Hygiene in der Arztpraxis



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Interaktive Fortbildung für Dialogpartnerinnen Hygiene in der Arztpraxis Lehrbrief 1 Geschichte und Bedeutung der Hygiene Krankheitserreger und Infektionsquellen Autor: Christine und Friedhelm Caspari Herausgeber:.

Vorwort Hygiene in der Arztpraxis wertvolle Auffrischung vorhandener Kenntnisse Die Hygiene ist ein breites, alle Bereiche des Lebens, ja gar die ganze Welt umfassendes komplexes Thema. Wenn nicht geübt und eingehalten, kann mangelnde Hygiene vielfach zum großen Problem werden, das im Extremfall den Erdball umspannt. Beispiel Vogelgrippe: Ihr Ursprung liegt in China im zu engen Zusammenleben von Menschen mit ihren Hühnern. Die Hygiene in der Arztpraxis ist ein wesentlicher Teil des gesamten Gesundheitsbereichs. Mit Gesundheitsschutz und Hygiene sind Sie alle bereits in Ihrer Ausbildungszeit zur Medizinischen Fachangestellten (MFA), wie die Arzthelferin seit kurzem offiziell heißt, intensiv mit den hygienischen Erfordernissen beruflich groß geworden. Tagtäglich steht also bei Ihnen die Sauberkeit mit an erster Stelle, - zum Wohle Ihrer Patienten, zur Gesunderhaltung sowie zum Schutz des Personals einer Arztpraxis vor Krankheiten und Verletzungen. Jedoch Hand aufs Herz: Wie oft kommt es zu kleinen, unbewussten Nachlässigkeiten, weil die alltägliche Routine zwangsläufig gelegentlich zur Oberflächlichkeit verleitet? Und genau das kann gerade in punkto Hygiene recht gefährlich sein. Als Leserin dieser drei Lehrbriefe wird Ihnen vieles bekannt sein. Dennoch: Anderes - und sicherlich nicht wenig - ist in Vergessenheit geraten. Deshalb sollen die Lehrbriefe nicht belehren, sondern dazu anregen, sich einer der ganz wichtigen Aufgaben in einer Arztpraxis jederzeit gewissenhaft zu widmen. Dieser nun erste Lehrbrief wird Ihnen zunächst noch einmal eine Reihe grundsätzlicher Informationen zur Hygiene und zu Krankheitserregern vermitteln. Die Vorsorge gegen Infektionen und ihre Abwehr werden in den Lehrbriefen 2 und 3 behandelt. Verstehen Sie, liebe Praxis-Mitarbeiterinnen, diesen Kurs als nicht zu unterschätzende Auffrischung Ihres Wissens und Grundlage für korrektes Handeln! Viel Spaß beim Lehrbrief-Studium und erfolgreiches Aufgabenlösen! Katja Backen Christine u. Friedhelm Caspari Seite 1

Inhalt Seite 1. Geschichte der Hygiene ein kurzer Rückblick 3 2. Bedeutung und Ziel der Hygiene 6 3. Hygiene in medizinischen Bereichen 7 4. Krankheitserreger, Infektionsquellen und Gegenmittel 8 4.1 Infektiöse Krankheiten Hauptarten und Unterschiede 11 4.1.1 Viren und Bakterien 14 4.1.2 Pilze und Protozoen 20 4.1.3 Parasiten und Prionen 23 4.2 Gifte 24 5. Infektionsschutzgesetz und Meldepflicht 25 Anhang 1. Auflistungen Meldepflicht von Krankheiten 2. Beispiel für Patienteninformation 3. Medienberichte 4. Internet-Adressen u. andere Info-Quellen 5. Lernkontrolle Lehrbrief 1 Seite 2

1. Geschichte der Hygiene ein ganz kurzer Überblick Der Begriff Hygiene (hygieinos = gesund, heilsam) ist vom Namen der griechischen Göttin der Gesundheit abgeleitet. Hygieia war die Tochter des Asklepios, des Gottes der Heilkunst in der griechischen Mythologie. Historische Abbildungen zeigen daher Hygieia, fütternd die Asklepios-Schlange, das bekannte ärztliche Standessymbol. Hiermit wird auch die sehr enge Verbundenheit der Gesundheit mit der Vorsorge, also der Abhängigkeit von der Prävention, dokumentiert (vgl. auch Kapitel 2.). Hygiene im weitesten Sinne ist so alt wie die Menschheit: Schon auf der Zwischenstufe von Mensch und Tier den Primaten haben diese Zweibeiner vor Jahrmillionen wahrscheinlich intensiv Fell- bzw. Hautpflege betrieben, indem sie nach störendem Ungeziefer auf der Jagd waren. Das Lausen war sozusagen die erste manuelle Schutzmaßnahme des Menschen vor lästigen Parasiten. Das Sich-Schützen vor Krankheiten und die Reinlichkeit bedeuten sehr viel für die Entwicklung und das Wohlergehen der Menschen. Ohne Hygiene hätten die Stufen menschlichen Fortschritts kaum genommen werden können. Ohne Hygiene, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein wissenschaftliches Teilgebiet der Medizin ist, hätte es uns Menschen allesamt dahin gerafft. Wir wären inzwischen schlichtweg ausgestorben. Erste Hygieneverordnungen bereits im Mittelalter Die verheerenden Zeiten der Pest im späteren Mittelalter hatten den Menschen erste Erkenntnisse gebracht, dass vielleicht mehr Reinlichkeit notwendig ist, um zu überleben. Doch nicht allein der so genannte Schwarze Tod führte zu ersten Hygienegesetzen. Schon im 14. Jahrhundert wurden in einigen europäischen Städten bestimmte Verordnungen erlassen, die das Schlachten und die Aufbewahrung von Fleisch regelten. So war der Handel mit Milch, Butter und Käse verboten, wenn diese Lebensmittel von kranken Tieren stammten. Welch frühe Erkenntnisse also sieben Jahrhunderte vor BSE, Maul- und Klausenseuche oder Gammelfleischskandalen! Auch wurde der Grund für Vergiftungen durch Essen und Trinken bereits im späteren Mittelalter erkannt. Die Ursache waren kupferne oder bleierne Milchgefäße und Trinkbecher. Seite 3

Das Collegium sanitatis und Gesund allein macht Dr. Heim 1719 gründete Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. das Collegium sanitatis mit dem Ziel der Seuchenabwehr. Damit wurden aus der Entvölkerung Ostpreußens durch die letzten großen Pestepidemien um 1700 die Lehren gezogen. Das von einem Arzt geleitete Gremium kontrollierte fortan auch den Lebensmittelhandel. Der deutsche Arzt Johann Peter Frank verfasste um 1780 das sechsbändige Hygienebuch "System einer vollständigen medicinischen Polizey". Frank gilt als Mitbegründer öffentlich angeordneter Hygienesysteme und eines sozialmedizinisch geprägten Gesundheitsdienstes. Um 1800 war es dann der Berliner Mediziner Ernst Ludwig Heim (1747-1834), der sich als Stadtphysikus in Spandau niederließ, also nach heutigem Begriff ein Amtsarzt. Er war Mitbegründer des modernen Gesundheitswesens in Preußen. Der in der Bevölkerung bekannte und beliebte Arzt ( Gesund allein macht Dr. Heim ) wetterte seinerzeit unermüdlich gegen mangelnde Hygiene und unterband den Brauch, Unrat einfach in die Gassen zu schütten oder Abfall und Kot in der Spree zu versenken. Heim ordnete die in England entwickelte Impfung gegen Kuhpocken an. Das ist eine relativ mild verlaufende pockenartige Erkrankung, die hauptsächlich Rinder befällt, doch Menschen können ebenfalls daran erkranken. Heim führte zudem als erster in Preußen Obduktionen durch, um Krankheiten zu erforschen, wobei er als Ursache vieler Erkrankungen die unhygienischen Zustände vermutete. Wie schlimm es um die Hygiene im ausgehenden 18. Jahrhundert vor allem in den großen Städten Europas bestellt war, schilderte der Pariser Chronist Louis Sebastian Mercier: Ein dreckiger Schlupfwinkel aller nur denkbaren Laster und Übel... zwischen Schlachtereien, Totenäckern, Hospitälern, Abzugsrinnen, Urinbächen, Kothaufen... Schmutziges Wasser bringt auch heute noch millionenfachen Tod Auch heute noch herrschen in den meisten Entwicklungsländern leider ähnliche katastrophale Zustände wie vor 300 Jahren in Europa: Allein mehr als 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr durch verseuchtes Wasser, stellte im November 2006 das UN-Kinderhilfswerk UNICEF fest. Mehr als 425 Millionen Mädchen und Jungen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Fast eine Milliarde Kinder leben ohne sanitäre Einrichtungen, wird geschätzt. Durchfallerkrankungen sind bei diesen extrem unhygienischen Zuständen in fast 90 Prozent die Todesursache. Insofern wirken sich Wasserverschmutzung und mangelnde Hygiene gerade bei Kindern unter fünf Jahren verheerend aus. Die Durchfälle verursachen oder verschlimmern die chronische Mangelernährung, so der Bericht. Die Infektionskrankheiten breiteten sich dann noch schneller aus. Seite 4

Doch wieder kurz zurück in die Vergangenheit: Durch das immer engere Zusammenleben der Menschen in Städten nahmen die Krankheitsgefahren sprunghaft zu. Deshalb wurden im 19. Jahrhundert fast überall in den sich industriell schnell entwickelnden europäischen Ländern gesetzliche Hygienevorschriften erlassen. Die Einhaltung der Gesetze wurde kontrolliert und die unhygienischen Zustände wurden schrittweise verbessert. Einhergehend damit haben schlaue Köpfe geforscht, entdeckt und Konsequenzen daraus gezogen: Wissenschaftler wie Biologen und Chemiker, Ingenieure und selbstverständlich vor allem die Mediziner verfolgten die Spuren von Pestilenzen aller Art. Exemplarische Beispiele der frühen Leistungen in punkto Hygiene sind Wasser- und Abwassersysteme, Gesundheitsgesetze, Nahrungsmittelkontrollen sowie Impfungen von Mensch und Tier. Bei all dieser Forschung erreichte gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch der Streit zwischen zwei medizinischen Schulen in Sachen Krankheitserregern und Hygiene den Hochpunkt: Auf der einen Seite standen die Kontagionisten (von lat./med. Kontagion = die Ansteckung, Infektion). Sie vertraten die Auffassung, Krankheiten könnten durch kleine lebende Erreger übertragen werden ( Ansteckung ). Andererseits sahen die Anti-Kontagionisten Ernährungsfehler und Vergiftungen als Ursache von Krankheiten an. Durch die Forschungen von Robert Koch und Louis Pasteur (siehe folgendes Zwischenkapitel) gewannen die Kontagionisten die Auseinandersetzung. Herausragende Forscher und ihre Institute Zu nennen sind an dieser Stelle als herausragende Forscher: der Arzt, Chemiker und Seuchen-Experte Prof. Max von Pettenkofer (1818-1901), der 1879 in München das weltweit erste Hygieneinstitut gründete, das heute noch besteht, und der Berliner Mediziner und Bakteriologe Robert Koch (1843-1910) entdeckte 1882 den Tuberkulosebazillus. 1891 eröffnete das von ihm (bis 1904) geleitete Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten, das heutige Robert-Koch-Institut (RKI). Es hat seit 1900 den Hauptsitz in Berlin-Wedding. Das RKI ist eines der sieben dezentralen wissenschaftlichen Institute und die zentrale Einrichtung der Bundesregierung für die Krankheitsüberwachung und Prävention. Zusammen mit einer weiteren Zentralabteilung bilden die Institute das Bundesgesundheitsamt. Unsere Lehrbriefe werden die Richtlinien und Empfehlungen des RKI noch genauer behandeln. Seite 5

In Paris wirkte gleichzeitig und ebenfalls segensreich der Begründer der Mikrobiologie, der Biologe, Mediziner, Chemiker und Bakteriologe Louis Pasteur (1822-1895). Er entwickelte die Immunisierung mit abgeschwächten Krankheitskeimen und fand Schutzimpfungen gegen Hühnercholera, Milzbrand und Tollwut. Auch schaffte Pasteur die Grundlage für Asepsis und Antisepsis in der Chirurgie. Und erstmals benannte 1880 der Berliner Bakteriologe Prof. Karl Flüge (1847-1923) die Hygiene als angewandte medizinische Wissenschaft. 1928 entdeckte der schottische Bakteriologe und spätere Nobelpreisträger Sir Alexander Fleming den Schimmelpilz Penicillium chrysogenum, aus der später die Substanz Penicillin gewonnen wurde. Seit nunmehr 50 Jahren wird Penicillin in großen Mengen produziert. Abschließend ist zu diesem kurzen historischen Abriss anzumerken, dass allein vom 18. bis zum 20. Jahrhundert rund 200 in Fachkreisen bekannte deutschsprachige wissenschaftliche Bücher über Hygiene verfasst worden sind. 2. Bedeutung und Ziel der Hygiene Die positive und logische Folge der medizinisch-wissenschaftlichen Erfindungen und der Beseitigung hygienischer Missstände wurde bereits im 19./20. Jahrhundert deutlich: Die durchschnittliche Lebenszeit der Menschen in den Industrieländern verlängerte sich allein im Zeitraum von 1870 bis 1930 um rund 20 Jahre! Wie im Vorwort bereits erwähnt, betrifft die Hygiene alle Lebens- und Umweltfaktoren des Menschen. Hierzu zählen Teile der Tierwelt, also zumindest jene Geschöpfe, mit denen der Mensch bewusst oder ungewollt eng zusammenlebt, aber auch solche Mitgeschöpfe, die wir Zweibeiner tagtäglich zu verzehren pflegen. Daher wird zwischen Human- und Veterinärhygiene unterschieden. Beider Bedeutung kann der einschlägigen Literatur mit einem Satz entnommen werden: Ziel jeder Hygienemaßnahme muss es sein, zu verhindern, dass der menschliche Organismus den Keimen als Wirt dient! Auf den Menschen bezogen sind die hygienischen Faktoren im Klima, Wetter und Wasser verankert (Umwelthygiene), im Haus- und Wohnbereich, bei der Ernährung und dabei vor allem in der Produktion von Lebensmitteln. Seite 6

Sie hängen mit der Kleidung zusammen, im Umgang miteinander, bei den körperlichen Kontakten (Individualhygiene), in der gesamten Arbeitswelt und der allgemeinen Lebensführung. Daher gibt es auf die beiden letzten Umfelder bezogen auch den Begriff Sozialhygiene. Wichtige hygienische Notwendigkeiten betreffen beispielsweise die Abfallbeseitigung, vor allem auch die Krankenhäuser und andere medizinische Bereiche wie Arztpraxen und im wahrsten Sinne des Wortes letztendlich auch das Bestattungswesen, das heißt die Hygiene gerechte Beseitigung der sterblichen Hülle nach dem Tode. Diese Aufgabe ist besonders dann sehr schwierig, wenn es um das massenhafte Sterben von Mensch und Tier bei Kriegen, Katastrophen und Seuchen geht, wie wir bis in unsere moderne Zeit leider immer wieder erfahren müssen (Beispiele: Tsunami-Katastrophe 2004 und mehrere Kriege mit vielen Opfern). 3. Hygiene in medizinischen Bereichen Die medizinischen Bereiche sind im hygienischen Sinne ein hochsensibles Gebiet. Das sind Krankenhäuser, Kliniken, Arztpraxen und damit verbunden der Umgang mit Patienten, also der Kontakt gesunder mit erkrankten Menschen. Gerade in diesen Bereichen gilt es, spezielle Verordnungen, Anweisungen, Gesetze und Verhaltensweisen strikt einzuhalten und auch zu überwachen. Die spezielle Hygiene im Medizinbereich umfasst die persönliche Hygiene des Personals, den Umgang mit den Patienten und die Umwelthygiene, wie z. B. die Abfallentsorgung. Um die entsprechenden Vorschriften einzuhalten, müssen Sie als Betroffene die Gefahrenquellen kennen und die Abwehrmaßnahmen beherrschen. Denn trotz allen Wissens und richtigen Handelns: Lücken gibt es wahrscheinlich genug. Denn selbst stets korrektes hygienisches Verhalten in der therapierenden und helfenden Medizin garantiert offenbar nicht, dass sich manche Patienten keine zweite Krankheit einfangen oder das Personal krank wird (Nosokomiale Infektion bzw. Iatrogene Infektion / vgl. Kapital 4.1). Normalerweise gehen Menschen ins Krankenhaus, um wieder gesund zu werden. Trotzdem erkranken in Westeuropa jährlich bis zu eine Million Patienten während ihres Klinikaufenthaltes, schreibt der Internet-Infodienst Medizin News und nennt als Ursache mangelnde Hygiene. Er beruft sich auf den Virologen Prof. Dr. Manfred H. Wolff, ein Experte, der kleinste Krankheitserreger erforscht. Seite 7

4. Krankheitserreger, Infektionsquellen und Gegenmittel Krankheitserreger... sind Stoffe oder Organismen, die in anderen Organismen gesundheitliche Schädigungen oder Beeinträchtigungen verursachen. Diese Eigenschaft heißt Pathogenität (griech. pathos = Krankheit). Den Menschen betreffende Krankheitserreger werden humanpathogen genannt. Nur fallweise Krankheit auslösende Keime sind fakultativ pathogen. Erreger, die keine Krankheiten erzeugen, nennen sich apathogen. Als pathogen gelten Bakterien Pilze Protisten Parasiten Viren Prionen. Die beiden zuletzt genannten unterscheiden sich von den anderen, den Mikroorganismen, durch ihre Selbstvermehrung. Dabei ist es bei bestimmten Viren aufgrund ihres komplexen Aufbaues jedoch strittig, ob es sich um Lebensformen oder eine komplexe Chemikalie bzw. um einen Giftstoff handelt. Die schädliche Wirkung der Mikroorganismen jedenfalls - also kleinste Lebensformen wie Bakterien und Pilzen - beruht meist auf giftigen Stoffen, die sie absondern. Wie unvorstellbar klein z. B. Bakterien sind (Viren sind noch wesentlich kleiner!), belegen diese aktuelle Zahlen: US- Wissenschaftler haben kürzlich herausgefunden, dass das Mikrobenleben im Erdboden um hundertfach vielfältiger ist als bisher bekannt. Danach befinden sich in einem Kilogramm Boden mehr als eine Milliarde Bakterien verschiedenster Arten (vgl. 4.1.1). Krankheitserreger werden in der Forschung und bei der Abwehr in punkto Gefährlichkeit für den Menschen in vier Biosafety-Level- Klassen (BSL) eingeteilt: BSL 1 BSL 2 beinhaltet die Arbeit mit Mikroorganismen, die bei gesunden erwachsenen Menschen zu keinen Erkrankungen führen, wie zum Beispiel harmlose Pilzsporen. umfasst die Arbeit mit Mikroorganismen, die eine gemäßigte mögliche Gefahr für Laborpersonal und die Umgebung mit einbezieht. Beispiele für solche Stoffe sind Salmonellen, Herpes-Erreger oder Grippeviren. Mitarbeiter in BSL 2 Labors benötigen ein spezifisches Training im Umgang mit pathogenen Mitteln und Seite 8

haben meist eine Zugangskontrolle sowie Einrichtungen zur Eindämmung von infektiösen Gasen und Flüssigkeiten. BSL 3 BSL 4 arbeitet mit Erregern, die zu schweren Erkrankungen und Epidemien führen können, wie Anthrax, Gelbfieber oder Hepatitis. BSL3 Labors müssen mit einem abgeschlossenen Luftkreislauf ausgestattet sein. bedeutet die Arbeit mit hoch ansteckenden Mikroorganismen, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich sind. Typische Vertreter dieser Klasse sind das Ebola-Virus, Anthrax-Virus, die Pocken oder das Marburg-Virus. BSL-4-Labors besitzen die höchste Sicherheitsstufe. Deutsche BSL-4-Labors sind das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und das neue virologische Forschungsinstitut der Universität Marburg. In diesem wird auch mit genetisch veränderten Viren-Varianten experimentiert. Infektionen... haben stets bestimmte Quellen. Diese zu wissen oder zu erkennen ist wichtig für die Hygiene, sprich für den vorsorglichen Schutz. Ein normaler Infekt oder eine Infektion muss nicht in jedem Fall zur Erkrankung führen. Auch ist die Gefährlichkeit einer Infektionskrankheit von der Virulenz des Erregers abhängig. Virulenz ist das Ausmaß, in dem ein Erreger eine Erkrankung hervorrufen kann. Der Begriff kommt vom lateinischen virulentus (= voller Gift, wovon auch Virus abgeleitet ist). Banales und zeitgemäßes Beispiel für die Quelle einer Infektion: Handys sind mitunter dreckiger als Toilettenbrillen, Türgriffe oder Schuhsohlen, warnten kürzlich britische Mikrobiologen. Sie fanden heraus, dass auf jedem Quadratzentimeter eines Mobiltelefons mehrere tausend teils lebensgefährliche Bakterien leben. Diese finden durch die Betriebswärme des Handys ideale Bedingungen, um sich zu vermehren. Wenn auch die Bedienung des Telefons, und sei es noch so stark von Bakterien besetzt, bekanntlich nur selten zur Erkrankung führt, raten Hygiene-Experten trotzdem dazu, das Gerät regelmäßig mit einem antibakteriellen Tuch zu reinigen! Das gilt übrigens auch für andere ständig benutzte elektronische Apparaturen oder Zubehörteile. Seite 9

Zu den landläufig bekannten Infektionskrankheiten zählen z. B. Schnupfen, Grippe, Harnwegsinfekte, Karies sowie schwierige oder gar sehr schwer wiegende Krankheiten wie AIDS, die Borreliose 1 Hepatitis B, Masern und BSE. Doch nun Genaues zu den Infektionsquellen Hierin vermehrt sich der Erreger und gelangt in die Umgebung. Infektionsquellen sind: a) der infizierte Mensch was die meisten Infektionskrankheiten des Menschen betrifft b) das infizierte Tier betreffend Infektionskrankheiten, die Tiere und Menschen befallen können (Zoonosen). Außerdem sind diese Einzeller übertragbar - über die Erde (z. B. bei der Gartenarbeit), Beispiele: Tollwut, Toxoplasmose (übertragen durch Parasiten, vgl. 4.1.4) sowie Psittakose (Papageienkrankheit). - über die Nahrungskette durch rohe Eier und Fleisch (z. B. Mett und Geflügel) und Rohmilchprodukte. c) der Erdboden hier ist z. B. der Erreger des Tetanus (das Bakterium Clostridium tetani vgl. 4.1.2), auch Wundstarrkrampf genannt, eine häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Diese befällt die Muskel steuernden Nervenzellen. Die resistenten Sporen des Bakteriums kommen überall vor, - auch im Straßenstaub oder in der Gartenerde. Die Infektion erfolgt durch das Eindringen der Sporen in Wunden. Das Bakterium vermehrt sich und sondert Giftstoffe (Toxine) ab: Das Toxin Tetanospasmin verursacht 1 (Borrelia spec. = eine Gruppe relativ großer, schraubenförmiger Bakterien aus der Gruppe der Spirochäten, werden von Tieren auf den Menschen übertragen; benannt nach Amédé Borrel, einem Bakteriologen aus Straßburg, der von 1867 1937 lebte) Seite 10

Lähmungen und Muskelkrämpfe. Außerdem schädigt es das Herz. Andere Bakterien und Pilze (vgl. 4.1.3.) z.b. in Blumenerde können schwere Lungenentzündungen hervorrufen, wenn sie über eine Wunde in den Menschen gelangen. Achtung: Deshalb sind in Räumen, in denen Patienten behandelt werden, Grünpflanzen verboten (aber nicht im Wartezimmer)! d) ein natürliches Gewässer Hier kommen u. a. Legionellen (Legionella pneumophila, eine die Atemwege infizierende bakterielle Erkrankung / vgl. 4.1.1) oder die Wurmkrankheit Bilharziose bzw. Schistosomiasis vor. Diese wird besonders in warmen Binnengewässern durch Schnecken als Zwischenwirt verbreitet. Sie tragen den Pärchenegel (Schistosoma) mit sich, eine 1-2 cm lange Saugwürmergattung. Deren Larven wiederum dringen im damit verseuchten Wasser beim Kontakt durch die Haut des Menschen und wandern über Lymph- und Blutgefäße in die Leber, wo sie sich weiterentwickeln. Dann verbreiten sie sich über die Venen vor allem in Harnblase, Darm, Leber, Lunge und Gehirn aus. Eine Infektion von Mensch zu Mensch ist ausgeschlossen. Schistosoma haematobium ist somit der Erreger der Blasenbilharziose, bei der Harnwege und Blase befallen sind. Im Gegensatz hierzu verursachen die S. mansoni, S. intercalatum, S. japonicum und S. mekongi einen Darmbefall. 4.1. Infektiöse Krankheiten Eine Infektionskrankheit ist eine durch Erreger hervorgerufene Erkrankung. Es gibt verschiedene Art und Weisen, wie der Erreger von der Quelle zum Infizierten gelangt. Ein infizierter Organismus wird in der Regel ebenfalls zur Infektionsquelle und kann wiederum andere infizieren. Es entsteht also eine Infektkette. Doch zunächst die Hauptarten und Unterscheidungen der Infektionen: Hauptarten von Infektionen Primärinfektion Sekundärinfektion Erstinfektion, d. h. der erste Kontakt eines Organismus mit einem Erreger eine Erregerübertragung, die nach Erstinfektion zusätzlich und mit anderen Erregern erfolgt Superinfektion Hier kommt beispielsweise zu einem die Krankheit erzeugenden Virusinfekt eine zweite, nunmehr bakterielle Infektion hinzu. Doppelinfektion gleichzeitiger Infekt mit zwei unterschiedlichen Erregern Seite 11

Unterscheidungen nach Herkunft der Erreger endogene Infektion exogene Infektion nosokomiale Infektion iatrogene Infektion bei geschwächtem Immunsystem durch die körpereigene, normalerweise völlig harmlose Flora 2 in Form eines Erregereinbruchs, wie z. B. eine Wundinfektion durch eigene Kolibakterien. durch Erreger aus der Umgebung, wobei es die Tröpfcheninfektion (z. B. durch Niesen), die Kontakt- oder Schmierinfektion (wie bei grober Vernachlässigung der allgemeinen Hygiene, z. B. Infektionsübertragung durch Fäkalien und andere Ausscheidungen), die Infektion durch den Austausch von Körperflüssigkeit oder über Blut saugende Insekten gibt; die über das Keimspektrum im Krankenhaus, in Arztpraxis oder einer anderen medizinischen Einrichtung erworben wird durch unbeabsichtigtes Einbringen von Erregern bei medizinischen Eingriffen wie z. B. durch Katheder, Intubation, Endoskopie und intravenöse Injektionen. Unterscheidung nach Übertragbarkeit der Erreger Direkte Infektion Indirekte Infektion durch Hautkontakt von Mensch zu Mensch oder zu infiziertem Tier, was sehr viele Infektionskrankheiten betrifft. vom ursprünglichen Träger (Wirt genannt) mittels verschiedener Überträger, wie durch die Luft (aerogene Infektion), durch Insekten, Wasser, Nahrung, Gegenstände. Von besonderer Bedeutung im medizinischen Bereich (vgl. 3.) sind Probematerial von Patienten (Harn, Blut, Stuhl, Abstrich/Schleimhaut) und benutzte Instrumente (Kanülen, Abnahmeröhrchen, Skalpelle, Scheren etc.) 2 die Gesamtheit der natürlich vorkommenden Bakterien in einem Körperorgan, z. B. Darmflora Seite 12

Eintrittspforte der Erreger Darunter ist der Ort und die Art des Eindringens von Erregern in den Organismus zu verstehen. Das geschieht als... enterale Infektion über den Darm parenterale Infektion über die Haut (perkutan) selten bzw. nur bei intensivem oder massivem Kontakt mit dem Erreger, beispielsweise bei Pilzerkrankungen oder der Krätzmilbe über Schleimhäute (permukös) Durchfallerkrankungen über Atemwege (inhalativ) Erkältungskrankheiten und die so genannten Kinderkrankheiten über Harnwege (urogenital) z. B. Trichomonaden (Trichomonas vaginalis) ist ein parasitisch vorkommendes Protozoon im Genitalbereich des Menschen. Diese Infektion ist somit auch permukös und genital zu nennen, denn sie befällt sowohl die weiblichen wie die männlichen Geschlechtsorgane und Harnwege über Geschlechtsorgane (genital) die klassischen Geschlechtskrankheiten wie Syphilis, Gonorrhoe, AIDS, Herpes, Weicher Schanker (Ulcus molle) etc. bei Schwangerschaft (transplacentar/ intrauterin) in den ungeborenen Kindeskörper. Außerdem können sehr gefährliche Krankheitserreger über Wunden und/oder bei Stichund Schnittverletzungen durch scharfe infizierte Gegenstände in den Körper eindringen. Seite 13

4.1.1 Viren und Bakterien Viren Viren sind die kleinsten Krankheitserreger und daher im Lichtmikroskop nicht sichtbar, sondern nur im Elektronenmikroskop. Entsprechend beschäftigt sich die medizinisch, mikrobiologisch und molekularbiologisch bzw. molekulargenetisch 3 ausgerichtete Wissenschaft (Virologie) mit den Eigenschaften und der Vermehrung von Viren sowie mit der Prävention und Behandlung von Viruserkrankungen. Dabei wird aktuell auch verstärkt an Möglichkeiten geforscht, bei denen Viren zur Heilung von Krankheiten eingesetzt werden könnten, wie zur Bekämpfung von Tumoren. Das Virus umgangssprachlich auch der Virus ist zwischen 10 bis 400 nm winzig (1 nm = 1 milliardstel Meter). Die Ausnahme bilden Pockenviren, die unter dem Lichtmikroskop als kleine Partikel erkennbar sind. Für Untersuchungen können Viren nicht auf normalen Nährböden, sondern nur in Zellkulturen oder in Hühnereiern vermehrt werden. Viren stellen Fremdbestandteile in Zellen von Lebewesen ( Wirtszellen ) dar. Sie sind Nukleinsäuren, also eigene Erbsubstanzen 4. Die unbeweglichen Viren sind von einer Eiweißhülle, einige zusätzlich von einer Fetthülle umgeben. Zur Vermehrung müssen sie in eine Wirtszelle eindringen, sie sind demnach intrazelluläre Parasiten (vgl. 4.1.4). Viren sind vollständig von der lebenden fremden Zelle abhängig, da sie keinen eigenen Stoffwechsel haben. In der mikrobiologischen Wissenschaft gibt es daher einen jahrzehntelangen Streit darüber, ob Viren eigene Lebewesen sind oder nicht. Viele Virenarten legen sich also zusätzlich eine Lipidhülle (= Fettsäure) zu. Dieser Stoff stammt von der Wirtszelle und dient zur Tarnung vor dem Immunsystem. Solche Viren, die bis zum Beginn der Vermehrungsphase in der Wirtszelle eine solche Lipoproteinhülle aufweisen, werden behüllt genannt. Umhüllte Viren Umhüllte Viren sind besser geeignet, chronische oder latente Infektionen hervorzurufen (wie z. B. HIV, Hepatitis B, C, D, oder Herpes). Sie werden aber leicht deaktiviert, wenn die Hülle austrocknet oder chemisch durch Seife oder Gallensäuren angegriffen wird. Deshalb werden umhüllte Viren meist durch Tröpfcheninfektion übertragen und infizieren dann den Atemtrakt. Manche erzeugen von dort aus auch eine zyklische Allgemeininfektion (Masern, Mumps, Röteln, Ringelröteln, Drei-Tage-Fieber, Windpocken). Andere wiederum werden nur durch mehr oder weniger direkten Blutkontakt übertragen. Dabei spielt dann auch die Replikationsrate eines Virus (Viruslast), also die Zahl der Kopien pro Milliliter Blut, eine Rolle. Das Hepatitis-B-Virus ist ein sehr stark replizierendes 3 (das Molekül = kleinste Einheit einer chemischen Verbindung) 4 (Desoxyribon / DNA oder Ribo / RNA) Seite 14

Virus, hier können Blutspritzer auf der scheinbar intakten Haut genügen, um in den Körper einzudringen. HIV wird hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen. Beim Hepatitis-C-Virus dagegen ist selbst das sehr selten. Es wird unter anderem durch infizierte Spritzen übertragen. Unbehüllte Viren Unbehüllte Viren können sehr umweltstabil sein und sowohl Austrocknung als auch Desinfektionsmittel überstehen. Hygienische Maßnahmen, wie beispielsweise Händewaschen oder Putzen, dienen hier eher dazu, möglichst viele Viren wegzuschwemmen. Teilweise lässt sich Übertragung innerhalb eines Haushalts aber kaum vermeiden. Hüllenlose Viren werden deshalb leicht per Kontakt- bzw. Schmierinfektion übertragen und infizieren den Darm. Sie bleiben aber nicht chronisch. Virionen Es gibt auch Teilchen von bestimmten Viren, die sich außerhalb von Zellen befinden. Das sind Virionen. Diese sind noch kleiner als die eigentlichen Viren. Virionen bestehen aus einem Nukleinsäuremolekül, das von einer Proteinhülle (Kapsid) umgeben ist. Unterscheidbare Variationen von Viren nennt man Serotypen. Virusbezeichnungen Der offizielle internationale, wissenschaftliche Name eines Virus ist englischsprachig, wie z.b. Lagos bat virus (LBV). Die Abkürzungen werden jeweils unverändert auch im Deutschen verwendet. Folgerichtig lautet die gekürzte deutsche Virusbezeichnung für das Lagos-Fledermaus-Virus ebenfalls LBV. In der deutschen Sprache werden die Namen der einzelnen Virusarten immer mit Bindestrich geschrieben, also West-Nil-Virus, Hepatitis-C- Virus, Humanes-Herpes-Virus, Europäisches-Fledermaus-Lyssa-Virus etc. Zusätzliche Nummern bei einzelnen Untergruppen von Virustypen werden im Englischen wie im Deutschen nicht mit Bindestrich angebunden, also wie bei Europäisches-Fledermaus- Lyssa-Virus 1 (EBLV 1), Herpes-simplex-Virus 1 (HSV 1), Humanes-Herpes-Virus 1 (HHV 1) etc. Seite 15

Krankheiten durch Viren Dazu zählen zum Beispiel die so genannten Kinderkrankheiten: Masern Mumps Windpocken Röteln (Morbilli), (Parotitis epidemica, Salivitis epidemica = Ziegenpeter) (Varizellen) (Rubella) Achtung! Eine Rötelinfektion bei Erwachsenen kann sehr schwerwiegend sein; bei einer Schwangeren kommt es meist sogar beim Kind im Mutterleib zu Missbildungen. Grippe Erkältungen Herpes und Gürtelrose (Influenza) (Katarrh) (Zoster) Kinderlähmung (Poliomyelitis) 5 Tollwut Gehirnhautentzündung Leberentzündungen (Rabies) (Enzephalitis) (Hepatitis) Hepatitis A entsteht durch verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel (z. B. Muscheln); verläuft nie chronisch und heilt meist ohne ernsthafte Komplikationen aus. Hepatitis B ist in 90 % der Fälle akut, aber auch chronischer Verlauf. Mit weltweit rund 350 Millionen Menschen ist Hepatitis B die häufigste Virusinfektion. Nach medizinwissenschaftlicher Hochrechnung sind bei etwa einem Drittel der Weltbevölkerung als Zeichen einer überstandenen HBV-Infektion Antikörper nachweisbar. Die Therapie einer chronischen HBV ist nur eingeschränkt möglich, daher vorbeugende Impfung wichtig! 5 Polio - oder auch Heine-Medin-Krankheit ist eine Infektionskrankheit, die bei Ungeimpften die muskelsteuernden Nervenzellen des Rückenmarks befällt und zu bleibenden Lähmungen bis hin zum Tod führen kann. Überwiegend sind Kinder im Alter zwischen drei und acht Jahren betroffen. Seite 16

Hepatitis C Besonders die Therapie der Hepatitis C ist langwierig; neue, direkt antiviral wirkende Medikamente sollen - laut der medizinischen Zeitschrift Forschung und Praxis 6 von 2009 an am Markt sein. Hepatitis D kommt ausschließlich bei Menschen mit bereits vorliegender B-Infektion vor. Eine Impfung bzw. Therapie gegen HBV ist gleichzeitig gegen D wirksam. Hepatitis E kommt vor allem im asiatischen Raum infolge von Überschwemmungen vor, auch epidemisch. Wird durch Wasser übertragen. Reservoir des Virus können auch Tiere sein. In unseren Breitengraden erscheint sie nur vereinzelt als importierte Reisekrankheit. Im Zusammenhang mit Wasser als Infektionsherd ist auch das Ebola- Virus zu erwähnen, benannt nach dem afrikanischen Fluss, an dem es erstmals aufgetreten ist. Diese Viren, von denen es vier Stämme gibt, lösen hämorrhagisches - also mit Blutungen einhergehendes - Fieber aus. Mehr als die Hälfte der Erkrankten sterben daran. Folgende Krankheiten haben wegen ihres hohen Infektionsrisikos besondere Bedeutung für das Personal in der medizinischen Praxis: Hepatitis B AIDS/HIV Es wird die Schutzimpfung für Arzthelferinnen dringend empfohlen! Hohes Infektionsrisiko für Personal. Keine Impfung möglich. Vorsorgeund Schutzvorschriften in der Praxis dringend beachten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht in ihren jüngsten Berechnungen davon aus, dass Aids ab dem Jahr 2030 die weltweit häufigste tödliche Infektionskrankheit sein wird. Jährlich werden dann rund 6,5 Millionen Menschen in Folge der Immunschwäche-Krankheit sterben, falls inzwischen keine Impfmöglichkeit dagegen gefunden wird. 6 (Nr. 442/Nov.2006) Seite 17

Da Viren bzw. Vironen wie bereits beschrieben - im Gegensatz zu Bakterien keine Zellen sind, können sie auch nicht wie Bakterien abgetötet werden. Es ist nur möglich, eine virale Infektion und die Virusvermehrung zu behindern oder zu verhindern. Therapeutisch werden z. B. Virostatika eingesetzt. Das sind Medikamente, mit denen die Viren-Vermehrung gehemmt wird. Sie wirken aber nur im Anfangsstadium einer Infektion. Bei chronischer Hepatitis B ist eine Heilung nur selten. Hier muss langfristig mit verschiedenen Medikamenten 7 antiviral therapiert werden, um das Risiko von Leberzirrhose und Leberkrebs zu verhindern. Bakterien Bakterien wurden erstmals vor 330 Jahren (1676) vom niederländischen Wissenschaftler Antoni van Leeuwenhoek beobachtet. Er gilt als Erfinder des Mikroskops. Mit einem von ihm gebauten mikroskopischen Instrument entdeckte er Bakterien in Gewässern und im Speichel des Menschen. Die Bakterien bilden eine der Grundlagen, in die alle Lebewesen eingeteilt sind. Der Begriff Bakterium stammt aus dem Altgriechischen (Bakterion = Stäbchen). Bakterien sind einzellige Organismen, die keinen Zellkern besitzen (die Erbsubstanz liegt also frei). Sie kommen in unterschiedlichen Formen vor: 1. kugelförmig (Kokken) 2. stäbchenförmig (Bazillen, Corynebakterien etc.) 3. kommaförmig ( Kurze Schrauben ) 4. schraubenförmig (Spirillen = starr; Spirochäten = beweglich, Leptospiren = dünne Spiralen) Wie bereits angemerkt, sind die meisten Bakterien zwar wesentlich größer als Viren, aber kleiner als z. B. menschliche Zellen. Unter dem Mikroskop sind sie schwer zu erkennen und können durch Anfärben der Proben besser sichtbar gemacht werden. Dieses Verfahren mit blauer und roter Farbe heißt Gram-Färbung: gram-positivebakterien erscheinen nach dem Anfärben dunkelblau, - das bedeutet, dass diese eine dicke Zellwand haben und empfindlich sind gegenüber Penicillin das ist die älteste Antibiotika-Gruppe - können also damit gut bekämpft werden. gram-negative Bakterien werden nach der Färbung hellrot, haben eine dünne Zellwand und sich widerstandsfähiger. Einige Bakterien kapseln sich ein und bilden Sporen, z. B. die Erreger des Wundstarrkrampfes. Solche Sporen, die sich aktivieren und wiederum vermehrungsfähige Bakterien freisetzen, sind ziemlich resistent gegenüber Desinfektionsmitteln und Sterilisationsverfahren. 7 ganz neu und wirksam ist das Arzneimittel Entecavir - Ärztezeitung v. 6.11.2006 Seite 18

Insgesamt gibt es nach aktuellen Schätzungen der Wissenschaft aus dem Jahr 2006 rund zwei Millionen Bakterienarten. Mindestens 95 % aller Arten gelten dabei aber als noch nicht entdeckt. Die Bakterien leben einzeln oder eher in lockeren Verbänden. Die meisten Bakterien sind für den Menschen ungefährlich, viele sind sogar nützlich und nur relativ wenige Arten sind echte Krankheitserreger. Das ist dann der Fall, wenn Bakterien giftige Stoffe (Toxine) bilden, die im menschlichen Körper nicht vorkommen. Die Folge ist eine bakterielle Infektion mit entsprechenden Krankheitszeichen. Jüngere Beispiele für hilfreiche Bakterien sind solche, die als Prävention neuerdings gegen die Malaria (vgl. 4.1.2) eingesetzt werden. Im afrikanischen Uganda töten in die Gewässer gesetzte Bakterien die Larven der Anopheles-Mücke ab, des Überträgers der Malaria. Die spezielle Bakterienart ist zudem umweltfreundlich, denn es wird das Versprühen von hochgiftigem DDT zur Mückenbekämpfung vermieden. Die beiden Gruppen der produzierten bakteriellen Gifte sind Exotoxine Endotoxine Diese werden von den lebenden Bakterienzellen an die Umgebung abgegeben Solche bleiben im Inneren der Bakterienzelle und befreien sich nur, wenn das Bakterium abstirbt oder zerplatzt. Wenn also sehr viele Bakterien gleichzeitig absterben, wird sehr viel Gift freigesetzt. Nur wenige Beispiele für bakterielle Krankheiten und deren Erreger: Angina und Scharlach (Streptokokken) Durchfallerkrankungen, wie durch Lebensmittelvergiftungen (u. a. Pseudomonas-Arten, Colibakterien, Staphylokokken, Salmonellen) Erkältungen (Haemophilus influenca) Hirnhautentzündung (u. a. Meningokokken, Salmonellen, Pneumokokken) Keuchhusten (Bordetella pertussis) Magengeschwüre (Helicobacter pylori) Tuberkulose (Mycobacterium tubercolosis) SAMSTAG 17./18. NOVEMBER 2006 FUNDSACHE Weiße Mäuse als IOlympia-Vorkoster Zum Organisationsteam der Olympischen Spiele 2008 in Peking werden auch weiße Mäuse gehören. Sie sollen als Vorkoster fungieren, um die Athleten aus aller Welt vor Nahrungsmittelvergiftungen zu schützep, meldet BBC oniine. Mangelnde Hygiene bei der Handhabung und der Verteilung von Nahrungsmitteln führe in China sehr häufig zu Nahrungsmittelvergiftungen. Deshalb will die Gesundheitsbehörde in Peking die Mäuse Milch, Alkohol, Salat, Reis, Öl und Gewürze testen lassen. Die Nager reagierten schon innerhalb von 17 Stunden auf verdorbene Nahrung, Labortests dauerten viel länger, so die chinesischen Experten. Alles, was in den Olympia-Küchen vorbereitet wird, bekommen die weißen Mäuse einen Tag, bevor es den Athleten vorgesetzt wird. So könnten verdorbene oder vergiftete Nahrungsmittel rechtzeitig aufgespürt und aus dem Verkehr gezogen werden. Außerdem werden die Küchen 24 Stunden überwacht werden. (ug) Seite 19