Neurobiologie. Prof. Dr. Bernd Grünewald, Institut für Bienenkunde, FB Biowissenschaften

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Transkript:

Neurobiologie Prof. Dr. Bernd Grünewald, Institut für Bienenkunde, FB Biowissenschaften www.institut-fuer-bienenkunde.de b.gruenewald@bio.uni-frankfurt.de

Synapsen I Präsynaptische Ereignisse - Synapsentypen - Gap Junctions - Chemische Synapse Transmitterfreisetzung Neurotransmitter Transmitterrezeptoren - Synaptische Plastizität

Was sind Synapsen? Kontaktstellen zwischen Neuronen, oder zwischen Neuronen und Muskeln (neuromuskuläre Endplatte). Der Begriff geht auf Sir Charles Sherrington zurück. Entsprechend der Art ihrer Übertragung unterscheidet man elektrische oder chemische Synapsen. Charles Sherrington, 1857-1952 Eine Synapse besteht aus einem präsynaptischen Teil (Präsynapse) und einem postsynaptischen Teil (Postsynapse, bei der neuromuskulären Synapse: der Muskel).

Neuronen kommunizieren über Synapsen axo-dendritisch axo-somatisch axo-axonal

Volumen: 1,4 l Anzahl der Nervenzellen: 100 Milliarden = 100.000.000.000 Zellen (10 11 ) Anzahl der Synapsen: 1000 Billionen = 1.000.000.000.000.000 Synapsen (10 15 ) Cortex der Maus: 1mm 3 enthält 10.000 Nervenzellen, 100.000.000 Synapsen, 4 km Axone 1 Neuron: etwa 10.000 Eingangsynapsen

Gap junctions elektrische Synapsen Direkte Signalübertragung Elektrischer Kontakt zwischen Neuronen Neuronen sind elektrisch gekoppelt Membranen eng aneinander

Gap junctions elektrische Synapsen

Aufbau einer elektrischen Synapse Dichter Membrankontakt (3.5nm) Spezialisierte Kontaktstelle 2 Hemikanäle (Connexone) bilden interzelluläre Brücke 1 gap junction besteht aus 1 gap junction Kanal Kanal (Connexon) gebildet von 12 Connexinen (2x6) Gap junctions clustern zusammen (tausende einzelner Kanäle) Bear et al: Neuroscience: Exploring the Brain 1996

Molekularer Aufbau von Connexinen Söhl et al 2005 Connexine: Porendurchmesser : ~2nm 4 TM Domainen 2 extrazelluläre Loops Mensch: 21 Connexingene (z.b.: Cx36, Cx45)

Eigenschaften und Funktionen elektrischer Synapsen Sehr schnelle Transmission (Verzögerung 0.2-0-5 ms) Austausch niedermolekularen Substanzen (z.b.: Ca 2+, camp, IP 3, Farbstoffe) Schnelle Weiterleitung: Fluchtreflexe, Riesenfasern der Invertebraten Synchronisierung von Neuronenpopulationen Oszillationen von Neuronenpopulationen Bidirectionale elektrotonische Weiterleitung Mitunter Gleichrichter: Strom nur in eine Richtung

Bidirektionale elektrotonische Weiterleitung Byrne & Roberts 2004 Spannungspuls durch Elektrode 1 (präsynaptisch) Spannung von Zelle konstant gehalten (Elektrode 2) Transzelluläres Potential DV=E1-E2 Strom in Zelle 2 durch Elektrode 2 (postsynaptisch) Lineare I-V Kurve: Strom fließt in beide Richtungen Ohm sches Gesetz erfüllt

Gleichrichtung an der elektrischen Synapse Flußkrebs: Riesenaxon Motoneuron Synapse. Exp: Furshpan & Potter 1959 Abb.: Byrne & Roberts 2004 De, Hyperpolarisation des Riesenaxons (Elektrode 1) Strommessung in Motoneuron (Elektrode 2) Depolarisation: Motoneuron depolarisiert Hyperpolarisation: keine DV im Motoneuron I-V Kurve nichtlinear: Depolarisation wird weitergeleitet, Hyperpolarisation wird abgeschwächt Gleichrichtung Assymetrische gap junctions: 2 verschiedene Connexone Gating Mechanismus: Depolarisation nötig für Kanalöffnung

Vagusstoff: Froschherz Erhöhung der Frequenz durch Stimulation des sympathischen Nervensystems Verringerung der Frequenz durch Stimulation des Vagusnerven (Parasympathicus) Sammeln der Flüssigkeit um ein verlangsamtes Froschherz nach Vagusreizung Applikation der Flüssigkeit auf anderes Froschherz ohne Innervation Reduktion der Herzfrequenz Erste Demonstration der chemischen synaptischen Transmission Später: Vagusstoff = Acetylcholin, Transmitter des parasympathischen NS Otto Loewi: * 1873, Frankfurt am Main, 1961, New York; Nobel prize 1936

Die chemische Synapse www.sciencemag.org

Aufbau einer chemischen Synapse

Aufbau einer chemischen Synapse Synaptischer Spalt etwa 20-40 nm, Präsynaptische Zelle mit Vesikeln Freisetzung von Neurotransmitter postsynaptische Zelle: Rezeptorproteine Transmitterfreisetzung von Membranpotenzial abhängig Gleichrichter (Leitung nur in einer Richtung) Zeitzögerung: etwa 1 ms.

Ultrastruktur einer chemischen Synapse im ZNS Membrandifferenzierungen: Präsynaptisch: Aktive Zone Postsynaptisch: Postsynaptische Verdichtungen Ansammlungen von Proteinen

Klassen von Neurotransmittern Catecholamine Derivative des 1,2-Dihydroxybenzol Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin Indolamine synthetisiert aus der AS Tryptophan Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT) Acetylcholin Aminosäuren GABA, Glutamat, Glycin, Peptide Neurotensin, FMRFamide Nucleotide ATP, camp, cgmp Gasförmige Neurotransmitter NO, CO

Modellsystem: motorische Endplatte Vieles, was wir über Synapsen wissen, stammt von der neuromuskulären Endplatte Spezielle Synapse Schnell und zuverlässig 1 Aktionspotenzial 1 Muskelaktionspotenzial Große Synapse Faltenapparat: Oberflächenvergrößerung Sehr hohe Dichte von Rezeptoren Leicht zugänglich (Frosch) Transmitter: Acetylcholin (ACh)

Neurotransmitter werden in Quanten freigesetzt Miniatur Endplattenpotenziale (MEPP): - Spontanes Auftreten - einheitliche Amplitude - spontane ACh-Freisetzung - Quantale Natur der Transmitterfreisetzung

Neurotransmitter werden in Quanten freigesetzt Amplitude von evozierten Endplattenpotenzialen Poisson-Verteilung der Endplattenpotenziale Vielfache des MEPP Fom: Nicholls et al, 2002

Quantennatur der synaptischen Übertragung Spontane MEPPs (0,4 bis 1 mv Amplitude) nur unmittelbar in der Nähe der Endplatte ableitbar Potentialänderung 0,3μV durch einen ACh-Kanal Ein Endplattenpotential: ca. 5000 ACh Rezeptoren Alle EPSPs/IPSPs sind Vielfache des MEPP Veränderung der Calciumkonzentration der Präsynapse: Quantenamplitude gleich, aber veränderte Wahrscheinlichkeit der Freisetzung Erhöhung der [Ca 2+ ] i : Ausfälle (failures) nehmen ab, Wahrscheinlichkeit für gleichzeitige Freisetzung zweier Quanten steigt Neuromuskuläre Synapse: ein AP - 150 Tranmitterquanten Zentrale Synapsen: ein AP - 1 bis 10 Quanten

Wie kommt der Neurotransmitter in den Vesikel? Vesikelbildung am Golgi Peptidtransmitter im Soma in Vesikel Transport zur Präsynapse ACh, GABA, Glu: Synthese an Synapse Aktiver Transport in Vesikel

Was geschieht bei der Transmitterfreisetzung?

5 Schritte der synaptischen Übertragung 1. Synthese des Neurotransmitters im präsynaptischen Neuron. Enzyme sind in Präsynapse vorhanden. 2. Speicherung des Transmitters und Vorläufermoleküls in den synaptischen Vesikeln. Spezielle Transportmechanismen nötig! 3. Freisetzung von Neurotransmitter durch Exocytose der Vesikelmembran mit Zellmembran. 4. Bindung des Transmitters an Receptor der postsynaptischen Membran. Beteiligung auch von Gliazellen! 5. Beendigung der Transmitterwirkung. Wiederaufnahme via Transporter oder enzymatische Degradation.

Transmitterfreisetzung: Calcium-Hypothese Einzelnes Aktionspotenzial ändert [Ca 2+ ] i der Zelle kaum = 100nM Synaptische Verzögerung: ~ 500µs Kanalgating (Öffnung) ~ 300µs 200µs für Freisetzung, Diffusion und postsynaptische Reaktion: sehr schnell! Wie ist das möglich? Spannungsabhängige Calciumkanäle sehr dicht bei den Vesikeln Ca 2+ -Microdomainen mit hoher [Ca 2+ ] i < 800µM

Elektronenmikroskop bestätigt Hypothese

Synaptische Vesikel sind komplexe Organellen Aus: Zigmond et al, 1999

Synaptische Vesikel: docking SNARE-Komplex: SNAP-25 Synaptobrevin Syntaxin snare = soluble NSF attachement protein (SNAP) receptors

Synaptische Vesikel: Exocytose SNARE-Komplex: lipophiles Ende und cytosolisches Ende v-snare: Vesikelmembran t-snare: Zielmembran (t=target) SNARE-SNARE-Komplexe Synaptotagmin = Ca 2+ -Sensor (?)

Fragen?? Worin unterscheiden sich elektrische und chemische Synapsen? Was ist Connexin und wo kommt es vor? Skizzieren Sie den Zyklus eines synaptischen Vesikels? Was geschieht an der Präsynapse bei der Transmitterfreisetzung? Nennen Sie 5 verschiedene Neurotransmitter??

Literatur Bear, Connors, Paradiso Neurowissenschaften. Spektrum 2009 Heldmaier, Neuweiler Vergleichende Tierphysiologie I. Springer 2003 Byrne & Roberts - From Molecules to Networks. Academic Press 2009 T. Südhof The synaptic vesicle cycle. Ann Review Neurosci (2004) 27: 509-547