Die automatische Einbeziehung in die Entgeltumwandlung (neue) Anforderungen an eine rechtssichere Gestaltung? Treffen der BVAU-Regionalgruppe Südwest in Stuttgart am 10. März 2014 Referentin: Rechtsanwältin Claudia Fritz, IVB - Institut für Vorsorgeberatung, Risiko- und Finanzierungsanalyse GmbH
Thema in der Öffentlichkeit. Aus dem aktuellen Koalitionsvertrag (Punkt 2.3. Soziale Sicherheit): Die Alterssicherung steht im demografischen Wandel stabiler, wenn sie sich auf mehrere starke Säulen stützt. Deswegen werden wir die betriebliche Altersvorsorge stärken. Sie muss auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben selbstverständlich werden. Daher wollen wir die Voraussetzungen schaffen, damit Betriebsrenten auch in kleinen Unternehmen hohe Verbreitung finden Reaktionen der Stakeholder: Initiative der Versicherungswirtschaft: Vorschlag für ein Opting Out-Modell sowie Forderung, rechtliche Rahmenbedingungen dazu zu schaffen. Initiative der aba - Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung: Automatic Enrolment mit Opting Out als Maßnahme zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bav) Aufgreifen des Themas durch die Tarifvertragsparteien in der Chemie- und Metallbranche Seite 1
Deutliche Steigerung der Durchdringung. Teilnahmequote mit automatischer Entgeltumwandlung: Beteiligungsquote* rund 72 % Es Mitarbeiter 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 ohne automatische Entgeltumwandlung mit automatischer Entgeltumwandlung 2010 2011 kommt eher selten zum Widerspruch der Mitarbeiter. Jahr bav *Beispiel eines Unternehmens mit 9.000 MA (UPS) Seite 2
Gegenstand der Betrachtung. Übliches Prinzip der automatischen Einbeziehung in die Entgeltumwandlung: Kürzung bereits begründeter Lohnansprüche durch den Arbeitgeber in Höhe eines vom Arbeitgeber festgelegten einheitlichen Betrages (evtl. einheitliche Beträge für bestimmte Arbeitnehmergruppen) ab einem standardisierten Termin gegen Gewährung einer wertgleichen betrieblichen Altersversorgung mit Recht auf Widerspruch/Abwahl des Arbeitnehmers (Opting Out) innerhalb einer angemessenen Frist, ggf. mit Rückwirkung. Automatic Enrolment mit Opting Out als Maßnahme zwischen freiwilliger Entgeltumwandlung und Voraussetzung für arbeitgeberfinanzierte Versorgung. Seite 3
Was gilt es zu vermeiden? Rechtliche Risiken speziell des Modells für Arbeitgeber z. B.: Unzulässigkeit des Modells aufgrund Widerspruchs zum Betriebsrentengesetz (BetrAVG) oder den 305 ff. BGB Ungewissheit über das Zustandekommen der Vereinbarung (Annahme des Arbeitnehmers gegeben?) Lohnnachzahlung über Jahre + Zins Sozialabgaben nicht mehr überwälzbar ( 28g SGB IV: Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. ) Haftung für Lohnsteuer ( 42d EStG) Versorgungsverpflichtung unabhängig von der Entgeltumwandlung. Ausgestaltung des Modells ausschlaggebend. Seite 4
Rechtliche Betrachtung. Wirksamkeitsvoraussetzungen des beschriebenen Opting Out-Modells Gesetzliche Regelung zur Entgeltumwandlung 1a Abs. 1 BetrAVG: Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung (1) Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG: wertgleiche Versorgung erforderlich 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG: keine Abweichung zu Ungunsten des Arbeitnehmers 307, 308 Nr. 5, 310 Abs. 4 S. 2 BGB: keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers in Formulararbeitsverträgen Ratio und Regelungsgehalt des 1a BetrAVG ist ausschlaggebend. Seite 5
Rechtliche Betrachtung. 1a Abs. 1 BetrAVG: Möglichkeit, eine - nicht arbeitgeberfinanzierte - bav durchzusetzen (Schutzzweck der Norm), ist grundsätzlich gegeben, sogar erleichtert Letzte Entscheidung über die Entgeltumwandlung jedenfalls durch klar und eindeutig eingeräumtes Widerspruchsrecht gesichert Verlust des Initiativrechts seit jeher von der Rechtsprechung zugelassen Schutz des nicht initiativen Vertragspartners im Rahmen von Treu und Glauben (hier 305 ff. BGB) 1a Abs. 2 BetrAVG (Ausschluss des Anspruches nach Abs. 1 bei gegebener Entgeltumwandlung): Keine Keine Verschlechterung der Rechtsposition - wie bei sonstiger Ausübung des Rechts auf Entgeltumwandlung auch Abweichung zu Ungunsten des Arbeitnehmers im Sinne von 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG. Seite 6
Rechtliche Betrachtung. Zentrale Frage: Kommt es zu einer wirksamen Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag? Unterlassen des Opting Out Schweigen des Arbeitnehmers als Zustimmung - als Annahme des arbeitgeberseitigen Vertragsangebots Lohnkürzung gegen gleichwertige Versorgung? Vereinbarung zu empfehlen, dass bei Ablehnung zu widersprechen ist Schweigen Zustimmung zum Modell bedeutet Maßstab für die Rechtswirksamkeit: 308 Nr. 5 BGB angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung des Arbeitnehmers besonderer Hinweis des Arbeitgebers bei Beginn der Frist auf die Bedeutung des Schweigens 307 BGB keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers kein Änderungen der wesentlichen Vertragsbestimmungen wie das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Fiktion Seite 7
Markt-Modell der Württembergischen. Automatische Einbeziehung in die Entgeltumwandlung für neue Mitarbeiter und Bestandsmitarbeiter Mit Widerspruchsoption für neue Mitarbeiter (ausdrückliche Zustimmung zur Widerspruchsmöglichkeit bzw. -pflicht und Hinweis, dass Schweigen Zustimmung bedeutet, im Arbeitsvertrag) und Einverständniserklärung für Bestandsmitarbeiter Ausdrücklicher Hinweis auf Wegfall der Versorgung bei Widerspruch Beginn der Umwandlung: ab Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. ab Zustimmung der Bestands-Mitarbeiter Mitarbeiterinformation zum Prozedere zur Wahrnehmung des Widerspruchsrechts, zu den lohnsteuerlichen Auswirkungen (am Beispiel) und zum Ansprechpartner, mit Bezugnahme auf einsehbare Richtlinien der bav In Durchführungswegen des 1a Abs. 1 BetrAVG: Direktversicherung oder Pensionskasse Seite 8
Markt-Modell der Württembergischen. Einheitlicher Umwandlungsbetrag, festgelegt vom Arbeitgeber (bzw. unter Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung) Versorgung mit Mindeststandard, festgelegt vom Arbeitgeber (bzw. unter Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung) einschließlich Versicherungstarif und evtl. Anlagestrategie, insgesamt ausgeführt in den Richtlinien der bav (= Versorgungsordnung bzw. Betriebsvereinbarung enthält auch alle nötigen Informationen zur Auswirkung der Entgeltumwandlung) Beginn der Versorgung zum Monatsersten des Beginnes der Entgeltumwandlung Sämtliche Versicherungsunterlagen in Kopie für den Mitarbeiter ab Beginn Widerspruchsfrist mit Rückwirkung Ablauf bei neuen Mitarbeitern: der nächste 15. nach Ende der Probezeit Ablauf bei Bestands-Mitarbeitern: nach Vorlaufzeit für die Gehaltsabrechnung beim Arbeitgeber-Unternehmens. Beendigung für die Zukunft jederzeit möglich Seite 9
Vorschlag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Ergänzung des 1a Betriebsrentengesetz - BetrAVG (Regelung des Anspruches auf Entgeltumwandlung): Berechtigung des Arbeitgebers, nach Ablauf von drei Monaten nach entsprechender Ankündigung gegenüber dem Arbeitnehmer von dessen künftigen Entgeltansprüchen einen Betrag bis zu einer bestimmten Höhe (bis zu 8 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung) in eine wertgleiche Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung umzuwandeln, sofern der Arbeitnehmer nicht innerhalb der Dreimonatsfrist widerspricht. Gleiche Vorgehensweise für neue und vorhandene Mitarbeiter Seite 10
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