Künstliche Befruchtung aus juristischer Sicht Univ.-Prof. Dr. Christiane Wendehorst, LL.M. 13. November 2012
I. Rechtslage nach dem FMedG II. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen III. Argumentationswege
I. Rechtslage nach dem FMedG
Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) von 1992 Zulässigkeit 2. (1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig. 3. (1) Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet werden. (2) Für die Methode nach [Anm: Insemination] darf jedoch der Samen eines Dritten verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist. (3) Eizellen und entwicklungsfähige Zellen dürfen nur bei der Frau verwendet werden, von der sie stammen.
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Amtliche Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FMedG: Die Eizellspende, die Spende entwicklungsfähiger Zellen, die Samenspende bei einer In-vitro-Fertilisation und ähnliche komplizierte Verfahren sollen ebenso wie jede Form der Leihmutterschaft unzulässig sein. Der hohe technische Aufwand, die potentiell weitgehende Entfernung dieser Methoden von den Gegebenheiten der natürlichen Fortpflanzung, die Möglichkeit der Schaffung ungewöhnlicher persönlicher Beziehungen sowie die drohende Belastung, Ausbeutung und Ausnützung der Frau sprechen für das Verbot solcher Verfahren. (216 BlgNR, 18. GP, S. 11) Die Sonderbehandlung der heterologen Insemination [in vivo] beruht auf deren vergleichsweise einfacher Handhabung und der dadurch erschwerten Überprüfbarkeit; zudem lässt sich die Anwendung dieser schon seit vielen Jahren gängigen Methode durch gesetzliche Schranken nicht mehr ausschließen. (216 BlgNR 18. GP, S. 11)
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II. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen
Artikel 8 EMRK Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. (2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Artikel 14 EMRK Diskriminierungsverbot Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
VfGH vom 14.10.1999 (G91/98; G116/98) Ø Ø Österreichischer Gesetzgeber hielt sich sowohl mit generellem Verbot der Eizellspende sowie mit Verbot der IVF bei Spendersamen innerhalb des von Art 8 Abs 2 EMRK gewährten Beurteilungsspielraums Keine Gleichheitsverletzung EGMR vom 1.4.2010, Kammer I (S. H. ua gg Österreich, Bsw 57813/00) Ø Verletzung von Art 14 ivm Art 8 EMRK durch generelles Verbot der Eizellspende sowie durch Verbot der IVF bei Spendersamen EGMR vom 3.11.2011, Große Kammer (S. H. ua gg Österreich, Bsw 57813/00) Ø 3 FMedG bewegte sich im Jahr 1999 (= Entscheidung VfGH) innerhalb des von Art 8 Abs 2 EMRK gewährten Beurteilungsspielraums, aber heute möglicherweise anders Ø Gleichheitsverletzung nicht mehr gesondert zu prüfen OGH vom 22.3.2011 (3 Ob 147/10d) Ø Antrag an den VfGH, die Wortfolge von Personen verschiedenen Geschlechts aufzuheben.
III. Argumentationswege
Argumentationslogik No 1: Der Zugang zu künstlicher Befruchtung bedarf aufgrund deren Technizität, hohen ethischen Relevanz sowie aufgrund der potenziell gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen schon prima facie und ganz allgemein der Reglementierung durch staatliches Recht. Bei der Ausgestaltung des Zugangs hat der Staat einen weiten Beurteilungsspielraum, darf aber etwa nicht eindeutig gegen das Willkürverbot verstoßen. Es handelt sich um eine weitgehend politische Frage, bei deren Beantwortung unterschiedliche weltanschauliche (religiöse usw) Positionen aufeinanderprallen.
Argumentationslogik No 2: Sich zur Erfüllung eines Kinderwunsches verfügbarer medizinischer Techniken zu bedienen, ist ein elementares Freiheitsrecht (vgl Art 8 EMRK). In dieses darf von Staats wegen nur eingegriffen werden, sofern dies insbesondere zum Schutz der Moral, der Gesundheit oder der Rechte und Freiheiten anderer wirklich erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig ist und nicht diskriminierend wirkt (zb bezüglich des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung). Aufgrund der hohen Relevanz dieses Freiheitsrechts für die persönliche Lebensgestaltung und das psychische Wohlbefinden hat der Staat bei der Ausgestaltung des Zugangs nur einen geringen Beurteilungsspielraum. Es handelt sich um eine eher juristische Frage, die unter Rückgriff auf andere gesetzgeberische Entscheidungen (zb EPG) primär losgelöst von weltanschaulichen (religiösen usw) Positionen zu beantworten ist.
christiane.wendehorst@univie.ac.at
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