G werden somit numerisch von 0,01 bis 0,99 transformiert und für jede Frage des APHAB der Differenzwert zwischen der Antwort vor und nach der Hörgeräteeingliederung gebildet, sodass sich der Nutzen eines Hörgerätes für jede Frage errechnen lässt. Um die Aussagekraft des APHAB nicht zu beschränken, sollte möglichst jede Frage vom Patienten beantwortet werden. Falls die beschriebene Situation nicht in seinem Alltag vorkommt, so soll versucht werden, eine möglichst ähnliche akustische Situation aus dem Leben analog zu bewerten. Der APHAB ist zudem im Gegensatz zu vielen anderen Fragebogeninventaren einfach und schnell durchzuführen und auszuwerten, insbesondere unter Zuhilfenahme von Softwaremodulen. Bewertung der Antworten durch den Arzt Für den APHAB stehen mittlerweile Perzentiltabellen und Kontingenztafeln (Beispiel in Abbildung 2) auf der Basis von über 800 Patienten zur Verfügung, sodass individuelle Ergebnisse anhand einer Grundgesamtheit interpretiert werden können. Damit ist in gewissen Grenzen vor einer Hörgeräteversorgung eine Prognose

Wissenschaft und Praxis Jan Löhler HNO 1/2012 23 möglich, inwiefern ein Patient tatsächlich in einer bestimmten Alltagssituation durch ein Hörgerät tatsächlich eine Hilfe erfahren kann. Die Auswertung kann mittels einer Excel-Tabelle erfolgen, für interessierte Leser finden sich in Tabelle 2 die entsprechenden Formeln. Alternativ kann beim HARL ein Auswertungstool in englischer Sprache erworben werden (http://www.memphis.edu/ ausp/harl/aphab.htm) oder man nutzt das Angebot einer entsprechenden deutschen Webseite (www.quihz.de). Qualitätssicherung in der Hörgeräteversorgung Abbildung 6: Bewertung des Patienten vor der Grundgesamtheit der Praxis und der Datenbank Die derzeit gültigen Hilfsmittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind überarbeitet worden. Diese Neufassung wird voraussichtlich in Kürze in Kraft treten. Sie geben die Rahmenbedingungen vor, nach denen Hörgeräte verordnet werden können. Diese Regeln gelten im Wesentlichen auch für die privaten Krankenversicherungen. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erlangten mit Wirkung zum 01.01.2012 die neuen EBM-Ziffern zur Hörgeräteversorgung (09372 und 09373) ihre Gültigkeit. Dabei wurde die Anwendung eines Fragebogens als obligater Leistungsinhalt gefor- Definitionen EC x BN x RV x AV x Durchschnittlicher APHAB-Score in der EC-Skala (Hören in ruhiger Umgebung) Durchschnittlicher APHAB-Score in der BN-Skala (Hören mit Hintergrundgeräuschen) Durchschnittlicher APHAB-Score in der BN-Skala (Hören in hallender Umgebung) Durchschnittlicher APHAB-Score in der BN-Skala (Hören von lauten Geräuschen) Der Index x kann die folgenden Benennungen haben: x=u (unaided) WERT der entsprechenden APHAB-Skala vor einer Hörgeräteverordnung x=a (aided) x=b (benefit) WERT der entsprechenden APHAB-Skala nach einer Hörgeräte-Versorgung [WERT(Skala unaided )]MINUS [WERT ( Skala aided )] dies entspricht den durchschnittlichen Nutzen der einzelnen Skalen Formeln zur Berechnung der Gesamtbewertung und Verbesserung (ohne AV-Skala, das Hören von lauten Geräuschen wird durch Hörgeräte nicht angenehmer) Gesamtbewertung Verbesserung der Hörfähigkeit = (Gesamtbewertung ohne Hörgerät) MINUS (Gesamtbewertung mit Hörgerät) = {[Summe (ECu, BNu, RVu)] GETEILT 3} MINUS {[Summe (ECa, BNa, RVa)] GETEILT 3} man bildet die Differenz der jeweiligen Durchschnittswerte für die drei Skalen = Gesamtbewertung {[SUMME (ECb, BNb, RVb)] GETEILT [SUMME Gesamtbewertung ohne Hörgerät (ECu, BNu, RVu)]} x 100 man setzt die Gesamtbewertung des Nutzens ins Verhältnis zur Gesamtbewertung ohne Hörgerät Tabelle 1: Formeln zur Errechnung der APHAB-Werte

24 Wissenschaft und Praxis Jan Löhler HNO 1/2012 dert. Somit ist eine Frageninventar-basierte Untersuchung in den allgemeinen Verordnungsregeln verankert. Eine endgültige Entscheidung über das Procedere der Qualitätssicherung im Rahmen der Hörgeräteversorgung steht noch aus. Qualitätssicherung mit Hilfe von www.quihz.de Allen HNO-Ärzten steht unter www.quihz.de der APHAB in deutscher und vielen anderen Sprachen als Internetdownload für den täglichen Einsatz zur Verfügung (Abbildung 3). Ferner bietet der berufsverbandsnahe Verein QuIHz e. V. nach Anmeldung und Registrierung die Möglichkeit, die APHAB-Auswertung zentral und pseudonymisiert übers Internet durchführen zu lassen. Die Art der Datenerfassung wurde von der Ethikkommission der Ärztekammer Schleswig-Holstein und dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein bewertet und genehmigt. Als registrierter Benutzer kann man noch zusätzliche Möglichkeiten des Internetportals nutzen. So erhält man nach der Eingabe des ersten Fragenbogens vor einer Hörgeräteversorgung eine Einschätzung, in welchen Hörsituationen der Patient vor allem mit Schwierigkeiten im Rahmen einer Hörgeräteeingliederung zu rechnen hat, und in welchen nicht (Abbildung 4). Dadurch kann man als HNO-Arzt den Patienten und den Hörgeräteakustiker bei der Hörgeräteeingliederung insgesamt besser beraten und unterstützen. Dieses sind Maßnahmen, mit denen insgesamt die Qualität der Hörgeräteversorgung verbessert wird. Die Teilnahme an quihz.de wird auch nach außen hin durch die Verleihung eines Qualitätssiegels dokumentiert. Viele Kollegen nutzen diesen Service bereits seit Monaten. Nach Abschluss der Hörgeräteversorgung erhält man eine abschließende Bewertung mit dem Nutzen für die einzelnen APHAB- Skalen (Abbildung 5) und eine Zuordnung des einzelnen Patienten vor dem Hintergrund aller Daten der Praxis bzw. der Grundgesamtheit aller Daten (Abbildung 6). Durch die Teilnahme der HNO-Kollegen und Eingabe der Daten können vom WIAHNO in Zukunft weitere wichtige Fragen zur Hörgeräteversorgungsqualität beantwortet werden. So kann jeder HNO-Arzt seinen Beitrag zur fachbezogenen Versorgungsforschung leisten. Literatur 1. Volz-Sidiropoulou E, Takahama J, Gauggel S, Westhofen M (2010) Das Dizziness Handicap Inventory : Erste psychometrische Kennwerte einer Deutschen Version. Laryngo-Rhino-Otol 89:418 423 2. Goebel G, Hiller W (1994) Tinnitus-Fragebogen (TF) Standardinstrument zur Graduierung des Tinnitusschweregrades. Ergebnisse einer Multicenterstudie mit dem Tinnitus-Fragebogen (TF). HNO 42:166 172 3. Holube I, Kollmeier B (1991) Ein Fragebogen zur Erfassung des subjektiven Hörvermögens: Erstellung der Fragen und Beziehung zum Tonschwellenaudiogramm. Audiol Akust 30:48 64 4. Cox RM, Alexander GC (1995) The Abbreviated Profile of Hearing Aid Benefit. Ear & Hearing 16:176 186. http://www.memphis.edu/ausp/harl/ aphab.htm 5. 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