Nr. 3: Wichtige Anknüpfungspunkte



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Transkript:

Lehrstuhl Bürgerliches Recht, Internationales Privat- und Verfahrensrecht Univ.-Prof. Dr. M. Andrae Internationales Privat- und Verfahrensrecht (Allgemeiner Teil) Stand: 04/2010 Nr. 3: Wichtige Anknüpfungspunkte Fall 1: Fall 2: Fall 3: Fall 4: Fall 5: A ist argentinischer und spanischer Staatsangehöriger. Er kam als Sohn spanischer Einwanderer in Argentinien zur Welt, wuchs dort auf und leistete dort auch seinen Militärdienst ab. In den letzten drei Jahren studierte er in Spanien und lebt jetzt seit drei Monaten in Deutschland. Hier will er die B heiraten, die ihrerseits deutsche und österreichische Staatsangehörige ist. Welches Recht ist auf die Ehefähigkeit anzuwenden? D, deutscher Nationalität, ist 1993 als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Er besitzt noch die kasachische Staatsangehörigkeit. Er hat mit F, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, die Ehe geschlossen. Richtet sich die materielle Wirksamkeit der Ehe nur nach deutschem oder auch nach kasachischem Recht, wenn die Ehe 1994/2002 geschlossen wurde? Der Iraner I lebt seit 1961 in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat damals als Zwanzigjähriger sein Heimatland u.a. aus Angst vor Verfolgung verlassen, weil er der Religionsgemeinschaft der Bahan angehörte, die im Iran verfolgt wurde. Ziel war es jedoch auch, in Deutschland zu studieren. 1963 hat er die Deutsche D geheiratet, aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Inzwischen hat er eine gut gehende Arztpraxis in Essen und ist außerdem alleiniger Gesellschafter einer Teppichimportfirma. 1970 hat I bei der iranischen Botschaft die Aushändigung eines Passes beantragt, den er nach Erhalt immer fristgerecht verlängern ließ. Nunmehr will I, nachdem seine erste Frau verstorben ist, erneut die Ehe eingehen. Nach welchem Recht bestimmen sich die sachlichen Voraussetzungen für die Eheschließung auf Seiten des I? Die Eheleute D (Deutsche) und N (Niederländer) lebten jahrelang in Deutschland. Als die ehelichen Beziehungen kriselten, will N in die Niederlande verziehen. D begleitet ihn, ist sich aber nicht sicher, ob die Ehe noch von Bestand ist und sie nicht nach Deutschland zurückkehren wird. Mit allem Hab und Gut wird umgezogen und die Wohnung aufgelöst. 8 Wochen nach dem Umzug hat D genug und fährt allein endgültig zu ihrer Tochter nach Köln. Ist auf die Scheidung Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 anwendbar? Der Minderjährige K macht, vertreten durch seine Mutter, Unterhaltsansprüche gegen seinen Vater geltend. Die Eltern des K sind geschieden, das Sorgerecht hat die Mutter. Die Mutter ist mit K zu dem neuen Ehemann gezogen. Sie leben seit einem Monat in Spanien. Nach welchem Recht bestimmt sich der Unterhaltsanspruch? Variante: Die Eltern des K sind miteinander verheiratet, beide haben das Sorgerecht. Nach einem Ehekrach hat die Mutter mit K die eheliche Wohnung verlassen und ist mit ihm zu den Großeltern nach Spanien gezogen. Fall 6: Das Kind K lebt nach der Trennung der Eltern halbjährlich mal bei der Mutter in Deutschland, mal bei dem Vater in Spanien. Beide Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht. Im Hebst hält M das Kind in Deutschland zurück und gibt es nicht an den Vater heraus. Liegt ein Fall von internationaler Kindesentführung vor?

2 I. Personalstatut Die persönlichen Rechtsfragen natürlicher Personen werden einheitlich an eine Rechtsordnung gebunden und als Personalstatut bezeichnet. Diese Rechtsordnung wird im deutschen Internationalen Privatrecht grundsätzlich durch das Recht des Staates bestimmt, dem die Person angehört. Für das so ermittelte Heimatrecht wird oftmals auch der Begriff Personalstatut synonym verwandt. Beispiele: Artt. 7, 9, 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1, 17 Abs. 1 EGBGB. 1. Heimatrecht als Personalstatut a) Bestimmung der Staatsangehörigkeit Ob eine Person Staatsangehöriger eines Landes ist, bestimmt sich nach dessen Recht. Auch die privatrechtlichen Vorfragen für die Erlangung dieser Staatsangehörigkeit (z.b. Eheschließung oder Adoption) werden nach dem Recht dieses Staates bestimmt (sog. unselbständige Anknüpfung). Für die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist somit das StAG und für die statusrechtlichen Vorfragen des Erwerbs das EGBGB maßgebend. b) Mehrstaater Ist eine Person Mehrstaater, so regelt Art. 5 Abs. 1 EGBGB, welche Staatsangehörigkeit für das Personalstatut herangezogen wird. Soweit eine deutsche Staatsangehörigkeit vorhanden ist, geht diese nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB allen anderen Staatsangehörigkeiten vor, auch wenn es zu Deutschland sonst keine weiteren Beziehungen gibt. Besteht eine mehrfache fremde Staatsangehörigkeit, so entscheidet nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB die effektive Staatsangehörigkeit, d.h. diejenige des Staates, mit dem die Person am engsten verbunden ist. Ein Faktor, der die engste Verbindung zum Ausdruck bringt, ist der gewöhnliche Aufenthalt. Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind: - Beziehungen zu den Eltern bzw. einem Elternteil - Ausübung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten (besonders Militärdienst) - sprachliche, kulturelle und religiöse Zugehörigkeit - wirtschaftliche und berufliche Entwicklung - sonstige Berührungen im Verlaufe des Lebens, z.b. Zukunftspläne Zu beachten ist, dass die Regel des Art. 5 Abs. 1 EGBGB nur für das Internationale Privatrecht, nicht aber für das internationale Zivilverfahrensrecht gilt. 2. Bestimmung des Personalstatuts nach anderen Kriterien a) Staatenlose aa) New Yorker UN-Übereink. über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.09.1954 Dieses Abkommen gilt für nahezu alle staatenlosen Personen (Ausnahmen s. Art. 1 Abs. 2) und beruft als Personalstatut nach seinem Art. 12 Abs. 1 das Recht des Staates, in dem der Staatenlose seinen Wohnsitz, hilfsweise seinen Aufenthalt hat. Unberührt davon bleiben seine vorher auf Grund seines Personalstatutes erworbenen Rechte (Art. 12 Abs. 2). Die Begriffe des Wohnsitzes und des Aufenthaltes sind aufgrund der völkerrechtlichen Herkunft autonom auszulegen und werden so verstanden, dass mit Wohnsitz der gewöhnliche Aufenthalt und mit Aufenthalt der sog. schlichte Aufenthalt gemeint ist. bb) Art. 5 Abs. 2 EGBGB Diese Bestimmung findet nur subsidiäre Anwendung. Angeknüpft wird an den gewöhnlichen Aufenthaltsort mangels eines solchen an den schlichten Aufenthalt.

3 b) Volksdeutsche (Aussiedler) Art. 9 Abs. 2 Nr. 5 FamRÄndG i.v.m. Art. 116 Abs. 1 GG: eine Person, die den Status eines Volksdeutschen besitzt, erwirbt mit Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland ein deutsches Personalstatut. Nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist die Regelung praktisch begrenzt auf Spätaussiedler, denen eine Bescheinigung i.s.d. 15 Abs. 1/2 BVFG noch nicht erteilt wurde. c) Flüchtlinge aa) Genfer UN-Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GFK) vom 28.07.1951 i.v.m. Genfer Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 Das Personalstatut dieser Personen bestimmt sich gemäß Art. 12 Abs. 1 nach dem Recht des Staates des Wohnsitzes, hilfsweise des Aufenthaltsstaates. Hierfür gilt wie beim Staatenlosen- Übereinkommen als Wohnsitz der gewöhnliche Aufenthalt und als Aufenthalt der schlichte Aufenthalt. Als Flüchtling gilt, wer nach Art. 1 A Nr. 1 als Flüchtling anerkannt ist oder wer sich nach Art. 1 A Nr. 2 infolge von Ereignissen und aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht will. Die Anwendung verdrängt fast vollständig die nationalen Sonderregelungen des AHK-Gesetzes 23 über die Rechtsverhältnisse verschleppter Personen und Flüchtlinge vom 17.03.1950 bzw. des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.04.1951. bb) Asylverfahrensgesetz vom 26.06.1992 Gem. 2 Abs. 1 des Gesetzes genießen Asylberechtigte, nicht Asylbewerber, die gleichen Rechtsstellungen wie Flüchtlinge nach der GFK, d.h. ihr Personalstatut unterliegt dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes (s.o.). Ob sie die Flüchtlingseigenschaft nach der GFK erfüllen, muss in diesen Fällen nicht geprüft werden. cc) Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.07.1980 aufgehoben zum 01.01.2005 Es galt für die sog. Kontingent-Flüchtlinge und erklärte gem. 1 Abs. 1 die GFK für diese anwendbar. Auch hier richtet sich das Personalstatut nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes (s.o.). Für Personen die bis zum 31.12.2004 eingereist sind, bleibt der Status erhalten, für danach eingereiste gilt allgemein nur die GfK bzw. das AsylVerfG. II. Gewöhnlicher Aufenthalt 1. Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungspunkt - Hauptanknüpfungspunkt, z.b. Unterhalt (Art. 4 Abs. 1 UStA), Eltern-Kind-Beziehung (Art. 21 EGBGB), unerlaubte Handlung (Art. 40 Abs. 2 EGBGB und Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO) - Personalstatut von Staatenlosen und Flüchtlingen - Auffanganknüpfung dort, wo die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit versagt, z.b. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB - Beschränkte Parteiautonomie im Eherecht, Art. 15 Abs. 2 EGBGB - besondere Bedeutung als objektive Anknüpfung von Schuldverträgen, vgl. Artt. 4, 6 Rom I-VO

4 2. Begriff Der gewöhnliche Aufenthalt ist weder im staatsvertraglichen noch im autonomen deutschen IPR legal definiert. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat eine Person im Staat, in dem sie ihren Daseinsmittelpunkt hat. Es ist der Ort, an dem sie sich nicht nur vorübergehend aufhält, an dem der Schwerpunkt ihrer Bindung, insbesondere in familiärer und beruflicher Hinsicht, besteht. Entscheidend sind in erster Linie die objektiven Merkmale der Dauer und der Beständigkeit des Aufenthaltes. 3. Begründung Der gewöhnliche Aufenthalt wird begründet: - durch einen tatsächlich nicht zu geringen Aufenthalt und die dadurch entstandenen Bindungen der verschiedensten Art in einem bestimmten Staat. Bei dieser faktischen Begründung ist der subjektive Wille der Person, ihren Lebensmittelpunkt in diesem Staat zu begründen, nicht erforderlich. Notwendig ist jedoch eine gewisse Integration in die dortigen gesellschaftlichen Verhältnisse und die Aufnahme objektiv feststellbarer sozialer Beziehungen, was bei längerem Aufenthalt regelmäßig anzunehmen ist. - auch ohne eine längere Aufenthaltsdauer, wenn von vornherein ein langfristiges Verweilen und die Integration in die gesellschaftlichen Beziehungen in diesem Staat beabsichtigt sind. Aus diesen Umständen muss sich ergeben, dass zukünftig anstelle des bisherigen Ortes ein anderer Ort als Daseinsmittelpunkt treten soll. 4. Sonstiges a) Minderjährige Der gewöhnliche Aufenthalt eines Minderjährigen ist selbständig zu ermitteln, er leitet sich nicht von dem seiner Sorgeberechtigten ab. Auch für ihn kommt es auf den Daseinsmittelpunkt nach den allgemeinen Kriterien an. Bei Aufenthaltswechsel wird ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet: - nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne und der Herstellung sozialer Bindungen am neuen Aufenthalt oder - bereits bei Aufenthaltswechsel, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf längere Zeitdauer angelegt ist und er künftig der neue Daseinsmittelpunkt anstelle des bisherigen sein soll. Dies setzt jedoch voraus, dass ein entsprechender Wille der sorgeberechtigten Eltern vorliegt, zumindest das Kind nicht gegen den Willen eines sorgeberechtigten Elternteils am neuen Aufenthalt festgehalten wird. b) Kindesentführung Sie liegt dann vor, wenn ein Nicht(allein)sorgeberechtigter das Kind gegen den Willen des (Mit-) sorgeberechtigten in einen anderen Staat oder einen anderen Aufenthalt verbringt bzw. das Kind nach einem Aufenthalt, dem die (mit-)sorgeberechtigte Person zugestimmt hatte, zurückhält. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts gibt es keine besonderen Regeln. Es finden die allgemeinen Kriterien Anwendung. Ein gewöhnlicher Aufenthaltsort kann auch gegen den Willen eines Sorgeberechtigten begründet werden, da es auf den tatsächlichen Daseinsmittelpunkt des Minderjährigen ankommt. Wird jedoch ein Minderjähriger von einem nicht(allein)sorgeberechtigten Elternteil in das Ausland verbracht oder dort festgehalten, wirkt sich der entgegenstehende Wille des anderen Elternteils dahingehend aus, dass der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nicht sofort eintritt (siehe für das autonome Kollisionsrecht auch Art. 5 Abs. 3 EGBGB). Erforderlich hierfür sind ein Aufenthalt von längerer Dauer und die soziale Bindung an die neue Umgebung.

5 c) Statutenwechsel Da der Anknüpfungspunkt wenig stabil ist, besteht die Möglichkeit des Statutenwechsels (auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung achten!). III. Parteiautonomie 1. Begriff Recht einer Person/mehrerer Personen, das auf das Rechtsverhältnis anwendbare Recht selbst zu bestimmen. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie umfasst hinsichtlich des Anknüpfungsgegenstandes (z.b. Schuldvertrag) die gewählte Rechtsordnung insgesamt und schließt die nach objektivem Kriterium maßgebliche Rechtsordnung aus. Die Rechtswahl umfasst auch das zwingende Recht und geht deshalb weiter als die Vertragsfreiheit im materiellen Recht. 2. Grundsätze Hauptbedeutung: Internationale Wirtschaftsverträge, international allgemein anerkannt. Parteiautonomie kann - unbeschränkt sein ( Schuldvertragsrecht (Art. 3 Rom I-VO), aber auch hier Einschränkungen hinsichtlich: - international zwingender Normen, Art. 9 Rom I-VO Das sind solche zwingenden Normen, die unabhängig davon anzuwenden sind, welches Recht auf den Vertrag anzuwenden ist ( Sonderanknüpfung); - Günstigkeitsprinzip zum Schutz der schwächeren Vertragspartei (Arbeits- und Verbrauchervertrag Artt. 6, 8 Rom I-VO); - beschränkt sein - zeitliche Beschränkung (z.b. Art. 42 EGBGB und Art. 14 Rom II-VO) erst nach Eintritt eines bestimmten Ereignisses zulässig; - nur auf bestimmte Gegenstände bezogen, z.b. im Erbrecht nur für unbewegliches Vermögen (Art. 25 Abs. 2 EGBGB) - auf bestimmte Rechtsordnungen oder eine bestimmte Rechtsordnung beschränkt (z.b. Art. 15 Abs. 2; Art. 25 Abs. 2 EGBGB) Charakter: entweder einseitiges Rechtsgeschäft oder eigenständiger Vertrag. Wirksamkeit der Rechtswahl: - materiell: - für Schuldverträge das gewählte Recht (Art. 3 Abs. 4, 10 Abs. 1 Rom I-VO) - ansonsten ebenfalls das gewählte Recht (Rechtsgedanke der Artt. 27, 31 EGBGB a.f.) - Form: - Art. 11 EGBGB, soweit sie nicht speziell geregelt (z.b. Art. 11 Rom I-VO) IV. Lex fori Lex fori meint das Recht des entscheidenden Gerichts. Im EKR ist diese Anknüpfung direkt anzutreffen (z.b. Art. 15 Abs. 1 KSÜ); im autonomen deutschen IPR tritt dafür der einseitige Verweis auf deutsches Recht (z.b. Art. 17a EGBGB) auf. Gründe des Verweises auf lex fori können (auch nebeneinander) sein: - Eingrenzung der Anwendung des eigenen Rechts beruht bereits auf eingeschränkter internationaler Zuständigkeit (z.b. Artt. 1 u. 2 MSA; Art. 15 KSÜ)

6 - durch Kriterien in der einseitigen Kollisionsnorm wird gesichert, dass eine enge Beziehung zur lex fori besteht (z.b. Art. 15 UStA, Art. 18 Abs. 5 EGBGB) - Verweis auf inländisches Recht hat ordre public Charakter (z.b. Art. 6 UStA) - es kann sich um eine Exklusivnorm handeln (z.b. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGBGB) V. Prinzip der engsten Verbindung - Grundprinzip der kollisionsrechtlichen Regelung überhaupt. Liegt den einzelnen Kollisionsnormen zugrunde und ist nicht daneben als Korrelat heranzuziehen (z.b. Art. 21 EGBGB). - Grundlegende Anknüpfungsregel für ein bestimmtes Rechtsverhältnis (z.b. Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO). - Ausweichklausel. Das anwendbare Recht ist durch feststehende verbindliche Anknüpfungskriterien bestimmt. Davon kann für den Einzelfall ausnahmsweise abgewichen werden, wenn das Rechtsverhältnis eine viel engere Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung aufweist (z.b. Art. 41 Abs. 1 EGBGB, Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, Art. 15 Abs. 2 KSÜ). - Hilfsklausel. Die feststehenden Anknüpfungspunkte treffen nicht zu, der Gesetzgeber fand keinen geeigneten Anknüpfungspunkt mehr (Einzelfallbewertung, z.b. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB). - Auswahl zwischen bezeichneten Anknüpfungspunkten (z.b. Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB).