Verwirrte Patienten im Akutspital

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Transkript:

Verwirrte Patienten im Akutspital Informationen für Familien und Freunde Die Informationen dieser Broschüre stammen vom Universitätsspital Basel

Während eines Spitalaufenthaltes kann es vorkommen, dass insbesondere ältere Patienten in eine akute Verwirrtheit gleiten. Diese Broschüre soll Angehörigen und Betroffenen helfen, diesen Zustand zu verstehen. Was ist eine akute Verwirrtheit? Eine akute Verwirrtheit, auch Delir genannt, zeigt sich als plötzlich auftretendes auffälliges Verhalten eines Patienten. 1 Bewusstsein, Denken und Handeln sind dann während Stunden bis Tagen verändert. Der Zustand ist meist vorübergehend. Eine akute Verwirrtheit zeigt folgende Merkmale: Der Patient ist unaufmerksam und leicht ablenkbar. Er vergisst kürzliche Ereignisse und gibt unpassende Antworten auf Fragen. Der Patient ist zeitlich und örtlich desorientiert. Er kann nicht verstehen, wo er ist. Er wechselt zwischen einem klaren und einem verwirrten Zustand. Der Patient ist unruhig, ärgerlich, aggressiv oder auch teilnahmslos. Er hat Angst. Der Patient kann Dinge sehen, hören oder riechen, die nicht da sind (Halluzinationen). Er kann am Tag schlafen und in der Nacht wach liegen. Wie erlebt ein Patient seine Verwirrtheit? Der verwirrte Patient spürt oft, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Trotzdem erlebt er seinen Zustand als wirklich und verhält sich ohne Absicht unangepasst. Er braucht sanfte Unterstützung und viel Verständnis, um langsam wieder in die Realität zurückzufinden. Manch ein Patient erinnert sich später an die erlebte akute Verwirrtheit und schämt sich für sein befremdliches Verhalten. Ein aufklärendes Gespräch mit einer Fachperson aus der Pflege, Medizin oder Psychologie hilft später, das unangenehme Erlebnis als Teil der durchgestandenen Krankheit zu sehen. Was verursacht eine akute Verwirrtheit? Eine akute Verwirrtheit kann entstehen durch: Entzündungen und Infektionen Verletzungen oder nach Operationen Krankheiten (z. B. des Herzens oder des Hirns) Stoffwechselstörungen (z. B. bei eingeschränkter Nierentätigkeit oder schlechter Verträglichkeit bisher eingenommener Medikamente) Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel Stress (z.b. durch die unvertraute Umgebung des Krankenhauses, die vielen Untersuchungen) Schmerzen Reizüberflutung (z. B. blendendes Licht, zuviel Besuch auf einmal) Verständigungsprobleme aufgrund einer beeinträchtigten Wahrnehmung (z.b. Patient trägt seine Brille oder sein Hörgerät nicht) Entzug von Nikotin, Alkohol oder regelmässig eingenommenen Schlafmitteln 2 1) Der Begriff Patient gilt für Frauen und Männer Oben beschriebene Ursachen können den Gehirnstoffwechsel so beeinflussen, dass es zu Veränderungen des Bewusstseins, des Denkens und des Handelns kommen kann. 3

Ältere Menschen, die bereits an einer Demenz, z.b. an einer Alzheimer- Krankheit, leiden, sind besonders anfällig für eine akute Verwirrtheit. Wie behandelt man eine akute Verwirrtheit? Bei einer Verwirrtheit behandelt man die auslösende Ursache (z. B. eine Blasenentzündung) und setzt gezielt Medikamente ein. Gleichzeitig werden störende Umweltfaktoren, wie Lärm oder andere Umstände, behoben, sofern dies unmittelbar möglich ist. Angebot für betroffene Angehörige Sollten Sie sich als Angehörige sorgen oder Fragen zur akuten Verwirrtheit ihres Patienten haben, zögern Sie nicht, bei der zuständigen Pflegefachperson oder dem zuständigen Arzt um ein Gespräch zu bitten. Haben Sie das Bedürfnis, den Patienten in seiner akuten Verwirrtheit zu unterstützen, teilen Sie dies den Pflegefachpersonen bitte mit. Diese können Sie dann bei der Betreuung mit einbeziehen. Auch Ihre Beobachtungen während eines Besuches sind für die Pflegefachpersonen wichtig! Bitte melden Sie ihnen, wenn Sie Veränderungen im Verhalten des kranken Patienten bemerken. Sie dürfen sich auch jederzeit telefonisch nach dem Zustand des Patienten erkundigen. Die zuständige Pflegefachperson oder der zuständige Arzt berät Sie gerne. Telefon-Nummer der Pflege: Besuche bei leicht verwirrten Patienten im Akutspital 2 Besuche von Angehörigen und Freunden sind wichtig und werden von den leicht verwirrten Patienten sehr wohl registriert. Aufgrund der Krankheit erleben diese Patienten den Besuch jedoch anders als die Besucher selbst. Zur Vorbeugung von Missverständnissen, Enttäuschungen und Konflikten empfiehlt es sich, einige Besonderheiten zu beachten. Die folgenden Tipps haben sich in langjähriger Erfahrung für die Betroffenen und die Angehörigen, aber auch für das Pflegepersonal als sehr hilfreich erwiesen. Verwirrte Menschen haben oft kein Zeitgefühl mehr. Es ist deshalb wenig sinnvoll, einen Besuch anzukündigen. Ein angekündigter Besuch weckt Vorfreude, die sich manchmal in Aufregung und Angst verwandeln kann, vor allem wenn er nicht unmittelbar eintrifft. Verwirrte Menschen haben Probleme mit der Aufmerksamkeit. Bei Besuchen möchten sie dies jedoch nicht zeigen. Sie strengen sich sehr an, um sich möglichst gut darzustellen. Diese Anstrengung ist ermüdend das Verhalten verändert sich und die Patienten werden verwirrt, unruhig und gereizt. Manche beginnen gar zu weinen, oder sie äussern den Wunsch, heimgehen zu wollen. Besuche sind deshalb eher kurz zu halten. Optimale Besuchszeit ist der Nachmittag, wobei zu beachten ist, dass verwirrte Patienten gegen Abend manchmal unruhiger sind. Besuche zu zweit sind auch gut. Mehr als zwei Personen aufs Mal sind jedoch nicht empfehlenswert, denn sie überfordern das Aufnahmevermögen des Patienten und verursachen Unruhe. Telefon-Nummer des Arztes: 4 2) Besuche bei stark verwirrten Patienten sollten nur nach Rücksprache mit dem Pflegepersonal stattfinden. 5

Gesprächsinhalt Abschied Informationen über aktuelle Dinge ausserhalb des Spitalzimmers (woher man kommt, was gerade zuhause los ist, etc.) können für verwirrte Menschen problematisch sein. Verwirrte Menschen leben in ihrer eigenen Welt und können das, was die Besuchenden erzählen, nicht gut verstehen. Sie erinnern sich gut an frühere Lebensjahre, sie haben jedoch Schwierigkeiten, sich an kurz zurückliegende Ereignisse oder frühere Besuche (z. B. ich war doch schon gestern hier) zu erinnern. Was tun während des Besuchs? Besucher sollten ihren Abschied nicht ankündigen. Sagen Sie einfach «Ich gehe jetzt und ich komme wieder.» Denn der verwirrte Patient wird sich für Ihren Besuch kaum bedanken. Er könnte jedoch weinen oder wütend werden, wenn Sie weggehen. Nehmen Sie ruhig die Hilfe der Pflegeperson in Anspruch, bei der Sie sich auch, wenn möglich, verabschieden sollten. Wenn Sie sich sorgen, können Sie sich telefonisch nach dem Befinden Ihres verwirrten Angehörigen erkundigen. Meistens hat er sich wieder beruhigt. 6 Verwirrte Menschen haben Schwierigkeiten, sich für etwas zu entscheiden oder Vorschläge gegeneinander abzuwägen. Bei Mehrfachfragen sind sie überfordert. Fragen Sie direkt: z.b. Möchtest du einen Kaffee? Oder: Möchtest du ein Stück Kuchen? Diese Einzelfragen kann der Patient mit ja oder nein beantworten. Kurze «erlebnisorientierte» Tätigkeiten eignen sich bei Besuchen am besten, zum Beispiel: Zusammen Essen. Zusammen im Spitalgarten herumspazieren an einem Plätzchen verweilen und eventuell etwas trinken. Zusammen Zeitungen oder die mitgebrachte Post, ein Buch oder eine Illustrierte anschauen. Zusammen fernsehen (geeignet sind Tierfilme, ungeeignet sind Nachrichten oder Actionfilme). Mit dem Patienten in Absprache mit dem Pflegepersonal z. B. die Haare waschen oder eine Maniküre durchführen. Bei Patienten in sehr verwirrtem Zustand in Absprache mit dem Pflegepersonal ein Dessert oder das Mittagessen eingeben. Dem Patienten vorlesen. Zusammen singen oder Musik hören. Zusammen schweigend dasitzen und die Hand halten. Diese Broschüre ist am Universitätsspital Basel (USB) entstanden. Mitwirkende: Doris Ermini-Fünfschilling, Akutgeriatrie, Memory Clinic, Wolfgang Hasemann & Mena Pretto, Abteilung Klinische Pflegewissenschaft, Prof. Dr. Reto W. Kressig & Anja Ulrich, Akutgeriatrie, Cornelia Blaeuer, & Doris Prat, Pflegeexpertinnen, Bereich Medizin und Pflegefachpersonen aus diversen Kliniken des USB; Christina Weisz, Institut für Pflegewissenschaft Universität Basel 2009, Universitätsspital Basel (USB) und Schweizerische Alzheimervereinigung Redaktion Schweizerische Alzheimervereinigung: Jen Haas Grafik: Buch & Grafik, Doris Grüniger, Zürich 7