Versorgungsstrukturen in der Pflege ein europäischer Vergleich



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Transkript:

Versorgungsstrukturen in der Pflege ein europäischer Vergleich Aufbruch für eine bessere Pflege Veranstaltung des DGB 30. Oktober 2013 in Berlin Klaus Haberkern Universität Zürich Page 1

Struktur 1. Versorgungsstrukturen 2. Welche Versorgungsstrukturen gibt es in Europa? 3. Trends 4. Herausforderungen und Reformmöglichkeiten Page 2

Page 3 Institute of Sociology Versorgungsstrukturen

Versorgungsstrukturen: Dimensionen Ort: ambulant vs. stationär Pflege zuhause wird bevorzugt, zudem: günstiger Aber: Eingeschränkte Versorgung, informelle Pflege oft notwendig Art: informell vs. professionell Geringe direkte Kosten bei informeller Pflege Indirekte Kosten hoch: entgangene Löhne & Steuereinnahmen Keine Qualitätskontrolle, hohe Belastung der Angehörigen Finanzierung: privat/markt vs. staatlich I.d.R. Mischformen Soziale Ungleichheit: hohe private Kosten schränken Zugang zu DL ein Page 4

Versorgungsstrukturen: Instrumente Leistung: Geld vs. Dienstleistungen vs. Gutscheine Geldleistungen: fördern meist informelle Pflege und graue Beschäftigung Dienstleistungen: kostenintensiv, Beschäftigungsmotor, Qualitätssicherung Gutscheine: subventioniert, begünstigen (semi-) professionelle Beschäftigung Mischformen: grosse Vielfalt und Unübersichtlichkeit Förderung informeller Pflege Geldleistungen: eher Anerkennung als Lohnersatz Pflegezeiten: meist kurz, oft unbezahlt, eingeschränkter Zugang (Familie), Zustimmung des Arbeitgebers Flexible Arbeitszeiten: langfristige Flexibilität selten Keine spezifischen Förderung der Pflege durch Männer / Söhne Page 5

Versorgungsstrukturen: Leitbilder Eingeschränkter Zugang vs. Universalismus Zugangsbeschränkung nach Finanzen, Familienstrukturen, Beiträgen Universalistische Systeme meist eingeschränkte Leistungen Familiale vs. staatliche Verantwortung Familiale Verantwortung: Familiale Leistungen werden vorausgesetzt, tlw. gefördert, hohe Belastung der Angehörigen, grauer Markt Staatliche Verantwortung: Rechtsanspruch auf Pflegeleistungen, nicht zwingend bedarfsdeckend (zusätzlich privat finanzierte oder informelle Pflege) In Realität: häufig Mischformen Zusammenspiel der Massnahmen sehr komplex. Page 6

Page 7 Institute of Sociology Welche Versorgungsstrukturen gibt es in Europa?

Versorgungsstrukturen (>=65 J.) Land Staatl. Ausgaben Private Ausgaben Services Cash Gutscheine (un-) bezahlte Pflegezeiten PL x xxxx x xxx x IT x xxxx x xxx xxxx ES xx xxxx xx xx x xxxx DE xxx xxx xx xxx xxxx AU xxx xx xxx [xxxx] [x] xx FR xxx xxx xxx xxx xxx xx SE xxxxx x xxx x xx x NL xxxxx x xxxx xxx x DK xxxx x xxxx xxx x x=sehr selten/gering,, xxxxx=sehr häufig/umfassend Quellen: SHARE, 2006, eigene Berechnungen, European Commission 2012, Da Roit & Le Bihan 2010, Haberkern et al 2012, 2013, Rodriguez et al. 2012. Page 8

Versorgungsstrukturen (>=65 J., Verbreitung) Land Stationär Ambulant Informell Grauer Markt PL x x xxxxx xxx IT x xx xxxxx xxxxx ES xx xx xxxx xxx DE xx xx xxxx xxx AU xx xxxx xxxx xxx FR xxx xx xx xx SE xx xxx xxx x NL xx xxxxx xxx xx DK x xxxxx xx x x=sehr selten/gering,, xxxxx=sehr häufig/umfassend Quellen: SHARE, 2006, eigene Berechnungen, European Commission 2012, Da Roit & Le Bihan 2010, Haberkern et al 2012, 2013, Rodriguez et al. 2012. Page 9

Trends Page 10

Pflegesysteme: Trends Ort: Von stationärer zu ambulanter Pflege Art: Mehr professionelle Pflege in residualen Systemen, Mehr informelle Pflege in generösen Pflegesystemen Finanzierung: Von öffentlichen zu privaten Anbietern (Markt) Mehr öffentliche Ausgaben in residualen Staaten, Zuzahlungen/Zugangsbeschränkungen in generösen Staaten Leistungen: Grössere Vielfalt, Dienstleistungen, Geldzahlungen, Gutscheine Unterstützung: Grössere Unterstützung informeller Pflege Page 11

Pflegesysteme: Trends Angleichung der Pflegesysteme Leistungsvielfalt Gemischte Verantwortung (Service, gesetzliche Verpflichtungen) Gemischte Verantwortung Familiale Verantwortung bei geringem Betreuungsbedarf Pauschalleistungen (nicht bedarfsdeckend) Unterschiede in der Praxis grösser als in der Gesetzgebung Familie in allen Ländern sehr bedeutend in der Pflege / Hilfe an Ältere Page 12

Herausforderungen und Reformmöglichkeiten Page 13

Herausforderungen Finanzierung Sicherstellung der pflegerischen Versorgung Arbeitsmarkt: hohe Erwerbsbeteiligung, Eindämmung «illegale» Pflege Qualität Soziale Ungleichheit in der Pflege

Reformmöglichkeiten Mehr Flexibilität in Sozialen Sicherungssystemen (Informelle vs. gemischte vs. staatliche Verantwortung) Mehr Flexibilität beim Zugang zu Leistungen (Pflegezeit nicht auf Angehörige beschränken) Unterstützung (strukturierter) informeller Pflegearrangements / Männer Flexible Arbeitsmodelle (langfristige Flexibilität) Gutscheine statt ungebundene finanzielle Leistungen Fokussierung der Leistungen nach Wohlstand und Gesundheit Page 15

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Page 16