1 "Gesundheitsökonomie vs. Sozialmedizin Perspektive Sozialmedizin "Wie viel Ökonomisierung verträgt ein solidarisches Gesundheitssystem? DGSMP Kongress 2012 - Nachwuchsworkshop Dorothea Thomas Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, OvGU Young Lions Gesundheitsparlament
2 Sozialmedizin Analyse, Interpretation und Weiterentwicklung des Wissens über Wechselwirkungen, Faktoren, Risiken und Determinanten von Gesundheit, Krankheit und gesellschaftlichen Tatbeständen, sowie der Organisationen und Strukturen des Sozial- und Gesundheitswesens Ziel: Umfassende medizinische und gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung durch Vernetzung, Interdisziplinarität, Wissenschaftlichkeit Teilgebiete: Prävention, Arbeitsmedizin, Epidemiologie, Gesundheitswissenschaften, Gesundheitsökonomie, Soziologie
3 Gesundheitsökonomie Produktion und Verteilung von knappen Gesundheitsgütern Medizinische Wirksamkeit ( Gesundheits... ) und Wirtschaftlichkeit (...ökonomie ) wird erweitert durch die Qualität von Gesundheitsversorgung und die gerechte Verwendung von Gesundheitsgütern Methoden der gesundheitsökonomischen Evaluation - Nutzen/ Nutzwert: monetäre Größen, medizinische und epidemiologische Outcome-Einheiten wie gewonnene (symptomfreie) Tage/Jahr, Anzahl an vermiedenen Tumoren, QALY - Direkte Kosten = Versorgungskosten (ambulant, stationär, öffentlich, Arzneimittel, Reha, Pflege usw.) - Indirekte Kosten = Arbeitsunfähigkeit, verminderte Produktivität/ Erwerbsfähigkeit, vorzeitiger Tod, Krankheitstage usw. - Intangible Kosten = Stigmatisierung, Angst, Schmerz usw. Teilgebiete: VWL, BWL, Versicherungslehre, Recht, Medizin, Gesundheitswissenschaften, Statistik
4 Gesundheitsökonomie & Sozialmedizin Gesundheitsbezogene Ziele: - Verbesserung der Lebenserwartung - Senkung der Morbidität, Mortalität und Behinderungslast - Verbesserung der gesundheitsabhängigen Lebensqualität - Verringerung gesundheitsspezifischer sozialer Ungleichheiten - Qualitätsverbesserung - Wettbewerbsfähigkeit erhöhen Häufig bilden jedoch andere Orientierungen die Grundlage der Zielformulierung, z.b.: - Versorgungsniveau (Ärztedichte, Krankenhausbettendichte etc.) - Wirtschaftlichkeit (Beitrags- und Steuerlast, Standortproblematik) - Politische Kompromisse (Partei-, Standes- und Industrieinteressen)
5 Gesundheitsökonomie & Sozialmedizin Segmentierung des Gesundheitswesens: Föderalismus (Bund, Land, Kommunen) Pluralismus der Trägerschaft (öffentlich, frei-gemeinnützig, privat) Sektoralisierung der Funktion (ambulanter und stationärer Sektor, Reha- und Pflege- Sektor, öffentlicher Gesundheitsdienst) Sektorübergreifende Zusammenarbeit und Kooperation!!! Handeln richtet sich nach Alters- und Geschlechtsaufbau und Entwicklung der Menschen (Demographie!) sowie Häufigkeit und Verteilung der wichtigsten Volkskrankheiten
6 Gesamte Krankheitskosten 2006 Krankheiten Kosten (2006, männl. & weibl.) Krankheiten des Kreislaufsystems Krankheiten des Verdauungssystems Psychische und Verhaltensstörungen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems & Bindegewebes Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten Krankheiten des Atmungssystems Verletzungen, Vergiftungen und Folgen äußerer Ursachen Krankheiten des Nervensystems Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde Krankheiten des Urogenitalsystems Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen Infektionen und parasitäre Krankheiten usw. Gesamte Krankheitskosten 35,2 Mill. Euro 32,7 Mill. Euro 26,7 Mill. Euro 26,6 Mill. Euro 12,6 Mill. Euro 12,0 Mill. Euro 11,5 Mill. Euro 11,4 Mill. Euro 11,2 Mill. Euro 8,8 Mill. Euro 6,5 Mill. Euro 6,5 Mill. Euro 4,0 Mill. Euro 233,5 Mill. Euro Quelle: Statistisches Bundesamt
7 Krankheitskosten 2006 pro Einwohner nach Altersgruppen und Geschlecht (Durchschnittskosten über alle Altersgruppen pro Jahr) Quelle: Statistisches Bundesamt
8 Demographischer Wandel Altersaufbau der Bevölkerung. Altersgruppen je 100 Einwohner Quelle: Statistisches Bundesamt
9 Prozentuale Zunahme Erkrankter pro 100.000 Einwohner für ausgewählte Krankheiten von 2007 bis 2050 Annahmen: Alters- u. geschlechtsspezifische Inzidenzund Prävalenzraten für Tracer-Diagnosen wurden für Dtl. ermittelt (Literaturrecherche) und hochgerechnet Erkrankungswahrscheinlichkeit an best. Diagnose zu erkranken bleibt im zeitlichen Verlauf konstant Konst. Geburtenrate 1,4 Kinder pro Frau Geringe Steigerung der Lebenserwartung Zuwanderung von 100.000 Menschen pro Jahr (Wanderungssaldo) = Status-quo-Prinzip (bis auf Zusammensetzung der Bevölkerung ändert sich keine andere Variable) Quelle: Demographischer Wandel und Krankheitshäufigkeiten, Peters et al. 2010
10 Erkrankte in Prozent der Gesamtbevölkerung für ausgewählte Krankheiten 2007 und 2050 Quelle: Demographischer Wandel und Krankheitshäufigkeiten, Peters et al. 2010
11 Gesundheitsökonomie vs. Sozialmedizin Bei konstanten absoluten Fallzahlen nimmt die Krankheitslast der Bevölkerung zu (relative Fallzahlen), da sich der Anteil erkrankter Personen an der Bevölkerung erhöht! Häufigkeit von chronischen, kostenintensiven und oft alters-spezifischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Demenz, Schlaganfälle, Krebs, Arthrose, Niereninsuffizienz etc. und ihre Folgeerkrankungen steigt (Multimorbidität!!) Genauigkeit von Prognosen über Inzidenz- und Prävalenzraten: keine Vorhersehbarkeit des Einflusses von vielen unbekannten und kaum abzuschätzenden Determinanten und Wechselwirkungen im komplexen System des Gesundheitswesens möglich - Pharmakologischer, medizinischer und technischer Fortschritt - Gesellschaftliche, soziale und politische Entscheidungen - Präventionspotenziale - Umwelt- und Risikofaktoren (z.b. Klimawandel, Globalisierung, Radonbelastung) - Diagnoseverfahren, Krankheitsdefinitionen usw. - Wirtschaftliche Entwicklung (Pro-Kopf-Einkommen, BIP, usw.)
12 Gesundheitsökonomie vs. Sozialmedizin Abschätzungen von Krankheitshäufigkeiten bei steigender Lebenserwartung - Expansionstheorie für chronische Krankheiten - Kompressionstheorie für akute, schnell zum Tode führende Krankheiten Erkrankungswahrscheinlichkeit zeigt für viele Krankheiten - Alters- und Sozialgradienten (z.b. Lebensstilfaktoren) - Geschlechtsunterschiede - Regionale Abhängigkeiten (z.b. med. Versorgung, Umwelt- und Lebensbedingungen) Demographischer Wandel hat hohe volkswirtschaftliche, gesundheitsökonomische und sozialmedizinische Bedeutung!!! Ziele: - Arbeitsunfähigkeit, Renteneintritt und Pflegebedürftigkeit vermeiden/ herausschieben - Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung fördern - Risikofaktoren und Bedarf analysieren/ bewerten - Wettbewerb, Qualitätssicherung, Basisversorgung & Prävention stärken
13 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!