Paratuberkulose Risikomanagement und praktische Maßnahmen Wittkowski Gerhard Tiergesundheitsdienst Bayern e.v., Grub, Senator-Gerauer- Str. 23, D 85 586 Poing e-mail: gf@tgd-bayern.de internet: www.tgd-bayern.de 1 Paratuberkulose wurde 1895 beim Rind erstmals beschrieben. Seitdem ist die nicht erfolgreich behandelbare Infektionskrankheit weltweit bei Haus- und Wildwiederkäuern aber auch Fuchs, Maus und Kaninchen aufgetreten. Sie wird durch Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis (Map) hervorgerufen. Nach einer Inkubationszeit von 2-6 Jahren ohne Krankheitssymptome zeigen infizierte Rinder chronischen Durchfall, Milchleistungsminderung, Abmagerung und Tod. In der Regel werden neugeborene Kälber infiziert, so dass die Krankheitssymptome gehäuft nach der ersten Laktation auftreten und eine vorzeitige Verwertung zur Folge haben. In Herden mit über 10 % Paratuberkulose- Krankheitsfällen wurde der Schaden in den USA auf $ 180 230 pro Kuh oder $ 75 pro Kuh und Nutzungsjahr geschätzt. Keime pro g Kot 100.000.000 10.000.000 1.000.000 100.000 10.000 1000 100 10 0 Erregerausscheidung Nachweisgrenze Krankheit 3 Monate 1 Jahr Jahre Abb. 1 Paratuberkulose - Erregerausscheidung und Auftreten von Krankheitssymptomen (nach Böttcher 2005) 1 Die Untersuchungen wurden aus Projektmitteln des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Bayerischen Tierseuchenkasse gefördert.
Auf Grund der Inkubationszeit bleibt die Infektion lange unsichtbar, deshalb wird vom Paratuberkulose- Eisberg gesprochen. In Herden mit einem Paratuberkulose- Bestandsproblem kommen schätzungsweise auf einen schweren Krankheitsfall mit Abmagerung, chronischem Durchfall und hoher Erregerausscheidung in Milch und Kot sowie 50 % infizierten Feten im Fall der Trächtigkeit, - zwei beginnende Erkrankungsfälle mit unregelmäßiger Erregerausscheidung über Kot sowie 10 35 % infizierten Feten im Fall der Trächtigkeit, - 4 subklinische Fälle mit seltener Erregerausscheidung über Kot und - 8 stille Infektionen ohne Erregerausscheidung vor. Die Entwicklungen in der Milchviehhaltung begünstigen u. a. durch Einraum-Laufställe, ununterbrochene Belegung, ganzjährige Stallhaltung oder erhöhte Fremdremontierung die Verbreitung der Paratuberkulose. Innerbetrieblich wird die Infektion vor allem über die orale Aufnahme des Erregers mit dem Kot bei Tierkontakt oder aus der Umfeldverschmutzung aber auch über die vertikale Infektion von der Mutter auf Nachkommen verbreitet. Extremausscheider können 5 10 x 10 12 Erreger pro g Kot abgeben das ist das 100fache einer normalen Ausscheidung. Die Erreger bleiben in der Umwelt bis zu 18 Monate infektiös. Überbetrieblich wird die Infektion durch den Handel mit infizierten, nicht erkrankten Rindern verbreitet. Tab. 1 Risikobewertung in Milchviehherden in Bayern und den USA Beurteilte Bereiche Risikopunkte in Bayerischen Milchviehherden Risikopunkte 1) in US-Milchviehherden Mittelwert Anteil Mittelwert Anteil Abkalbebereich 24,6 39,6 % 31,2 45,4 % Milchkälber 11,6 18,6 % 17,8 25,9 % Abgesetzte Jungrinder 10,2 16,4 % 8,2 11,9 % Belegte Färsen 9,1 14,6 % 10,2 14,8 % Kühe 6,7 10,8 % 3,4 4,9 % Gesamtbeurteilung 62,2 100 % 68,7 100 % 1) USDA (2005) Johne s Disease on U.S. Dairy Operations 2002 mit < 100 Kühen In Anlehnung an das USDA- Handbuch 3. Auflage führten Tierärzte des Tiergesundheitsdienst Bayern e.v. eine Risikobewertung in 252 bayerische Milchviehherden durch. Die Herden verfügten über 47 ± 21 Kühe und 54 ± 32 Jungrinder. 41 % der Kühe standen in Anbinde- und 59 % in Laufstallhaltungen. 18 % der Herden hatten eine Paratuberkulose- Vorgeschichte, d.h. es waren bereits Paratuberkulose- Fälle aufgetreten. Daneben wurden die 30 ältesten Kühe der Herden mittels sequentieller Map- Serologie (SMapS) untersucht (Böttcher,
2004). Bei serologisch als Risikokühe beurteilten Kühen wurde eine mikrobiologischen Kotuntersuchung auf Map durchgeführt. Die Risikobeurteilung in bayerischen und US-amerikanischen Herden ergab vergleichbare Ergebnisse (Tab. 1). Danach liegen ca. 39,6 % bzw. 45,4 % des innerbetrieblichen Infektionsrisikos im Abkalbebereich, 18,6 % bzw. 25,9 % im Milchkälberbereich, 16,4 % bzw. 11,9 % bei den Jungrindern bis zum Belegen, 14,6 % bzw, 14,8 % bei den belegten Färsen und 10,8 % bzw. 4,9 % bei den Kühen. Im Abkalbebereich waren die Risikofaktoren Abkalbung an einem unerwartetem Ort, Umfeld-Kuhkot-Verschmutzung, Mehrfachnutzung des Abkalbebereiches (u.a. als Krankenbox, Besamung), Euter-/Hinterbeinverschmutzung, Zutrittsmöglichkeit für kranke Kühe, Kuh-Kälber-Kontakt, Kalb bei Fuß und Zutrittsmöglichkeit für Risikokühe. Im Milchkälberbereich waren die Risikofaktoren Vertränken von Tankmilch, Kolostrum- Verwendung für mehrere Kälber, Kuh-/Kuhkotkontakt, Futter-/Wasser-Verunreinigung mit Kuhkot und Vertränkung von gepooltem Kolostrum. Im Jungrinder- und Färsenbereich waren die Risikofaktoren Kuhkot-Düngung auf Weiden, Verunreinigung der Tränke, Kuh-/Kuhkotkontakt, Futter-/Geräte-Verunreinigung mit Kuhkot, gemeinsamer Weidegang von Kühen und Jungrindern. Im Kuhbereich waren die Risikofaktoren Kuhkot-Düngung auf Weiden, Verunreinigung der Tränke, Futter-/Geräte-Verunreinigung mit Kuhkot und Zugang zu Miststätten. Die Risikofaktoren in den oben genannten Bereichen sind auf Grund ihrer Bedeutung im jeweiligen Bereich gereiht. Die 25 % besten Herden erzielten 37,7 und die übrigen Herden 79,0 Risikopunkte (Medianwerte). In den besten Herden wurden hochsignifikant weniger Risikotiere gehalten als in den übrigen Herden. In durchschnittlich oder abfallend beurteilten Beständen betrug Odds Relation für den Nachweis von Risikotieren 4,3 mit einem Konfidenzinterval von 2,1 9,1 im Vergleich zu den besten Herden, d.h. hygienisches Herdenmanagement senkt das Paratbc- Risiko um das 4,3 fache und macht die Paratuberkulose- Problematik beherrschbar. Laboruntersuchungen erlauben in der Praxis die Einschätzung des Herdenstatus und des Status von Risikotieren. Bei unbekanntem Status der Herde oder bei Unkenntnis der Verbreitung der Paratuberkulose innerhalb der Herde ist es empfehlenswert, jährlich
- bei den 30 ältesten Rindern und Kühen in größeren Herden bei 30 Kühen in der 2.-4. Laktation - den Antikörperstatus serologisch zu untersuchen (SMapS, Kosten pro Tier 13,50 ) und - das Tierumfeld über 6 Kotschmutzproben kulturell auf Map zu untersuchen (Kosten: 30-60 pro Probe je nach gewünschter Sensitivität). In bekannt infizierten Herden empfiehlt sich die serologische Untersuchung aller tragenden Rinder und Kühe zur Zeit des Trockenstellens zur Erkennung von Risikotieren. Risikotiere sollten abgetrennt (kein Tier- und Kotkontakt) aufgestallt werden und abkalben, um anschließend nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Betriebes einschließlich ihres letztgeborenen Nachkommen unverzüglich aus dem Bestand entfernt und wirtschaftlich verwertet werden. Das Ziel des Herdenhygienemanagement ist es, den faekal- oralen Infektionsweg im Kälberund Jungrinderalter zu unterbrechen. Kuhkot ist dabei als Hauptinfektionsquelle anzusehen. Es beinhaltet folgende Eckpunkte: - saubere Abkalbebucht, saubere Kuh, saubere Geburtshilfe, - Absetzen der Kälber vor dem ersten Stehversuch, kein Ansaugen, - ballige Kotkonsistenz der Kühe in der Abkalbzeit, - kein Mischkolostrum verfüttern, Ersatzkolostrum von erst- oder zweitlaktierenden gesunden Kühen, - Poolmilch nur von Erstlaktierenden, - getrennte Kälber- und Färsenaufzucht, eigene Gerätschaften in diesem Bereich, - regelmäßiges Entmisten. Haltung und Management sollten die Prozess-Sicherheit integrieren. Folgende Punkte sind möglichst durch bauliche Maßnahmen zu gewährleisten: - eine Kot freie Futtervorlage, - nicht kreuzende Fütterungs-, Entmistungs- und Viehtriebwege, - Beginn der Entmistungachse im Abkalbe-, Jungtier- oder Trockenstehbereich, - Dungtrennung, - Jungviehdung oder Kunstdüngung auf Jungviehweiden, - Kuhdung auf Kuhweiden oder Ackerflächen. Weidehygienische Maßnahmen haben das Ziel die Kontaminationsmöglichkeiten von Jungrindern und Färsen mit Kuhdung zu minieren, durch - getrennten Weidegang von Jungrindern, Färsen und Kühen, - Auszäunen von Gewässern und Mistlagerstätten, - Wechsel von Weide- und Schnittnutzung,
- Striegeln nach jedem Umtrieb, - Ausmähen von Geilstellen, - Beseitigen/Vermeidung von Grasnarbenschäden durch rechtzeitiges Umsetzen von Tränken oder Rauhfutterraufen, - zweimonatige Weideruhe oder Silagewerbung nach Güllegabe. Die vorgeschlagenen Hygienemaßnahmen sind in der Praxis umsetzbar. Sie decken sich weitgehend mit einer guten landwirtschaftlichen Praxis. Sie reduzieren das Auftreten von Paratuberkulose auf ein wirtschaftlich vertretbares Maß. Unmittelbaren Gewinn bringt das Hygienemanagement, weil es gleichzeitig die Infektionsmöglichkeiten für Faktorenerkrankungen und andere Zoonoseerreger senkt und nachhaltig zur Verbesserung der Bestandsgesundheit beiträgt.