Lösung des Besprechungsfalles Irrungen und Wirrungen

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Transkript:

Propädeutische Übung im Strafrecht AT I begleitend zum Grundkurs I bei Prof. Dr. Kudlich WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. Lösung des Besprechungsfalles Irrungen und Wirrungen A. Strafbarkeit der A I. 223, 224 I Nr. 2, 3, 4 und 5 StGB durch Ellenbogencheck Anmerkung: Wenn man davon ausgeht, dass A auf Grund ihrer Alkoholisierung schuldunfähig war (vgl. u.), könnte man zwar im ersten Moment daran denken, eine Strafbarkeit gleich ohne Prüfung des Tatbestandes abzulehnen. Das wäre aber aufbaumäßig die schlechtere Variante, da es sowohl für eine etwaige a.l.i.c. als auch für 323a StGB durchaus wichtig ist, wie die Strafbarkeit bis dahin zu beurteilen ist. 1. Tatbestand a) obj. TB aa) Gesundheitsschädigung (+), gebrochene Nase und Nasenbluten bb) körperliche Misshandlung (+), Schlag ins Gesicht ist jedenfalls sehr schmerzhaft zumal bei gebrochener Nase cc) Kausalität und obj. Zurechnung(+) dd) Qualifikation nach 224 I StGB? Nr. 2: gefährliches Werkzeug meint jeden körperlichen (str.) Gegenstand, der nach seiner PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c.

objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung geeignet ist im konkreten Einzelfall erhebliche Verletzungen herbeizuführen Hier: (-), nach h.m. in Rspr. und Lit. sind Körperteile grundsätzl. keine gefährlichen Werkzeuge (anders u.u. beim Gipsarm oder beschuhten Fuß) Nr. 3: Hinterlistig ist ein Überfall, wenn der Täter seine wahren Absichten planmäßig berechnend verdeckt, um gerade dem Angegriffenen die Abwehr zu erschweren. Hier: (-), auch wenn der Angriff für B obj. überraschend war und A diesen auch als böse Überraschung für F geplant hatte, liegt keine planvoll lenkende Verdeckung der deliktischen Handlung vor Nr. 4: mit einem anderen Beteiligten bedeutet, dass grundsätzlich auch Teilnehmer (Anstifter/Gehilfen) und nicht nur Mittäter erfasst werden. Hier: (-), da M zwar eventuell Teilnehmer, aber nach Schutzzweck des 224 StGB (erhöhte Gefährlichkeit der Tat) erfasst Nr. 4 nur die Fälle, in denen der Beteiligte auch am Tatort anwesend ist und so die Gefahr für das Opfer erhöht wird. PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 2

Nr. 5: eine das Leben gefährdende Behandlung meint eine solche Behandlung, die im konkreten Einzelfall geeignet ist, das Leben des Opfers abstrakt zu gefährden. Hier: (-), zwar sind Verletzungen im Kopfbereich nicht als harmlos abzutun, doch Ellenbogenscheck legt allein noch nicht die Annahme nahe, dass dieser abstrakt geeignet ist das Opfer lebensgefährlich zu verletzen. b) subj. TB P: Auswirkung der Verwechselung von B und F? Hier hat sich der Vorsatz auf die tatsächlich getroffene Person konkretisiert; außerdem sind B und F gleichwertige Tatobjekte, so dass eine bloße Identitätsverwechslung vorliegt Die Identität des Opfers ist kein TB-merkmal; es liegt ein unbeachtlicher error in persona vor Vorsatz (+), A kam es gerade darauf an F zu verletzen. Sie handelte absichtlich hinsichtlich des Körperverletzungserfolges. 2. RW (+) 3. Sch P: hochgradige Alkoholisierung der A als möglicher Schuldausschließungsgrund nach 20 StGB (tiefgreifende Bewusstseinsstörung)? PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 3

Zwar keine starre Grenze, allerdings Vermutung der Schuldunfähigkeit ab 3,0 (bei Kapitaldelikten ab 3, 3 oder noch höher) Hier: 20 StGB (+), A hatte sogar 3,5 und im Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Vermutung der Schuldunfähigkeit widerlegen könnten (z.b. extreme Gewöhnung an exzessiven Alkoholkonsum) Aber: A hat sich bewusst betrunken, um die Tat alkoholisiert zu begehen. Strafbarkeit der A nach den Grundsätzen der vorsätzlichen actio libera in causa (a.l.i.c.)? a) Voraus. der a.l.i.c.: (+), A hatte doppelten Vorsatz bzgl. des Sichbetrinkens (actio praecedens) und des Schlagens im betrunkenen Zustand (actio succedens) zum Ztpkt. des Trinkens b) Fraglich, ob Rechtsfigur der a.l.i.c. überhaupt begründbar; hierzu werden versch. Begründungsmodelle vertreten: aa) Ausnahmemodell danach ist die al.i.c. eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Ausnahme zu 20 StGB (also dem sog. Koinzidentsprinzip, nach dem der Täter zum Ztpkt. der Tatausführung schuldfähig sein muss) Arg.: da sich der Täter rechtsmissbräuchlich verhält (unter dem Deckmantel der Schuldun- PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 4

bb) cc) fähigkeit straflos Taten zu begehen) muss ihm die Berufung auf 20 StGB versagt werden Kritik: Verstoß gegen Art. 103 II GG (vgl. BGH[St] 42, 235 [241]; Roxin, AT I, 20 Rn. 58) Vorverlagerungstheorie/Ausdehnungsmodell danach ist das Versetzen in den Rauschzustand als Vorbereitungshandlung bereits Tatbegehung i.s.v. 20 StGB (Tathandlung ist das Sichbetrinken und spätere Herbeiführen des Erfolges) Kritik: unklar, warum bei Begehung der Tat in 20 StGB anders verstanden wird, als in 16, 17 StGB (Verstoß gegen das Koinzidentsprinzip, vgl. BGH[St] 42, 235 [240 f.]). Stellungnahme Beide Begründungsmodelle begegenen schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken und widersprechen dem Wortlaut des 20 StGB. Einzig denkbare Anknüpfungshandlung kann für eine Strafbarkeit über die Rechtsfigur der a.l.i.c. das Sichbetrinken sein. Daher ist hinsichtlich des Ellenbogenchecks von As Schuldunfähigkeit auszugehen und als nächstes zu prüfen, ob A sich wegen Körperverletzung durch das Sichbetrinken strafbar gemacht haben könnte. PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 5

II. 223 StGB durch das Sichbetrinken als sog. vorsätzliche a.l.i.c. Anmerkung: da bereits oben geprüft wurde, dass die Qualifikation nach 224 I StGB hier nicht vorliegt, muss diese nunmehr konsequenter Weise nicht mehr angeprüft werden bzw. könnte im Rahmen einer Klausur mit einem Verweis auf die obige Prüfung in einem Satz abgelehnt werden. 1. TB a) obj. TB aa) Körperverletzung i.s.v. 223 (+), s.o. bb) P: Sichbetrinken als taugl. Tathandlung? Die anderen Begründungsmodelle, die die Rechtsfigur der vorsätzlichen a.l.i.c. anerkennen, sehen im Sichbetrinken eine taugliche Tathandlung: Modell der mittelbaren Täterschaft Hiernach benutzt sich der Täter selbst als schuldlos handelndes Werkzeug. Sichberauschen wird als Einwirkungshandlung auf den (später) schuldlosen Vordermann angesehen Kritik: Widerspricht dem Wortlaut des 25 I 2 StGB ( durch einen anderen ) Tatbestandslösung (Roxin, AT I, 20, Rn. 59 ff.) Hiernach ist das Sichberauschen bereits Tathandlung, weil der Täter so die Kausalkette in PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 6

Gang setzt; nach BGH aber nur bei vorsätzlichen Erfogsdelikten begründbar, da nur hier Tathandlung (Sichberauschen) und Taterfolg (Körperverletzung) theoretisch zeitlich auseinander fallen können (vgl. BGH[St] 42, 235 [236]) Kritik: weite Vorverlagerung der Strafbarkeit bei einer grdsl. straflosen Vorbereitungshandlung Beachte: weder bei schlichten Handlungs- noch bei Fahrlässigkeitsdelikten kann das Tatbestandsmodell nach Meinung des BGH angewendet werden. Da Handlungsdelikte nur über die Handlung (keine Kausalität!!!) des Täters bestraft werden, kann die Strafbarkeit nicht im Sichbetrinken liegen, da hier ja keine Kausalkette in Gang gesetzt wird. Bei fahrlässigen Delikten ist die a.l.i.c. entbehrlich, weil bereits das Sichbetrinken als Sorgfaltspflichtverletzung und damit taugl. Anknüpfungshandlung (ohne die a.l.i.c. bemühen zu müssen) angesehen werden kann. Ablehnung der vorsätzlichen a.l.i.c. Keine Anerkennung der Rechtsfigur der a.l.i.c., da diese gesetzlich nicht geregelt ist und sämtliche Begründungsmodelle dogmatische Schwächen aufweisen. Kritik: der besonders listige Täter wird priviligiert und kann allenfalls nach 323a StGB bestraft werden PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 7

Stellungnahme Hier erscheint das TB-Modell vorzugswürdig. Auch wenn dieses die Strafbarkeit weit vorverlagert, erscheint es nicht sachgerecht, dass der Täter bei Ablehnung der a.l.i.c. nur nach 323a StGB bestraft werden kann. Das Modell der mittelbaren Täterschaft kann hingegen wegen des eindeutig entgegenstehenden Wortlauts des 25 I 2 StGB nicht überzeugen. Sichbetrinken ist taugl. Tathandlung i.s.d. Tatbestandsmodells cc) Kausalität und obj. Zurechnung (+) Anmerkung: Wer wie hier durchaus vertretbar die Rechtsfigur der vorsätzlichen a.l.i.c. generell ablehnt, müsste 323a StGB prüfen und auch hier im Rahmen des Vorsatzes zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei der Personenverwechslung um einen unbeachtl. Error in persona handelt. b) subj. TB P: Auswirkungen des error in persona im Rauschzustand? Error in persona zwar grundsätzl. bei gleichwertigen Tatobj. unbeachtlich, fraglich ist aber wie der spätere Irrtum zu beurteilen ist, wenn man wie hier auf das Sichbetrinken als Tathandlung abstellt. Dies ist in Rspr. und Lit. umstr.: PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 8

Beachte: Allein das Ausnahmemodell, welches bereits beim alleinigen Abstellen auf den Ellenbogencheck zur Strafbarkeit als a.l.i.c. kommen würde, kann genauso wie beim nüchternen Täter unproblematisch die Unbeachtlichkeit des error in persona annehmen aa) BGH(St 21, 381 [383 f.]: Unbeachtlichkeit Arg: keine wesentliche Abweichung von Tatplan und Tatausführung, da Täter das Opfer trifft, das er als das richtige identifiziert hat; außerdem muss die Unbeachtlichkeit erst recht beim vollverantwortlichen In-Gang-Setzen der Kausalkette gelten danach hier Vorsatz (+) bb) a.a. (vgl. Roxin, AT I, 20, Rn. 74) aus Sicht des nüchternen Täters z. Zpkt. des Sichbetrinkens stellt sich der error in persona im Rausch als Fehlgehen der Tat (aberratio ictus) dar danach hier Vorsatz (-), aber noch Versuch an F durch Betrinken und Fahrlässigkeit an B durch Betrinken prüfen cc) differenzierende Ansicht (vgl. Kühl, 11, Rn. 23) unterscheidet, ob Täter im nüchternen Zustand davon ausging das Opfer noch identifizieren zu müssen. Falls ja, liegt ein unbeachtlicher error in persona vor, falls nein eine aberratio ictus PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 9

danach hier wohl eher error in persona, da A ja noch den gesamten Weg zur Wohnung der F zurück legen wollte und auch nicht sicher sein konnte F allein anzutreffen, so dass A eine notwendige Identifizierung wohl bereits im nüchternen Zustand ins Auge gefasst hat (a.a. vertretbar) cc) Stellungnahme Abzustellen ist auf ein vergleichbares Problem, wenn etwa beim Anstifter oder mittelbaren Täter nur der unmittelbar Ausführende einem Irrtum unterliegt. Danach kommt es darauf an, inwieweit die Abweichung vorhersehbar war, wobei der Individualisierungszeitpunkt und das Aus-den-Händen-Geben des Geschehens zu berücksichtigen ist. Hier überläßt der Täter sich selbst (im betrunkenen Zustand) die Individualisierung. Dass im schuldunfähigen Zustand eine Personenverwechslung vorkommt, widerspricht keinesfalls der allgemeinen Lebenserfahrung, so dass der Irrtum auch hier unbeachtlich sein muss. Vorsatz (+) [a.a. vertretbar] Anmerkung: Auch hier gilt, dass weniger das Ergebnis als vielmehr die Begründung entscheidend ist. Wer hier anders entscheidet, müsste noch die mögliche Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit der A prüfen. PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 10

2. RW/Sch (+) 3. Ergebnis: Durch das Sichbetrinken hat sich A der Körperverletzung nach 223 StGB i.v.m. den Grundsätzen der a.l.i.c. strafbar gemacht. B. Endergebnis: A hat sich durch das Betrinken nach 223 I StGB i.v.m. den Grundsätzen der a.l.i.c. strafbar gemacht. PÜ Strafrecht AT I, WS 2007/08 Einheit 11: a.l.i.c. 11