Europolitan 04/2013. Schwerpunkt. Wirtschaft in der Literatur. Teach First Deutschland. The ESB Reutlingen Alumni Quarterly



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Transkript:

Europolitan 04/2013 The ESB Reutlingen Alumni Quarterly Schwerpunkt Attraktivität, Trends und Herausforderungen des Healthcare-Marktes Wirtschaft in der Literatur Märchencharaktere im Kontext der modernen Wirtschaft Teach First Deutschland Ein ESBler unterrichtet an einer Brennpunktschule

Wie attraktiv ist der Healthcare- Markt und was sind Trends und Herausforderungen? Das Interview mit Jörn Leewe (IPBS 1994) führte Katja Breitinger (MBA 2005) Jörn, was fasziniert Dich an der Healthcare-Branche? Nach dem Studium im spanisch-deutschen IPBS- Studiengang habe ich zunächst bei Lufthansa Cargo ein Management-Traineeprogramm gestartet. Trotz der internationalen Standorte war Lufthansa damals aber ein sehr deutsches Unternehmen, und in der Logistik herrscht häuig ein besonderer Managementtypus vor. Nach einiger Zeit bin ich zu Fresenius Medical Care in das internationale Finanzcontrolling für die Regionen Osteuropa, Afrika und Südamerika gewechselt. Die Medizintechnikmärkte in diesen Ländern fand ich von Anfang an sehr spannend. Diese Internationalität sowohl von den Kollegen, die man trift, als auch von den Märkten, hat mich begeistert. Nach kurzer Zeit wurde mir angeboten, in die USA zu gehen und von Miami aus den lateinamerikanischen Markt mit damals fünf Tochtergesellschaften zu betreuen. Seit 2001 bin ich wieder in Deutschland. Noch heute inde ich es faszinierend, für welche Krankheiten es bereits Medikamente oder eiziente medizintechnische Geräte gibt und in welchen Bereichen wohl auch in den nächsten Jahren nur wenige Fortschritte erzielt werden. Im Healthcare-Umfeld ist besonders aufällig, dass man es sowohl auf Kundenseite wie auch bei meinen Mitarbeitern mit vielen intelligenten und sehr gebildeten Menschen zu tun hat. Dies sind meist promovierte Naturwissenschaftler und Mediziner und diese sind häuig ein wenig entspannter als der Prototyp des typischen BWLers. Natürlich sind die ESBler davon ausgeschlossen (lacht). Was sind die Trends der letzten Jahre im Healthcare-Bereich? Trends im Healthcare-Bereich sind sehr langfristig. Das liegt unter anderem an den langen Entwicklungszeiten und an den langwierigen Test- und Zulassungsverfahren. Außerdem werden viele Märkte von den Regierungen reguliert, so dass sich neue Entwicklungen nicht so schnell durchsetzen können. Fünf Trends beschäftigen diese Branche seit einigen Jahren: Erstens läuft für die großen Pharma-Blockbuster der Patentschutz aus und die Pharmairmen haben dadurch mit großen Umsatzeinbußen zu kämpfen. Zweitens gewinnt die personalisierte Medizin an Bedeutung, die Patienten übernehmen vermehrt eine wichtige Rolle im Diagnoseprozess und beschäftigen sich vermehrt mit eizienten Therapieansätzen. Drittens werden wichtige, große Märkte umorganisiert und von den Regierungen neu reguliert. Viertens strukturieren viele große Konzerne ihr Geschäft um und diversiizieren ihr Portfolio durch neue Produkte aus der Medizintechnik oder der Diagnostik, und nicht zuletzt entstehen durch Spezialisierung und Fokussierung neue Geschäftsbereiche, wie z. B. die Telemedizin als Folge dieser Spezialisierung. Wie wirkt sich das im Einzelnen aus zum Beispiel das Auslaufen des Patentschutzes? 10 Schwerpunkt Healthcare

Jörn Leewe (IPBS 1994) ist CEO der Novumed Life Science Consulting & Advisory, einer Strategieberatung und Investmentbankboutique mit Fokus auf Pharma und Medizintechnik. Jörn hat sein ESB-Studium in Madrid begonnen und zwei Jahre nach Beendigung des Studiums einen PhD in England gemacht. Seine berulichen Stationen waren bei Boston Consulting in München, Fresenius Medical Care in Miami und Lufthansa Cargo in Deutschland und den USA. Jörn Leewe (IPBS 1994) Wir sprechen von den auslaufenden Blockbustern das sind Medikamente, die mehr als eine Milliarde Euro Umsatz machen und die bisher patentgeschützt waren. Nach 20 Jahren läuft dieser Schutz aus und Generikahersteller können denselben Wirkstof anbieten. Damit ändert sich die Preispolitik für das jeweilige Medikament radikal. Konnte man während des Patentschutzes das Produkt rein mit dem Argument des Nutzens verkaufen, muss man nach dem Auslaufen des Patentschutzes erklären, warum es besser ist als andere Produkte mit der gleichen Wirkungsweise. Die Grundlagen für das Produktmarketing ändern sich damit grundlegend. Für einige Medikamente, z. B. gegen Bluthochdruck oder bei Diabetes, erzielen nur die führenden Medikamente jährlich globale Umsätze von mehr als 20 Milliarden Euro. Ein Pharmaunternehmen muss sich in so einem Fall natürlich vorbereiten, denn sonst bleibt nur der Weg über massiven Personalabbau, um diese Umsatzeinbußen zu kompensieren. Wenn man zugleich den Trend hin zu personalisierter Medizin berücksichtigt, sieht man, dass viele Firmen sich stark wandeln müssen, um zu überleben. Für die personalisierte Medizin muss eine Stratiizierung durchgeführt werden. Das bedeutet, dass mit Hilfe von Biomarkern untersucht wird, ob und wie ein bestimmtes Medikament bei einem Patienten wirkt. So soll vermieden werden, dass ein Patient einen Wirkstof bekommt, der ihm nichts nutzt. Das verhindert unnötige Medikamentenverordnungen. Wenn ein Medikament also nur bei sechs von zehn Patienten wirkt, wurde es bisher trotzdem verschrieben, da oft erst nach der Verabreichung klar wurde, ob das Medikament wirkt. Damit konnte der Medikamentenhersteller das Medikament in großen Stückzahlen verkaufen. Wenn nun jedoch zunächst die Patienten prädiagnostiziert werden, sinkt dadurch die tatsächliche Anzahl der Verordnungen und dadurch auch der Umsatz. Dementsprechend ist das Interesse an der Personalisierung auf Seiten der Medikamentenhersteller nicht sehr groß, das der Kostenträger jedoch sehr. Bei vielen neuen Medikamenten ist die Suche nach dem Companion Diagnostic aber bereits vorgeschrieben, und diese Entwicklung wird den Pharmamarkt künftig sicher sehr beeinlussen. In einigen der großen Märkte werden immer noch sehr hohe Preise für Medikamente und medizintechnische Verfahren gezahlt im amerikanischen Gesundheitswesen werden zum Beispiel die mit Abstand höchsten Produktpreise der Welt gezahlt. Wenn sie an Märkte grenzen, in denen die gleichen Medikamente wesentlich billiger zu haben sind, werden Reimporte für viele Hersteller zum Problem. Dies bedeutet nicht, dass die Medikamente dort gefertigt werden müssen, sondern nur, dass sie wesentlich billiger verkauft werden. Bekannt ist dieses Phänomen zum Beispiel bei Verhütungsmitteln, die in Deutschland wesentlich teurer sind als in unseren östlichen oder südlichen Nachbarländern. Wie sieht es mit den beiden letztgenannten Trends aus? Du hast die Umstrukturierung von Mischkonzernen und das Beispiel der Telemedizin erwähnt. Da der Finanzierungsbedarf bei der Produkt- und Medikamentenentwicklung sehr groß ist, sind im Healthcare-Bereich sehr viele große und globale Unternehmen tätig häuig auch Unternehmen, die in mehreren Branchen gleichzeitig tätig sind. Viele branchenfremde Unternehmen, wie zum Beispiel Automobilzulieferer, bringen ihre Erfahrungen aus ihren etablierten Geschäftsfeldern ein und möchten neue Werkstofe oder sehr hochwertige Produktionsprozesse in die Healthcare-Industrie transferieren. Ein Beispiel ist die Firma Bosch, die mit der Entwicklung der elektronischen Patientenakte in die Healthcare- Schwerpunkt Healthcare 11

Industrie eingestiegen sind. Diese Unternehmen drängen vor allem in den Medizintechnikmarkt, da dort die Zulassungshürden für Produkte niedriger sind als im Medikamentenbereich. Wenn es sich um komplexe medizinische Geräte handelt, sind die Margen meist höher als in ihren Ursprungsbranchen, z. B. der Automobil- oder Kosmetikindustrie. Ein weiterer Trend der Fokussierung und Spezialisierung zeigt sich auch bei der Entstehung der Telemedizin. Heute gehen die meisten Patienten bei Beschwerden zunächst zu ihrem Hausarzt und lassen sich ggfs. an einen Spezialisten in der Nachbarstadt überweisen. In vielen Projekten untersuchen wir aber bereits neue Ansätze, bei denen die Diagnoseart stärker direkt durch den Patienten ausgewählt wird und der Diagnoseprozess entscheidend durch den Patienten gesteuert wird. Die Ergebnisse werden künftig dann vielleicht in einem Zentrallabor ausgewertet, und der Patient sucht sich dann selbst den landesweit oder weltweit besten Spezialisten, der die Laborergebnisse digital erhält und den Patienten in einem ersten Schritt ggfs. per Telemedizin weiterbehandelt. Das verringert einerseits Versorgungsprobleme, wenn kein entsprechender Spezialist in der Nähe ist, andererseits können Therapiefortschritte genauer beobachtet werden. Die Telemedizin wird sicherlich mehr und mehr von Patienten und von Krankenkassen und Regierungen gefordert und gefördert werden, um die Versorgung lexibler zu gestalten. Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den Märkten in Europa und in anderen Regionen der Welt? Die wichtigsten Märkte sind immer noch Europa und die USA, denn hier leben zwar nur jeweils ca. 5 % der Weltbevölkerung, aber aufgrund der Zahlungsfähigkeit der Kunden machen diese beiden Regionen knapp 70 % des Weltmarktes aus. Die höheren Preise, die in diesen Märkten oder auch z. B. in Südkorea und Japan erzielt werden können, machen diese Märkte besonders attraktiv. Die Messgröße sind neben den Produktpreisen auch die Gesundheitskosten pro Einwohner in einem Land und da schneiden Länder z. B. aus den BRIC-Staaten deutlich schlechter ab, weil der Wohlstand noch nicht alle Teile der Bevölkerung erreicht hat. Auch Länder wie Indonesien entwickeln sich sehr rasch. In allen diesen Märkten ist jedoch nicht das existierende Marktvolumen interessant, sondern das generell starke Marktwachstum. So werden in Indien zum Beispiel Krankenhausketten gegründet und innerhalb weniger Jahre zehn, zwanzig Kliniken gebaut in Deutschland wäre das eher ungewöhnlich, denn hier sind eher ca. 5 bis 10 % der Kliniken von Insolvenz bedroht, obwohl es auch in Deutschland einen Trend zur Privatisierung der existierenden Kliniken gibt. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass es in Deutschland keine Unterversorgung gibt, wenn es sich um bestimmte Krankheiten handelt. Beim Aufbau der Pharmaindustrie sehen wir in vielen Ländern große Bemühungen. Da für den Aufbau eines Pharmaunternehmens Forschung und Entwicklung sehr wichtig sind, viel Kapital notwendig ist und entsprechende Mitarbeiter gebraucht werden, können zwar Regierungen diese Bereiche fördern, indem sie die Forschung an Universitäten unterstützen. Aber auch die Nähe zu anderen großen Pharmairmen ist häuig ein Erfolgsfaktor. Zum Beispiel versucht Dubai, sich als Hub für die arabische Region zu platzieren. Da aber keine der großen Healthcare-Firmen dort ihren Sitz hat, ist es ein schwieriger und langwieriger Aufbauprozess. Andere Länder, wie z. B. Dänemark und Schweden, die Schweiz oder China fördern sowohl Firmen als auch Forschung sehr geschickt. Deutschland hat leider keine so glückliche Hand, denn hierzulande wird eher die Grundlagenforschung gefördert und nicht die Arbeiten direkt vor Markteintritt. Zusätzlich wird die Zahl der deutschen Pharmaunternehmen tendenziell eher kleiner. Noch vor einiger Zeit war 12 Schwerpunkt Healthcare

Hoechst aus Frankfurt die größte Pharmairma der Welt, jetzt ist sie nur noch ein Teil der französischen Sanoi. Welches sind die wesentlichen Einlussfaktoren für die unterschiedlichen Märkte? Spielt zum Beispiel eine alternde Bevölkerung eine Rolle? Der wichtigste Faktor ist das Reimbursement, das heißt, wie viel in einem Land für die Erstattung der Produkte gezahlt wird. Hier liegen die USA an erster Stelle. Viele Länder versuchen, diese Ausgaben zu Novumed ist ein auf die Life Science-Industrie spezialisiertes und weltweit agierendes Consulting- und Advisory-Unternehmen. Novumed hat ein Team aus ca. 20 Mitarbeitern und Büros in München, den USA und Indien. Novumed unterstützt seine Kunden bei der Entwicklung von Strategien, beim Ausbau des Vertriebs oder betreut M&A-Mandate und Lizenzgeschäfte mit meist globalem Fokus. Das Team aus hochqualiizierten Naturwissenschaftlern, Ärzten und MBAs hat einen klaren Fokus auf Pharma- und Biotechmärkte sowie Medizintechnik und Diagnostik. Große bekannte Namen aus der Industrie gehören genauso zum Kundenkreis wie Banken, Dienstleister und der Mittelstand. Mit dem Einsatz von Outplacement dokumentieren sie alle gelebte Unternehmenskultur. Gleichwohl beauftragen immer mehr von Trennungen betrofene Führungskräfte die Beratungsgesellschaft selbst. kontrollieren. In Deutschland gibt es zum Beispiel seit Kurzem das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz AMNOG, das eine Preisregulierung vorsieht und für neue Medikamente Zulassungshürden aufbaut. Der Hersteller muss nachweisen, dass ein neues Medikament tatsächlich einen neuen Nutzen hat. Damit müssen in der Zulassungsphase die Klinikstudien immer noch mit einem hohen Aufwand durchgeführt werden, aber es besteht das Risiko, dass ohne ausreichenden Nutzen die Investitionen bis zu diesem Zeitpunkt umsonst waren. Das ist volkswirtschaftlich sehr sinnvoll, aber für viele Pharmairmen eine große Herausforderung. Der zweite Faktor bei der Marktbeurteilung ist die Diagnoserate, das heißt, wie gut werden Krankheiten bei Patienten diagnostiziert und welche Therapeutika werden eingesetzt. Typischerweise steigen in einem Schwellenland diese Raten stetig an und sind in etablierten Märkten bereits recht hoch. Beide Faktoren hängen stark von volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab ob es eine Aufteilung in gesetzliche und private Krankenversicherungen gibt, wie groß der Anteil der Selbstzahler ist und was politisch, ethisch und moralisch gewollt ist. Zum Beispiel zahlt in England die Krankenkasse keine Dialyse bei einem über sechzigjährigen Patienten, der an Nierenversagen leidet. In Deutschland wäre eine solche Entscheidung aus ethischen Gründen wohl (noch) nicht möglich. Wie reagieren die Pharmairmen darauf? Die Entwicklung eines Medikaments oder eines Instruments ist ja bereits langwierig und teuer. Die Unternehmen im Healthcare-Bereich kennen diese Anforderungen. Schwierig ist es häuiger für Firmen, die versuchen, aus anderen Märkten in den Healthcare- Bereich vorzudringen. Vor ein paar Jahren hatte Sanoi ein großes Problem, nachdem einem Medikament kurz vor der Marktzulassung die Zulassung nicht erteilt wurde. Der Vorstand wurde daraufhin ausge- Schwerpunkt Healthcare 13

tauscht und der neue Vorstand hat das Portfolio wieder stärker diversiiziert. Manche Unternehmen konzentrieren sich auch nur auf das Scouting attraktiver Projekte und Produkte, also die Suche nach interessanten Medikamenten, die bereits die klinische Entwicklungsphase (die Phasen I, II und III) abgeschlossen haben. Die Unternehmen kümmern sich dann primär um die abschließende Entwicklung und um den Markteintritt. Wie gehen die Unternehmen mit solchen Herausforderungen um? Da es in manchen Ländern, zum Bespiel in Deutschland, Frankreich und England schwierig ist, eine Finanzierung für die Entwicklung eines neuen Medikamentes zu erhalten, fällt Deutschland in der Biotechindustrie zurück. Das ist sehr schade, denn es gibt gute Grundlagenforschung in Deutschland. Andere Länder betreiben den Aufbau ihrer Healthcare-Industrie wie ein Unternehmen, z. B. Dänemark oder auch die USA. Dort erhält man leichter eine Finanzierung durch Venture Capital (VC), da die VC-Szene in Deutschland eher schwach aufgestellt ist. Ein staatlicher Venture Capital-Fonds für die Finanzierung der Runde B und C 1 könnte Deutschland deutlich nach vorne bringen und die Pharmaindustrie deutlich stärken. Ohne einige engagierte Privatinvestoren wie zum Beispiel Dietmar Hopp, den SAP-Gründer, der in den letzten Jahren allein 16 Start-up-Firmen im Healthcare-Bereich unterstützt hat, oder die ehemaligen Eigentümer von Hexal würden viele Wissenschaftler abwandern. Allerdings sieht man auch, dass die großen Pharmairmen verstärkt ihre eigenen Risikokapitalirmen gründen und kleinere Firmen oder Lizenzen von anderen Unternehmen kaufen. Wenn es um die Erschließung neuer Märkte geht, zum Beispiel in den BRIC-Ländern, was sind dann die Herausforderungen, etwa logistischer Art? Wenn ein Markt als attraktiv angesehen wird, inden sich immer Lösungen. Viele teure Medikamente sind zunächst in diesen Ländern einfach nicht verfügbar, z. B. Medikamente gegen Krebs oder Diabetes, die gekühlt werden müssen. Wenn das Reimbursement jedoch hoch genug sein wird, werden die entsprechenden Logistikketten rasch aufgebaut. Viele Logistikspezialisten stehen bereits in den Startlöchern bzw. entwickeln innovative Verpackungslösungen für diese Regionen. Nochmal zurück zu einem Bereich, den wir bisher nur gestreift haben die Medizintechnik. Was sind wichtige Unterschiede zum Pharmabereich? Ein wesentliches Merkmal ist, dass die Zulassungsverfahren für Geräte sehr viel einfacher sind als für Medikamente. In Europa reicht oft ein CE-Verfahren oder in den USA das 510k- 2 oder das PMA-Verfahren 3. Das führt dazu, dass viele Unternehmen sich für diesen Markt interessieren wir haben ja bereits über die Unternehmen aus der Automobilindustrie gesprochen. Ein häuiges Geschäftsmodell der Medizintechnik ist es, Umsätze über die regelmäßig verwendeten Verbrauchsmaterialien zu generieren das so genannte Razor-Blade-Modell. Für die medizintechnischen Unternehmen sind Vertrieb und Marketing sehr viel wichtiger als für die Pharmaunternehmen, da sie keine Blockbuster haben, die von Patenten geschützt sind. Nicht zu vergessen ist, dass auch einige Pharmairmen sich verstärkt im Medizintechnikbereich engagieren, um ihr Portfolio in einigen Märkten auszubauen. Die Diagnostik wird übrigens von vielen Seiten seien es Kostenträger, Patienten oder Aufsichtsinstanzen unterstützt, wenn auch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten. Der Markt ist mit ca. 40 bis 50 Milliarden Euro weltweit jedoch recht klein, wenn man ihn im Verhältnis zum Pharmamarkt von ca. 900 Milliarden Euro betrachtet. Wir danken Dir für das Gespräch! 1 Runde B und C erfolgen nach der Gründung eines Unternehmens; hier werden oft größere Millionenbeträge für die Medikamentenentwicklung benötigt. 2 510k-Verfahren: Ein Verfahren der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zur Zulassung eines Medizinproduktes auf Basis des Vergleichs mit einem bereits zugelassenen Produkt. 3 PMA (Pre-Market Approval): Ein Verfahren der FDA zur Zulassung von Medizinprodukten mit wesentlich höheren Anforderungen als das 510k- Verfahren. Es ist für die Zulassung von Produkten notwendig, die das menschliche Leben erhalten oder die von wesentlicher Bedeutung sind, um Schaden von menschlichem Leben abzuwenden. 14 Schwerpunkt Healthcare