Technische Richtlinien für den Umgang und die genetische Erhaltung Europäische Schwarzpappel Diese technischen Richtlinien sollen all denen helfen, die sich um den wertvollen Genpool der europäischen Schwarzpappel sorgen und ihn als Erbe für die Zukunft erhalten wollen, entweder durch den Schutz der Quellen wertvollen Saatgutes oder durch praktische Nutzung in der Forstwirtschaft. Der Brennpunkt liegt auf der Erhaltung der genetischen Vielfalt der Art in europäischem Maßstab. Die hier angebotenen Empfehlungen sollten als eine allgemein anerkannte Basis verstanden werden, die ergänzt und weiter entwickelt werden kann je nach lokalen, nationalen oder regionalen Gegebenheiten. Die Richtlinien sind nach heute verfügbarem Wissen über die Art entwickelt worden und basieren auf im Wesentlichen anerkannten Methoden zur Erhaltung forstgenetischer Grundlagen. Biologie und Ökologie Übersetzt und verändert von Karl-Hermann Korfsmeier Institut für Anatomie Universität Münster Deutschland Die Europäische Schwarzpappel, Populus nigra L., ist eine typische Baumart der Auwälder vieler europäischer und sibirischer Flüsse. Als lichthungrige Art besiedelt sie offene Bereiche frisch angeschwemmter Böden und bildet lokale Populationen durch Samen, Stecklinge oder Astfragmente. Die Schwarzpappel ist charakterisiert durch eine große Vielfalt von Besiedlungstypen von isolierten Bäumen über völlig reine oder gemischte Baumgruppen. Einzeln stehende individuelle Bäume können über 400 Jahre alt werden. Als eine zweihäusige Art ist der Schwarzpappelbaum entweder männlich oder weiblich. Die Geschlechtsreife wird mit 10 15 Jahren erreicht. Männliche und weibliche Blütenstände sind als hängende Kätzchen ausgebildet. Die Blütezeit ist etwa 1 3 Wochen vor dem Aufbrechen der Blattknospen im frühen Frühjahr (März April) während der Periode der Frühjahrshochwässer in den Flusssystemen des klimatisch gemäßigten Europa.
Gemeinsam mit vielen Pionierarten Ausbreitung wird die Schwarzpappel durch den Wind bestäubt, ist zur vegetativen Vermehrung in der Lage und ist durch enormes Wachstum charakterisiert. Die Schwarzpappel ist während des Die Schwarzpappel hat ein ganzen Lebenszyklus auf eine kongroßes Ausbreitungsgebiet trollierte Wasserversorgung angewie- über ganz Europa bis weit sen. Ohne die passenden Wassernach Zentral- und Westasien stände ist tatsächlich keine Regenera- sowie in Nordafrika. Ihr Vortion möglich. Der Samen wird durch kommen reicht im Süden bis Wind und Verdriftung im Flusslauf ver- annähernd zum 64. Längenbreitet, ist nur kurze Zeit überlebensgrad im Norden und von den fähig und benötigt zur Keimung sehr Britischen Inseln im Westen spezifische Boden-Wasser-Verhältbis Kasachstan und China im nisse. Die Produktion großer Mengen Osten. Das Verbreitungsgevon Samen muss zeitlich zusammen- biet schließt den Kaukasus fallen mit dem Trockenfallen gut und große Teile des mittleren drainierter Sedimente nach einem Ostens mit ein. Hochwasser. Die vom Wind angewehten Samen müssen zum Keimen auf angeschwemmten freien Boden geraten. Nur in Jahren, in denen die Bodenfeuchtigkeit für das Wachstum der Wurzeln hoch genug bleibt und das Rückweichen der Wasserfront nicht so langsam erfolgt, dass in der Tiefe anoxische Bedingungen entstehen, kommt es zur Etablierung von JungPflanzen. Da solche Verhältnisse auch in natürlichen Flusssystemen recht selten vorkommen, bleibt die Pappel in vielen Jahren ohne Nachwuchs. An natürlich besiedelten Standorten findet sich daher eine strenge Altersstruktur, an der die Geschichte der Überflutungen erkennbar wird. Generell findet in alten etablierten Beständen nur eine geringe Regeneration statt. Die Weichholzauwälder entwickeln sich normalerweise zu Hartholzformationen. Offenbar gibt es im Randbereich von Kiesgruben und an Kiesaufschüttungen hydraulische Verhältnisse, die ein erfolgreiches Keimen von Pappelsamen und dauerhaftes Wachstum zulassen. Bedeutung und Gebrauch Die Schwarzpappel ist ein Baum von sozialer und ökonomischer Bedeutung. Vorwiegend dient die Schwarzpappel als Elternpool für Zuchtprogramme in vielen Teilen der Welt; 63% der kultivierten Pappeln stammen von ihr ab, entweder als Reinkultur der Art oder als interspezies Hybriden. Hybriden gibt es mit Populus deltoides und anderen ortsfremden Pappelarten. Die Schwarzpappel bringt dabei ihre Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten Böden und klimatischen Bedingungen ein, Fähigkeit zu umfangreicher Bewurzelung, hohe Resistenz gegenüber bakteriellem Krebs durch Xanthomonas populi, recht gute Resistenz gegenüber Marssonina brunnea und gegenüber dem Pappel-Mosaik-Virus. Die Schwarzpappel ist auch als reine Art von ökonomischem Interesse. Sie wird in großem Umfang in osteuropäischen Ländern gepflanzt und ihr Holz im häuslichen Gebrauch verwendet. Wegen ihrer großen Anpassungsfähigkeit, wird sie als reine Art für den Bodenschutz und zur Aufforstung von schadstoffbelasteten Industriestandorten genutzt. Ihre ökologische Bedeutung hat die Schwarzpappel als Indikatorart für natürliche Fließgewässer. Sie dominiert zusammen mit anderen Vertretern aus der Familie der Salicaceae und der Grauerle (Alnus incana) die Erstbesiedelung von freifallenden Kiesanschwemmungen in den Flussauen der gemäßigten Zonen. Die Wälder der Überflutungsgebiete insbesondere die Weichholzauwälder gehören zu den artenreichsten Ökosystemen in
Kenntnisse über die Genetik Bedrohung der genetischen Diversität Europa. Die Pappel spielt darin eine herausragende Rolle. Als Wirte für eine große Zahl von bedrohten und gewöhnlichen, noch häufigen Insekten und damit vergesellschafteten und abhängigen höheren Tieren ist die Pappel von zentraler Bedeutung für die Biodiversität dieser Gebiete. Es besteht heute ein herausragendes Interesse, Ökosysteme der Flussufer zu restaurieren, nicht nur für die natürliche Regulierung der Hochwasser, sondern auch weil diese Uferstreifen als Korridore dienen, durch die große Waldgebiete miteinander verbunden sind. Eine kritische Überprüfung der noch vorhandenen genetischen Grundlagen der Schwarzpappelbestände und ihre Erhaltung in diesem dynamischen Ökosystem sind deswegen von großer Bedeutung. Der Umfang der genetischen Diversität ist weitgehend unklar. Genetische Unterschiede sind In zusammenhängenden PappelbeStänden und innerhalb einzelner Flusssystemen nachgewiesen worden und bestehen in geringerem Umfang auch zwischen den Vorkommen verschiedener Flüsse. Grund dafür können die unterschiedlichen Standortbedingungen sein. Dafür spricht, dass erfolgreiche Nachzucht innerhalb einer Population nicht durch zufällige Befruchtung eines weiblichen Baumes zustande kommt, sondern dass eine begrenzte Zahl von männlichen Bäumen ihr Erbgut in erfolgreiche Samen einbringt. Der Genfluss längs von Flüssen hat sich als bidirektional herausgestellt. Daraus kann geschlossen werden, dass der Wind Hauptfaktor für die Verteilung der Pollen ist. Introgression (i.e. Austausch von Genen zwischen genetisch unterscheidbaren Populationen) zwischen P. nigra und P. deltoides durch Rückkreuzung über die F1 Hybriden wurde bisher nicht nachgewiesen und ist auch bei direkter Nachbarschaft kaum vorstellbar. Dennoch können Einzelfunde mit unklarem Genom für seltene Ausnahmen sprechen. Ob prä- oder postzygote Barrieren verantwortlich sind, ist noch zu untersuchen. Wie bei anderen Pappelarten gefunden und von vielen Pflanzenarten bekannt, dürften Bastardschwärme eine eher stabilisierende Filterwirkung auf eine Introgression haben. Die männliche Zuchtpappel P. nigra cv. italica (lombardische Pappel) kann, wie Zucht formen zeigen, mit lokalen Schwarzpappeln hybridisieren. Wegen fehlender Synchronität der Blütezeiten ist auch diese Gefahr kaum vorhanden. Die Schwarzpappel ist eine der am stärksten bedrohten Baumarten in Europa. Es gibt drei Hauptgründe, die zum Rückgang der genetischen Vielfalt führen können. Der erste ist die Veränderung unserer Flussökosysteme über das gesamte Verbreitungsgebiet, im Wesentlichen durch menschliche Aktivitäten. Durch wasserbauliche Ingenieurarbeiten wurden die angestammten Pappelstandorte durch landwirtschaftliche Nutzung ersetzt. Überschwemmungsbereiche wurden durch städtebauliche Maßnahmen (Urbanisation) umgenutzt. Darüber hinaus hat die Hochwasserregulierung die Regenerationsfähigkeit der Pappel eingeschränkt und die Sukzession von Pappelstandorten zu Hartholz Auwäldern gefördert. Auch wenn die Species lokal hocherfolgreiche Regeneration aufweist, zeigen einige Regionen Europas nachweislich ganz erhebliche Rückschritte oder das komplette Verschwinden der Schwarzpappel. 2. Die autochthonen Schwarzpappelbestände wurden durch Übernutzung geschwächt, ohne dass nennenswert nachgepflanzt wurde. Schneller wachsende Hybridpappeln haben die Ursprungspopulationen ersetzt. Ob die Introgression von kultivierten Klonen und anderen Pappelarten eine Bedrohung für die Schwarz pappel darstellt ist zu prüfen. Der reine Verdacht darf nicht dazu führen, dass vorsorglich alle Hybridpappeln verschwinden. Sie haben
Richtlinien für die Erhaltung des schließlich dafür gesorgt, dass Schmetterlingsarten wie das rote Ordensband geeignete Futterpflanzen fanden und sich dadurch gegen den Trend in ihrem Bestand gut gehalten haben. In der Nahrungskette folgend fanden Fledermäuse, Waldkauz und Grünund Mittelspecht in Gehölzen mit Hybridpappeln ein sicheres Standbein. Genoms, Vorgehensweisen Als genereller Blickpunkt und langfristiges Ziel sollte die Konservierung der genetischen Grundlagen für die Adaptationsfähigkeit der Art und ihrer noch vorhandenen Populationen sein. Eine weithin angewandte Strategie für die Kurzzeitkonservierung von Genotypen ist die ex situ Erhaltung. Ex situ können Sammlungen oder Genbanken angelegt werden. Vorzuziehen ist die langfristige Genomerhaltung und eine Vergrößerung des Potentials zur Adaptation der Art. Dies Kann durch in situ Konservierung anangestammten Standorten (einschließlich wiederhergestellter Altstandorte) und durch langfristige Zuchtprogramme zustandegebracht werden, am besten durch beides. Die erfolgreiche in situ Konservierung der Schwarzpappel hängt in Europa vor allem von den Standortbedingungen und dem Schutz der natürlichen Umgebung ab. Bäumen. So können in der vorhandenen Population die Kandidaten ausgewählt werden, die sich für die Erhaltungsmaßnahmen durch ihr Genom empfehlen. Vielfalt kann erhalten werden und klonale Duplizität kann vermieden werden. Bei allen Maßnahmen muss darauf geachtet werden, dass Zeiten der Blüte und der Regenerationsprozess nicht ungünstig beeinflusst werden, denn sie bestimmen die effektive Populationsgröße. Die Bedingungen für den Zeitpunkt der Aussaat und das gesicherte Anwachsen der Keimlinge sollten optimiert werden. Für wiederhergestellte Populationen ist zwar eine unerwünschte Introgression nicht zu erwarten. Zusätzlich können aber solche Vorgänge durch eine ringförmige Pufferzone aus männlichen Individuen um die Pappelbestände herum verhindert werden. Die aktive Durchführung aller Maßnahmen und die Auswertung der Ergebnisse bei neu etablierten Beständen muss sorgfältig durchgeführt werden mit dem Blick auf jeden einzelnen Baum. Es muss laufend gefragt werden, welche Bäume nicht passen, nur spärlichen Blütenansatz haben oder aus andedie Konservierungsmaßnahmen ren Gründen nicht genügend an den sollten über die gesamte Fläche des natürlichen Vorkommens ausge-standort angepasst sind. dehnt sein, unbedingt mit mehr als einem Konservierungsstandort pro Flusssystem. Zu Beginn empfiehlt sich eine vorläufige Einschätzung des genetischen Potentials unter den noch vorhandenen ausgewachsenen
Ausbreitungsgebiet der europäischen Schwarzpappel
Diese technischen Richtlinien wurden von Mitgliedern des EUFORGEN Populus nigra Netzwerkes zusammengestellt. Das Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, den Mindestaufwand zu bestimmen, der für die langfristige Erhaltung der genetischen Vielfalt aufzubringen ist. Nur so ist es möglich, die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen niedrig zu halten und in jedem Europäischen Land den nötigen Qualitätsstandart zu halten. Ausgewählte Literatur Weitere Informationen