Die EuGH-Entscheidung Huawei/ZTE

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Transkript:

GRUR Bezirksgruppe Bayern 15. Dezember 2015 Die EuGH-Entscheidung Huawei/ZTE Was bleibt von Standard-Spundfass und Orange-Book-Standard? Prof. Dr. Torsten Körber, LL.M. (Berkeley) Georg-August-Universität Göttingen (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 1

A. Wichtige Entscheidungen I. BGH-Rechtsprechung zum kartellrechtl. Zwangslizenzeinwand BGH, 13.7.2004, KZR 40/02, Z 160, 67 Standard-Spundfass BGH, 6.5.2009, KZR 39/06, Z 180, 312 Orange-Book-Standard II. Kommissionpraxis zum Klagemissbrauch im SEP-Bereich KOMM., 13.2.2012, M.6381 Google/MMI (indirekt) KOMM., 29.4.2014, AT.39939 Samsung KOMM., 29.4.2014, AT.39985 Motorola III. EuGH-Verfahren Huawei/ZTE LG Düsseldorf, 21.3.2013, 4b O 104/12, NZKart 2013, 256 EuGH, 16.7.2015, C-170/13, WRP 2015, 1080 Huawei/ZTE IV. Entwicklung nach EuGH Huawei/ZTE LG Düsseldorf, 3.11.2015, 4a O 144/14 Kommunikationsvorrichtung (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 2

B. Orange-Book-Standard-Test und SEP I. Orange-Book-Standard-Ausgangssituation Der Produzent nutzt die patentierte Lehre ohne Lizenz. Der Patentinhaber klagt auf Unterlassung. Der Produzent hält der Klage den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegen ( Lizenz hätte ohnehin erteilt werden müssen, dolo agit ). Kartellrechtliche Zwangslizenz nach EuGH Magill und IMS Health unter außergewöhnlichen Umständen, d.h. wenn 1. Lizenzierung unerlässlich für Marktzugang 2. Ausschluss des Wettbewerbs bei Lizenzverweigerung 3. Verhinderung eines neuen Produkts durch Lizenzverweigerung 4. keine (besondere) Rechtfertigung für Lizenzverweigerung (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 3

B. Orange-Book-Standard-Test und SEP II. Der Orange-Book-Standard-Test des BGH (1.) Lizenzverweigerung an sich wie auch (2.) Unterlassungsklage können jeweils kartellrechtlich verbotenen Machtmissbrauch ( 19 GWB, Art. 102 AEUV) begründen, nach dem BGH aber nur wenn 1. der Patentnutzer (Lizenzsucher) ein unbedingtes Angebot gemacht hat, das der Patentinhaber aus kartellrechtlichen Gründen nicht ablehnen darf (unbedingtes Angebot) und => sonst kein Kartellrechtsverstoß 2. der Patentnutzer (vorgreiflich) die Verpflichtungen aus dem noch abzuschließenden Lizenzvertrag einhält (vorgreifliche Erfüllung). => sonst kein treuwidriges Handeln des Patentinhabers (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Jena 4

B. Orange-Book-Standard-Test und SEP III. SEP-Fall Streitigkeit über standardessentielle Patente (SEP): Patente sind Bestandteil eines von einer Standardisierungsorganisation (z.b. ETSI) gesetzten Standards mit oft tausenden von SEPs (Huawei/ZTE: 4700 LTE-SEP) Standard dominiert und muss beachtet werden, um standardkompatible Produkte auf den Markt zu bringen SEP vom Inhaber freiwillig für standardessentiell erklärt Inhaber hat eine FRAND-Erklärung (fair, reasonable and non-discriminatory) abgegeben (ETSI verlangt FRAND-Erklärung auch, weil dies für Vereinbarkeit der Standardisierung mit Art. 101 AEUV erforderlich erscheint) (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 5

B. Orange-Book-Standard-Test und SEP IV. Vergleich BGH-Sachverhalt vs. SEP-Fall BGH Orange-Book-Standard de facto-industriestandard 1 SEP-Fall vertraglicher SSO-Standard FRAND-Erklärung (-) 1 FRAND-Erklärung (+) Patent wirksam (unstreitig) Patentnutzer begehrt Sonderkonditionen ggü. Standardlizenz Wirksamkeit/SE oft unklar FRAND-Lizenz angestrebt, aber FRAND-Konditionen umstritten zweifelhaft, ob der BGH-Test überhaupt auf SEP-Situationen anwendbar war, wie die Instanzgerichte (z.b.: LG Mannheim und OLG Karlsruhe) meinten. 1 Nach Aussage von an dem Verfahren beteiligten Anwälten handelte es sich bei Orange-Book-Standard in Wirklichkeit um einen SEP-Fall und es lag auch eine FRAND-Erklärung vor. Die BGH-Entscheidung erging allerdings auf der Grundlage der (insoweit möglicherweise falschen) Sachverhaltsdarstellung des OLG Karlsruhe, die von einem de facto-standard-fall ausgeht). (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Jena 6

I. Reichweite der Entscheidung Huawei/ZTE 1. keine unmittelbare Relevanz für BGH-Test an sich da EuGH nur zu Art. 102 AEUV und nicht zu dt. Recht judiziert, da BGH-Urteil (anders als EuGH-Urteil) keinen SEP-Fall betraf 2. aber hohe praktische Relevanz keine Anwendbarkeit des BGH-Tests auf SEP-Fälle (Kern) mittelbare Relevanz auch für normale Patentsachverhalte Relevanz für behördliche und private Durchsetzung des Art. 102 AEUV (vgl. KOMM.-Entscheidungen Samsung und Motorola) (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 7

II. Ausgangspunkt: Interessenausgleich Patentinhaber Geistige Eigentumsrechte Rechtsschutz: Art. 17 und 47 GrCh, Rl 2004/48/EG Erhebung einer Patentunterlassungklage ist grds. legitim und nicht bereits an sich missbräuchlich vs. Patentnutzer Art. 102 AEUV (vgl. EuGH Magill, Courage, Manfredi) neben FRAND-Erklärung (P) Wann vermittelt SEP Marktbeherrschung? Rechtsschutz (Art 47 GrCh) Schutz vor Klagemissbrauch durch Zwangslizenzeinwand (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 8

III. Abfolge der Verhandlungen ( Vorverfahren ) 1. EuGH: Initiativobliegenheit des Patentinhabers Bezeichnung des mutmaßlich verletzten SEP Beschreibung der Verletzungshandlung und zwar vor der Klageerhebung anders BGH (Orange Book-Standard): Initiativobliegenheit des Patentnutzers (Lizenzsuchers) => Lösung des EuGH angesichts der für den Patentnutzer unüberschaubaren Patentvielfalt (insbesondere für SEP- Sachverhalte) sachgerechter und praxisnäher (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 9

2. EuGH: konkretes Angebot des Patentinhabers Angebot zu FRAND-Bedingungen (wie der SSO versprochen) insbes. Lizenzgebühr und Art und Weise der Berechnung sind vom Patentinhaber anzugeben anders BGH (Orange Book-Standard): konkretes, unbedingtes, annahmefähiges Angebot des Patentnutzers (Lizenzsuchers) => Lösung des EuGH (insbesondere für SEP-Sachverhalte) sachgerechter und praxisnäher, da Patentinhaber die üblichen, oft vertraulichen Lizenzbedingungen viel besser kennt und überblicken kann als der Patentnutzer (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 10

3. EuGH: Prüfung des Angebots und (bei Ablehnung) Gegenangebot durch Patentnutzer Prüfung des Angebots Reaktion nach Treu und Glauben kurzfristiges Gegenangebot zu FRAND-Bedingungen ( FRAND ist ausreichend, a.a. z.b. LG Mannheim, 2.5.2012, 2 BeckRS 2012, 11804 und 11805 Dekodierverfahren) keine unangemessene Verzögerung der Verhandlungen (vgl. Samsung-Verpflichtungszusagen: max. 12 Monate) bei Uneinigkeit über FRAND-Maßstab ggf. Schiedsverfahren (Beachte: Art. 102 nach EuGH Eco Swiss und EuGH Manfredi = ordre public-vorschrift i.s.d. New Yorker Übereinkommens) (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 11

4. EuGH: Pflicht zur Leistung einer angemessenen Sicherheit durch Patentnutzer Sicherheitsleistung (1.) in angemessener Höhe (2.) ab erstmaliger (LG Düsseldorf, 3.11.2015, 4a O 144/14) Ablehnung des Gegenangebots durch Patentinhaber (3.) in üblicher Weise (z.b. Hinterlegung oder Banksicherheiten) unklar: Sicherheitsleistung für vergangene Nutzungen? (LG Düsseldorf, 3.11.2015, 4a O 144/14: ja) unklar: was bedeutet in angemessener Höhe => Orientierung an FRAND-Gegenangebot des Patentnutzers (str., so aber auch LG Düsseldorf, 3.11.2015, 4a O 144/14), ggf. + Sicherheitszuschlag teils abweichend BGH: Sicherheitsleistung nur durch Hinterlegung (Details weitgehend unklar) (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 12

5. EuGH: kein Verzicht des Patentnutzers auf Verteidigung gegen Vorwurf der Patentverletzung Patentnutzer bleibt frei, Wirksamkeit, Standardessentialität und Patentverletzung zu bestreiten/gerichtlich prüfen zu lassen solche Klagen sind durch Art. 47 GrCH geschütztes gutes Recht des Patentnutzers (Lizenzsuchers) wohl anders BGH: unbedingtes Angebot erforderlich vgl. z.b. LG Mannheim, 18.2.2011, 7 O 100/10 UMTS-fähiges Mobiltelefon II und OLG Karlsruhe, 23.12.2012, 6 U 136/11 GPRS- Zwangslizenz: bedingungslose Kapitulation des Lizenzsuchers incl. Angebot eines (kartellrechtswidrigen) Sonderkündigungsrechts für den Fall, dass Patentsucher später Wirksamkeit des Patents bestreitet, erforderlich, sonst Zwangslizenzeinwand unbeachtlich. (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 13

6. Exkurs: TT-GVO (Umdenken der Kommission) Art. 5 Abs. 1 lit. c TT-GVO 772/2004 (alt) dt. Rspr. und früher h. Lit.: Nichtangriffsklauseln sind nicht freigestellt, aber (auch in SEP-Fällen) Sonderkündigungsklauseln zulässig (a.a. Körber, NZKart 2013, 97, 96 f.) Art. 5 Abs. 1 lit. b TT-GVO 336/2014 (neu) Nichtangriffsklauseln und Sonderkündigungsklauseln nicht freistellungsfähig (weder bei SEP noch bei andern Patenten), Ausnahme: Exklusivlizenzen neue Praxis entspricht EuGH-Entscheidung Huawei/ZTE (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 14

IV. Konsequenzen für SEP-Fälle Orange-Book-Standard-Test des BGH ist unanwendbar auf SEP-Fälle. Die Parteien müssen vor Klagen auf Unterlassung oder Rückruf das vom EuGH skizzierte Vorverfahren einhalten: Patentinhaber, um nicht Art. 102 AEUV zu verletzen und Patentnutzer, um ggf. erfolgreich den Zwangslizenzeinwand erheben zu können. Das gilt unabhängig davon, ob eine FRAND-Erklärung abgegeben wurde, da der FRAND-Lizenzierungsanspruch auch bei Fehlen vertraglicher Ansprüche direkt aus Art. 102 AEUV folgt (str.). (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 15

V. Konsequenzen für normale Patentsachverhalte mindestens Konkretisierungsbedarf Initiativobliegenheit des Patentnutzers sollte überdacht werden Unbedingtheitserfordernis ist mit Blick auf die neue TT-GVO nur eingeschränkt in der Weise haltbar, dass das Angebot nicht unter die aufschiebende Bedingung der Feststellung der Wirksamkeit, Standardessentialität und Patentverletzung gestellt werden darf VI. Konsequenzen für BGH Standard-Spundfass Standard-Spundfass-Rspr. ist weiterhin anwendbar, da Klagen auf Rechnungslegung oder Schadenersatz nicht geeignet sind, den Marktzutritt von Wettbewerbern zu verhindern oder einen patent holdup zu erpressen (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 16

D. Anwendung des Art. 102 AEUV I. Auswirkungen auf behördl. Kartellrechtsdurchsetzung Bestätigung der von der Kommission in den Entscheidungen Samsung (29.4.2014, AT.39939) und Motorola (29.4.2014, AT.39985) vertretenen Auffassung, dass missbräuchliche Unterlassungsklagen von SEP- Inhabern gegen redliche Patentnutzer Art. 102 AEUV verletzen in Zukunft droht Bußgeldhaftung bei Klagemissbrauch II. Bindung der Patentgerichte an Art. 102 AEUV in Auslegung des EuGH nationale Gerichtsentscheidungen, die den (gegenüber dem deutschen Recht vorrangigen) Art. 102 AEUV missachten, immunisieren nicht gegen eine kartellrechtliche Bußgeld- oder Schadensersatzhaftung (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 17

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Torsten Körber, LL.M. (Berkeley) koerber@ls-koerber.de Weiterführende Informationen: 1. Körber, Standardessentielle Patente, FRAND-Verpflichtungen und Kartellrecht deutsche und englische Fassung in einem Band, 2013 2. Weitere Aufsätze und Materialien auf www.ls-koerber.de (c) Prof. Dr. Torsten Körber, Göttingen 18