Herabsetzung und Befristung von Krankenvorsorgeunterhalt von Bei Scheidung einer Beamtenehe stellt sich regelmäßig das Problem der zusätzlichen Kosten für die Krankenversicherung, wenn ein Ehegatte über den anderen durch Beihilfe und ergänzender privater Krankenversicherung abgesichert ist. Dieses Versicherungssystem hat nach rechtskräftiger Scheidung erhebliche finanzielle Folgen: Die Mitversicherung in der Beihilfe endet nach der Beihilfeverordnung mit Scheidung. Es verbleibt daher nur die Absicherung durch die private Krankenversicherung von in der Regel 30 %. Die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung liegen in vielen Fällen nicht vor, insbesondere wenn nach der Scheidung keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen wird, so dass ein Beitritt in die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich ist. Es bleibt dann letztlich nur die Alternative, die private Krankenversicherung auf 100 % aufzustocken. Insbesondere im fortgeschrittenen Alter kann dies mit erheblichen Kosten verbunden sein. Diese Problematik wurde durch die Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung zum 01.01.2009 entschärft. Sein Leistungskatalog orientiert sich an der gesetzlichen Versicherung, der Beitrag ist auf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung, der derzeit bei rund 580 liegt, begrenzt. Welche Kosten der unterhaltsberechtigte Ehegatte in einem solchen Fall ersetzt verlangen kann, hatte das OLG Oldenburg in seinem Urteil vom 26.11.2009 zu entscheiden. Dr. Hellmut Nonnenmacher Dr. Walter Martin Arno Stengel Harald Federle Thomas Hess Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Stefan Wahlen Fachanwalt für Verwaltungsrecht Fachanwalt für Arbeitsrecht Karlheinz Linke Hannes Linke Fachanwalt für Strafrecht Dr. Stefan Jäger Fachanwalt für Sozialrecht Stefan Neumann Diplom Finanzwirt (FH) Fachanwalt für Steuerrecht Nicolai Funk Fachanwalt für Familienrecht Fachanwalt für Erbrecht zert. Testamentsvollstrecker (AGT) Susanne Bellemann-Ruppel Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz Heiko Graß Fachanwalt für Insolvenzrecht Peter Sennekamp Andrea Kleinhans Wendtstraße 17 76185 Karlsruhe Telefon 0721 / 98522-0 Telefax 0721 / 98522-50 e-mail: rechtsanwaelte@ nonnenmacher.de www.nonnenmacher.de Seite 1 von 6
I. Objektive Darstellung der Rechtslage 1. Der Anspruch auf Krankenvorsorgeunterhalt nach 1578 Abs. 2 BGB Das Maß des Unterhalts bestimmt sich gemäß 1578 Abs. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen und umfasst den gesamten Lebensbedarf. Zum Lebensbedarf gehören gemäß 1578 Abs. 2 BGB auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit. Voraussetzung für die Gewährung von Krankenvorsorgeunterhalt ist daher, dass einer der Unterhaltstatbestände ( 1570-1576 BGB) einschlägig ist. Der Krankenvorsorgeunterhalt steht hierbei gleichrangig neben dem Elementarunterhalt 1. Die Höhe richtet sich grundsätzlich nach den bereits während des Zusammenlebens angefallenen Kosten bzw. bei Neuversicherung nach den Kosten einer entsprechenden Krankenversicherung 2. Kann sich der Berechtigte nicht gesetzlich versichern lassen, erstreckt sich die Höhe des Krankenvorsorgeunterhalts auf die Kosten einer Privatversicherung einschließlich eines eventuell anfallenden Risikozuschlags 3. 2. Die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs gemäß 1578 b BGB Zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach 1578 b BGB hat sich bereits eine umfangreiche Kasuistik zu den einzelnen Unterhaltstatbeständen gebildet 4. Den ehebedingten Nachteilen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu: Bei fortwirkenden ehebedingten Nachteilen soll eine Begrenzung bzw. Wegfall des Unterhaltsanspruchs grundsätzlich nicht in Betracht kommen. 1 BGH, Urt. v. 07.12.1988 IVb ZR 23/88 FamRZ 1989, 483. 2 BGH, Urt. v. 08.06.1988 IVb ZR 68/87 - FamRZ 1988, 1145. 3 BGH, Urt. v. 06.07.2005 XII ZR 145/03 - FamRZ 2005, 1897. 4 vgl. die ausführliche Darstellung von Langheim, FamRZ 2010, 409. Seite 2 von 6
Aber auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen ist dem unterhaltsberechtigten Ehegatten ein sofortiger Wegfall des Unterhaltsanspruchs mit Rechtskraft der Scheidung grundsätzlich nicht zuzumuten, vielmehr soll ihm eine gewisse Übergangszeit zustehen, in der er sich auf die neue Lebenssituation einstellen kann 5. 1578 b BGB beschränkt sich nämlich bereits nach dem Wortlaut ( insbesondere ) nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität 6. Daneben spielt die Ehedauer eine nicht ganz unbedeutende Rolle 7. 3. Entscheidung des OLG Oldenburg vom 26.11.2009 (14 UF 114/09) In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt schloss das Ehepaar im Jahr 1980 die Ehe. Seit 2002 lebten sie getrennt, im Jahre 2009 ließ sich das Ehepaar nach 29 Jahren Ehe scheiden. Das Paar hat eine bereits erwachsene, im Jahre 1980 geborene Tochter. Die unterhaltsbegehrende Ehefrau ist seit 1984 erwerbsunfähig und bezieht eine Rente in Höhe von 830. Während der Ehezeit war sie über ihren Ehemann in der Beihilfe und ergänzend privat krankenversichert. Das unterhaltsrelevante Einkommen des Ehemannes beträgt 2.600. Die Ehefrau muss für einen der Ehe vergleichbaren Versicherungsschutz in der privaten Krankenversicherung einschließlich Risikozuschlag einen monatlichen Beitrag von rund 1.200 aufbringen. Das Amtsgericht hat ihr die Zahlung dieses Betrags zugesprochen, insbesondere müsse sie sich nicht auf den Basistarif verweisen lassen. Das OLG Oldenburg hat zunächst betont, dass der Anspruch auf Krankenvorsorgeunterhalt isoliert geltend gemacht werden kann, also auch dann, wenn der Anspruch auf Elementarunterhalt mangels Bedürftigkeit entfällt 8. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 12.09.2008 5 WF 62/08 FamRZ 2009, 347. 6 BGH, Urt. v. 17.02.2010 XII ZR 140/08; BGH, Urt. v. 27.05.2009 XII ZR 111/08 FamRZ 2009, 1207; BGH, Urt. v. 26.11.2008 XII ZR 131/07 FamRZ 2009, 406. 7 Langheim, FamRZ 2010, 409, Rechtsprechungsübersicht unter Fn. 78. 8 OLG Frankfurt, Urt. v. 19.12.1991 1 UF 84/91 - FamRZ 1992, 823. Seite 3 von 6
Der Senat hat diesen Krankenvorsorgeunterhalt aber bereits ab Rechtskraft der Scheidung entsprechend den Kosten für den Basistarif auf 500 reduziert, nach 2 ½ Jahren auf 250 herabgesetzt sowie nach weiteren 6 Jahren gänzlich entfallen lassen. Nach Auffassung des Senats ist es zweifelhaft, ob der nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessene Bedarf stets die Beibehaltung eines Versicherungsschutzes rechtfertigt, der unter völlig anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen begründet worden ist und sich nach der Scheidung nur noch mit einem übermäßig hohen Kostenaufwand aufrechterhalten lässt. Jedenfalls entsprechen diese Kosten aber nicht dem gemäß 1578 b BGB ab rechtskräftiger Scheidung zugrunde zu legenden angemessenen Lebensbedarf der unterhaltsberechtigten Frau, sondern sind vielmehr auf die Höhe des Basistarifs herabzusetzen, da die fortdauernde Belastung des Unterhaltspflichtigen mit einem an den bisherigen Lebensverhältnissen orientierten Vorsorgebedarf unbillig ist. Als weitere Kriterien für eine sofortige Begrenzung des Unterhalts hat der Senat angeführt, dass die Erkrankung in keinem Zusammenhang mit der Ehe steht und der Ehemann den Scheidungsantrag erst mit großer zeitlicher Verzögerung gestellt hat, um der Ehefrau eine Umstellung der Krankenversicherung zu ermöglichen. Die Herabsetzung des Vorsorgeunterhalts auf die Hälfte nach 2 ½ Jahren sowie auf Null nach weiteren 6 Jahren begründet das OLG Oldenburg mit dem Eintritt des unterhaltspflichtigen Ehegatten in den Ruhestand und dem damit einhergehenden üblichen Einkommensrückgang sowie der Kürzung seiner Bezüge durch den Versorgungsausgleich. Eine (ungekürzte) Zahlungspflicht belastet den Ehegatten in unbilliger Weise. II. Rechtliche Würdigung Die Argumentation des OLG Oldenburg erscheint nur auf den ersten Blick überzeugend. Die Entscheidung orientiert sich jedoch letztlich an dem für angemessen erachteten - Ergebnis. Seite 4 von 6
a) Herabsetzung des Unterhalts nach 1578 b Abs. 1 BGB Das OLG Oldenburg bemisst den Vorsorgeunterhalt bereits mit Rechtskraft der Scheidung nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach 1578 Abs. 1 BGB, sondern begrenzt ihn ohne Übergangszeit auf den eheunabhängig angemessenen Bedarf nach 1578 b BGB. Der Senat argumentiert insbesondere mit der Unverhältnismäßigkeit der Kosten. Außerdem wäre die Ehefrau ohne Heirat aufgrund ihrer Erkrankung und damit einhergehenden Erwerbsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen, auf diesen Standard müsse sie sich nun wieder begeben. Da dies gesetzlich nicht möglich ist, sei ein vergleichbarer Standard zu wählen, der vorliegend in dem Basistarif der privaten Krankenversicherung bestehe. Bei dieser Entscheidung hat der Senat jedoch die nacheheliche Solidarität, die im Rahmen des Krankenunterhalts eine besondere Rolle spielt, weitgehend außer Betracht gelassen. So erkrankte die Ehefrau bereits zu Beginn der langjährigen Ehe, die Krankheit stellte somit über 20 Jahre lang einen Teil des gemeinsamen Lebens dar, sie hat die Ehe gewissermaßen geprägt. Zudem hat die Ehefrau trotz Krankheit die Betreuung des Kindes übernommen. Die nacheheliche Solidarität gebietet es daher, den Unterhaltsanspruch nicht sofort auf die Höhe des Basistarifs herabzusetzen. Zwar hat der Senat in seine Überlegungen mit eingestellt, dass der Ehemann bewusst die Scheidung verzögert hat, damit die Ehefrau so lange wie möglich von der Beihilfe des Ehemannes profitieren und sich gleichzeitig rechtzeitig auf die Situation einstellen kann. Dennoch ist auch bei einer langen Trennungsphase bei einer vor der Trennung langjährigen Ehe - wie hier 22 Jahre - eine sofortige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs als unbillig zu erachten 9. Es steht außer Frage, dass die Versicherungskosten im vorliegenden Fall für den Unterhaltspflichtigen eine erhebliche Belastung darstellen. Jedoch ist weder der Halbteilungsgrundsatz verletzt noch die Leistungsfähigkeit tangiert. 9 OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2005 7 UF 111/05 FamRZ 2006, 1040. Seite 5 von 6
b) Begrenzung des Unterhalts nach 1578 b Abs. 2 BGB Bei der stufenweisen Herabsetzung des Unterhalts auf Null hat das OLG Oldenburg nicht berücksichtigt, dass die Gattin, bedingt durch die Ehe, einen fortwirkenden Nachteil hat: Wäre sie nicht verheiratet gewesen, wäre sie durch ihre Erwerbstätigkeit und anschließender Erwerbsunfähigkeit gesetzlich versichert. Die Notwendigkeit zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung und die hierdurch ausgelösten Mehrkosten stellen einen fortwirkenden ehebedingten Nachteil dar 10. Diese Kosten (des Basistarifs) sind fortdauernd vom Pflichtigen zu tragen. Der übliche Einkommensrückgang beim Unterhaltspflichtigen mit Eintritt in den Ruhestand rechtfertigt entgegen der Auffassung des Senats keine Begrenzung des Unterhalts nach 1578 b BGB. Hier wäre vielmehr ein Abänderungsantrag nach 238 FamFG im Zeitpunkt des tatsächlichen Einkommensrückgangs zu stellen. Die Vorschrift des 1578 b BGB ist hingegen nicht geeignet, künftige, der Höhe nach unsichere Einkommensänderungen zu berücksichtigen. III. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung verdeutlicht, dass mit der Einführung des Basistarifs der unterhaltsberechtigten Partei bereits mit Rechtskraft der Scheidung abverlangt werden kann, sich auf diesen Standard entsprechend der gesetzlichen Krankenversicherung zu begeben, zumindest, wenn keine ehebedingten Nachteile bestehen. Eine klare Herausarbeitung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles wird vor diesem Hintergrund noch wichtiger. 10 OLG Hamm, Urt. v. 18.06.2009 2 UF 6/09 FamRZ 2009, 2098. Seite 6 von 6