Einführung in die neue Wirtschaftssoziologie Introduction to the new economic sociology BA Modul 7 Spezielle Soziologien Sommersemester 2014, dienstags 10-12 Uhr, Raum LF 035 Glaucia Peres da Silva Wirtschaftliche Phänomene waren wichtig für die soziologische Theoriebildung während der Gründungsphase der Disziplin. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden wirtschaftliche Kernthemen dann jedoch eher von den Wirtschaftswissenschaften als der Soziologie behandelt. Diese Spezialisierung hat dazu geführt, dass die klassischen und neoklassischen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien nahezu ein Monopol über die Erklärung ökonomischer Tatsachen erlangten. In den letzten drei Jahrzehnten haben Soziologen und Soziologinnen jedoch die Grundannahmen ökonomischer Theorien zunehmend kritisch hinterfragt und neue soziologische Theorien und Methoden für die Analyse wirtschaftlicher Phänomene entwickelt. In diesem Seminar wird die soziologische Kritik diskutiert, um genauere Einblicke in die Debatten der neuen Wirtschaftssoziologie zu gewinnen. Netzwerktheorie, Einbettung sozialen Handelns und Soziologie der Konventionen sind einige Ansätze, die im Kurs behandelt werden. Anforderungen für Teilnahmenachweis Für einen Teilnahmenachweis erwarte ich eine regelmäßige aktive Mitarbeit auf Grundlage der Pflichtlektüre, die Vorbereitung einer Diskussionssitzung, ein Memo und eine Hausarbeit. Die angegebene Literatur finden Sie ab 07.04.2014 im Moodle. Vorbereitung einer Diskussionssitzung: In Gruppen von 2-3 Personen werden Sie den Inhalt einer Pflichtlektüre durcharbeiten: Was ist das Thema des Texts? Mit welchem Ziel wurde der Text geschrieben? Welche Methode wird im Text angewendet? Welche These wird im Text vertreten? Welche Beweise werden präsentiert, um die These zu untermauern? Welche Beispiele verdeutlichen die Argumentation des Texts? In der ersten Sitzung wird ein Argumentationsschema dargestellt, das die Vorbereitung der Diskussion unterstützen soll. Diese Aufgabe hat das Ziel, Ihre Kompetenz zum Verständnis theoretischer Texte zu entwickeln und die Diskussion im Seminar anzuregen. 1
Memo: Sie sollen ein Memo von 1-2 Seiten verfassen, das bis spätestens 28.04.2014 (Montag) 12 Uhr elektronisch (als PDF), versehen mit Ihrem Namen, an glaucia.peres@uni-due.de abzugeben sind. In diesem Memo werden Sie anhand der Diskussion der Sitzungen (2) und (3) den Begriff homo oeconomicus definieren und die Hauptkritik der Wirtschaftssoziologie an diesen Begriff erläutern. Das Memo dient dazu, Ihre Kompetenz zur prägnanten Zusammenfassung und kritischen Beurteilung einer Argumentation zu entwickeln. Zum Memo werde ich Ihnen eine kurze Rückmeldung zu Inhalt und Form geben. Hausarbeit: Um die Hausarbeit zu verfassen, sollen Sie ein der sieben vorgeschlagenen Themen auswählen und die angegebene Pflichtliteratur bearbeiten. Ihre Hausarbeit soll in drei Teilen gegliedert werden: Teil 1: Sie sollen den theoretischen Rahmen zusammenfassen und wiedergeben; Teil 2: Sie sollen darstellen, wie die theoretischen Annahmen in den empirischen Studien angewandt wurden; Teil 3: Sie sollen die Ergebnisse kritisch diskutieren. Einleitung, Fazit und Literaturverzeichnis sind auch Bestandteil einer Hausarbeit. Allgemeine Hinweise für die Erstellung wissenschaftlicher Arbeit, einschließlich der empfohlenen Zitierweise, finden Sie hier: https://www.uni-due.de/soziologie/quack_allgemeine_hinweise_fuer_studierende.php. Die Hausarbeit ist bis spätestens 31.07.2014 als PDF und in ausgedrückter Form einzureichen. Es wäre daher wünschenswert, wenn Sie während des Semesters mindestens einmal in meine Sprechstunde kommen würden, um über offene Fragen zum Seminarthema und zum Erstellung der Hausarbeit zu sprechen. 2
Themen für die Hausarbeit Thema 1: Einbettung Granovetter, M. 2000. Ökonomisches Handeln und soziale Struktur: Das Problem der Einbettung. In: Zeitgenössische amerikanische Soziologie, H.-P. Müller und S. Sigmund (Hrsg.). Opladen: Leske+Budrich. S. 175-207. Windeler, A., Schubert, C. 2007. Technologieentwicklung und Marktkonstitution. In: Märkte als soziale Strukturen, Beckert et al. (Hrsg.). Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 217-233. Lutter, M. 2010. Die Zeit der Verbote und ihre Folgen. In: Märkte für Träume. Die Soziologie des Lottospiels. Frankfurt/New York: Campus Verlag. S. 62-74. Thema 2: Netzwerkansatz Godart, F., und White, H. C. 2007. Märkte als soziale Formationen. In: Märkte als soziale Strukturen, Beckert et al. (Hrsg.). Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 197-215. Mützel, S. 2009. Koordinierung von Märkten durch narrativen Wettbewerb. In: Wirtschaftssoziologie (Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 49), J. Beckert, C. Deutschmann (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verlag, S. 87-106. Aspers, P. 2006. The two markets for fashion photography. In: Markets in fashion: a phenomenological approach. Oxon/New York: Routledge. S. 127-146. Thema 3: Institutioneller Ansatz Fligstein, N. 2011 [2001[. Märkte als Institutionen. In: Die Architektur der Märkte, Ders.. Wiesbaden: VS Verlag, S. 39-56. Fligstein, N., Stone Sweet, A. 2002. Contructing Polities and Markets: An Institutionalist Account of European Integration, American Journal of Sociology 107(5):1206-1243. Hellmann, K.-U. 2007. Bewegung in Markt. Zur Übertragbarkeit der Bewegungsforschung auf die Marktanalyse, Berliner Journal für Soziologie 4: 511-529. Thema 4: Feldansatz Bourdieu, P. 1998. Das ökonomische Feld. In: Der Einzige und sein Eigenheim, P. Bourdieu u.a./m. Steinrücke (Hrsg.), Schriften zu Politik und Kultur 3. Hamburg: VSA Verlag. S. 162-204. Fley, B. 2006. Konkurrenz oder Distinktion? Wettbewerb und Marktkonzentration im deutschen Transportmarkt. In: Pierre Bourdieu: Neue Perspektive für die Soziologie der Wirtschaft, M. Florian und F. Hillebrandt (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verlag. S. 169-196. Schenk, P., Rössel, J. 2012. Identität und Qualität im Weinfeld. In: Feldanalyse als Forschungsprogramm 2. Gegenstandsbezogene Theoriebildung, S. Bernhard und C. Schmidt-Wellenburg (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verlag. S. 83-108. Thema 5: Performativer Ansatz Callon, M. 1998. Introduction: The embeddedness of economic markets in economics. In: The laws of the markets, M. Callon (Hrsg.). Oxford/Malden: Blackwell, S. 1-57. Garcia Parpet, M.-F. 2007. The social construction of a perfect market: The strawberry auction at Fontaines-en-Sologne. In: Do economists make markets? On the performativity of economics, D. Mac- Kenzie, F. Muniesa und L. Siu (Hrsg.). Princeton: Princeton University Press. S. 20-53. MacKenzie, D., Beunza, D., Hardie, I. 2007. Die materiale Soziologie der Arbitrage. In: Märkte als soziale Strukturen, Beckert et al. (Hrsg.). Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 135-150. 3
Thema 6: Ökonomie der Konventionen Eymard-Duvernay, F., Favereau, O., Orléan, A., Salais, R., Thevenot, L. 2010. Werte, Koordination und Rationalität: Die Verbindung dreier Themen durch die Économie des conventions. Trivium 5, online seit 10.01.2010 unter http://trivium.revues.org/3545 (abgerufen am 15.08.2013). Baur, N., Löw, M., Hering, L., Raschke, A. L., Stoll, F. 2014. Die Rationalität lokaler Wirtschaftspraktiken im Friseurwesen. Der Beitrag der Ökonomie der Konventionen zur Erklärung räumlicher Unterschiede wirtschaftlichen Handelns. In: Soziologie des Wirtschaftlichen, D. Bögenhold (Hrgs.). Wiesbaden: VS Verlag. S. 299-328. Renard, M.-C. 2003. Fair trade: quality, market and conventions, Journal of Rural Studies 19: 87-96. Thema 7: Kultureller Ansatz Zelizer, V. A. 2000. Die Farbe des Geldes. Berliner Zeitschrift für Soziologie 3, S. 315-332. Velthuis, O. 2003. Symbolic meanings of prices: Constructing the value of contemporary art in Amsterdam and New York galleries, Theory and Society 32: 181-215. Meyer, S. 2011. Geld als Gabe. Wert und Wertigkeit von Geldgeschenken. In: Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln, A. Hartmann, P. Höher, C. Cantauw, U. Meiners und S. Meyer (Hrsg.). Münster: Waxmann Verlag. S. 87-98. 4
I - EINFÜHRUNG 08.04.2014 1) Einführung Vorstellung und Kennenlernen Was fällt Ihnen ein zum Thema Wirtschaftssoziologie? Vorgehensweise: Diskussion und Argumentationsübung Einführung in Seminarorganisation und Vergabe von Aufgaben 15.04.2014 2) Begrifflicher Einstieg: homo oeconomicus Was bedeutet der Begriff homo oeconomicus? Wie wird dieser Begriff in den Wirtschaftswissenschaft verwendet? Kirchgässner, G. 2000. Homo Oeconomicus: Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 75. Tübingen: Mohr Siebeck. Abschnitt 1: Das ökonomische Verhaltensmodell, S. 12-28 Abschnitt 2: Der homo oeconomicus in der Wirtschaftswissenschaften, S. 66-82. 22.04.2014 3) Soziologische Grundkritik Welche ist die soziologische Hauptkritik an die Wirtschaftswissenschaft? Wie positioniert sich die Wirtschaftssoziologie der Wirtschaftswissenschaft gegenüber? Swedberg, R. 2009. Zeitgenössische Wirtschaftssoziologie. In: Grundlagen der Wirtschaftssoziologie, Ders. Wiesbaden: VS Verlag, S. 65-83. II THEORETISCHE ANSÄTZE 29.04.2014 4) Einbettung (Embeddedness) Granovetter, M. 2000. Ökonomisches Handeln und soziale Struktur: Das Problem der Einbettung. In: Zeitgenössische amerikanische Soziologie, H.-P. Müller und S. Sigmund (Hrsg.). Opladen: Leske+Budrich. S. 175-207. 06.05.2014 5) Netzwerkansatz Godart, F., und White, H. C. 2007. Märkte als soziale Formationen. In: Märkte als soziale Strukturen, Beckert et al. (Hrsg.). Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 197-215. 5
13.05.2014 6) Institutioneller Ansatz 20.05.2014 7) Feldansatz Fligstein, N. 2011 [2001[. Märkte als Institutionen. In: Die Architektur der Märkte, Ders.. Wiesbaden: VS Verlag, S. 39-56. Bourdieu, P. 1998. Das ökonomische Feld. In: Der Einzige und sein Eigenheim, P. Bourdieu u.a./m. Steinrücke (Hrsg.), Schriften zu Politik und Kultur 3. Hamburg: VSA Verlag. S. 162-204. 27.05.2014 8) Performativer Ansatz Callon, M. 1998. Introduction: The embeddedness of economic markets in economics. In: The laws of the markets, M. Callon (Hrsg.). Oxford/Malden: Blackwell, S. 1-57. 03.06.2014 9) Ökonomie der Konventionen Eymard-Duvernay, F., Favereau, O., Orléan, A., Salais, R., Thevenot, L. 2010. Werte, Koordination und Rationalität: Die Verbindung dreier Themen durch die Économie des conventions. Trivium 5, online seit 10.01.2010 unter http://trivium.revues.org/3545 (abgerufen am 15.08.2013). 17.06.2014 10) Kultureller Ansatz Zelizer, V. A. 2000. Die Farbe des Geldes. Berliner Zeitschrift für Soziologie 3, S. 315-332. 6
III - Fallstudien 24.06.2014 11) Kritik des Varieties of capitalism -Ansatzes Beyer, J. 2009. Varietät verspielt? Zur Nivellierung der nationalen Differenzen des Kapitalismus durch globale Finanzmärkte. In: Wirtschaftssoziologie (Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 49), J. Beckert, C. Deutschmann (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verlag, S. 305-325. 01.07.2014 12) Transnationale Dimension der Wirtschaft Münch, R., Frerichs, S. 2008. Markt und Moral. Transnationale Arbeitsteilung und Netzwerksolidarität. In: Handbuch der Wirtschaftssoziologie, A. Maurer (Hrsg.), Wiesbaden: VS Verlag. S. 394-410. 08.07.2014 13) Globale Märkte Quack, S. 2009. Global markets in theory and history: Towards a comparative analysis. In: Wirtschaftssoziologie (Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 49), J. Beckert, C. Deutschmann (Hrsg.). Wiesbaden: VS Verlag, S. 125-142. IV AKTUELLE DEBATTE 15.07.2014 14) Die aktuelle Auseinandersetzung in der deutschen Debatte Vorgehensweise: 2 Studierenden sollen die Diskussion jeden Texts vorbereiten Beckert, J. 2009. Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftswissenschaft, Zeitschrift für Soziologie 38(3): 182-197. Strulik, T. 2012. Die Gesellschaft der neuen Wirtschaftssoziologie. Eine Replik auf Jens Beckerts Artikel Wirtschaftssoziologie als Gesellschaftstheorie, Zeitschrift für Soziologie 41(1): 58-74. 7