Beteiligung und Beschwerde in der stationären Kinder- und Jugendhilfe Hinweise zu den gesetzlichen Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten

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Transkript:

und Beschwerde in der stationären Kinder- und Jugendhilfe Hinweise zu den gesetzlichen Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten Der Gesetzgeber hat mit dem Bundeskinderschutzgesetz den Schutz und die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen deutlich hervorgehoben. Der Partizipation und der offensiven Vermittlung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen wird heute eine zentrale Rolle für eine gewaltfreie Erziehung zu Eigenverantwortung und Selbstständigkeit beigemessen. Jungen Menschen werden durch ihr aktives Handeln Erfahrungen vermittelt, die über eine im Betreuungsalltag hinaus, positive Wirkungen für ihre weitere Lebensperspektive entfalten können. ist zudem ein wirksames Mittel, Missbrauch in Einrichtungen präventiv zu begegnen. (BAG- Landesjugendämter, 2009). Durch die Einbindung der zu schaffenden geeigneten Verfahren der und der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten in den 45 Abs. 2 Satz 3 sind die Träger von Einrichtungen nach 45 SGB VIII seit dem 01.01.2012 verpflichtet, geeignete Verfahren konzeptionell zu beschreiben und diese umzusetzen. Die Landesjugendämter Westfalen- Lippe und Rheinland sind als betriebserlaubniserteilende Behörden in NRW mit der Prüfung und Bewertung der von den Trägern vorzulegenden Konzepte beauftragt. Es wird erwartet, dass von den Einrichtungsträgern Voraussetzungen geschaffen werden, damit sund Beschwerdekonzepte auch im Alltag einer Einrichtung konkret umgesetzt werden können. Auch wenn der Fokus dieses Papiers auf der stationären Jugendhilfe liegt, enthält es jedoch auch grundsätzliche Aussagen und Hinweise für die erforderliche Umsetzung in den anderen Feldern der betriebserlaubnispflichtigen stationären Einrichtungen. I. Indikatoren zum Umsetzungsstand der s- und Beschwerdekonzepte 1. Jeder junge Mensch kennt seine Rechte. 2. Die jungen Menschen kennen ihre s- und Mitbestimmungsmöglichkeiten und können diese aktiv ausüben. Sie werden u.a. aktiv an der Vorbereitung und Durchführung der Hilfeplangespräche beteiligt. 3. Im Alltag der Einrichtung gibt es vielfältige smöglichkeiten. Die Einrichtung entwickelt diese kontinuierlich weiter und dokumentiert diese Prozesse.

- 2-4. Die Einrichtung verfügt über passende s- und Mitbestimmungsverfahren. Es gibt verlässliche Orte und Zeiten, an denen und Mitbestimmung auf allen Ebenen der Einrichtung ausgeübt werden können. 5. Das skonzept passt zur Einrichtungsphilosophie / zum Leitbild und differenziert zwischen verschiedenen Zielgruppen. 6. Träger und Leitung fördern das skonzept aktiv. 7. Das skonzept und Beschwerdekonzept wird mit Ressourcen und klaren Zuständigkeiten hinterlegt. 8. Die Umsetzung des skonzeptes (Methoden, Prozesse und Ergebnisse) wird kontinuierlich dokumentiert. 9. Die Einrichtung reflektiert die Partizipationserfahrungen regelmäßig und nutzt sie als lernende Organisation i.s. der Qualitätsentwicklung. 10. Jeder junge Mensch kann sich beschweren, kennt die Möglichkeiten und Wege, wird im Prozess der Beschwerde begleitet und das Ergebnis der Bearbeitung wird ihm zeitnah mitgeteilt.

- 3 - II. Bausteine eines modernen skonzeptes in der Kinder- und Jugendhilfe * Die im Folgenden erläuterten Grundbausteine können den Trägern von Einrichtungen als Planungsleitlinien bei der Erstellung umsetzbarer und evaluierbarer Konzepte dienen: an Hilfeplanung Gruppenregeln im Alltag Grundhaltung Beschwerdemöglichkeiten Rechtekatalog sgremien *Dr. Remi Stork, BAG LJÄ-Tagung März 2012

- 4 - Grundhaltung Welche Bedeutung spielen Dialog und Aushandlung im Leben und Denken über die Erziehung beim Träger, bei der Einrichtungsleitung, den Mitarbeitenden? Gibt es Interessen für methodische und konzeptionelle Ideen zur Partizipation? Wird die Stärkung von Kinderrechten und Beschwerdemöglichkeiten unterstützt? Setzen sich Träger, Leitung und Mitarbeitende aktiv für Mitbestimmung in der Einrichtung ein? Wird die Arbeit als Beitrag zur Demokratisierung begriffen? im Alltag Ist die Einrichtung lebensweltlich orientiert? Gibt es individuelle, vertrauensvolle Beziehungen? Werden die Kinder/Jugendlichen in alltägliche Entscheidungen einbezogen: Tagesablauf, Hausarbeiten, Kleidung, auch in Finanzfragen, Personalfragen,? Rechtekatalog Gibt es einen Konsens im Team und in der gesamten Einrichtung über die Rechte der Kinder und Jugendlichen? Gibt es schriftlich fixierte Grundrechte für alle Kinder und Jugendlichen? Beispiel: Kann ich mein Zimmer gestalten, meine Freunde selbst aussuchen, meine Freizeit gestalten? Wurden diese Rechte mit den Kindern/Jugendlichen gemeinsam erarbeitet? Wie werden neue Kinder/Jugendliche über ihre Rechte informiert? Gruppenregeln Werden die Gruppenregeln mit den Kindern/Jugendlichen gemeinsam erarbeitet? Werden sie regelmäßig aktualisiert? Sind dies Regeln für Kinder/Jugendliche und Mitarbeitende?

- 5 - Beschwerdemöglichkeiten Gibt es ein Verfahren zur Beschwerde und zur Umsetzung von Verbesserungen? Funktionieren diese Verfahren? Wie wird dies überprüft? S /? sgremien Gibt es sgremien in den Gruppen und der Gesamteinrichtung? Werden die sgremien pädagogischen und demokratischen Ansprüchen gerecht? an der Hilfeplanung Werden alters- und entwicklungsbezogene Methoden genutzt? Sind das Jugendamt und andere Kooperationspartner (Schule, Erziehungsberechtigte) hierbei einbezogen? Wie wird die Autonomie der Kinder und Jugendlichen bei der einrichtungsinternen Erziehungsplanung gesichert?

- 6 - III. Konzeption Die Auseinandersetzung mit den Fragen zu den sbausteinen sollte in konzeptionelle Beschreibungen münden, die konkrete Aussagen zu s- und Beschwerdemöglichkeiten sowie zu deren Verfahren beinhalten. Die Konzeption verdeutlicht: konkrete Bereiche, in denen die jungen Menschen beteiligt werden (individuelle Lebensgestaltung und Hilfeplanung, Gruppen-regeln/ -alltag, Einrichtungsregeln/ -alltag, Zimmergestaltung, Urlaub, Mediennutzung etc.), wie junge Menschen und den Mitarbeitenden die srechte bekannt gemacht werden (Plakataushang, Informationsveranstaltungen, im Aufnahmegespräch etc.), in welchen Formen s- und Mitwirkungsrechte verlässlich ausgeübt werden können (Gruppenabend, Familienrat, Heimparlament etc.), konkret, bei wem (Heimleitung, Jugendamt, Landesjugendamt, Ombudschaft etc.) sich die jungen Menschen wie (tel., Post, E-Mail etc.) beschweren können, das Beschwerdeverfahren (Was passiert mit der Beschwerde, wer wird beteiligt, wer entscheidet, wie erhalten die jungen Menschen das Ergebnis der Bearbeitung etc.), wie Erfahrungen mit dem s- und Beschwerdekonzept erfasst und ausgewertet werden (Evaluation etc.), Eirichtungsträger sollten ihr s- und Beschwerdemanagement als Teil der Qualitätsentwicklung begreifen. Diese Verfahren sollen in den örtlichen Dialog (AG nach 78 SGB VIII) und in die Abstimmung der Leistung und der Qualität in die Entgeltvereinbarungen einfließen. - und Beschwerdekonzepte von Einrichtungen sind aktiver Kinderschutz. Eine evtl. ergänzende Vereinbarung zwischen den freien Trägern der Jugendhilfe und dem örtlich zuständigen kommunalen Jugendamt nach 8a SGB VIII ist deshalb anzustreben.